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trifft, nicht viel über die Mittelmäßigkeit; immerhin aber findet der Compositeur Gelegenheit, seine dramatisch-musikalische Befähigung an einigen Stellen sich entfalten zu lassen, was denn auch Schubert gethan hat. Die Arien sind allerdings mehr liedartig gehalten, cinige Chöre aber, dann die Scenen in der Beste während der Vorbereitungen zum Sturm auf dieselbe, würden auch auf dem Theater ihre Wirkung nicht verfehlen.

Schubert war gewiß noch kein allen Anforderungen entsprechender Opern-Compositeur, aber nach dem zu urtheilen, was er auch in dieser Art von Musik geleistet hat, konnte er einer werden, und nichts berechtigt, ihm die Befähigung dazu abzustreiten, und ihn für einen Tonsezer zu halten, der ausschließlich nur im Lied zu wirken berufen gewesen sei. Allerdings fehlte ihm die, für Theatermusik unentbehrliche Routine, diese ließ sich aber mit der Zeit erwerben; und dann darf wohl nicht aus dem Auge verloren werden, daß er einen Theil seiner Opern nur aus innerem Drange componirte, ohne gegründete Hoffnung, sie auf der Bühne dargestellt zu sehen, und dadurch Aufmunterung und die erforderliche Nebung für diese in ihrem Erfolge von ganz eigenthümlichen Bedingungen abhängende Art von Musik zu finden *). Es wäre jezt wohl an der Zeit, wenigstens die größeren derselben, die theils in Folge von Intriguen, theils der wechselnden Verhältnisse des Wiener Operntheaters wegen nicht zur

*) Die Oper,,Ficrabras” war allerdings bestimmt, auf dem Kärntnerthortheater aufgeführt zu werden. Das Textbuch wurde im Jahre 1822 im Auftrage der damaligen Hoftheater - Administration verfaßt; als aber diese in dem darauffolgenden Jahre plößlich aufgelöst wurde, war auch von einer Aufführung der Oper keine Rede mehr.

Aufführung gelangten, dem Publikum nicht länger mehr vor zuenthalten.

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Außer den eben aufgeführten hat Schubert noch mehrere unvollendet gebliebene Opern geschrieben, nämlich „der Minnesänger,“,,Adrast“ (von Mayrhofer), „die Bürgschaft,“ „Sa. kontala" und der Graf von Gleichen," von welchen Sakontala ihrer ganzen Anlage nach wohl die größte und bedeutendste zu werden versprach *).

Die Partitur der Bürgschaft (mit der Angabe: 2. Mai 1816) enthält zwei vollkommen ausgearbeitete Acte, und von dem dritten eine Arie mit Chor. Der Dichter des Libretto ist nicht genannt, die Handlung ist jener der bekannten Ballade von Schiller nachgebildet.

Der erste Act enthält einen Chor, eine Arie (des Moeros), welcher zwei Chöre folgen, dann abermals eine Arie des Mocros und eine des Dionisos; diesen folgt eine Romanze der Anna, çin Duett zwischen Ismene und Julus, und das Finale (Anna, Theages, Ismene, Julus und Chor der Wache).

*) A. Schindler erwähnt folgendes Factum: Nach dem Abgange des Capellmeisters Krebs nach Hamburg bewarb sich Sch. um die Dirigentenstelle im kaiserl. Operntheater. Dies war im Jahre 1826. Er schrieb zu diesem Ende eine Oper, deren Erfolg seine Fähigkeit als Opern-Compofiteur bekunden und somit als eine Art Prüfungsart gelten sollte. Es kam aber nur zur Generalprobe. Die Solo Partie des Frl. Schechrer war so schwer ausgefallen, daß sie deren Kräfte überstieg. Sch. verstand sich jedoch zu keiner Art Aenderung oder Kürzung, und stand lieber von der Bewerbung ab. als daß er nachgegeben hätte. Diese Oper könnte kaum eine andere gewesen sein, als „Ficrabras.“ Denn von „Alfonso und Estrella” scheint er keine Abschrift zurückbehalten zu haben, die andern größeren Opern blieben unvollendet; und der „Graf von Gleichen“ wurde erst im Jahre 1827 componirt.

Der zweite Act beginnt mit einer Introduction, welche in ein Recitativ und Aric des Moeros übergeht. Auf diese solgt ein Terzett (Anna, Ismene, Julus), ein Duett (Anna, Philo strates), ein Quartett der vier Räuber und das Finale.

Von dem dritten Act ist nur eine Arie des Theages mit Chor componirt, im Ganzen sind es 15 Musikstücke.

Von Sakontala (October 1820) ist die Skizze von zwei Acten vorhanden, in welcher die folgenden Musikstücke angedeutet erscheinen:

Introduction (Kanna, Sakontala, Gautami und Chor), Arie (Darwasas), Arie (Sakontala), Chor der Waldnymphen, Arie (Madhavia) und Finale (Safontala, Gautami, Dusch. manta, Knaben- und Einsiedler-Chor. am Schlusse des Actes Stimmen vom Himmel).

Der zweite Act enthält ein Terzett (zwei Häscher und ein Fischer), ein Quartett (Sakontala, Menaka und zwei Mädchen), ein Quintett (Amujina, Briamonda, Darwasas und zwei Dämone), ein Septett (Sakontala, Menaka, Duschmanta, Madhavia, Einsiedler und zwei Gespielinnen), endlich eine Arie der Kanna, zusammen 11 Nummern.

Von der im Jahre 1827 begonnenen Oper,,der Graf von Gleichen" (von Kozebue) soll ein vollständiger, jedoch nur theilweise instrumentirter Entwurf vorhanden sein *).

*) Ein Urtheil über Schubert's Opernmusik könnte selbstverständlich nur derjenige fällen, welcher die Musik im Theater gehört, oder we nigstens die Partituren genau durchgegangen hätte. Der Verfasser war niemals in der Lage, Schubert'sche Opernmusik zu hören (mit Ausnahme der, in einem Concerte vorgeführten Bruchstücke aus Fierabras und der Chöre aus „Rosamunde"); in die Partituren aber wurde ihm nur ein höchft flüchtiger Einblick gestattet.

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Hiermit wäre die flüchtige Ueberschau von Schubert's künstlerischer Thätigkeit geschlossen.

Lange Zeit hindurch blieben seine Compositionen dem grö ßeren Publikum unbekannt. Zuerst waren es einige Lieder welche in weitere Kreise drangen. Man dürfte der Wahrheit nahe kommen, wenn man das Jahr 1820 als dasjenige be zeichnet, in welchem seine Werke anfingen, in Wien gekannt und geschätzt zu werden, und sein Ruhm sich auch weiter ver breitete. In Norddeutschland herrschten Reichardt und Zelter mit ihren Strophenliedern, und erst geraume Zeit nach seinem Tode drang Schubert auch dort siegreich durch, ja unter den Instrumental-Compositionen gelangte die C-Dur-Sinfonie zuerst in den Leipziger Gewandhaus Concerten zur Aufführung und Anerkennung. In Wien dauerte die Vorliebe für seine Lieder ungeschwächt fort, bis in Folge eingetretener musikalischer Erschlaffung, vielleicht auch der Schwierigkeit der Begleitung, plötzlich Liedercomponisten zweiten und dritten Ranges mit ihren entschieden schwachen Erzeugnissen die Oberhand gewannen. Die Reaction blieb aber nicht aus, und der in neuerer Zeit dem Bessern zugewendete Geschmack führte von selbst wieder auf Schubert's unvergängliche Werke zurück *).

*) Die am 19. November 1850 von dem Wiener Männergesangs. vereine veranstaltete Schubertfeier, dann jene vom 28. Februar 1851 (wobei ein Prolog von Bauernfeld gesprochen wurde) und vom 25. Novem. ber 1853 (wobei Steinhauser's Gedicht,,Musensohn“ deklamirt wurde), sowie noch andere, zu Schubert's Andenken abgehaltene musikalische Productionen zeugten auf das beredteste von der Verehrung, die man neuer dings seinem Genius zu zollen begann.

In Frankreich wurde Schubert etwa um das Jahr 1829 bekannt, und es hieß einmal sogar, daß er nach Paris berufen werden sollte, um für die Akademie eine Oper zu schreiben. Spä ter wurden seine Lieder in Paris in allen Kreisen gesungen, die Texte derselben überseßt und in elegantester Ausstattung her. ausgegeben. Zu dieser Verbreitung trug am meisten der Sän ger Wartel bei, der mit ihrem Vortrage große Erfolge er. zielte *). In das Italienische wurden mehrere derselben, na

*) Im Jänner 1835 sang Nourrit in einer musikalischen Akademie des Pariser Conservatoriums „die junge Nonne" mit Orchesterbegleitung. Die Composition erregte ungeheures Aufsehen, wurde aber ohne Zweifel in ganz theatralischer Weise vorgetragen, da schon der Titel, unter welchem das Lied angekündigt wurde: „La religieuse, scene avec orchestre" darauf hindeutet.

Im Journal des Debats erschien darüber folgende Recension: „La religieuse, scene avec orchestre de Schubert, chontée par A. Nourrit. Une jeune nonne, seule dans sa cellule, ecoute avec terreur le mugissement de la mer, qui battu par les vents, vient se briser avec un sourd murmure au pied de la tour, ou veille la recluse. Agitée par une passion secréte, son coeur enferme un orage plus effrayant encore. Elle prie, la foudre repond. Son agitation e ses terreurs redoublent, quand l'hymne de ses compagnes reunies pour prier dans la chapelle du couvent monte jusqu'a elle, sa voix s'unit a des chants religieux, e le calme du ciel rentre dans son âme. Tel est le sujet du petit poéme, che le compositeur avoit developper. Il en fait un chef d'oevre. Ces tremoli continnels des violons, cette phrase sinistre de basses, qui repond a chacune des interjections de la nonne, ces bouffées de cuivre, qui semblent vouloir ecraser la voix, sans y parvenir, e surtout l'admirable expression de la partie de chant, tout cela est d'un dramatique achevé. Ah pauvre Schubert! mourir a vingt cinq (!) ans, avec un pareil avenir musical! Ce jeune compo

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