Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Jahr 1818 die Conaten in C und F und von Liedern die geistlichen: das Marienbild, vom Mitleiden der Maria und Litanci am Feste aller Seelen, dann: an den Mond in einer Herbstnacht, der Blumenbrief und Grablied für die Mutter.

Schubert hatte bereits eine erstaunliche Anzahl bedeutender Compositionen geschaffen; rastlos arbeitete er fort; die Melodien strömten ihm zu, und es handelte sich bei ihm nur darum, sie auf dem Papier festzuhalten; bedeutende für alles Schöne begeisterte Männer lauschten mit Bewunderung seinen Inspirationen; es fehlte nur noch der Sänger, der durch angemessenen Vortrag den Liedern Ausdruck und Gehalt gegeben, und dadurch das Verständniß derselben in weiteren Kreisen gefördert hätte.

Schubert, der bis dahin seine Lieder meist selbst gesungen hatte, richtete sein Augenmerk ganz vorzüglich auf den von ihm vielbewunderten Hofopernsänger Vogl *), von dem es

*) Johann Michael Vogl, geboren 1768 zu Stadt Steyer in Oberösterreich, wurde schon in einem Alter von sieben Jahren wegen seiner geschmeidig schönen Stimme und reinen Intonation auf den Kirchenchören verwendet. Während er später in Kremsmünster die Humanitäts- und philosophischen Studien durchmachte, betrat er öfter die Bühne in Operetten, die Süßmaier (sein Landsmann und späterer Freund und Vertrauter Mozart's) auf dem dortigen Haustheater zur Aufführung brachte. Seiner Berufsbestimmung folgend, hörte er in Wien die Rechtswissenschaften, und practicirte nebenbei in der Kanzlei des Stadtmagistrates. Inzwischen hatte Süßmaier die Stelle eines Hoftheater - Capellmeisters erhalten, gewahrte mit inniger Freude das herrlich sich entwickelnde Künstlertalent seines früheren Zöglings, dessen silberne Metallstimme die beiden F-Octaven umfaßte, und veranlaßte ihn, ein Mitglied der Operngesellschaft zu werden, die damals unmittelbar unter kaiserlichem Schuße stand. Im Mai 1795 sang er das erste Mal in der Oper,,die gute Mutter" von Wranißky, dann in Winter's Opferfest mit außerordentlichem Erfolge. Da er jederzeit den

jedoch bekannt war, daß er schwer zugänglich sei. Es galt vor allem, ihm die Gelegenheit zu verschaffen, Schubert's Compo sitionen kennen zu lernen; das weitere, dachten die Freunde, würde sich dann finden.

Schon öfter hatte ihm Schober mit Begeisterung von dem jungen Compositeur gesprochen, und ihn aufgefordert einer Art Probe beizuwohnen; an dem Widerwillen des von Musik schon lange gesättigten, und bei dem Worte,,Genie“ durch vielfache Erfahrungen mißtrauisch gewordenen Sängers, prall ten vorerst alle Versuche ab.

Endlich aber konnte er den wiederholten Bitten von Schubert's Freunden) nicht länger widerstehen; der Besuch wurde zugesagt, und um die verabredete Stunde trat Vogl eines Abends nicht ohne Gravität in Schubert's Zimmer, der sich ihm mit einigen linkischen Kraßfüßen und unzusammenhängend herausgestammelten Worten vorstellte.

Vogl rümpfte gleichgiltig die Nase, nahm das ihm zunächst liegende Stück Notenpapier, das Lied „Augenlied“ enthaltend, summte es herunter, fand es zwar hübsch und melo.

Geist und die Charakteristik ciner Rolle ganz zu ergründen suchte, und die Wahrheit des Ausdruckes ihm als höchstes Postulat der Kunst galt, er auch auf den mimischen Theil seiner Rolle ein besonderes Augenmerk richtete, so konnte er in seiner Glanzepoche mit Recht der erste dramatische Sänger Deutschlands genannt werden. Weigl schrieb für ihn mehrere Rollen mit besonderer Berücksichtigung seiner Individualität; seine Glanzrollen waren Dunois in Agnes Sorel, der Wasserträger, Crestes in Iphigenie und Creori in Medea. Er sang nach Schubert's Tode noch einige Jahre mit den Reften seiner Stimme und starb im Jahre 1840.

*) Schober stand durch seine damals schon verstorbene, an den Sänger Siboni verheiratet gewesene Schwester noch in einiger Berührung mit dem Theater, und dadurch auch mit Vogl.

diös, aber nicht bedeutend, sang dann noch mehrere andere Lieder mit halber Stimme, die ihn, namentlich Ganymed und des Schäfers Klage, schon freundlich stimmten, und klopfte Schubert beim Fortgehen mit den Worten auf die Achsel: „Es steckt etwas in Ihnen, aber Sie sind zu wenig Comödiant, zu wenig Charlatan; Sie verschwenden Ihre schönen Gedanken, ohne sie breit zu schlagen." Er ging dann fort, ohne Zusage, wiederzukommen.

Günstiger sprach er sich über Schubert gegen dritte Personen aus, ja er erging sich in Ausdrücken der Bewunderung über die Reife und Geistesfrische des jungen Mannes.

Nach und nach wurde der Eindruck von Schubert's Liedern auf ihn ein überwältigender; er kam oft unaufgefordert und studirte mit Schubert bei sich zu Hause dessen Compositionen, an denen er nun sich selbst, und jene, die ihm zuhörten, begeisterte.

Der Bund zwischen den beiden Künstlern war geschlossen, und die jezt noch in großer Anzahl lebenden Zeugen ihres Zusammenwirkens erinnern sich mit Freude der ihnen dadurch zu Theil gewordenen Genüsse.

Die Begeisterung des Sängers zeugte am besten für den Werth der Tondichtungen, und Schubert sah nun über alle Erwartung erfüllt, was ihm kaum als Wunsch in dieser Vollendung in der Seele gelegen hatte. Vogl übte ohne Zweifel einen wohlthätigen Einfluß auf Schubert's künstlerische Thätig. keit aus; er war es, der ihn zuerst durch den seelenvollen Vortrag seiner Lieder in die Kunstwelt einführte, er war sein treuer Führer, väterlicher Rathgeber, und gewiß auch die Grund. ursache, daß Schubert so sehr auf Wahrheit des Ausdruckes, richtige Accentuirung und makelloje Declamation sein Augenmerk richtete.

Durch Vogl's trefflichen Vortrag aufmerksam gemacht, fingen auch einzelne Dilettanten an, sich mit dem Geiste der Compositionen vertraut zu machen; in Privatzirkeln und im Musikvereinsjaale ertönten Schubert'sche Weisen und erfreuten sich der Vorliebe vieler, durch Rang und Bildung ausgezeichneter Personen.

Im Sommer des Jahres 1818 begab sich Schubert auf das Gut Zeléz des Grafen Josef Esterhazy in Ungarn, um daselbst einige Zeit hindurch zu verweilen. Beladen mit neuen Compositionen kehrte er von dort in die Heimat zurück. Die vierhändigen, Beethoven gewidmeten Variationen über ein französisches Lied, vierhändige Märsche, das Divertissement hongrois, das Vocal-Quartett,,Gebet vor der Schlacht“ von de la Motte Fouqué und die allbekannte Fantasie in F-Moll, verdanken jenem Aufenthalte ihre Entstehung. Die Fantasie, eines der schönsten Clavierwerke Schubert's, wurde von ihm der jungen Gräfin Esterhazy, seiner einzigen Schülerin, deren Talent ihm viele Freude machte und zu welcher ihn auch per sönliche Neigung hinzog, gewidmet.

Ebendaselbst lernte er auch Herrn v. Schönstein *) kennen, welcher, im Besiße einer sehr schönen Tenor-Baritonstimme, durch diese und seinen ausgezeichneten Vortrag die Lieder Schubert's in hohen und höchsten Kreisen bekannt machte.

Im Jahre 1820 erhielt Schubert durch Vogl's Vermitt lung den Auftrag, für das Kärnthnerthortheater eine kleine Oper, die Zwillingsbrüder, in Musik zu sehen. Der Text mochte dem Componisten nicht sehr behagt haben; er compo

*) Carl Freiherr von Schönstein galt nebst Vogl für den besten Schubertsänger seiner Zeit. Ihm find die Müllerlieder gewidmet, die er unnachahmlich vorgetragen haben soll.

nirte daran ohne die hierzu nöthige Lust und Liebe, und die Operette verschwand bald wieder von dem Repertoir. Troßdem enthielt sie aber, wie kaum anders zu erwarten stand, ein paar hübsche Musikstücke; der Introductionschor und zwei Arien, von Vogl vorgetragen, erhielten großen Beifall, und die Instrumentirung und Behandlung des Ganzen ließ durchaus keinen Anfänger vermuthen.

Bedeutender war die Musik zu dem Melodram,,die Zauberharfe", welches ebenfalls im Jahre 1820 im Theater an der Wien zur Aufführung gelangte. Es erhielt ziemlichen Beifall und wurde etwa ein Dußend Mal gegeben. Auch hier war das Textbuch ganz bedeutungslos, scheint jedoch durch den märchenhaften Stoff die Fantasie des Componisten angeregt zu haben *).

Im Jahre 1821 wurde Herold's Zauberglöckchen (les clochettes), ebenfalls eine Zauberoper, im Operntheater zur Aufführung vorbereitet, und Schubert aufgefordert, ein paar Einlagen dazu zu componiren. Diese bestanden in einer Tenor. Arie, von Rosner gesungen, und in einem komischen Duett für Tenor und Baß, welche beide Stücke, namentlich das Duett, großen Beifall erhielten.

Ein entschiedener Wendepunkt für Schubert trat in eben demselben Jahre ein, als Vogl in einer, im Kärnthnerthortheater veranstalteten Akademie **) den Erlkönig unter rauschen.

*) Das dem Componisten zugesagte Honorar von 500 fl. entging ihm bedauerlicher Weise durch die eingetretene Zahlungsunfähigkeit, des Theater-Unternehmers.

**) Es war dies die alljährlich, damals am 7. März (Aschermittwoch) von der Gesellschaft adeliger Damen zur Beförderung des Guten und Nüßlichen Abends im Operntheater veranstaltete musikalisch - decla

« ZurückWeiter »