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muß noch untersucht werden, welche Mundart der Ueberarbeiter gesprochen hat und was dem Abschreiber zur Last fällt. Die Kritik muß sich dabei auf folgende Punkte beschränken. 1) Die Reinheit der Reime ist Regel in jeder Mundart, diese Reinheit beruht zunächst in der Gleichheit der Vokale. Es ist daher zulässig, die Ungleichheit der Vokale zu berichtigen und die abweichende Lesart der Handschrift dabei anzugeben. Was in dieser Hinsicht nicht verbessert werden kann, bleibt als Verderbniß stehen. 2) Die in der Mundart erlaubten Uebergänge in verwandte Consonantreihen werden bei den Reimen nicht verändert. 3) Verdoppelte Consonan= ten dürfen vereinfacht werden, wenn sie auf einfache reimen; man kann überhaupt den einfachen Mitlaut segen, wo er unrichtig verdoppelt ist, oder auch den doppelten stehen lassen, um die Hebung im Verse zu bezeichnen. 4) Außer dem Reime sind die mundartlichen Abweichungen beizubehalten und nur Personen, Numerus und Casus zu verbessern, wo sie offenbare Schreibfehler sind. Durch die Beobachtung dieser Regeln wird die Mischung der Mundarten anschaulich. Wer diese Mischung nicht liebt, dem ist es nicht zu verargen; ich liebe es, sie nicht zu verlegen.

In der Mundart des Ueberarbeiters kommen viele oberrheinische Formen vor, die an das Elsaß, die Ortenau und den Breisgau gemahnen. Er war ein Geistlicher, was nicht nur die lateinischen Verse und Worte verrathen, sondern noch mehr die Ausdrücke, die aus dem Latein entlehnt und auf teutsche Art gebildet sind und häufig vorkommen, 104. 190. 521. 601. 927. 995. 1005. 1374. 1219. 1580. u. v. a.

H. Passionsspiel.

[Erster Tag der Aufführung.]

Fol. 1.

Hie nach volget das register des lidens Ihesu Chrifti unsers behalters zů sprüchen gesezt, in mass das man das der

welt zu gut und andacht woll spillen mag; und sind dis nach benåmpten die hüffer und höff, so man dar zů haben müß. Der gart Marie Magdalene.

Symons huß.

Die appentec.

Der berg, da der tüffel got versücht.

Der tempel.

Die Jüden schul.

Die stat Naym.

Die cristenen huß.

Der zwölfbotten huß.
Cayphas huß.

Herodes huß.
Annas huß.
Pilatus huß.

Der brunn oder cistern.

Laufarus grab.

Der Ölberg.

Die hell.

Das himelrich.

Und ein gemeine burge, dar in man kront, geislet, das nachtmal und ander ding volbringt, den stock, dar1 die gefangen ligen, drüy crùcz, die sul und anders 2. ainen esel.

Item und wen das obgeschriben alles nach finem wåssen 2 zů gericht ist und yederman nach finem stat cleidet, als dan zehindrest im register stat, und man an den plag kompt und man das volk geheit siczen und schwigen, so fahent die engel an mit luter stimm singen dis nachgeschriben:

(I.) Silete, silete, silentium habete.

Und nach diffem gesang so facht die Juden schül ir gesang an zu singen Gamahu formatum etc.

1 Handschr. das. 2 wassen d. i. wesen. vergl. 18. 69.

Und wenn das uff kompt, so gat des proclamaters knecht her für in mittel plages und spricht mit luter stim.

Ir heren, vernement hie [in de']r frist,
was mines heren mainung ist.
der selb gebüt zu aller stund
mir ze tünd uch allen kund,
das ir schwigent durch gottes er,
so werdent ir hören an siner ler,
wie er ich allen wirt verkünden,
da mit ir uch dest bas vor sünden
wissent zehüten2 frú und spat.

dar umb so schwygent, daz ist min rat,
losent im, das ist min bitt,

bruchent wishait, vernunft und sitt,

5

10

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Fol. 2.

15

20

Und nach diffem spruch so gand die zwen hornblaser her für und blasent

zu dritten mal. den stat der proclamator uff und gat enmitten in
blag mit hoflicher berda und spricht.

Almechtiger gott, herre Yhesu Christ,
der ye und ye gewesssen bist,
himel und erde beschaffen hast,
der firmament gegeben glast,

verlich uns wishait, krafft und stür,
schick uns des hailigen gaistes für,

25

1 Das Eingeschlossene fehlt. 2 ze ist gewöhnlich mit dem folgenden Worte zusammen geschrieben, weil es nicht gezählt wird. 3 sachen, vergl. 69. Dieses a für å ist Schreibfehler.

4

berg.

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1 rat. es scheint ihm ein Wort zu fehlen. 3 ir. Ein zu langer Vers. 4 Diese Stelle ist verdorben. 5 Ueber solche Reime siehe altt. Schausp. 3. 4. • Soll dieses hie andeuten, daß solche Stücke oft aufgeführt wurden ?

2 tund. Der folgende Vers hängt nicht mit diesem zusammen,

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schwigend und betrachtent sin bitter sterben,
da durch wir müssen behalten werden.

3

so werdent ir sachen, in furger frist,
wie er durch argen rat und list

und durch die zeichen und götlich ding,
die er an armen liten begieng,*
gefangen und verkouft ist worden

und wie er dar umb ist gestorben,
als ir dick by úwern tagen

glöblich hand hören sagen

60

65

70

75

und das noch hörent zu aller frist.

fol. 3.

hie mit es angefangen ist.

Uff disen Spruch facht die Judenschül aber an zesingen.

Pater noster bigenbicz 2.

(I., 1.) Und nach demselben stat Maria Magdalena uff und mit frölicher berd 5 spricht sy zu irem knecht Joseppo diffen spruch.

Josepe gang, das ist min begir,

heisse Vesse angends komen zu mir
und fine gesellen, well er wil,

so trib ich mit inen der fröden spil

80

I Was hier und 42 Figur heißt, wird oben Bd. 1, 31 Bild genannt.

2 Diese Schreibung wird auch für das Beiwort durchgängig beobachtet. 3 fachen. 4 Der Reim fordert die seltene und bisher zweifelhafte Form ging; s. Grimms Gramm. 1, 945.

5

berg.

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