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Obwohl Schubert namentlich in späteren Jahren, als seine Leistungen sich einer fortan wachsenden Anerkennung zu erfreuen hatten, von dem Bewußtsein seines Werthes erfüllt war, wie dies kaum anders sein konnte, so war und blieb er doch bis an sein Lebensende immer höchst bescheiden. Als er, ein Knabe noch, nach dem Vortrage einiger kleiner, von ihm über Gedichte von Klopstock componirter Lieder einen Freund, der diese eben angehört hatte, fragte, ob er wohl glaube, daß jemals etwas aus ihm werden könne, und dieser ihm erwiderte, er sei jezt schon etwas Tüchtiges, meinte Schubert:,,Zuweilen glaube ich es wohl selbst im Stillen. Wer vermag aber nach Beethoven noch etwas zu machen?“

Für diesen hegte er schon in jungen Jahren die höchste Ehrfurcht, und zu wiederholten Malen ließ er sich im Convicte von einer Production erzählen, zu welcher, ein paar Monate vor seinem Eintritt in dasselbe, das Orchester nach Schönbrunn beordert worden war, und wobei Beethoven und Täuber, der Musikmeister des Erzherzogs Rudolf gegenwärtig waren. In der Folge hat er Beethoven öfters gesehen, ohne daß sich zwischen diesem und ihm ein vertrauteres Verhältniß herausgebil det hätte, was auch bei Beethoven's Unzugänglichkeit nicht Wunder nehmen kann.

Der große Meister scheint übrigens erst in der letzten Zeit seines Lebens die Compositionen Schubert's näher kennen gelernt zu haben, und so wie Jean Paul, der sich durch Schu bert's Genius im hohen Grad angezogen fühlte, nach der in seinen lezten Lebensjahren eingetretenen Erblindung in Schubert's Liedern Trost fand, und noch wenige Stunden vor seinem Tode den Erlkönig zu hören verlangte, so beschäftigte sich auch Beethoven in den letzten Lebenstagen mit Schubert'schen Liedern, die ihm bis dahin fast gänzlich unbekannt geblieben waren.

A. Schindler, der bekannte treuausharrende Freund und Biograf Beethoven's, erzählt darüber Folgendes :

,,Da die Krankheit, der Beethoven nach viermonatlichem Leiden endlich doch erlag, ihm vom Anbeginne derselben die gewohnte Geistesthätigkeit unmöglich machte, so mußte man an eine Zerstreuung für ihn denken, die seinem Geiste und seiner Neigung entsprach. So kam es auch, daß ich ihm eine Sammlung von Schubert'schen Liedern und Gesängen, ungefähr 60 an der Zahl, und darunter viele damals noch im Manuscripte, vorlegte. Dies geschah nicht allein in der Absicht ihm eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, sondern ihm auch Gelegenheit zu geben, Schubert in seiner Wesenheit kennen zu lernen, um eine günstigere Meinung von seinem Talente zu bekommen, welches ihm von jenen Exaltirten, die es wohl auch mit andern Zeitgenossen so hielten, verdächtig gemacht wurde. Der große Meister, der früher nicht fünf Lieder von Schubert kannte, staunte über die Zahl derselben, und wollte gar nicht glauben, daß Schubert bis zu jener Zeit (Februar 1827) deren bereits über 500 geschrieben hatte. Aber staunte er schon über die Zahl, so gerieth er in die höchste Verwunderung, als er ihren Inhalt kennen lernte. Mehrere Tage hindurch konnte er sich gar nicht davon trennen, und stundenlang verweilte er täglich bei „Iphigenia's Monolog, den Gränzen der Menschheit, der Allmacht, der jungen Nonne, Viola, den Müller - Liedern“ und andern mehr. Mit freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: „Wahrlich, in dem Schubert wohnt ein göttlicher Funke.“ ,,Hätte ich dies Gedicht gehabt, ich hätte es auch in Musik gesezt!" So bei den meisten Gedichten, deren Stoff, Inhalt, und originelle Bearbeitung von Seite Schubert's er nicht

genug loben konnte. Eben so konnte er nicht begreifen, wie Schubert Muße hatte,,,sich über so lange Dichtungen zu machen, wovon manche zehn andere enthält," wie er sich aus. drückte. Er wollte damit sagen, Dichtungen, die so lange sind, als zehn andere zusammen; und solcher Gesänge im großen Styl hat Schubert allein an hundert geliefert, die keineswegs blos lyrischen Charakters sind, sondern die weitausgesponnensten Balladen und dialogisirte Scenen enthalten, die, indem sie dramatisch bearbeitet sind, in der Oper selbst am Plage wären, und ihre Wirkung auch dort nicht verfehlen würden. Was hätte wohl der große Meister gesagt, wenn er z. B. die Ossianischen Gesänge, die Bürgschaft, Elysium, den Taucher und andere große, die nun kürzlich erst erschienen sind, zu Gesicht bekommen hätte?

Kurz, die Achtung, die Beethoven für Schubert's Talent bekam, war so groß, daß er nun auch seine Opern und Clavierwerke sehen wollte; allein seine Krankheit nahm bereits in dem Grade zu, daß er diesen Wunsch nicht mehr befriedigen konnte. Doch sprach er noch oft von Schubert und prophezeihte:,,daß dieser noch viel Aufsehen in der Welt machen werde," so wie er auch bedauerte, ihn nicht früher schon kennen gelernt zu haben."

Kannte Beethoven Schubert's musikalische Leistungen nur zu geringem Theile, so war dieser mit Beethoven's Werken um so vertrauter; Anklänge an den großen Meister finden sich in vielen seiner bedeutenderen Compositionen, und auch er zehrte, wie so viele andere von den Schäßen des Gewaltigen.

Diese Verwandtschaft tritt besonders in den Clavier- und übrigen Instrumentalsachen Schubert's hervor, doch ohne daß dadurch seiner Originalität der mindeste Abbruch geschähe; da aber das Zarte, Fantasiereiche und Schwärmerische, der Zauber

der Melodien und der Ausdruck blühenden Lebens so recht das Element bilden, in welchem sich Schubert bewegte, so liegt auch wieder in dem Vorherrschen dieser Eigenschaften der Grund, daß wir zuweilen das strenge Maßhalten, den großartigen Ernst und Kunstverstand, die erschütternde Gewalt und Energie des Ausdrucks, und jene zusammengefaßte Kraft vermissen, die uns Beethoven so gigantisch allüberragend erschcinen lassen *).

Der Jubel seiner Freunde, und der fortan steigende Beifall des großen Publikums, welcher andere berauscht und zur Selbstüberhebung getrieben hätte, brachte ihn nicht außer Fassung, und die ehrende Anerkennung, die ihm von vielen, durch Rang, Geist und eigene Künstlerschaft ausgezeichneten Personen zu Theil wurde, ließ ihn ein strenges Maß von

*) Schubert, schreibt sein glühender Verehrer, Robert Schumann, bei Gelegenheit seiner Besprechung der leßten (ihm gewidmeten) Clavier. sonaten, Schubert wird immer der Liebling der Jugend bleiben; er zeigt, was sie will, ein überströmend Herz, kühne Gedanken, rasche That; erzählt ihr, was sie am meisten liebt, von romantischen Geschichten, Mädchen und Abenteuern, auch Wiß und Humor mischt er bei; aber nicht so viel, daß dadurch die weichere Grundstimmung getrübt würde. Dabei beflügelt er des Spielers eigene Fantasie, wie außer Beethoven kein anderer Componist. Anklänge an diesen finden sich allenthalben, aber auch ohne ihn wäre Schubert kein anderer geworden; seine Eigenthümlichkeit würde vielleicht nur später durchgebrochen sein. Gegen Beethoven gehalten, ist Schubert ein Mädchen - Charakter, bei weitem geschwäßiger, weicher und breiter; gegen jenen ein Kind, das sorglos unter Riesen spielt. 3war bringt auch er seine Kraftstellen, bietet auch er Massen auf, doch verhält es sich immer wie Weib zum Mann, der befiehlt, wo jenes bittet und überredet; dies alles aber nur im Vergleich zu Beethoven; gegen andere ist er noch Mann genug, ja der kühnste und freigiebigste der neueren Musiker.

Selbstgefühl nicht überschreiten. Unter den musikalischen Künstlern, welche an Schubert regen Antheil nahmen, finden wir C. M. Weber, Hummel und den Sänger Lablache, welch leg. terem Schubert drei italienische Gesänge dedicirte. Mit Theodor Körner, welcher sich in den Jahren 1811-1813 in Wien aufhielt, war er gerade um jene Zeit, als es ihn trieb, sich ausschließlich der Kunst zu weihen, zusammengetroffen, und dieser ermangelte nicht, ihn in seinem Entschlusse zu bestärken.

Schubert wurde häufig in musikalische Kreise*) gezogen, und da geschah es denn zuweilen, daß, während der ausübende Künstler mit Lobsprüchen überhäuft wurde, Niemand des kleinen Mannes gedachte, der, am Clavier sizend, die selbstge schaffenen Lieder mit seelenvollem Spiele begleitete, über welche Vernachlässigung sich übrigens der anspruchslose Künstler um so mehr hinwegsehen zu müssen glaubte, als ja der Beifall, womit seine Composition aufgenommen wurde, zulezt auch ihm galt.

In derlei Kreisen, besonders aber in eleganteren, die er nur betrat, um aus Gefälligkeit seine Lieder zu begleiten, war Schubert schüchtern und wortkarg. Während er am Clavier saß, machte er das ernsthafteste Gesicht, und zog sich, wenn er fertig war, sogleich in ein Nebenzimmer zurück. Unbekümmert um Lob und Beifall, wich er den Complimenten aus, und war zufrieden, wenn ihm seine Freunde ihren Beifall bezeugten **).

*) In einer dieser musikalischen Gesellschaften supplirte einmal Lablache den zweiten Baß im Gondelfahrer; Hummel fantasirte in einer Soiree bei Frau v. Lassung zu Schubert's großer Freude über das Lied:,,Der blinde Knabe," nachdem es Vogl eben gesungen hatte.

**) Als in dem Hause der Fürstin K- in einer Gesellschaft einige seiner Lieder gesungen worden waren, ohne daß sich jemand

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