Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerzen nur singen, ward er mir zur Liebe. So zertheilte mich die Liebe und der Schmerz. Und einst bekam ich Kunde von einer frommen Jungfrau, die einst gestorben war. Und ein Kreis sich um ihr Grabmal zog, in dem viele Jünglinge und Greise auf ewig wie in Seligkeiten wandelten. Sie sprachen leise, die Jungfrau nicht zu wecken. Himmlische Gedanken schienen immerwäh rend aus der Jungfrau Grabmal auf die Jünglinge wie leichte Funken zu sprühen, welche sanftes Geräusch erregten. Da sehnte ich mich sehr, auch da zu wandeln. Doch nur ein Wunder, sagten die Leute, führt in diesen Kreis. Ich aber trat langsamen Schrittes, immer Andacht und fester Glaube, mit gesenktem Blicke auf das Grabmal zu, und ch' ich es wähnte, war ich in dem Kreise, der einen wunderlieblichen Ton von sich gab; und ich fühlte die ewige Seligkeit wie in einen Augenblick zusammengedrängt. Auch meinen Vater sah ich versöhnt und liebend. Er schloß mich in seine Arme und weinte. Noch mehr aber ich."

Das Jahr 1826 war herangekommen, und Schubert hatte kaum mehr 3 Jahre zu leben. Seine Thätigkeit schien eine sich fortan steigernde, gleichsam als hätte er eine Ahnung von seinem nahen Ende. Raftlos schuf er fort, in alle Arten der musikalischen Kunst eingreifend, jezt mit der Composition von Liedern, dann wieder mit jener von Chören, Messen, Kammermusik, Sinfonien u. s. f. beschäftigt.

Abgeschen von einer Reihe ausgezeichneter Lieder, die eben aus der letzten Zeit seines Lebens herrühren, componirte er auch damals seine werthvollsten Instrumentalstücke, wie denn die große Sinfonie in C, sein bedeutendstes Orchesterwerk im

März 1828, einige Monate vor seinem Tode vollendet wurde.

Im Juni 1826 finden wir ihn wieder in Zeléz, wo er die Sonate in C componirte. Außerdem schrieb er in diesem, und dem folgenden Jahr: Eine deutsche Messe für Männerchor mit Orgelbegleitung, das Schlachtlied von Klopstock für acht Männerstimmen, und den herrlichen Chor,,Nachthelle", ebenfalls für Männerstimmen mit Clavierbegleitung. Von Liedern kommen zu erwähnen: An Sylvia, Fischerweise, Hippolits Lied, Todtengräberweise, Ständchen (von Schikh), der Wanderer an den Mond, im Freien, Zügenglöcklein, um Mitternacht, die Romanze des Richard Löwenherz, über Wildemann, Lebensmuth, im Frühling, am Fenster, Schnsucht (von Seidl), und den ersten Theil der Winterreise.

Dem Jahre 1827 gehören nebst vielen anderen auch die folgenden Compositionen an :

Ein Allegretto für Pianoforte, Herrn Walcher zur Erinnerung (26. April) und die Impromptu's für Clavier Nr. III. bis VIII. Von Liedern: Schiffers Scheidelied, der Kreuzzug, der Wallenstein'sche Lanzknecht, Fischers Liebesglück, der Vater mit dem Kinde, die drei dem Sänger Lablache gewidmeten italienischen Gesänge, Anna Lyle aus W. Scott's Montrose, die Sterne, das Lied im Grünen, Jägers Liebeslied, das Ständchen (von Grillparzer), für Alt-Solo, mit Vocalquartett und Clavierbegleitung, von welchem später noch die Rede sein wird, und endlich der 2. Theil der Winterreise, die er vor dem Lied ,,die Krähe" an im October 1827 vollendete. Die Composition dieses leztgenannten, 24 Lieder durchaus düsterer Art umfaßsenden Ciclus scheint auch auf Schubert einen tieferen Eindruck, als man wünschen durfte, gemacht zu haben. Personen, welche

ihm damals nahe gestanden, erzählen, daß er, schon seit einiger Zeit trüber Stimmung hingegeben, eines Tages zw seinen Freunden gesagt habe:,,Ihr werdet den Grund meines düsteren Wesens bald erfahren; ich werde euch bei Schober schauerliche Lieder vorsingen; sie haben mich auch sehr angegriffen." Bald darauf hörten die Freunde jene Lieder, an welchen Schubert großen Gefallen fand, die aber, obwohl ganz und gar Schubertisch, für die Zuhörer so befremdend klangen, daß sie Anfangs darüber mehr verdußt als erfreut schienen. Ihr großer Werth trat aber zu Tage, als Vogl sich ihrer vollkommen bemächtigt hatte, an dem nun die Winterreise einen ebenso unübertrefflichen Sänger fand, als die Müllerlieder an Schönstein. Ob, wie von mancher Seite behauptet wird, das Schaffen der Winterreise sogar auf Schubert's Gesundheit nachtheilig eingewirkt habe, mag dahingestellt bleiben; wahr scheinlicher und natürlicher ist es, daß Schubert mit Vorliebe an das Componiren der Winterreise gegangen sei, weil äußere und innere Verhältnisse, wozu das Fehlschlagen so mancher Hoffnung gehört, bereits verstimmend auf ihn eingewirkt hatten, und er den Drang in sich fühlte, der trüben Weltanschauung, die sich plöglich seiner bemächtigt hatte, in ergreifendster Weise musikalischen Ausdruck zu geben.

Im Jahre 1826 hatte er sich um die Vice-Hofcapellmeisterstelle beworben, deren Verleihung ihm eine gesicherte Eristenz und einen angemessenen Wirkungskreis verschafft haben würde, ohne seine Kräfte für diesen Dienst zu sehr in Anspruch zu nehmen. Es erhielt sie jedoch der Hoftheater-Director Weigl. Als Schubert davon hörte, sagte er: „Gerne hätte ich diese Stelle erhalten mögen; da sie aber einem so würdigen Manne wie Weigl verlichen worden ist, so muß ich mich wohl zufrieden geben."

In demselben Jahre erhielt er von dem Ausschusse der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien das nachfolgende Dankschreiben unter Beischluß von 100 fl. C. M.:

,,Sie haben der Gesellschaft der Musikfreunde des öfterreichischen Kaiserstaates wiederholte Beweise der Theilnahme gegeben, und Ihr ausgezeichnetes Talent als Tonseger zum Besten derselben und insbesondere des Conservatoriums verwendet.

,,Indem sie Ihren entschiedenen und ausgezeichneten Werth als Tonsezer zu würdigen weiß, wünschet sie Ihnen einen angemessenen Beweis ihrer Dankbarkeit und Achtung zu geben, und ersucht Sie, den Anschluß nicht als ein Honorar, sondern als einen Beweis anzunehmen, daß sich Ihnen die Gesellschaft verpflichtet finde, und mit Dank die Theil. nahme, die Sie ihr bewiesen, anerkenne.

Von dem leitenden Ausschusse der Gesellschaft der Musik. freunde des österr. Kaiserstaates.

Wien, am 12. October 1826.

Kiesewetter m/p."

Wir treten nun in das Jahr 1828, Schubert's 32. Lebens-, und zugleich sein Todesjahr. Schubert hatte noch nie für sich ein Concert gegeben. Auf vielseitiges Zureden und da die Verleger wegen des innerhalb kurzer Zeiträume massenhaften Erscheinens seiner Lieder mit ihren Anboten etwas zurückhielten, ließ er sich endlich herbei, in dem Saale des österr. Musikvereins ein Privat-Concert zu veranstalten. Dasselbe fand statt am 26. März 1828, und es wurden dabei nur Schubert'sche Compositionen zur Aufführung gebracht*). Der Saal

*) Das Programm war folgendes:

1) Erster Saß eines neuen Streich-Quartetts, vorgetragen von den HH. Böhm, Holz, Weiß und Linke; 2. a) Der Kreuzzug, von Leitner; b) Die Sterne, von demselben; c) Der Wanderer an den

war überfüllt, und der Erjoig ein so glänzender, daß die Wiederholung dieses so gelungenen Versuches zu gelegener Zeit beabsichtigt wurde. Anders aber war es im höheren Rathe beschlossen. Es sollte dieses Concert sein erstes und zugleich sein lehtes sein, und die folgenden beiden Schubert-Concerte hatten nur mehr den Zweck, durch ihren Ertrag die Kosten für sein Grabdenkmal zu decken.

Auch in diesem Jahre war seine Productivität staunenerregend. Wie bereits erwähnt, vollendete er im März 1828 sein größtes orchestrales Werk: die Sinfonie in C, und arbeitete unablässig an einer großen Messe in Es, einem seiner besten Kirchenwerke. Er componirte ferner ein Quintett *) für zwei Violinen, Viola und zwei Cello's, drei große Claviersonaten, die er Hummel widmen wollte, und die später von den Verlegeru Robert Schumann, dem enthusiastischen Verehrer der Schubert'schen Muse zugeeignet wurden; ferner das große Duo in A-Moll (op. 140) von den Verlegern Clara Wieck gewidmet; eine Claviersonate zu 4 Händen, eine 4händige Fuge, cin Tantum

Mond, von Seidl; d) Fragment aus dem Aeschylus; sämmtliche Gefänge mit Begleitung des Pianoforte, vorgetragen von Hrn. Vogl, t. k. pensionirten Hof-Opernsänger; 3. Ständchen von Grillparzer, Sopran, Solo und Chor, vorgetragen von Dlle. Josephine Fröhlich und den Schülerinnen des Conservatoriums; 4. Neues Trio für das Pianoforte, Violine und Violoncello, vorgetragen von den Hrn. Carl Maria von Bocklet, Böhm und Linke; 5. Auf dem Strome, von Rellstab, Gesang mit Begleitung des Horns und Pianoforte, vorgetragen von den HH. Tieße und Lewy dem Jüngern; 6. Die Allmacht, von Ladislaus Pyrker, Gesang mit Begleitung des Pianoforte, vorgetragen von Hrn. Vogl; 7. Schlachtgefang, von Klopstock, Doppelchor für Männerstimmen. Der Eintritt betrug 3 fl. W. W.

*) Als op. 163 veröffentlicht.

« ZurückWeiter »