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Denn dieser sah im Tode nur die Zerstörung, nicht aber den Uebergang zu einem verwandelten Leibe. Die Auferstehung Christi ist ein Vorbeweis der Auferstehung des Fleisches am jüngsten Tage, diese ist eine zweite Schöpfung, die auferstandnen Gerechten fallen aber nicht mehr in die Sünde, der Teufel hat über sie keine Gewalt mehr.

Was bleibt ihm also übrig, nachdem er durch die Auferstehung Christi die Altväter verloren? Nichts anders, als wie die Bibel sagt, wie ein brüllender Löwe auf Erden umherzugehen und zu suchen, wen er verschlingen könne. Das Vorrath S. 91) verzeichnet. Die dramatische Erzählung der Bibel hätte wohl ein Schauspiel veranlassen können, aber das Muster der Geduld, das im Job vorgebildet ist, war von Christus übertroffen. Indeffen kann ich ein Beispiel geben, daß die dramatische Einkleidung selbst in Gebetbüchern beibehalten wurde, wo man den Job erwähnte. Ich sehe dafür eine Stelle her aus der S. Georger Handschrift Nr. 36, Vl. 97, zu Karlsruhe, welche Homilien für Klosterfrauen aus dem 13ten Jahrhundert enthält. Es wird zu Anfang darin bemerkt, daß man viel von Jobs Geduld lese, eine Aeußerung, die wohl auch auf andere Schriften als die Bibel geht. Die Stelle lautet also:

Man liset och harte vil von hern Jobis gedultichait. so unsir herre deme tievil gewalt gap, daz er ime kint unde gût nidir slüch, do sprach er: „got der gap mirz, der het mirz öch genomin; geseginet si unsirs Herren name."

Do kam der tievil zu unsirme herren, do sprach unfir herre zime: „wie nu herre tievil, wie gevallet iu min kneht Job ?“

Do sprach der tievil: wie herre, war umbe solt er ungedultich sin, er het doch noch ainen schönen lip."

Do sprach unsir herre: „nu wil ich dir gewalt gen übir finen lip, unde enrure mir abir der sele niht, die wil ich allaine in minir hant han."

Do für der tievil inweck, unde virunrainde in, daz von der schætelun unz an die zehun dehain lit an ime gesunt waz. do waz er noh do also gedultich, daz er nie enhain ungedultich wort gesprach.

Do kam abir der tievil fur unsirn herren. Do sprach unsir herre: ,,wie nu herre tievil, wie gevallet dir min kneht Job ?"

Do sprach der tievil: „wie herre ? hut umbe hut, unde alliz daz der man hat, alde swaz er gelaistin mach, daz ist alliz ain clain dinch umbe dich unde umbe himilriche ze gebinne.“

ist eben der Inhalt des folgenden zweiten Theils, es ist ein Spiel der Welt und des Lebens, worin der Teufel auf seinen Raub ausgeht. Hier hat man nun den Begriff und ein Muster des ernsten Lustspiels, dessen Anlage genauer zu erforschen ist.

Lucifer sigt mit Ketten gebunden in einem Fasse, denn durch die Erlösung ist seine Gewalt beschränkt und das Faß ein Bild der Hölle, in die er gebannt ist. Bemerke man nebenbei die Satire, daß dem Fasse der Boden ausgeschlagen, also der Wein ausgelaufen, d. h. die Seelen aus der Vorhölle entronnen sind. Diese Bedeutung hat das Faß auch im Alsfelder Spiele (Haupt 3, 483. 493). Bei Fichard 3, 139 ist es auch auf der Bühne. Die Franzosen hatten dafür einen künstlichen Drachenschlund (gueule de dragon, Jubinal myst. 1, XLI), wie die Hölle immer abgebildet wurde. So weit war die Maschinerie bei den Teutschen nicht, sie begnügten sich mit einem leeren Fasse, welches gleichsam der Hundsstall des Teufels war. Man begreift aus dieser Vorstellung den Namen Höllenhund, welchen die altteutschen Dichter dem Teufel geben, was man nicht nothwendig vom Cerberus abzuleiten_braucht. *) In dem Selbstgespräche (1042 flg.) wird die Verzweiflung und Zerrissenheit Lucifers geschildert, die abgedrungene Anerkennung, daß Christus Gott sey (1056 flg.), weil er die Vorhölle zerstört, ist dem Lucifer unerträglich, denn aus der Wegführung der Seelen der Altväter muß er einsehen, daß durch die Erlösung Christi nun alle Menschen. zur Seligkeit berufen sind, aus welcher die gefallenen Engel verstoßen wurden. Diese Demüthigung bringt ihn zur Raserei,

*) Wenn es wild hergeht, sagt man: der Teufel ist los, eine Redensart, die in der Vorstellung beruht, daß der Teufel gebunden ist. Sie kommt auch im Mittelalter vor, denn Lambert von Hersfeld fagt von seiner Zeit (PERTZ, monum. hist. Germ. 7, 246): jam enim solutus carcere suo satanas non solum corporali sed et spirituali armatura obpugnabat pacem ecclesiae.

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nicht nur erwacht in ihm aufs neue der Jammer um die verlorne Seligkeit (1069, 1101), sondern auch der Haß und Neid gegen die Menschen. Denn der Mensch, der unter den Engeln steht, hat durch den Sündenfall die Seligkeit nicht verloren, sondern Gott hat sich seiner durch die Erlösung erbarmt und ihn wieder in sein Reich aufgenommen. Aber die Teufel haben durch ihren Sündenfall die Seligkeit auf immer verloren, für sie ist keine Erlösung, keine Begnadigung, ja sie müssen die Demüthigung erfahren, daß der Mensch, das schwächere Geschöpf, das der Teufel vernichten wollte, in die Seligkeit eingehen kann, von welcher die Teufel ausgeschlossen sind. Daher der Ingrimm Lucifers, aber selbst gefesselt schickt er die übrigen Teufel in die Welt aus, daß sie die Menschen aller Stände und Klassen in die Hölle bringen sollen.

Hier beginnt ein komischer Zug doppelter Art. Satan ist die rechte Hand Lucifers, ihm werden die hauptsächlichsten Aufträge gegeben, aus dem Grunde, weil er der klügste sey (1104). Schon im ersten Theile des Schauspiels benahm sich Satan als ein dummer Teufel, seine gerühmte Klugheit muß daher auch im zweiten zu Schanden werden, wie auch' zu Ende des Stückes wirklich geschieht, wodurch das Ganze folgerecht abgerundet und geschlossen wird. Bei dem Auftrage macht er aber schon die einfältige Bemerkung (1114 flg.), es müsse dem Lucifer jede Seele recht seyn, welche die Teufel zur Hölle brächten. Es gab nämlich keine gerechten Patriarchen mehr auf der Welt, also mußte man sich an gewöhnliche Menschen halten. Darüber wird er von Lucifer ausgescholten (1117 flg.), und ihm abermals eine Reihe aller Klassen und Stände aufgezählt, aus welchen er seine Beute holen solle. Dies ist der andere Zug der ernsten Komik, die Satire auf die Sünden und Laster aller Stände.

Mit einer Ermahnung Satans zur Klugheit zerstreuen sich die Teufel in die Welt. Kaum sind sie fort, so ruft sie

Lucifer zurück, aber sie hören ihn nicht und ihm thut der Kopf vom Rufen wehe (1159). Eine leise Andeutung starker Satire. Endlich kommt Satan zurück und fragt, was Lucifer wolle, dieser weiß selbst nicht was, und jener bedauert, daß er durch den frühzeitigen Rückruf an seiner Beute gehindert wurde, wie auch die andern Teufel, welchen Lucifer nicht Zeit gelassen habe, ihren Fang zu machen. Er ist vorerst mit dem zufrieden, was sie schon haben, und ruft sie zurück, um ihnen neue Lehren zu geben.

Dieser Auftritt ist zunächst für die bessere Einrichtung des Stückes angelegt, sonst hätte ein langes Selbstgespräch Lucifers dort stehen müssen, zum Nachtheil der Handlung, da ein solcher Monolog unmittelbar vorher geht. Nebstdem ist aber damit auch die Unruhe des Teufels geschildert, der auf seinen Raub nicht warten kann und fürchtet, ihn zu verlieren.. Wie ist er jegt um jede menschliche Seele froh, nachdem er die gerechten Altväter verloren, und schimpft den Teufel Astrot aus, der hundertmal die Welt durchlaufen und nichts gefangen, weil man ihm keine Zeit gelassen. So weit braucht man nicht zu gehen, meint Lucifer, und schickt sämmtliche Teufel nach Lübeck, mit dem Auftrage, dort ihre Beute zu holen, denn es fänden sich dort Sünder genug, Geistliche und Laien.

Nun tritt die landschaftliche Satire in das Stück ein, die ernste Komik geht aus dem Kreise der Teufel in das menschliche Leben über und wird lokalisirt. Man sieht hier den Anfang der menschlichen Komödie, deren Inhalt aber noch religiös bleibt, während er in den Fastnachtspielen in die gewöhnlichen Lebensverhältnisse übergeht. Himmel und Hölle sind der Inhalt der divina comedia, das menschliche Leben ist ein schwaches Abbild derselben. Die Spöttereien und Mißverhältnisse zwischen Lübeck und Wismar sind als satirischer Zug ebenso diesem Schauspiele einverleibt, als Dante Menschen und Geschichten seiner Zeit in sein Werk verwebte. Jene

Städte hatten sich hauptsächlich Sünden der Gewerbs- und Handelsleute vorzuwerfen, welche denn auch in diesem Stücke aufgeführt werden und anzeigen, in welchen Ständen das Uebel der Zeit seinen Siz hatte *). So kommen vor Bäcker, Schuster, Schneider, Wirthe, Weber, Megger u. s. w., deren Betrügereien dadurch aufgedeckt werden, daß sie vor dem Teufel ihre Sünden bekennen und um Gnade flehen. Eine schneidende Ironie, als wenn der Teufel der Nichter am jüngsten Tage wäre und verzeihen könnte.

Diese Aufzählung der Lübecker Sünder ist zugleich eine Satire auf die Teutschen. Wismar gehörte nämlich zu den wendischen Städten der Hanse, aus diesen holt der Teufel seine Beute nicht, sondern Lucifer sagt zum Satan (1118): verstehst du denn nicht mehr teutsch? glaubst du denn, daß ich wendisch sey? Lucifer redet also teutsch mit den Teufeln und mit den Sündern, ein scharfer Spott, bei welchem die Wenden besser wegkommen als die Teutschen.

Der einzige Teufel Funkeldune kommt ohne Beute zurück und entschuldigt sich, er sey vor Zorn eingeschlafen, weil er Niemand erhaschen konnte; da hätte ihn Lucifer abgerufen. Dieser schilt ihn derb aus und verwünscht seine Trägheit. Auch das ist eine Gegenstellung, nämlich zu dem ungetreuen Knecht im Evangelium, der sein Pfund vergraben. Satan bleibt am längsten aus, worüber Lucifer auf komische Weise besorgt wird. Satan, sagte er, war immer der schlaueste, jezt kommt er so spät, hat er vielleicht die Gicht oder eine andere Sucht? Könnte ich ihm nur das Wasser besehen lassen.

*) Eine St. Blasier Handschrift zu Karlsruhe von 1440 Bl. 200 gibt hierüber folgende Erläuterung: Tria sunt genera hominum , quae fecit deus clericos, milites, laborantes; quartum fecit diabolus, scilicet burgenses usurarios, qui non sunt aliqui istorum Sunt enim burgenses inter homines quasi burdones inter apes. Burdones sunt apes, quae nec mellificant, nec fructificant, sed apibus nocent. Similiter burgenses milites exhereditant, laborantes cruciant, cum ipsi sint otiosi.

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