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wünsche ich, daß Du der Stimme Gehör geben mögest, die

Dir unaufhörlich zuruft,

Deines

Dich liebenden, armen hoffenden,

und nochmal armen Bruders Franz zu erinnern."

Während der Ferienzeit hatte Schubert öfters die Oper besucht. Von den damals gegebenen Opern interessirte ihn ganz besonders Weigl's Schweizerfamilie, die erste Oper, die er überhaupt hörte, und in welcher die ausgezeichneten Künstler Vogl, und die Milder sangen; dann Cherubini's Medea, Boildieu's Johann von Paris, Aschenbrödl von Isouard, ganz besonders aber Gluck's Iphigenia auf Tauris, in welcher ebenfalls wieder Vogl und die Milder ganz ausge zeichnet waren. Diese lettere Oper verseßte ihn jedesmal in Entzücken und er zog sie, ihrer edlen Einfachheit und Erhabenheit wegen zuletzt allen übrigen Opern vor.

Der Besuch des Theaters mochte ihn wohl auch angelockt haben, sich in musikalisch-dramatischen Arbeiten zu versuchen.

In der That hat Schubert mehr als ein Dußend Opern, Melodrame und Singspiele componirt, von welchen übrigens mehrere unvollendet blieben. Von der Art und dem Erfolge derselben wird später die Rede sein.

Schubert hatte nun alles ihn Beengende abgeworfen; unbeirrt durch Berufspflichten folgte er dem Zuge seines Genius, und in rastlosem Fleiße und unausgeseztem Schaffen suchte er das Pfund, welches ihm vom Himmel gegeben worden war, auf's beste zu verwerthen.

Das Jahr 1815, sein achtzehntes Lebensjahr, prangt mit einer stattlichen Reihe von Tonschöpfungen jeder Art, von

welchen jedoch nur die Lieder in weiteren Kreisen bekannt wurden. Unter diesen befinden sich aber bereits solche, die Schubert's glänzendster Zeit angehören könnten, so groß ist ihre Reise und Vollendung. Als Beleg dazu genüge zu erwähnen, daß Kolma's Klage, Loda's Gespenst, Schilrik und Vinvela, das Mädchen von Inistore aus den Ossianischen Gesängen, dann Hektor's Abschied, des Mädchens Klage, der Liedler und der Kampf, schon in diesem Jahre componirt wurden; diesen reihen sich noch an: Die Erwartung, an die Freude, Wonne der Wehmuth, Geist der Liebe, der Abend, Tischlied, an die Sonne, Lob des Tokayers, die Spinnerin; die großen Balladen: die Bürgschaft, der Sän ger, Minerva von Bertrand (ebenfalls sehr umfangreich), und die Nonne; Unendlicher, Trost in Thränen, die Mutter Erde, Klärchens Lied, die erste Liebe, Nähe des Geliebten, an Mignon, die Hoffnung, der Jüngling am Bache, das gestörte Glück, die Sterne, Nachtgesang, an Rosa, Ideos Schwanenlied, Louisens Antwort, Abendlied, Amphyaraos von Th. Körner, eine ebenfalls sehr umfangreiche Composition, Morgenlied, ein vierstimmiges Trinklied und der dreistimmige Gesang: das Leben. Demselben Jahre gehört an die Composition der Singspiele: die Freunde von Salamanca in zwei Aufzügen; der vierjährige Posten und Fernando, die lezteren zwei jedes Einen Act enthaltend. In eben diesem Jahre componirte er an Kirchenmusik ein großes Magnificat, ein Salve regina, Offertorium und das zweite Dora nobis zur F-Messe; ferner zwei Sinfonien (in D und B), drei Sonaten für Pianoforte in F und C, ein Quartett in G-Moll, 12 Deutsche mit Coda's und 10 Variationen für Clavier, und die Fr. Mina Spann gewidmeten Ecossaisen.

Schubert's Tondichtungen, namentlich seine Lieder, fingen schon an, in die Kreise kunstliebender, von edlem Streben

beseelter Menschen zu dringen, wie denn auch in den nächstfolgenden Jahren mehrere, durch Rang, Bildung und eigene, wenn auch nicht musikalische Künstlerschaft ausgezeichnete Personen an Schubert herantraten, und seinen Leistungen fortan mit regster Theilnahme folgten.

Eine der werthvollsten Bekanntschaften für Schubert war jene des Dichters Mayrhofer *), der, selbst großer Musikliebhaber, sich ganz vorzüglich an den Schubert'schen Weisen entzückte, und durch seine Dichtungen Veranlassung gab zu einer Reihe ausgezeichneter, ihrer Form nach von der bis dahin üblichen Liederweise gänzlich abweichender Tondichtungen.

Ueber sein Bekanntwerden mit Schubert und das geistige Verhältniß, in welchem er zu ihm stand, ließ sich Mayrhofer im Jahr 1829, ein Jahr nach Schubert's Tode, folgendermaßen vernehmen:

,,Mein Verhältniß zu Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund das Gedicht,,am Sce“ zur Composition gab. An des Freundes Hand betrat Schubert im Jahr 1814 das Zimmer, welches wir 5 Jahre später gemeinsam be wohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße**); Haus

*) Mayrhofer (Johann), geboren 1787 in Stadt Steyer, studirte crst Theologie, dann die Rechte und war beim Bücherrevisionsamte angestellt. Er schrieb Gedichte, Wien 1824 — und Auffäße in inländische Zeitschriften. Er starb am 5. Februar 1836 in einem Anfalle von Hypochondrie eines gewaltsamen Todes.

**) An der Stelle des Hauses, in welchem Schubert und Mayrhofer wohnten, steht jezt das große, von Galvagni gebaute Haus Nr. 382. Die Wirthschaft des Musikers und Dichters führte die TabakTrafikantin Sans-souci, die sich alle erdenkliche Mühe gab, in die zuweilen chaotischen Zustände der beiden Herren etwas Ordnung zia bringen.

und Zimmer haben die Macht der Zeit gefühlt; die Decke ziemlich gesenkt, das Licht von einem großen gegenüberstehenden Gebäude beschränkt, ein überspieltes Clavier, eine schmale Bücherstelle; so war der Raum beschaffen, welcher mit den darin zugebrachten Stunden meiner Erinnerung nicht entschwin

den wird.

Gleichwie der Frühling die Erde erschüttert, um ihr Grün und milde Blüten zu spenden, so erschüttert und beschenkt den Menschen das Gewahrwerden seiner productiven Kraft; denn nun gilt Goethe's:

Weit, hoch, herrlich der Blick
Rings ins Leben hinein
Von Gebirg zu Gebirg

Schwebet der ewige Geist

Ewigen Lebens ahndevoll.

Dieses Grundgefühl und die Liebe für Dichtung und Tonkunst machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete, cr componirte was ich gedichtet, und wovon vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt.“

Von Schubert's sich fortan steigender Productionskraft und dem zunehmenden Werthe seiner Arbeiten, zeugen die Compositionen der nächstfolgenden Jahre. Von größeren Compositionen gehören dem Jahre 1816 an: das Stabat mater von Klopstock, ein Salve regina und der Chor der Engel: „Christ ist erstanden" (vierstimmig), ein Streichtrio für Violine, Viola und Cello, eine Sinfonie in B und die sogenannte tragische in C-Moll, ein Quartett in F, ein Violinconcert in D, eine Claviersonate in F, und eine dreiactige unvollendet gebliebene Oper ,,die Bürgschaft.“

Von Liedern fallen in diese Zeit: der Tod Oscars, Fragment aus dem Aeschilus, die Gestirne, der König von Thule,

Schwager Kronos, Kennst Du das Land? Geistesgruß, Heide. röslein und Jägers-Abendlied, das allbekannte Lied der Wanderer von Schmidt von Lubek, am Grabe Anselmos von Clau dius, auf der Donau, der Schiffer, wie Ulfeu fischt und Lied eines Schiffers an die Dioscuren von Mayrhofer; ferner Orpheus, Furth zum Hades, Liedesend, die gefangenen Sänger, Wiegenlied, die Nachtigall, an eine Quelle, Lebensmelodien, Sprache der Liebe, die vier Weltalter und die Ballade Ritter Toggenburg.

In diesem Jahre bewarb er sich um eine Musikdirectors. stelle in Laibach, die ihm aber nicht verlichen wurde.

Das Jahr 1817 schmückte wieder eine Fülle mitunter ausgezeichneter Schöpfungen, von welchen die Claviersonneten in Es und As-Dur, in F-Moll und A-Moll, dann jene zu vier Händen in A-Moll, eine Sonate für Clavier und Violine, ein Duo für Pianoforte und Violon, zwei Ouverturen im italienischen Style, ein Streichtrio, eine Polonaise für Violine, und eine Sinfonie in C-Dur hervorzuheben sind. Von Liedern fallen in diese Zeit: Philoktet, Memnon, Antigone und Oedip, und der Alpenjäger von Mayrhofer, das pax vobiscum und,,an die Musik" von Schober *), dann Lob der Thränen, Hänflings Liebeswerbung, an die untergehende Sonne, der Schiffer und der Reiter, das Fragment: Lied eines Kindes, die Arie la Pastorella, Gretchens Bitte aus Faust,,ach neige" und Ab. schied in das Stammbuch eines scheidenden Freundes, in wel chem auch die Worte Schubert angehören. Diesen folgten im

*) Schober, bekannt als Dichter, lebte zu Schubert's Zeit in Wien, ging später als Legationsrath nach Weimar. Er ist der Verfasser des Textes zu Schubert's Oper:,,Alfonso und Estrella"; auch hat Schubert mehrere seiner Gedichte in Musik geseßt.

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