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ungleich größere Wirkung erzielt wird). Auch gewinnen die hie und da eingewobenen Sologefänge wesentlich an Be deutung, wenn ihnen ein kräftiger Chor zur Seite steht, aus welchem sie sich herausheben, und der, an betreffender Stelle eingreifend, den Gesang mit mächtiger Stimme weiterführt.

Schubert's hauptsächliche Stärke, in dem unversiegbaren Reichthum und der Originalität der Melodien gelegen, tritt auch in dieser Musikform unverkennbar hervor; der melodische Theil behauptet seinen hervorragenden Plaß; aber auch hier, wie in dem überwiegend größeren Theile seiner Compositionen, die instrumentalen nicht ausgenommen, zeigt sich ein unver kennbares Hinneigen zu jener Musikform, von welcher er ausgegangen war, sich die Unsterblichkeit zu erringen, Lied.

zum

Uebrigens läßt sich mit Bestimmtheit annehmen, daß auch von den mehrstimmigen Gesangs-Compositionen Schubert's noch so manche im Schutt begraben liegt, und der Stunde harrt, wo sie (wie Goethe's Geisterchor) zur Ehre des Compo nisten und zur Freude aller Musikfreunde an's Tageslicht gefördert werden wird.

Wir nehmen nun von Schubert's Gesangswerken Abschied, um uns seinen Instrumental-Compositionen zuzuwenden und die hervorragendsten darunter mit flüchtigem Blicke zu überschauen.

*) Im Jahre 1821 wurde der Geisterchor von Goethe von acht Männersstimmen gesungen; jezt tragen ihn gegen 200 Stimmen vor. Da die Composition an sich schwierig ist, und bei der Aufführung im Operntheater obendrein nicht genügend einstudirt war, so darf es nicht Wunder nehmen, daß sie durchfiel.

Da möge denn zunächst seiner für das Clavier geschriebenen Tonstücke Erwähnung geschehen. Wie bereits erwähnt worden, componirte er schon in früher Jugendzeit für dieses Instrument. Im Jahre 1810 schrieb er eine Fantasie zu vier Händen, welcher im Jahre 1811 eine zweite und 1813 eine dritte folgten. Im Jahre 1815 aber componirte er die Sonaten in F und C, und im Jahre 1816 eine Sonate in F. Diesen folgten in den Jahren 1817 und 1818 nicht weniger als sechs Sonaten (in Es, F-Moll, A-Moll, As-Dur, C und F) und diesen in den folgenden Jahren abermals welche, bis durch die in seinem leßten Lebensjahre componirten drei großen Sonaten in C-Moll, A und B, die lange Reihe derselben ihren Abschluß erhielt").

Unter diesen Clavierstücken fehlt es nun abermals nicht an solchen, welche dem Schöpfer derselben zu großer Ehre gereichen; ja mehrere dieser Sonaten, zu welchen im weiteren Sinne auch die Fantasie op. 78 gehört, dürften von anderen

*) Diese lezten drei Sonaten wollte Schubert dem von ihm hoch. verehrten Hummel zueignen; er starb aber darüber und so wurden dieselben von den Verlegern Robert Schumann gewidmet. Außer diesen Sonaten sind noch im Stich erschienen:

Große Sonate in A-Moll op. 42, dem Erzherzog Rudolph gewidmet. D-Dur op. 53, Boklet gewidmet.

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Es.

A-Moll op. 143, von den Verlegern Mendelssohn gewidmet.

H-Dur op. 147, von den Verlegern Thalberg ge.

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die Fantasie op. 78 (Andante Menuetto Alegretto) und

das Fragment op. 145.

Clavier-Compofitionen derselben Gattung aus der Zeit nach Beethoven kaum übertroffen worden sein.

Namentlich sind die Sonaten in A-Moll op. 42, dann jene in D op. 53, in A-Dur op. 120 und die Fantasie op. 78 ungemein interessante und reizende Tonstücke. Ein sonderbarer Zufall wollte es, daß Schumann, dem enthusiasti schen Bewunderer der Schubert'schen Muse, und namentlich auch seiner Claviercompositionen, gerade jene Sonaten dedicirt wurden, die ihm ob der,,Einfalt der Erfindung“ etwas befremdend vorkamen.,,Die Sonaten," schreibt Schumann darüber in seiner musikalischen Zeitschrift, „sind (von den Verlegern) als das lezte Werk Schubert's bezeichnet, und merkwürdig genug. Vielleicht daß anders urtheilen würde, wem die Zeit der Entstehung fremd geblieben wäre wie ich selbst sie vielleicht in eine frühere Periode des Künstlers gesezt hätte, und mir immer das Trio in Es-Dur als Schubert's leßte Arbeit, als sein Unabhängigstes und Eigenthümlichstes gegolten hat. Uebermenschlich freilich wäre es, daß sich immer steigern und übertreffen sollte, wer wie Schubert, so viel und täglich so viel componirte, und so mögen auch diese Sonaten in der That die letzten Arbeiten seiner Hand sein. Ob er sie auf dem Krankenlager geschrieben, ob nicht, konnte ich nicht erfahren, aus der Musik selbst scheint man auf das erstere schließen zu dürfen. Wie dem sei, so scheinen mir diese Sonaten auffallend anders, als seine arderen *), namentlich durch eine viel größere

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*),,Wie wir denn“, schrieb er an anderer Stelle über die schon früher erschienenen Sonaten op. 42, op. 53 und die Fantasie op. 78, ohne tausend Worte alle drei Sonaten geradezu nur herrlich nennen müssen, so dünkt uns doch seine Fantasiesonate die vollendetste in Form und Geist. Ihr am verwandtesten ist die in A-Moll. Der erste Theil so still, so träu

Einfalt der Erfindung, durch ein freiwilliges Refigniren auf glänzende Neuheit, wo er sich sonst so hohe Ansprüche stellt, durch Ausspinnung von gewissen allgemeinen musikalischen Gedanken, anstatt er sonst Periode auf Periode neue Fäden verknüpft. Als könne es gar kein Ende haben, nie verlegen um die Folge, immer musikalisch und gesangreich, rieselt es von Seite zu Seite weiter, hier und da durch einzelne heftigere Regungen unterbrochen, die sich aber schnell wieder beruhigen. So wirkten sie auf mich. Wohlgemuth und leicht und freund. lich schließt er denn auch, als könne er Tags darauf von Neuem beginnen."

Schumann hat hier das liebenswürdige, im fortwährenden Schaffungsdrange begriffene Wesen seines Lieblings treffend charakterisirt, und Eine Bemerkung, welche er bei Besprechung dieser drei Sonaten macht, findet so ziemlich auf die ganze Claviermusik Schubert's ihre Anwendung. Die,,heftigen Regungen“ nämlich, die energischen Accorde und Kraftstellen pflegen in anmuthigster Weise den melodisch dahinfließenden, beruhi genden gar bald wieder Plaz zu machen, wie dies so häufig in den ersten Säßen der Sonaten der Fall ist. Rasch und feurig dagegen, mitunter im Rhythmus eines ungarischen Tanzes eilt der lezte Sah oft über langgedehnte Strecken

merisch; bis zu Thränen könnte es rühren, dabei so leicht und einfach, aus zwei Stücken gebaut, daß man den Zauberer bewundern muß, der fie so seltsam in- und gegeneinander zu stellen weiß. Wie anders sprudelt es dagegen in der muthigen in D-Dur! Als Clavier-Componist“ bemerkt Schumann weiter,,,hat Schubert im Einzelnen selbst vor Beethoven voraus, daß er claviergemäßer zu instrumentiren weiß, das heißt, das alles klingt so recht vom Grunde aus der Tiefe des Claviers heraus, während wir z. B. bei Beethoven zur Farbe des Tones erst vom Horn, der Hoboe u. s. w. borgen müssen.“

hin, dem Schlusse zu; die Scherzi sind originell, und in einer an Beethoven sich anlehnenden Art gehalten; im Andante aber erklingt gewöhnlich ein einfach schönes Lied, das wohl auch hie und da im Schmucke reizendster Variationen fortgeleitet wird.

Das bedeutendste und umfangreichste Clavierstück, das Schubert nächst den Sonaten geschrieben hat, ist die große Fantasie in C op. 15. Auch diese ist wieder reich an melodischen Schönheiten und genialen Einzelzügen, weist jedoch als freies Fantasiespiel die Forderungen einer geschlossenen Form noch entschiedener zurück, als dies bei andern Instrumentalwerken Schubert's der Fall ist. Anderseits ist mit Ausnahme der in der Mitte derselben eingewobenen Liedstelle die ganze Anlage und Behandlung dieses Musikstückes so einladend zur Orchestrirung, daß Franz Liszt, in richtiger Erkenntniß des sinfonischen Charakters desselben, mit jener Meisterschaft, welche ihm gerade für derlei Bearbeitungen eigen ist, die Orchesterbegleitung dazu componirte, in welcher Form denn auch die Fantasie zu wieder. holten Malen in Wien zur Aufführung gelangte.

Außer den genannten Claviersachen componirte Schubert noch viele andere, in kleineren Formen gehaltene, zu welchen die zehn Variationen (componirt 1815), ein Scherzo und Trio (componirt 1817), ein Allegretto (Hr. Walcher zur Erinne rung, componirt 1827), ein Adagio, ein Marsch mit Trio, dann die sehr verbreiteten Impromptu's und moments musicals, zum Theil höchst anziehende geistvolle Compositionen, und endlich eine bedeutende Anzahl von Tänzen gehören. Unter den letteren überwiegen die Deutschen und Ländler, welche ihren Ursprung zumeist Schubert's Improvisationen auf Hausbällen verdanken, und dann als,,Erste Walzer, Originaltänze“ (den

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