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in Anspruch, als die großen Tongemälde,,Die Nacht" oder ,,Loda's Gespenst“.

So wie die Ossianischen Gesänge mit den ersten Accorden mitten hinein in das traurige Nebelland und das dort wogende Schlachtengetümmel versehen, so ist es wieder die Luft der Romantik und mittelalterlichen Ritterthums, die uns aus den Gesängen von W. Scott's,,Fräulein am See," Pirat" und -,,Richard Löwenherz“ entgegenweht.

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Es fehlte ihm eben nie an dem adäquaten Ausdrucke für die fremdartigsten Gegenstände und Situationen, und die Kunst des Rhythmus und der harmonischen Sequenzen ließ ihn ebenso richtig den Ton der Gedichte W. Scott's treffen, als er in den beiden Suleika's die Schwüle und den Duft des sonni gen Orients durchfühlen läßt.

Zu den bekanntesten und reizendsten Liedern Schubert's zählen auch jene, welche in der lezten Zeit seines Lebens entstanden, 14 an der Zahl, von den Verlegern unter dem Titel ,,Schwanengesang" herausgegeben wurden, und unter denen sich Schubert's legte Composition,,die Taubenpost" befindet. Wer kennt nicht die Liebesbotschaft, Kriegers Ahnung, Aufenthalt, Ständchen, Abschied, Atlas, ihr Bild, die Stadt, am Meer, das Fischermädchen, Frühlingssehnsucht, in der Ferne, und der Doppelgänger?*)

Und nun wäre noch der geistlichen Lieder und hundert anderer zu gedenken, wie sie aus dem unerschöpflichen Borne hervorgequollen sind, und wenn auch nicht gleich an Werth, mit

*) Aufenthalt und die Taubenpost wurden in dem, zu Schubert's Todtenfeier am 30. Jänner 1829 abgehaltenen Concerte zum ersten Male öffentlich von Vogl vorgetragen, und mußten auf allgemeines Verlangen wiederholt werden.

unter sogar unbedeutend, immer und überall doch die Aufmerksamkeit und Freude des Kunstfreundes erregen, vielfach aber hohen geistigen Genuß gewähren und lautes Entzücken hervorrufen.

Schubert war eine durch und durch musikalische Natur; von ihm konnte man sagen, daß er nur musikalisch empfand, und auch nur so sich ausdrücken konnte. Allerdings hatte diese Eigenschaft auch ihre Schattenseite. Sie schnitt ihn zu sehr von allem andern geistigen Verkehr ab und stellte ihn dadurch nothwendig auf einen einseitigen Standpunkt. Ihm fehlten jene vermittelnden Wege, durch welche andere Künstler, getragen von erweiterten Weltanschauungen und der Macht höherer Bildung, mit demselben Talente begabt, Größeres leisten würden. Schubert war, wie alle Menschen von Genie, eine naive Natur. Unbekümmert um Lob und Tadel, niemals mit kritischem Blicke sondernd und abrundend, schuf er in seiner Musikseligkeit fort, und wenn er am Abend ruhte, so war es nur, `um des andern Morgens wieder so zu beginnen, als wäre bis dahin nichts geschehen.

Nur so ist es auch erklärlich, daß er neben Vollendetem Halbes und Unfertiges bot, und daß sich in seinen Werken nicht in so unverkennbarer Weise, als dies bei andern Tondichtern der Fall zu sein pflegt, eine stetig und gleichmäßig sich entfaltende Steigerung seines Talentes wahrnehmen läßt. So manche seiner Compositionen, und besonders einige Lieder würden, wenn man den Zeitpunkt ihrer Entstehung in Betracht zieht, hierzu als überraschende Belege dienen.

Eine Folge seiner, aller kritischen Sonde abholden Natur war auch die, daß er sich an die Composition von Gedichten wagte, die für musikalische Behandlung nichts weniger als

geeignet sind. Dahin ist ein Theil der Gedichte Schiller's zu zählen, deren ideale, reflektirende Lyrik dem musikalischen Ausdrucke eher widerstrebt, als ihn begünstigt. Daß Schubert, ohne daran zu scheitern, siegreich durchgedrungen ist, zeugt von seinem staunenswerthen Talente, und erklärt sich eben wieder aus jener Eigenthümlichkeit, die uns seinen Charakter so anziehend macht, alles, auch den sprödesten Stoff musikalisch zu reproduciren *).

In die Classe der nicht zu componirenden Gedichte gehören namentlich auch die großen Schiller'schen Balladen, von welchen Schubert die Bürgschaft, den Taucher, und Ritter Toggen. burg in Musik sezte. Auch diese Poesie ist zu idealistisch und

*) Man nehme z. B. folgendes Gedicht von Schlegel :
Wie deutlich des Mondes Licht

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Und was für ein Lied hat Schubert daraus gemacht!

tendentiös, als daß sie unmittelbar wirken könnte; und wenn auch, wie dies von Schubert kaum anders zu erwarten, einzelne feine und schöne Züge darin vorkommen, so wirkt doch die weitläufige Ausspinnung in die Länge und Breite zulet geradezu ermüdend. Im Gebiet der Ballade hat übrigens seither der Stettiner Carl Löwe so Bedeutendes geleistet, daß ihm darin der Vorrang vor allen anderen Componisten kaum bestritten werden dürfte.

So einzig übrigens und eigenthümlich sich die Lieder Schubert's in ihrer Gesammtheit zu allen anderen musikalischen Erzeugnissen derselben Gattung verhalten, so sind sie doch wieder vielfach von so verschiedenem Charakter, daß eine Eintheilung derselben in gewisse Gruppen sich allerdings vornehmen läßt. Einige derselben, namentlich aus der frühesten Periode, knüpfen noch an die alte Liedform an (Schäfer's Klagelied, Haideröslein, Jäger's Abendlied u. s. w.); in ihnen ist noch das rein lyrische Element vorherrschend. Bald aber tritt scharfe Charakteristik, bewegtes Leben, Steigerung des Gefühles zur Situation hervor. Den lyrischen Gesängen fol. gen die didactischen, diesen die Ossianischen und die Gefänge aus W. Scott, und endlich die antiken. Alle aber, die lehteren nicht ausgenommen, durchweht mehr oder weniger jener Hauch der Romantik, der Schubert's Tongebilden überhaupt eigen ist, und den Schöpfer derselben unter Tausenden heraus erkennen läßt. Vielleicht daß dieses romantische Element der vollendeten plastischen Abrundung der antiken Lieder sogar einigen Abbruch gethan hat; gewiß nicht ihrem Werthe; denn gerade diese lassen Schubert's Genius in seiner ganzen Größe erscheinen. Eigenthümlich ist noch bei Schubert, daß, wenigstens in seinen Liedern, kein Anklingen des Volksthümlichen zu finden ist. Der

Erklärungsgrund hiervon dürfte abermals in seiner staunenswer then Reproductionskraft gelegen sein, die ihn fortan zu künstlerischer Verarbeitung des ihm unterkommenden Stoffes hindrängte.

Schubert's Lieder umfassen für sich eine Welt; kaum eine Schattirung des menschlichen Lebens, die in denselben nicht ihren Ausdruck fände. Liebe und Haß, Freude und Wehmuth, Troß und Ergebung, Sanftmuth und Zorn, alle Gefühle und Leidenschaften, wie sie im Menschen zum Durchbruch kommen, erscheinen darin in wunderbarer vielgestaltiger Abwechslung, und die tiefsten Geheimnisse des menschlichen Herzens drängen sich hier bald in sanstschmeichelnden, dann wieder in erschüt ternden Tönen an das Tageslicht. Neben einzelnen werthlosen Schlacken enthalten sie einen Schacht flimmernden Goldes, und während sie dem Kunstfreunde eine unerschöpfliche Quelle des Genusses sind, werden sie dem producirenden Künstler eine fortdauernde Anregung zu weiterem Schaffen.

Mit Schubert's Gesängen ist der Name Vogl auf's innigste verwoben. Schubert verdankte ihm die rasche Verbreitung derselben in größeren Kreisen und die Anerkennung ihres hohen Werthes; auch fonnte eine, dem Gemeinen im Leben und Kunst so abholde Natur, wie es jene Vogl's war, auf Schubert, der entgegengeseßten Einwirkungen nicht völlig unzugänglich war, nur fördernd einwirken. Die Kehrseite dieses Verhältnisses bestand aber darin, daß Schubert unter Vogl's Einfluß viele Lieder für eine Stimmlage schrieb, die eben selten wieder zu finden ist, während Vogl, dessen Stimme sie vor zugsweise angepaßt waren, gerade dadurch, daß er mit einem tonlos gesprochenen Worte, einem Aufschrei oder Falsetton vor dem eigentlich natürlichen und künstlerisch allein zu rechtfertigen. den Gesange abwich, die gewaltigsten Effecte zu erzielen wußte.

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