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Anders war es, wenn er sich durch keine Fesseln der Convenienz beengt sah; da löste sich seine Zunge zu heiterer Gesprächigkeit, es fehlte ihm dabei nicht an Wiß und launigen Einfällen, und wenn er schon selbst stiller blieb, so nahm er doch Theil an der Lust der Andern. Laute Fröh lichkeit war ihm übrigens fremd, und sein Lachen bestand nur in einem etwas heiseren gepreßten Kichern.

Obwohl er selbst nicht tanzte, besuchte er doch zuweilen die Hausbälle vertrauterer Familienkreise, stets bereit, sich zum Clavier zu sehen, wo er dann stundenlang die schönste Tanzmusik improvisirte. Jene Stücke, die ihm gefielen, wiederholte er, um sie im Gedächtnisse zu behalten, und sofort aufzuschreiben.

Die Theater besuchte er selten; die Abende, an welchen er nicht eingeladen war, pflegte er mit seinen Freunden, die übrigens zum geringsten Theil aus Musikern bestanden, im Gasthause zuzubringen, und da mag wohl die hora legalis zuweilen überschritten, vielleicht auch ein Gläschen zu viel getrunken worden sein).

um ihn bekümmert hätte, und die Hausfrau endlich selbst zu ihm hintrat, um ihm, als dem Verfasser derselben, einige schöne Worte zu sagen und zugleich das Benehmen ihrer Gäste zu entschuldigen, antwortete er der Fürstin, sie möge sich nicht bemühen; er sei das schon gewohnt, und fühle sich so weniger genirt.

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*) Was von Schubert's Trunksucht erzählt wird, ist, wenn nicht reine Erfindung, so doch gewiß im höchsten Grade übertrieben. Man weiß, was es mit derlei Nachreden für ein Bewandtniß hat, und daß sich die Trunksucht“ gewöhnlich auf ein paar Excesse, wie sie jeder, noch so brave Mann, begehen kann, zurückführen läßt. Schindler tritt der Anschuldigung, als habe Sch. unordentlich gelebt, mit dem Hinweise auf die ungeheure Anzahl der von ihm hinterlassenen Werke entgegen, welche ein Mensch, der seine Zeit nicht gehörig ausnüßt, nimmer

Hand in Hand mit seiner Bescheidenheit ging auch die Achtung, die er für die musikalischen Leistungen Anderer, selbst im Liedersache, das er doch, wie keiner vor und nach ihm beherrscht hat, hegte.

In jungen Jahren hatte er sich besonders an Zumsteg's Lieder gehalten, von welchen ihm Kolmal, Maria Stuart, die Erwartung und der stille Toggenburg lebhaftes Interesse einflößten; auch an Kreuzer's Wanderliedern fand er so großes Gefallen, daß er einigen Schmeichlern, die daran mäkeln wollten, erklärte, sic gefielen ihm sehr und er wünschte sie componirt zu haben.

Die italienische Oper, deren glänzendste Zeit er mit erlebte, dürfte mit ihren zwar melodischen, aber jeder tiefern Empfindung baren Weisen nur geringe Anziehungskraft auf ihn ausgeübt haben; er war übrigens ein Bewunderer des Lablache, und Rossini's Barbier von Sevilla, der noch Niemanden mißfallen hat, gefiel auch ihm; auch interessirten ihn einige Stücke aus Othello.

Es ist bekannt, daß Schubert die größere Zeit seines Lebens hindurch sich keineswegs in behaglichen, und nicht selten in drückenden äußeren Verhältnissen befunden hat.

Unerfahren in den Erwerbsgeschäften des Lebens, und gar nicht dazu angethan, seine Leistungen auch nur annähernd um jenen Preis zu verwerthen, den sie vermöge ihres inneren Gehaltes verdienten, fand er nicht, wie so viele andere die Mittel, von dem Ertrage seiner Arbeit sich eine, wenn auch bescheidene Existenz zu gründen. Und doch standen ihm Freunde mehr zu Stande bringen würde. Sch. liebte übrigens guten Wein, und oft ein Glas mehr, als nöthig war. Da wurde er dann aufbrausend und für die Umgebung unangenehm.

zur Seite, immerdar bereit, ihn mit Rath und That zu unterstüßen. Diese waren es auch, welche der durchgreifende Erfolg des Erlkönig bewog, das Lied auf eigene Rechnung stechen zu lassen, und da die erste Auflage bald vergriffen war, so hatte Schubert die Genugthuung, aus dieser Composition einen nicht unerheblichen Gewinn zu ziehen *).

*) In dem Hause des kunstsinnigen Dr. Ignaz v. Sonnleithner (Advokaten, Professors und kaiserlichen Rathes) in Wien, wurde in einer der musikalischen Abendunterhaltungen, welche daselbst während des Winters jede zweite Woche statthatten, die Aufmerksamkeit der immer sehr za' lreich versammelten Künstler und Kunstfreunde zuerst auf den Erlkönig gelenkt, nachdem ihn eben August Ritter v. Gymnich (Staatsbeamter und Gesangsdilettant) mit dem entschiedendsten Beifalle vorgetragen hatte. Dies geschah am 1. December 1820; ähnlichen Erfolg hatten „der Wanderer,,,Gretchen am Spinurade" und,,der Jüngling auf dem Hügel," die in den nächstfolgenden Monaten des Jahres 1821 ebenfalls vor einer großen Anzahl von Zuhörern vorgetragen wurden. Am 30. März 1821 wurde ebendaselbst Schubert's großartiges Werk:,,Gesang der Geister über den Wassern" von acht Sängern (darunter der bekannte Sänger Barth und der noch lebende kaiserl. Rath Nejebse) zur Aufführung gebracht. Von Schubert's vielen Liedern war noch keines im Druck erschienen. Dr. Leopold v. Sonnleithner, einer der ersten, welche auf ihre Vortrefflichkeit aufmerksam gemacht hatten, unternahm es im Vereine mit Josef Hüttenbrenner, einem persönlichen Freunde Schubert's, für dessen Werke cinen Verleger zu suchen. Als aber sowohl Diabelli als Haslinger (selbst ohne Honorar) die Herausgabe mit dem Bemerken ablehnten, daß sie sich wegen Unbekanntheit des Compositeurs und der Schwierigkeit der Clavierbegleitung keinen Erfolg davon versprechen könn. ten, wurden von den eben genannten beiden Kunstfreunden, im Vereine mit noch zwei Männern, welche sich ebenfalls für Schubert interessirten, die Kosten für das erste Heft zusammengelegt, und im Februar 1821 erschien der Erlkönig" im Stich. Als Dr. Ignaz v. Sonnleithner in der · Abendgesellschaft seinen Gästen verkündete, daß dieses Lied nunmehr im Stiche erschienen jei, wurde von den Anwesenden sogleich auf hundert Exemplare pränumerirt, und damit waren auch die Kosten des zweiten Heftes

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Der Dichter Mayrhofer, welcher mehrere Jahre hindurch mit Schubert zusammengewohnt hatte, ließ sich bald nach des. sen Tod über seine Lebensverhältnisse und seinen Charakter fol. gendermaßen vernehmen:

,,Dem jugendlichen, strebenden, in Melodien lebenden Freunde fiel das zeitraubende mühsame meist undankbare Loos (eines Lehrgehilfen) schwer.

,,Ich glaube, daß daher der Widerwille stammte, den er späterhin gegen die Ertheilung musikalischer Lectionen äußerte. Die Tonkunst, und die Theilnahme einiger Freunde mögen in der gedrückten Lage ihn getröstet und aufgerichtet haben. Im Jahr 1819 glaub ich gelangte er zu mehr Freiheit und Behag. lichkeit des Daseins, wozu vieles ein Mann beitrug, welcher sein zweiter Vater zu nennen; er hat nicht nur materiell für Schubert gesorgt, sondern ihn auch geistig und künstlerisch in Wahrheit gefördert.

gedeckt. Auf diese Weise wurden die ersten 12 Hefte für eigene Rechnung gestochen, und bei Diabelli in Commission verkauft. Von dem reichlichen Erlöse wurden Schubert's hie und da auftauchende Rückstände getilgt, und ihm selbst noch ein erheblicher Geldbetrag in die Hand gegeben. Damit aväre nun für seine materielle Existenz eine solide Grundlage gelegt geavesen, und er hätte auf diese Weise von seinen massenhaft erscheinenden Werken großen Vortheil ziehen können. Da erbot sich Diabelli, ihm für die Platten und das Verlagsrecht der ersten 12 Hefte 800 fl. C. M. zu bezahlen, und Schubert, zu schwach, dieser Lockung zu widerstehen, nahm ohne Wissen der um ihn besorgten Freunde diesen Antrag an, verlor damit seine Unabhängigkeit für immer und brachte sich um alle. Vortheile, die ihm erwachsen sein würden, wenn er Eigenthümer seiner Werke geblieben wäre. Seine Freunde bedauerten diesen leichtsinnigen Schritt, ohne deßwegen aufzuhören, sich seiner mit gleicher Wärme, wie bisher anzunehmen.

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Sein Erlkönig erschien. Diese Composition erregte nicht nur allgemeine Bewunderung, sondern fand auch starken Absaz. Wenn ich erwäge, wie nachmals meinem armen Freunde Krankheit und Geldverlegenheiten zuseßten, fällt mir immer bei, daß er vorzüglich in zwei Dingen gefehlt hat, die seine finanzielle Lage und äußere Selbstständigkeit hätten begründen können. Er veräußerte unbedachtsamer Weise, gegen einen wohlwollend entworfenen Plan, das Eigenthum auf diese und nachfolgende Arbeiten und vernachlässigte eine günstige Constellation zur Erlangung einer, mit Gehalt verbundenen musikalischen Anstellung. Genußliebe, verstärkt durch frühere Entbehrungen und Unkenntniß der Welt und ihrer Verhältnisse dürften ihn zu solchen Mißgriffen verleitet haben.

,,In jener Zeit, als er Lehrerdienste verjah, hatte er in sei nes Vaters Wohnung in einer engen Stube ein elendes Clavier stehen.

,,Wie oft hab' ich ihn da aufgesucht! mit welcher Empfindung betrat ich im November 1829, am Tage, da das Requiem für den Verewigten gehalten ward, wieder dieses Haus! Der Strom der Verhältnisse und der Gesellschaft, Krankheit und geänderte Anschauung des Lebens hatten uns später auseinander gehalten; aber was einmal war, ließ sich sein Recht nicht mehr nehmen. Oft hatte ich Schubert's würdigen Vater über das Fortkommen des Sohnes zu trösten, und ich wagte zu prophezeihen, daß Franz gewiß durchdringen, ja daß eine spätere Welt ihm den Antheil nachtragen würde, der ihm Anfangs nur langsam ward. Während unseres Zusammenwohnens konnte es nicht fehlen, daß Eigenheiten sich kundgaben ; nun waren wir jeder in dieser Beziehung reichlich bedacht und die Folgen blieben nicht aus. Wir neckten einander auf man

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