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diesen Spielen gewisse Personen nicht aufgeführt werden, die man nach anderweitigen Klagen der Zeit darin erwarten sollte, was näher zu erforschen ist.

Schon der Namen Beichtspiegel geht in das Mittelalter zurück. Spiegel heißt in solchen Namen so viel wie Anleitung, also Tugendspiegel Anleitung zur Tugend, Seelenspiegel Anleitung für die Seele zum guten Leben u. dgl. Der Beichtspiegel ist eine Aufzählung der Sünden, welche dem Menschen zur Anleitung dienen soll, sein Gewissen zu erforschen und recht zu beichten. Er ist bestimmt für die Beicht des Einzelnen, daher verschieden von dem allgemeinen Sündenbekenntniß, wie es im Confiteor des Meßgebetes vorkommt. Dergleichen Anleitungen waren seit unserer Bekehrung im ganzen Mittelalter gebräuchlich, Maßmann hat sie in seinen Abschwörungsformeln bis ins zwölfte Jahrhundert gesammelt. Folgendes Beispiel ist aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts und steht in derselben Hs. (Bl. 1-4) des Herrn Generals von Radowig, woraus ich oben die Belehrung über die Todfünden genommen habe (Bd. 1, 324). Die Sprache gehört in das östliche Baiern oder Oesterreich. Das Stück ist für Ordensleute geschrieben, für die aber manches darin nicht paßt, weßhalb ich glaube, daß es eigentlich eine Anleitung für Laien war.

Sowohl in den Beichtspiegeln als in obiger Belehrung wird vom Wucher abgemahnt und über diesen sind die Klagen im Mittelalter häufig, wie schon die kleine Stelle über die wucherischen Stadtbürger beweist, die ich oben (S. 22) mitgetheilt. Namentlich werden die Juden über ihren Wucher in den Schriften des Mittelalters oft getadelt, wofür ich auch unten einen Beleg gebe, aber bis jegt sind mir in keinem alten Schauspiele Juden vorgekommen, die ihres Wuchers wegen darin aufgeführt wären. Dieser sonderbare Umstand beruht nicht auf Schonung, denn die grausamen Judenverfolgungen im Mittelalter beweisen das Gegentheil, sondern

hat andere Gründe, die ich hier erwähnen muß. In den Schauspielen des jüngsten Tages hört jeder Volksunterschied auf, daß also darin unter den Verdammten keine Juden namentlich angeführt werden, liegt in der Natur der Sache und in der Prophezeiung, daß alsdann das Judenthum aufhört. Wohl aber könnten Juden in den Spielen der Auferstehung vorkommen, denn der Teufel, der seine ausgeleerte Hölle wieder füllen will, nimmt dazu nicht nur Christen sondern auch Juden. Aber auch da werden keine Juden genannt. Der Grund ist doppelt: einmal mußten sie wegbleiben, weil in solchen Spielen die Juden des alten Testaments vorkommen, neben welchen die Juden des Mittelalters nicht gut auftreten konnten, ohne die Darstellung zu verwirren. Aus demselben Grunde hat man ja auch Kirchenlehrer, Herolde u. dgl. an die Stelle der Evangelisten gesezt (altt. Schausp. 42 und oben 1, 55). Zweitens blieben die Juden weg, weil sie keine Beicht haben. Die Darstellung der Sünder soll ja, wie oben gezeigt, den Beichtspiegel einprägen, dieß bezieht sich nur auf Christen, dem Zusammenhang der Sache nach konnten also die Juden hier keine Stelle finden. Diesem Schweigen der Schauspiele stehen die Klagen gegenüber, die in andern Schriften jener Zeit vorkommen. Zum Beweise seze ich die Aeusserung einer Predigt her, von der ich zwar nicht weiß, ob sie gehalten wurde, deren Zweck aber doch war, dem Volke verkündet zu werden, wodurch die Aeusserung eben das Gepräge eines öffentlichen Tadels bekommt und das her als Meinung der Zeit zu beachten ist. Sie steht in einer St. blafischen Hs. zu Karlsruhe o. N. vom Jahr 1440 Bl. 170 und lautet also: dominantur in nobis scilicet in rebus temporalibus perfidissimi et iniquissimi Judaei, pessimam usuram sibi a nobis christianis usurpant miserrime. Et nos sumus ita caeci et ita iniqui et inanes, quod nolumus intelligere et aspicere vitam et nequitiam ipsorum, sed potius defenduntur a superioribus fatuis secularibus, scilicet a magistris civium,

scultetis, ministris, advocatis et a consulibus et a talibus, qui pro tunc et nunc regnant et dominantur in hac misera peregrinatione hujus miserrimi seculi, et aestimant, se ipsos fore sapientes, sed sunt insipientes, quia non intelligunt, quod ipsi taliter incidunt perpetuam damnationem. sed ipsi potentes excusant se ipsos coram subditis eorum, dicendo, quia nocent ipsi nobis hic transeuntes tanquam canes et vinculati: ecce ipsi dant nobis in tanto tempore centum vel ducentos aureos, et eo melius possumus aedificare et construere oppidum et civitatem nostram«, et hujusmodi necessitates et consilia. Tunc tales volunt adulare divitibus et potentibus, ut praesenti anno etiam intrent consilium et etiam fiant membra potentium seu regnantium. et respondent illi: "vere domine, bene dicitis.« et vult eum ita placare verbis. Sed ipsi divites et potentes minime curant, quod vicini eorum, scilicet communitas, oppidani vel villani hoc tantum dant scilicet usuram et rapinam, et timendum est de talibus, qui talia faciunt, quod nunquam fiant salvati, quia ipsi ignorare volunt deum et fidem Christi et sustentant tales inimicos nostrae fidei insidiantes, sed libentius accipiunt propinas schmochales, hellküchlin, et hujusmodi ab iniquissimis scilicet Judaeis, et suppeditant (1. supplantant) fidem Christi Ihesu et damnationis sententiam incurrere volunt, scilicet horribilem vocem justi judicis, cum eis dicitur: ite maledicti in ignem aeternum etc.

Nicht nur bezieht sich diese Stelle auf den jüngsten Tag, sondern auch die propinae schmochales, d. i. die Schmustrinkgelder, die Höllenkuchen genannt werden, auf des Teufels Gastmal, das in obigem Schauspiele vorkommt (S. 26). Die Predigt war also in diesen Zügen den Gedanken des Schauspieles nicht fremd, und dennoch konnte dieses, seiner Anlage wegen, den Zweck der Prediger nicht aufnehmen.

In dem Frankfurter Stücke kommen die meisten Judennamen aus dem Mittelalter vor. Ich halte dieses für örtliche Zusäße, da es in Frankfurt wie in den Rheinstädten verhält

nißmäßig viele Juden gab. Die Juden am Oberrhein haben. die Ueberlieferung, welche geschichtlich wahr ist, daß sie in Teutschland zuerst in den Städten Schum sich niedergelassen, d. i. Sch- Speier, U-Worms, M-Mainz, womit auch ihre Denkmäler überein stimmen, denn in Speier ist ein Judengrabstein aus dem eilften Jahrhundert. Die Namen der Juden in dem Frankfurter Spiele sind: Bandir (bei Jubinal 2, 196 heißt er Baudin), Lieberman, Syzekynt (Süßkind), Kalman, Mannes, Salman, Kyrsan, Lauwendin, Gumbrah, Joselin, Machan, Sander (Alexander), Selegman, Sanuwel (Samuel), Michilman, Seckli (Isak). Einige derselben dauern noch als Geschlechtsnamen fort, woraus man sieht, daß sie nicht erfunden, sondern aus der Wirklichkeit genommen sind. Das bestätigen auch Urkunden von Speier aus den Jahren 1341 und 1344, worin die Judennamen Meier, Johelin, Jekelin (Deminutiv von Jakob), Lewe und Gumpreht vorkommen, die zum Theil mit obigen übereinstimmen und nebenbei anzeigen, daß Schauspiele mit solchen Namen in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts zurückgehen können.

Hier folgt nun der Text des Beichtspiegels.

Ich gib mich schuldik unserm herren und meiner frauwen sent Marien und allen gotes heiligen und eu priester an gotis stat, daz ich gesundet han mit willen, mit gedanken, mit worten und mit werken, mit neid und mit hazs, mit uber essen, mit uber trinken, mit liegen und mit trigen, mit hoffart, mit geitikhait. an den zehen boten unsers herren, an meiner veir, an meiner vasten. daz ich got nie liep gewan, az ich zereht solt, und meinen ebencristen nie az liep han gehabt, az mich selber.

Ich gib mich schuldik, daz ich vater und muter nie han liep gehabt und nie geert han, az ich zereht solt, ir nie gedaht han gen got und hinz got, und aller der, die mir empfolhen sein von der heiligen cristenhait, und aller der, di

mir oder meinem orden ie kain gut haben getan mit worten øder mit werken, si sein lebendik oder tot. der hon ich nie gedoht ein meiner andaht mit vasten, mit gebet, und mit allen guten dingen, az ich zereht solt.

Ich gib mich schuldik, daz ich daz almusen nit verbet, az ich zereht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich gesundet hon an den aht heilikhait, daz ich mich dor an niht behalten hon und niht vol broht hon, az ich zereht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich gesundet hon an den siben goben dez heiligen gaistes, daz ich mich dor an niht geubet hon und behalten, und di niht enphangen hon, und der got niht gedanket hon, az ich zereht solt.

Ich gib mich sculdik, daz ich gesundet hon an den sehs werken der parmherzikhait, daz ich mich dor an niht geubet hon, az ich zereht solt, daz ich mich nie erbarmet hon uber arme leut. Ich gib mich sculdik, daz ich di durstigen und di hungerigen nie getrenket und geeft hon, az ich zereht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich di nakkenden nie geclaidet hon, az ich zereht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich die gevangen nie gesehen und geletiget hon, az ich ze reht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich die ellenden nie beherwergt hon, az ich zereht solt. Ich gib mich sculdik, daz ich di toten niht begraben hon, az ich zereht solt. Ich gib mich schuldik, daz ich di sichen und di armen und di betrubeten nie getrost hon mit worten und mit werken und mit ainem guten willen, und ir leiden und ir ungemach nie ze herzen ist gegangen, az ich zereht solt haben geton. Ich gib mich schuldik, daß ich gesundet hon mit meinen funf sinnen: mit meinen augen dikke und ofht mit gelust und mit begirde hon gesehen schoneu dink diser werlt, nu den sconen, wolgestalten menschen, nu sein geberd, nu seineu wort, nu sein wandel, nu die schonen claider, nu daz silber, nu daz golt, nu di gezird und alle ordenunge diser werlt. und als daz schones auf erden ist, daz hon ich gesehen und begert mit gelust meiner leipleichen sinne

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