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cherlei Art, und wendeten unsere Kanten zur Erheiterung und zum Behagen einander zu. Seine frohe, gemüthliche Sinnlichkeit und mein in sich geschlossenes Wesen traten schärfer hervor und gaben Anlaß, uns mit entsprechenden Namen zu bezeich nen, als spielten wir bestimmte Rollen. Es war leider meine eigene, die ich spielte!"

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Mir war,“ fährt Mayrhofer zum Schlusse fort, „Franz Schubert ein Genius, der mich mit angemessenen Melodien durch das Leben bewegt und ruhig, wandelbar und räthselvoll, düster und licht, wie es ist, treulich geleitet.

,,Anspruchslosigkeit, Milde in Beurtheilung fremder Leistungen, Aufrichtigkeit und (ein zuweilen über die Gränzen der Klugheit hinausgehender) Freimuth charakterisirten ihn auf das liebenswürdigste. Uebrigens konnte man von ihm sagen: Es ging, schien er auch arm an Worten,

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Viel ein und aus durch seines Herzens Pforten.

Geselliger Verkehr war ihm nach vollbrachtem Tagewerk zum Bedürfniß; kein Festmahl, feine Unterhaltung gewährte ihm Genuß, wenn sie nicht durch gemüthlichen Umgang mit den Freunden gewürzt war.

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Die Natur liebte er und erbaute sich an ihr, wie alle guten Menschen. Er war ein zärtlicher Sohn, seinen Geschwistern in Anhänglichkeit und Liebe zugethan, den Freunden ein wahr. hafter Freund, wohlwollend, großherzig, von allen, die ihn näher standen, geschäßt und geliebt; sein Privatleben war, wie es bei jedem echten Künstlergemüth der Fall ist, ehrenvoll und würdig *)."'

*) So beurtheilten ihn andere seiner Zeitgenossen. Schubert war gegen das weibliche Geschlecht gewiß nicht gleichgiltig; die sinnlichen Neigungen traten aber bei ihm bei weitem nicht in dem Grade hervor,

Franz Schubert, der sich beinahe in allen Musikgattungen versuchte, hat im Liede das Vollendetste geschaffen, und ist darin bis zu diesem Tage von keinem Anderen übertroffen worden.

Unter der großen Anzahl von Liedercomponisten, welche nach ihm die Welt mit ihren Geistesproducten überschwemmt haben, sind nur Mendelssohn und Schumann zu nennen, die, musikalische Meister ersten Ranges, auch auf diesem Felde epochemachend gewirkt, und dem Liede, das man bereits für abgeschlossen hielt, wieder neue Bahnen angewiesen haben. Ganz nahe noch liegt die Zeit, wo der Erstere durch die, seinen Compositionen eigenthümliche Abrundung und Glätte der Form, durch den Dufthauch, der seine feinen ätherischen Tongebilde umgab, und durch das Hineinziehen volksthümlicher Elemente in das Kunstwerk, die musikalische Welt zu lautem Entzücken hinriß, und im Liede die unbestrittene Alleinherrschaft behauptete, bis ihm in diesen lezten Tagen von Robert Schumann. das Scepter entwunden wurde, der, wenn auch hie und da an Mendelssohn sich anlehnend, dann wieder zu vollster Selbstständigkeit sich aufraffend, und so recht aus dem Innersten herausbildend, gerade im Lied eine neue Welt erschlossen, und tiefer und fantasiereicher als sein Vorgänger, eine gewisse Geistesverwandtschaft mit Schubert nicht verläugnet.

Sind nun auch die Leistungen dieser beiden Männer im Liederfache groß und von unbestrittenem Werthe, verdanken wir denselben neue Formen und Ausdrucksweisen, und tragen ihre

als dies sonst bei Menschen von so lebhafter. Fantasie der Fall zu sein pflegt. Ueber dauernde Liebschaften ist nichts bekannt geworden, und nur für eine hochgestellte Dame, welcher die F-Moll Fantasie gewidmet ist, scheint er während seines Aufenthaltes in Zeléz ernstlich geglüht zu haben.

Werke auch in diesem Zweige der Musik allenthalben das Gepräge jener hohen Welt- und Geistesbildung, wie sie ihnen thatsächlich eigen war, so zögern wir doch keinen Augenblick, Franz Schubert als demjenigen, welchem bei tiefster Empfin dung, mächtigster Fantasie und wunderbarer musikalischer Erfassung des Gedankens, auch noch eine Fülle von Melodien, wie keinem Anderen zu Gebote stand, im Liede noch immer die Palme zuzuerkennen.

Bei einer im Jahre 1820 vorgenommenen Durchmusterung seiner Lieder fanden sich deren bereits über 500 vor, zu welchen in den folgenden acht Jahren mindestens noch weitere 100 hinzu. gekommen sein mögen. Eine große Anzahl von deutschen, und mehrere fremdländische Dichter lieferten dazu ihr größeres oder fleineres Contingent von Gedichten, und ragt unter den Ersteren Goethe als derjenige hervor, dessen Lieder, abgesehen von ihrem inneren Werthe, auch der Zahl nach unter den von Schubert in Musik gesetzten den ersten Platz einnehmen.

Sowie vor ihm Beethoven, nach ihm Mendelssohn und Schumann, war auch Schubert mit besonderer Vorliebe an die Composition Goethe'scher *) Gedichte gegangen, von welchen er mehr, als ein halbes Hundert in Musik gesezt hat.

Der Erlkönig begründete seinen Ruf in weiten Kreisen, und bahnte den folgenden Werken die Bahn; die Gefänge aus Wilhelm Meister aber, und jene aus dem westöstlichen Divan,

*) Im Jahr 1819 sendete Schubert an Goethe ein geschriebenes Heft seiner Compositionen Goethe'scher Gedichte mit einem ehrfurchtsvollen Begleitschreiben, ohne daß jemals eine Antwort darauf erfolgt wäre. Der Altmeister verstand sich bekanntlich wenig auf Musik, und erhielt von so vielen Seiten Zuschriften, daß die Nichtbeachtung eines ihm persönlich ganz unbekannten Menschen immerhin wenigstens erklärlich erscheint.

Ganymed, an Schwager Kronos, trostlose Liebe, Willkommen und Abschied, Gränzen der Menschheit, und mehrere andere zählen zu dem schönsten, was Schubert im Liede geschaffen hat *).

Auch Schiller ist mit zwanzig und einigen Gedichten vertreten, darunter mit den umfangreichen Balladen:,,Die Bürg schaft,“ „der Taucher“ und „Ritter Toggenburg,“ deren Com. position, sowie jene von: Elysium, Emma, und noch anderer Gedichte durchweg einer früheren Periode angehört. Hektor's Abschied, des Mädchens Klage, Gruppe aus dem Tartarus, Thekla eine Geisterstimme, Dythirambe und der Kampf, wohl. bekannte und viel gejungene Lieder reihen sich den früher erwähnten würdig an **).

*) An diese reihen sich noch die Lieder: Heidenröslein, Nähe der Geliebten, Erster Verlust, der Fischer, Jägers Abendlied, Meeresstille, Wanderers Nachtlied, Geheimes, Schäfers Klagelied, der Musensohn, auf dem See, Geistesgruß, Wonne der Wehmuth, Tischlied, Trost in Thränen, Clärchens Lied aus Egmont, Sehnsucht, Verjunken, Prometheus, Wer kauft Liebesgötter, der Goldschmiedgesell, an den Mond, Nachtgesang, die Liebende schreibt, Bundeslied, an die Entfernte, Mahomeds Gesang, die Scenen aus Faust und die Balladen: der Sänger, der Rattenfänger, die Spinnerin, der König in Thule, der Gott und die Bajadere, ferner das Männerquartett:,,Im Gegenwärtigen Vergangenes."

**) Thekla, eine Geisterstimme, wurde bereits im Jahre 1813, Emma im Jahre 1814, Hektors Abschied, des Mädchens Klage und der Kampf im Jahr 1815 componirt. Von Schiller's Gedichten sind noch in Musik gesezt: An die Freude, und die Erwartung (1815). Der Alpenjäger (1817), die Sehnsucht, der Pilgrim, Nacht und Träume, die Hoff. nung, der Jüngling am Bache, die vier Weltalter, Laura am Clavier, Entzückung an Laura, die Schlacht, Amalie, an den Frühling, das Geheimniß, die Götter Griechenlands, der Flüchtling, und die,,Hymne an den Unendlichen," lettere für gemischten Chor.

Zwischen das Goethe-Schiller'sche Doppelgestirn hat sich, tvenn man von Wilhelm Müller's beiden Liederkreisen,,,die schöne Müllerin' und,,die Winterreise," zusammen 44 Ge sangsstücke enthaltend, absicht, der vieljährige Freund und Zimmergenosse Schubert's, der Dichter Mayrhofer, mit einer Anzahl von beiläufig 30 Gedichten hineingeschoben, so daß er in dieser Beziehung den nächsten Plaß nach Goethe einnimmt. Vom fünstlerischen Standpunkte aus kann man sich nur freuen, daß Schubert durch seines Freundes Gedichte ganz be sonders angeregt wurde, wie denn auch Mayrhofer, der von seinem,,Memnon" sagte, er kläre sich erst in Schubert's Tönen auf, durch dieses wechselseitig sich ergänzende Streben zu poetischer Thätigkeit aufgefordert, und selbst zu dramatischen Versuchen veranlaßt wurde. Er schrieb nämlich zwei Opern:,,Die Freunde von Salamanca," welche Schubert componirte, und eine zweite: Adrast," die sich in seinem Nachlasse vorgefunden hat.

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Die außerordentliche Begabung Schubert's, für jedweden. ihm dargebotenen Vorwurf auch den rechten Ton anzuschlagen, und sogleich den innersten Kern der Sache zu treffen, hat sich gerade bei der Composition der Gedichte Mayrhofer's auf das glänzendste bewährt, die, mehr reflectirender Art, ganz anders behandelt, und zu musikalischem Ausdrucke gebracht sein wollten, als dies mit den, in überwiegend lyrischem Charakter gehaltenen Dichtungen bis dahin der Fall war. Man könnte die ersteren, sowie auch die Ossianischen Gesänge, Lieder im höheren Style nennen, was sie auch in der That sind, und wenn es auch hier wieder Beethoven war, der durch einige seiner Lieder, namentlich durch den Liederkreis „an die entfernte Geliebte“ auf höheres Erfassen dieser Musikform und Erweiterung der

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