Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Eine weitere, nicht eben erfreuliche Folge jenes Verhältnisses war die, daß sich Schubert zu überwiegend der Compo sition von Liedern, darunter auch kleinerer Gattung, hingab, anstatt sich mehr in größeren Musikformen zu versuchen, in welchen er, nach einzelnen Erscheinungen darin zu urtheilen, ebenfalls Großes zu leisten berufen war.

Vogl, welchem nach seinem Abtreten von der Bühne eine zweite Periode des Ruhmes als Liedersänger beschieden war, galt zwar für Deutschlands ersten dramatischen Sänger und einzelne seiner Leistungen, wie Orest, Telasco, sein Augenarzt und Jakob Friburg waren mustergiltig; eine gründliche Gesangsschule hatte er aber keineswegs durchgemacht; von eigentlicher Stimmbildung konnte bei ihm keine Rede sein, und er war als Sänger ebenso Naturalist, als Schubert es als Compositeur war. Vogl überlebte das Ende seines Freundes noch um 12 Jahre, und obgleich im Alter schon sehr vorgeschritten, sang er doch noch fort, seine ganze Routine und die leßten Stimmreste zu Hilfe nehmend, dabei einer Affectation und Selbstgefälligkeit sich hingebend, die sich in dem Verhältnisse der Abnahme seiner Stimmmittel zu steigern schienen. Er starb am 20. November 1840, 72 Jahre alt.

Ueber die Art, wie die Lieder Schubert's vorzutragen seien, waren die Ansichten immer sehr verschieden, und werden es bleiben. Zuleßt muß es der Einsicht und dem Geschmacke des Sängers anheimgestellt werden, durch welche Mittel er bei dem Vortrage derselben die größte Wirkung zu erzielen ge denke. Interessant wird es aber immerhin sein, zu vernehmen, daß Schubert, wenn er begleitend am Clavier saß, immer das strengste Zeitmaß hielt, jene Stellen selbstverständlich ausgenom men, an welchen ausdrücklich eine Aenderung darin angegeben

war. So sang denn auch Vogl immer strenge im Tact, wenn er auch in späteren Jahren den Ausdruck im Gesange bis zum Lächerlichen übertrieb. Der beste Beweis dafür, daß Schubert's Lieder durch ihren Melodienreichthum und die denselben beigegebene, meist sinnige und geistvolle Begleitung ihren ganzen Werth in sich selbst tragen, liegt darin, daß mehrere Sänger, welche weder durch tiefe Bildung, noch besondere Gesangskunst hervorragten, einzig und allein dadurch, daß sie die Lieder einfach und natürlich vortrugen, die beste Wirkung erzielten*).

Von Schubert's Compositionen überhaupt und insbesondere auch von seinen Liedern sind auch jezt noch bei weitem nicht alle bekannt und veröffentlicht worden.

Es würde eine zwar mühevolle, aber mit vielem Dank be. grüßte Aufgabe sein, die in verschiedenen Händen befindlichen Originalien oder deren allfällige Abschriften ausfindig zu ma chen, und übersichtlich zusammenzustellen. Abgesehen von dem Interesse, welches so manche dieser noch unbekannten Tonstücke an sich gewährten, wäre dadurch ein weiterer Einblick in die staunenswerthe Fruchtbarkeit und Thätigkeit Schubert's gewonnen.

*) Zu diesen Sängern gehörten Tieze und Luz. Nächst Vogl war es Freiherr v. Schönstein, der, ein Mann von hoher Bildung und feinem Gefühl, und im Besize einer sehr wohlklingenden Tenor-Baritonstimme, für den besten Schubert-Sänger galt. Johann Baptist Jenger und Frau Irene Kiesewetter (verehelichte Bar. Prokesch) pflegten ihn am Clavier zu begleiten. Dr. Theobald Rizy (derzeit Appell. Vicepräsident) trug Schubert'sche Lieder in ausgezeichnetster Weise vor. Staudigl excellirte in einigen derselben. Frl. Henriette Spaun und Dr. Habit dürfen, wenn von dem einfach herzlichen Vortrage Schubert'scher Lieder die Rede ist, nicht übergangen werden; vor allen aber ist Julius Stockhausen zu nennen, dessen edle Auffassung und correcter Vortrag ihm derzeit unter den Schubert-Sängern den ersten Plaß sichern dürften.

Von den aus seiner frühesten Zeit herrührenden Liedern sind die Originale vielfach zersplittert worden, zum Theil ganz verloren gegangen*).

Eine der vollständigsten und werthvollsten Sammlungen seiner gedruckten und ungedruckten Lieder, mit Angabe der Zeit ihrer Entstehung besaß Hofrath Witteczek **) und mit Hilfe dieser, dann der in Händen des Musikalienhändler Spina und Haslinger befindlichen Manuscripte von Kirchen- und Instrumentalmusik, sowie der in dem Nachlasse ***) des Ferdinand Schubert vorgefundenen höchst werthvollen Original-Manuscripte und Copien, -- Opern, Sinfonien und Kirchenmusik enthaltend, ließe sich vielleicht jenes chronologische Verzeichniß der Werke Schubert's herstellen, welches für die Beurtheilung seiner künstlerischen Entwickelung den einzig wahren und festen Anhaltspunkt bieten würde.

Ein ausführliches Verzeichniß der Lieder Schubert's hatte sein Freund und Verehrer Pinterics verfaßt†). Es enthält deren 505, ist aber auch nicht erschöpfend. Die auf den gedruckten Werken befindliche opus - Zahl ist denselben so willkürlich und zufällig beigescht, daß sie da, wo es sich um die Entstehungszeit derselben handelt, gar nicht in Betracht gezogen werden kann.

Auch mehrstimmiger Gesänge hat Schubert eine bedeutende Anzahl componirt. Einige derselben, wie das Duett

*) Mehrere Lieder wurden nach Abschriften, welche Dr. Leopold Sonnleithner davon genommen hatte, gestochen.

**) Dieselbe befindet sich jezt im Besize des Herrn Hofraths Freiherrn v. Spaun, eines intimen Jugendfreundes Schubert's.

***) Derzeit im Besiße des Herrn Dr. Schneider, Neffen des Franz Schubert.

†) Dieses Verzeichniß ist im Besiße der Spina'schen Musikalienhandlung.

zwischen Mignon und dem Harfner, Collin's Licht und Liebe, ein Zweigesang für Tenor und Sopran, die dialogisirten Gesänge in den Ossian'schen Liedern und in Mayrhofer's Antigone und Oedip, welch letztere übrigens auch von einer Stimme vorgetragen zu werden pflegen, lassen sich füglich den Liedern anreihen, und erscheinen auch unter denselben; die übrigen mehrstimmigen Gesänge sind zum Theil rein vocal, zum größeren Theile aber ist ihnen obligate Clavier, oder Guitarre, auch Physharmonika- und Orgelbegleitung beigegeben. Dieselben sind drei, vier, fünf- und achtstimmig, auch doppelchörig und für Männer- und Frauenstimmen allein, überwiegend aber für gemischten Chor mit und ohne Soli's componirt. Zu den rein vocalen gehören die Männerquartette: Jünglingswonne, Liebe, zum Rundetanz, und die Nacht (nach Gedichten von Mathisson), die Flucht von Lappe, Räuberlied, an den Frühling, Fischerlied, der Entfernten, der Wintertag und das bei Enthüllung der Gedenktafel an Schubert's Geburtshause zum ersten Mal gejungene Quartett:,,Es rieselt klar und wehend“ eine herrliche echt Schubert'sche Composition. Diesen rein vocalen Gesängen reihen sich noch an: Die im Jahre 1813 componirten Canons à tre, das Todtengräberlied, Elisium von Schiller (für zwei Tenore und einen Baß), Hölz's Mailied (für zwei Soprane und einen Baß), Chor der Engel aus Faust (componirt im Jahr 1816), Terzett zum Namenstag des Waters (für zwei Tenore und einen Baß), das Abendroth von Kosegarten und Klage um Aly Bey (beide dreistimmig), Gebet von de la Motte Fouqué und der Tanz, Quartette für gemischte Stimmen, der 92. Psalm in hebräischer Sprache (für zwei Baritone, Sopran, Alt und Baß, componirt im Jahre 1828), Lied im Freien von Salis, Männerquartett (componirt im

Juli 1817),,,Wer Lebenslust fühlet," Quartett für zwei So. prane, Tenor und Baß (componirt im Jahr 1818), dann die Chöre: Das Grab, von Salis, Bergknappenlied, Trinklied vor der Schlacht, Schwertlied, Punschlied im Norden zu singen (zweistimmig), Jagdlied von Zacharias Werner, Lüßow's wilde Jagd (componirt 1815), der Morgenstern und Jägerlied von Körner (für zwei Singstimmen oder zwei Waldhörner), Schlacht. gesang von Klopstock (dreistimmig) und der herrliche Doppelchor für Männerstimmen, Schlachtlied von Klopstock (compo. nirt 1827).

Zu jenen mit obligater Clavierbegleitung gehören die bekannten Männerquartette: Das Dörfchen, die Nachtigall, Geist der Liebe, Widerspruch, der Gondelfahrer, im Gegenwärtigen Vergangenes, Nachtgesang im Walde, Frühlingslied, Naturgenuß, Nachtmusik (von Seckendorf), Trinklied aus dem 14. Jahrhundert aus den historischen Antiquitäten von Rittgräff, und der Bootgesang aus W. Scott's Fräulein am See; so. dann die beiden komischen Terzette: Die Advokaten (für zwei Tenore und einen Baß) und der Hochzeitsbraten von Schober (für Sopran, Tenor und Baß); an die Sonne, Quartett für gemischte Stimmen (componirt im Juni 1816), der Schick. falslenker, Gott im Ungewitter, Gott der Weltschöpfer, Hymne an den Unendlichen, und Gott in der Natur, ebenfalls für gemischten Chor; der Psalm,,Gott ist mein Hirt“ für Frauenchor (vierstimmig), Nachthelle und Ständchen für Soli's und Frauenchor; der Mondenschein von Schober, Männerquintett (für zwei Tenore und drei Bässe), Coronach, Todtengesang aus W. Scott's Fräulein am See (für zwei Soprane und einen Alt), Mirjams Siegesgesang für Sopran und Alt-Solo, und gemischten Chor; endlich der achtstimmige Männerchor,,Schlacht

« ZurückWeiter »