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als einer barbarischen, kein Hehl machte; da war der Bruch zwischen beiden unvermeidlich, und Schubert, der schon genug Kraft in sich fühlte, seinen eigenen Weg zu wandeln, und den es mit unwiderstehlicher Gewalt zu jener Musikgattung hinzog, in welcher er bis zu diesem Tage das Höchste leisten sollte, zum deutschen Lied, trennte sich sofort von einer Schule, welche ihm in feiner Weise zusagen konnte, und verließ seinen Meister, dessen Andenken er übrigens immerdar hoch in Ehren hielt *).

Im Jahre 1813, fünf Jahre nach seinem Eintritt in das Convict, verließ er, da seine Stimme zu mutiren anfing, diese Anstalt, in welcher er sich niemals behaglich gefühlt, und den eigentlichen Fachstudien nur insoweit obgelegen hatte, als der immer entschiedener hervortretende Hang zur Kunst es ihm erlaubte. Mit dem väterlichen Hause, in welches er nun vor erst zurückkehrte, war er während der Zeit seines Aufenthaltes im Convicte dadurch in Berührung geblieben, daß hauptsächlich in den Ferialmonaten die von ihm componirten Streichquartette, oft unmittelbar nach ihrem Entstehen, in den dort üblichen Quartett-Uebungen der Reihe nach aufgeführt wurden. Der alte Schubert pflegte dabei das Cello, Ferdinand die erste, Ignaz die zweite Violine und Franz die Viola zu spielen. Da war nun der Jüngste unter Allen der Empfindlichste. Fiel wo immer ein Fehler vor, und war er noch so klein, so sah er

lebhaft geführten Conversation drei Sprachen zu vermengen, was bei seiner sprudelnden Zungen-Geläufigkeit mitunter höchst komisch gewesen sein soll.

*) Er dichtete und componirte zu Ehren des fünfzigjährigen Dienstjubiläums seines ehemaligen Lehrers ein Festgedicht unter dem Titel: Beiträge zur fünfzigjährigen Jubelfeier des k. k. ersten Hof-Capellmeisters Salieri, von seinem Schüler Franz Schubert.

dem Fehlenden entweder ernsthaft oder zuweilen auch lächelnd ins Gesicht; fehlte der Vater, so sagte er anfangs nichts, wiederholte sich aber der Fehler, so sagte er ganz schüchtern und lächelnd: Herr Vater, da muß was gefehlt sein," welche Belehrung dann ohne Widerrede hingenommen wurde. Den Mitspielenden gewährten diese Uebungen große Genüsse, dem Componisten aber nebenbei den Vortheil, sich von der Wirfung, die seine Compositionen auf die Ausübenden und Zuhörenden hervorbrachten, sogleich zu überzeugen.

Eine zweimal sich wiederholende Aufforderung zur Stellung zum Militärdienste veranlaßte ihn, um dieser Gefahr für die Zukunft zu entgehen, bei seinem Vater als Schulgehilfe einzutreten. Aus der Noth eine Tugend machend, versah er dieses, ihm widerwärtige Amt, durch drei Jahre mit vielem Eifer, und pflegte in späteren Jahren nicht ohne einen Anstrich von Selbstzufriedenheit an jene Zeit zu erinnern, in welcher er die Zuchtruthe um die Häupter der ihm anvertrauten Jugend geschwungen hatte *).

Während dieser Zeit besuchte er fleißig den Kirchenchor in Lichtenthal und componirte für denselben im Jahre 1814 die große Messe in F, die daselbst aufgeführt und 10 Tage später in der Augustinerkirche unter Umständen wiederholt wurde, welche diese Aufführung zu einem Familienfeste **) gestalteten.

*) Das Pädagogenfach war und ist auch jezt noch in der Familie der Schubert's ziemlich stark vertreten. Wie bereits erwähnt, waren Franz Schubert's Vater und des Leßteren Bruder Schullehrer in Wien; ebenso seine Brüder Ignaz und Carl (leßterer als Schreibmeister). Ferdinand Schu. bert schwang sich in dieser Laufbahn bis zum Director der Normalschule St. Anna empor; von seinen Söhnen haben sich wieder zwei dem Lehrerfach gewidmet, und Franz selbst hat drei Jahre als Gehilfe fungirt.

**) Schubert stand am Dirigenten-Pult, regens chori war sein erster Lehrmeister, an der Orgel saß sein älterer Bruder Ferdinand; erste Sopra

Das trockene, geisttödtende Schullehrergeschäft mußte be greiflicher Weise unserem unfreiwilligen Gehilfen, in dessen Kopfe sich bereits größere musikalische Gedanken zu bilden und zu drängen anfingen, nahezu unerträglich werden; er warf die Bürde ab, sobald er konnte, und entledigte sich auch noch der wenigen Lectionen, die er bis dahin gegeben hatte, um nunmehr dem lauten Rufe der inneren Stimme folgend, sich aus. schließlich der Kunst zu weihen.

Und jetzt schon beginnt der zweite Abschnitt in dem kurzen Leben dieses hochbegabten Menschen, worin eine Fülle herrlichfter Schöpfungen zu Tage trat und die staunende Mitwelt, kaum noch im Stande das heute Gebotene zu überblicken, morgen schon mit neuen Tondichtungen, wie sie eben dem unerschöpflichen Borne dieses reichen Geistes entquollen, überrascht wurde.

Blickt man zurück auf die in den Jahren 1810–1814 entwickelte musikalische Thätigkeit des von der Knabenzeit eben erst in das Jünglingsalter Eingetretenen, so muß man billig erstaunen über die Menge der in so furzem Zeitraume ent standenen Compositionen.

Außer den bereits aufgeführten, wozu noch viele Lieder und Versuche in Streichquartetten zu rechnen sind, deren er 12-15 componirt hat, fällt in jene früheste Zeit die Composition von 30, seinem Bruder Ignaz zugeeigneten Menuetten und Trio's*) in leichtem Styl für Clavier, eines ViolinConcertes, eines Terzettes für Männerstimmen mit Guitarre-Begleitung zum Namensseste des Vaters, wozu er auch

nistin war eine gute Freundin und Lieblingssängerin des Componisten; die übrigen Parte hatten lauter Freunde und Bekannte übernommen; der Vater beschenkte ihn nach der Aufführung mit einem fünfoctavigen Fortepiano. *) Diese Menuetten sind ebenfalls verloren gegangen.

die Worte dichtete, und der bereits erwähnten Beiträge zur fünfzigjährigen Jubelfeier des ersten Hofcapellmeisters Salieri

Dem Jahre 1813 gehören an: Vier Streichquartette (in C, B, Es und D), ein Oetett für Harmonie, drei Menuette und Trio's für Orchester, drei Kyrie, cine Sinfonic in D, die dritte vierhändige Claviersonate, die Terzette und Canons à tre) und an Liedern Schiller's Thefla eine Geisterstimme, desselben Elisium, und das Todtengräberlied von v. Schlechta.

In das Jahr 1814 fällt die Composition von drei Streichquartetten (in C-Moll, D und B) von fünf Menuetten und sechs deutschen, sammt Trio's für Quartett und zwei Waldhörner, der großen, bereits erwähnten Messe in F, eines Salve regina, des Liedes:,,Wer ist wohl groß" mit Chor und Orchesterbegleitung und vieler Lieder, darunter Schiller's Taucher (im Jahre 1813 begonnen) und Emma, Edone von Klopfstock, Erinnerung und die Erscheinung von Kosegarten, und die Betende von Matthisson.

Dürfte auch ein nicht unbedeutender Theil der bis jezt erwähnten Tondichtungen, von welchen so manche noch in die Gattung der Versuche fallen, heut zu Tage kaum mehr ein er höhtes Interesse in Anspruch nehn.en, so legen doch dieselben einerseits Zeugniß ab für die außerordentliche Fruchtbarkeit des jungen Tonschers, während andererseits an so manchen von ihnen Schubert's Eigenthümlichkeit schon unverkennbar hervortritt, und man bereits, wenn auch noch leise, den Flügel

*) Der Schnee zerrinnt
Lacrimosa

Liebe säufeln die Blätter.

schlag seines Genius vernimmt, der sich in überraschend kurzer Zeit zu ungeahnter Herrlichkeit entfalten sollte.

Hier möge ein von Schubert an einen seiner Brüder unter dem 24. November 1812, also zur Zeit seines Aufent haltes in dem Convicte gerichteter Brief, welcher durch seinen gemüthlich derben Inhalt zur Charakteristik des damals in das 16. Lebensjahr eingetretenen Jünglings Einiges beitragen dürfte, seine Stelle finden. Schubert schreibt:

„Gleich heraus damit, was mir am Herzen liegt, und so komme ich eher zu meinem Zwecke, und Du wirst nicht durch liebe Umschweife lang aufgehalten. Schon lange habe ich über meine Lage nachgedacht, und gefunden, daß sie im Ganzen genommen, zwar gut sei, aber noch hie und da verbessert werden könnte; du weißt aus Erfahrung, daß man doch manchmal eine Semmel und ein paar Aepfel essen möchte, umsomehr, wenn man nach einem mittelmäßigen Mittagsmahle nach 8 Stunden erst ein armseliges Nachtmahl erwarten darf. Dieser schon oft sich aufgedrungenc Wunsch stellt sich nun immer mehr ein, und ich mußte nolens volens endlich eine Abänderung treffen. Die paar Groschen, die ich vom Herrn Vater bekomme, sind in den ersten Tagen beim T-, was soll ich dann die übrige Zeit thun?

,,Die auf dich hoffen, werden nicht zu Schanden werden. Matthäus Cap. 2, V. 4." So dachte auch ich. Was wär's denn auch, wenn Du mir monatlich ein paar Kreuzer zukommen ließest. Du würdest es nicht einmal spüren, indem ich mich in meiner Klause für glücklich hielte und zufrieden sein würde. Wie gesagt, ich stüße mich) auf die Worte Apostels Matthäus, der da spricht: Wer zwei Röcke hat, der gebe einen den Armen. Indessen

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