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Instrumental-Compositionen gehören, die vielseitige Wirksamkeit des Künstlers kennen und würdigen lernte, und so in Stand gesezt wurde, sich ein Bild von dem ganzen Manne zu machen.

Wer die bedeutendsten Werke Schubert's wohl in sich auf-. genommen hat, wird sich ohne Besinnen sagen müssen, daß ihm wenigstens in Einer Beziehung ein Meister ersten Ranges gegenüberstehe.

Franz Schubert gehört jener stattlichen Reihe von Tondich. tern an, mit welchen die deutsche Nation, und nur diese vermöge der ihr innewohnenden Tiefe und Universalität des Geistes, seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bis in diese Tage herein, die Welt zu beschenken nicht geruht hat, und von welchen jeder Einzelne in Einem Zweige der verschiedenen Musikgattungen so Hervorragendes geleistet hat, daß seine Schöpfungen durch jene der Uebrigen auf demselben Gebiete nicht ersezt werden würden.

In Händel's Werken, und in jenen von Vach, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Weber, Mendelssohu und Schumann finden sich alle bisher bekannt gewordenen Musikgattungen, das Lied nicht ausgenommen, in herrlicher Weise vertreten; während aber diese die verschiedenen Arten der sogenannten geistlichen Musik, dann die Oper, die Sinfonie u. s. w. auf den Gipfel der Schönheit und Erhabenheit führten, war es Franz Schubert beschieden, in dem verhältnißmäßig kleineren Rahmen des Liedes sie alle zu überragen, und deutschem Gemüths- und Geistesleben in seinen zahllosen wunderbaren Schattirungen von der heiter hüpfenden Weise des Musensohns, und der Idylle der Müllerlieder, bis zu dem düsteren Klageton des Leyermannes und den Ossianischen Schlacht und Nebelbildern vollendeten Ausdruck zu verleihen.

Im Liede wurde er der Mittelpunkt für die gesammte neuere Entwicklung dieser Musikgattung, die denn auch durch ihn ihren ersten Culminationspunkt erreichte.

Während auf dem vorausgegangenen älteren Standpunkte gewöhnlich nur die in dem Gedichte enthaltene Gesammtstimmung ohne aller Schattirung des Ausdruckes im Einzelnen wiedergegeben wurde, trat nun plöglich ein bis dahin unbekanntes dramatisch bewegtes Element hervor, welches den einzelnen Theilen des Gedichtes individuelle Bedeutung und damit erhöhten Glanz und Farbenschmelz zu verleihen geeignet war. Die Verbindung edler Worte mit edlen Melodien, die innige musikalische Durchdringung des Gedichtes wurde zur Freude und zum Staunen der Freunde wahrer Kunst auf die glücklichste Weise vollbracht, und das Lied, bisher sich nur in der einfachsten Form bewegend, erhob sich bald zu einer der wichtigsten Kunstgattungen der Neuzeit, die dem tieferen deut schen Gefühlsleben namentlich dann als eine zwar beengte, aber immerhin trauliche Zufluchtsstätte gedient hat, wenn dieses sich von dem öffentlichen Musiktreiben unbefriedigt und mit Unmuth abwenden mußte.

Schubert war zur Zeit seines Lebens vorzugsweise nur als Lieder-Compositeur gekannt und geschäßt, und auch da nicht in dem Umfange, wie später. Von seinen Clavier-Compositionen war längere Zeit hindurch nur ein kleiner Theil gekannt; seine übrigen Instrumentalwerke wurden es noch später, und auch da nicht immer zuerst in seiner Vaterstadt. Versucht hat er sich beinahe in allen Musikgattungen. Abgesehen von beiläufig 600 Liedern schrieb er Opern, Ouverturen, Sinfonien, Messen, Trio's, Quatuors und Quintuor's, ein großes Octett, Chöre, Cantaten, Offertorien und Graduale, zwei Stabat mater und

Halleluja's, Vocal-Quartette, italienische Arien und eine Menge zwei- und vierhändiger, großer und kleiner Clavierstücke, als: Sonaten, Variationen, Fantasien, Rondo's, Impromptu's, Moments musicals, Divertissements, Tänze und Märsche, alle mehr oder weniger voll der Schönheiten und feiner interes fanter Züge.

Ueberblickt man die erstaunliche Menge auch nur der der Deffentlichkeit übergebenen Werke Schubert's, so trägt man wohl auch die Ueberzeugung davon, daß der Schöpfer derselben, den der Tod in seinem 32. Lebensjahre überraschte, mit eben so großer Leichtigkeit als rastloser Thätigkeit geschaffen haben müsse, zumal in seinen Compositionen mit den Noten nicht gekargt wird.

In der That war Schubert ungemein fruchtbar und fleißig, und man kann wohl sagen, daß er das ihm anvertraute Pfund treu und redlich verwerthet hat.

In der Regel begann er sein Tagewerk *) in den Vormittagsstunden, und seßte es ununterbrochen bis zur Essenszeit fort; da ging denn sein ganzes Wesen in Musik auf; oft fühlte er sich von seinen Schöpfungen selbst ergriffen und Augenzeugen versichern, daß sie da an seinem leuchtenden Auge und der veränderten Sprache entnehmen konnten, wie mächtig es in seinem Innern arbeitete.

*) Allerdings kann Schubert nur in dem Sinne arbeitsam genannt werden, daß er, rastlos aus sich heraus schaffend, die Fülle seiner Gedanken auf dem Papier festzuhalten suchte. Zu dem, was man im ge. wöhnlichen Leben Arbeit nennt, und namentlich zu aller mechanischen Arbeit hatte er keine Lust, und dies, in Verbindung mit seiner nicht allzu geregelten Lebensweise, die ihn zuweilen verhinderte, mit der gewünschten Pünktlichkeit bei den Probestunden zu erscheinen, war wohl auch der Grund, daß er sich in seiner Eigenschaft eines Correpetitors bei dem Kärnthnerthortheater nicht lange halten konnte.

Der übrige Theil des Tages wurde dann fast eben so regel. mäßig dem geselligen Vergnügen, in schöner Jahreszeit Ausflügen auf das Land, in Begleitung von Freunden geweiht, und da geschah es mitunter, daß, wenn er sich mit diesen wohl zusammen fühlte und ihm die Trennung von der schönen Natur schwer fiel, eine für den Abend angenommene Einladung ohne wei teres Bedenken in den Wind geschlagen wurde, was dann freilich auch zu Verdrießlichkeiten führte, die ihm übrigens niemals lange zu schaffen gaben. Gewiß aber bedurfte es nach abge. schlossener Arbeit nur der kleinsten Anregung, um seinen nie ruhenden Geist gleich wieder wach zu rufen, wie denn auch das reizende Ständchen (von Shakespeare) auf einer solchen Lustparthie im Gasthause componirt, zu Papier gebracht, und da sich passende Gelegenheit ergab, sofort vom Blatte weggesungen wurde.

,,Wenn, "sagt Robert Schumann,,,Fruchtbarkeit ein Hauptmerkmal des Genies ist, so ist Schubert eines der größten. Er hätte nach und nach wohl die ganze deutsche Literatur in Musik gesezt, und wenn Telemann verlangt, ein ordentlicher Componist müsse den Thorzeddel componiren können, so hätte er an Schubert seinen Mann gefunden. Wo er hinfühlte, quoll Musik hervor; Aeschilus, Klopstock, so spröde zur Composition, gaben nach unter seinen Händen, wie er den leichten Weisen W. Müllers u. A. ihre tiefsten Saiten abgewonnen.“

Wer ihm einen Vorwurf zu musikalischer Bearbeitung übergab, durfte überzeugt sein, daß, wenn ihm dieser zusagte, die Composition auch in kürzester Frist fertig sein würde. So wurde das bekannte Lied,,der Wanderer" von Schmidt von Lübek, in unglaublich kurzer Zeit componirt; dasselbe war der Fall mit dem,,Erlkönig", welchen er, nachdem er die Ballade in großer Aufregung zu widerholten Malen durchgelesen hatte,

gleich darauf so schnell in Musik seßte, als es eben möglich war, die Noten hinzuschreiben.

Ganz besonders aber zeugt die folgende Thatsache ebenso sehr für die blißartige Schnelligkeit seiner Ausfassung, als auch für die Gefälligkeit, womit er den Wünschen Anderer nachzukommen suchte.

Fräulein Anna Fröhlich, Gesangslehrerin am Conservatorium und ausgezeichnet durch ihre musikalischen Kenntnisse, auf deren Anregung Schubert schon früher einige sehr schöne Frauenchöre componirt hatte, beabsichtigte ihrer Schülerin, Fräulein Louise Gosmar (später verehelichte v. Sonnleithner), welche damals mit ihren Eltern die Sommerzeit in Unterdöbling zubrachte, zu ihrem Geburtstage (11. August 1827) eine Nachtmusik im Garten des Landhauses zu veranstalten.

Grillparzer hatte zu diesem Zwecke das Gedicht,,Zögernd leise in der Abenddämm'rung Stille“ verfäßt, und sie gab dies Schubert, mit der Bitte, es für ihre Schwester Josefine (Mezzosopran) und einen Frauenchor als Serenade in Musik zu sehen. Schubert nahm das Gedicht in die Hand, ging in eine Fensternische, las es ein paarmal aufmerksam durch, und sagte dann lächelnd: „Ich hab's schon, es ist schon fertig und es wird recht gut werden." Nach einem oder zwei Tagen. brachte er die reizende Composition. In Folge eines Mißverständnisses aber war das Stück für Alt-Solo und Männerchor componirt; als nun Fräulein Fröhlich ihn auf diesen Irrthum aufmerksam machte, nahm er das Manuscript gutmüthig wieder mit und brachte es am nächsten Tage in der Weise umgearbeitet, wie es gewünscht worden war*).

*) Diese Composition wird jezt auch von Männerstimmen mit befter Wirkung vorgetragen.

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