Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

13.

Ueber die Maassnahmen zur Abführung der Abfälle aus Haushaltungen und Fabriken grösserer Städte vom sanitätspolizeilichen Standpunkte.

Vom

Königlichen Stabsarzt Dr. Lommer zu Berlin.

(Schluss.)

B. Flüssige Abfälle.

Die flüssigen Abgänge der Haushaltungen, aus Küchen-, Wasch- und Badewasser bestehend, und die, je nach der Production verschiedenen, flüssigen Fabrikabgänge sind durch Stoffe organischer und unorganischer Natur mannichfach verunreinigt und können hier nur als getrübte, Sand, Staub und suspendirte organische Körper in grösserer oder geringerer Menge enthaltende Lösungen löslicher organischer und unorganischer Stoffe (wie unter Anderem auch event. von Blei-, Zink-, Kupfer- und anderen Salzen, Säuren etc.) betrachtet werden.

In Paris hat man, wie Parent Duchatelet (1. c. t. I. p. 266) sich ausdrückt „unglücklicherweise", vielfach tiefe Gruben (puits, puisards absorbants) zur Aufnahme der gedachten Flüssigkeiten angelegt. Sie gefährden, gleich den oben beschriebenen Schlinggruben, Luft und Wasser. In dem Dorfe la Chapelle bei Paris wurden in dieser Weise

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. VII. 2.

18

die Brunnen der Umgegend in hohem Grade in einem Umkreise von ca. 200 Metr. vergiftet (1. c. t. I. p. 530).

Bisweilen trifft man beim Bohren nach Wasser auf Schichten, in denen kein Zufluss von Wasser stattfindet, sondern es fliessen hineingegossene Wässer ab. Diese absorbirenden Bohrlöcher sind in Frankreich für flüssige Fabrikabfälle benutzt worden. So verschluckte ein solches Bobrloch zu Villetaneuse bei St. Denis im Winter 1832-33 täglich 80,000 Liter Spülicht einer Stärkefabrik, ein anderes im Hölzchen von Bondy lässt täglich 120 Kubikmeter verschwinden (Eulenberg a. a. O. p. 356). Parent Duchatelet glaubte, die Verwendung dieser Bohrlöcher für Fabriken, selbst in der Nähe artesischer Brunnen, gestatten zu kōnnen, weil er meinte, dass ein Wasser, welches unter hohem Drucke 60 bis 80 Meter in die Höhe steige, sich nicht mit anderem Wasser vermischen werde, und weil in der Nähe gelegene Brunnen auch in keinem bekannten Falle Nachtheil erlitten hätten (1. c. t. I. p. 542). Allein wohin fliesst jenes Wasser? Pappenheim spricht (a. a. O. Bd. II. p. 565) von einer Solidarität der Landschaften hinsichtlich der Meteorwässer, so dass ein Ort Wasser erhalte, welches vielleicht Hunderte von Meilen an einem anderen Orte in die Erde gedrungen sei; wir können deshalb nicht wissen, ob nicht auch jene Wässer entlegeneren Orten zufliessen. Selbst nur heisses Wasser, welches in absorbirende Brunnen gelassen wird, kann nachtheilig wirken. d'Arcet hat beobachtet, dass das heisse Wasser einer Dampfmaschine, welches ein Fabrikant im Faubourg St. Marceau auf jene Weise entfernte, nach einigen Monaten das Wasser der umliegenden Brunnen in solchem Grade erwärmt hatte, dass es für manche Zwecke unbrauchbar war. (Parent Duchatelet, t. I. p. 532.) In einem ähnlichen, von Eulenberg (a. a. O. p. 360) erwähnten Falle betrug die directe Entfernung

des absorbirenden und der verdorbenen Brunnen nicht weniger als 1000 Fuss.

Für die Hauswässer hat man in Paris tiefe Gruben ausgemauert und sie zugedeckt (ordonnance de police du 20. Juillet 1838). Allein auch dann noch bleiben sie gefährlich; die Wässer yerschwinden zum Theil, die sich absetzenden organischen Beimischungen aber treten in eine so gefährliche Zersetzung ein, dass die Arbeiter die Räumung dieser puits, die nach dem für Gruben vorgeschriebenen Reglement erfolgen muss, wegen des plomb weit mehr fürchten, als die der fosses d'aisance (Parent Duchatelet, 1. c. t. I. p. 266).

Die absorbirenden Brunnen sind demnach als ein für Abführung aller flüssigen Abfälle durchaus unzulässiges Mittel zu bezeichnen.

So lange es die Industrie nicht lohnend findet, aus den Waschwässern aller grossen und kleinen Haushaltungen, sowie aus deren Spülwässern die Fettsäuren und Alkalien wieder auszuziehen oder anderweitig zu verwenden (in einer Spinnerei in Württemberg hat man z. B. bereits mit Erfolg versucht, das Seifenwasser zur Darstellung von Leuchtgas zu verwenden, Pappenheim a. a. O. Bd. III. Artikel Steinkohlen, p. 268); so lange werden uns die Flüsse jene Wässer abnehmen müssen. „Liesse sich die Ausschüttung derselben in natürliche Becken, aus welchen Trinkwasser entnommen wird, irgendwie umgehen, so würde man damit immer besser handeln; dies wird aber, da man den Hauswässern keine besonderen Wege anweisen kann, nicht angehen." (A. a. O. Bd. III. p. 16.)

Eulenberg findet es bedenklich, auch das eigentliche Spülwasser der Küche, welches immer reich an animalischen Beimengungen sei, in derselben Weise abzuführen, und räth, sie mit den Excrementen abzufahren. (A. a. O

p. 357.) Allein hierdurch würde man die Fäulniss der letzteren erheblich steigern, den Dünger, der nur in frischem concentrirtem Zustande für die Landwirthschaft Werth hat, so stark verdünnen, dass die Abfuhr nicht lohnt, ferner durch die hohen Abfuhrkosten der massenhaften Flüssigkeiten den Privaten eine zu grosse Last auferlegen, ohne sicher zu sein, dass sie nicht doch in die Flüsse gelangen; endlich kommen unzweifelhaft auch solche Wässer der fraglichen Kategorie vor, die noch so rein sind, dass ihre Ausschüttung in die Wege des Meteorwassers unbedenklich und deshalb polizeilich nicht zu beanstanden, ja sogar zur Spülung jener Wege ganz erwünscht ist. Zwischen diesen Wässern aber und den unreinen findet ein so allmähliger Uebergang statt, dass es ganz unausführbar erscheint, eine bestimmte Grenze zu ziehen und die einen ausschütten zu lassen, die anderen aber nicht. Man wird daher polizeilich immer gestatten müssen, alle Hauswässer ohne Unterschied in die für die Meteorwässer bestimmten Wege zu giessen. Wo es aber möglich ist, wird man diese nicht innerhalb, sondern ausserhalb der Stadt in den Fluss münden lassen.

Anders verhält sich dies mit den flüssigen Fabrikabgängen. Von diesen können nur diejenigen gleichzeitig mit den Meteor- und Hauswässern abgeführt werden, welche ganz indifferent oder nicht mehr offensiv sind, als jene. Es werden jedoch in verschiedenen Fabriken flüssige Abgänge von so hohem Gehalte an fäulnissfähigen Stoffen oder anderen offensiven Substanzen erzeugt, dass ihre Ausschüttung in die Flüsse unbedingt nicht zuzulassen ist; bei anderen wird sie nur unterhalb der Städte in Wasserläufe geschehen dürfen, wenn diese wasserreich, raschfliessend sind, und nicht nach kurzem Laufe Trinkwasser geben; bei noch anderen wird es sich fragen, ob sie den

Flüssen in den Wegen des Meteorwassers zugeführt werden dürfen, nachdem sie desinficirt oder neutralisirt sind; selbst die höhere Temperatur einzelner chemisch indifferenter Abgänge ist bei Beantwortung dieser Frage zu berücksichtigen. Im Allgemeinen dürfen da, wo gut gespülte unterirdische Leitungswege vorhanden sind, mehr Fabrikabgänge zugelassen werden, als da, wo nur Rinnsteine zu Gebote stehen.

[ocr errors]

Immer haben wir betreffs flüssiger Fabrikabgänge von Bedeutung an die Imbibition des Bodens und die hieraus unter Umständen hervorgehende Luft- oder Wasserverderbniss, sowie an die Infection fliessender oder stehender Wässer sowohl für die unmittelbaren, als für die entfernten Adjacenten zu denken.

Nach Pappenheim sind nur solche Abgänge in die Flüsse zu lassen, welche dem Wasser weder einen abstossenden Geruch oder Geschmack geben, noch es trübe machen, nur neutrale und geklärte (a. a. O. Bd. III. p. 300). Der. Polizeibehörde steht es zu, in jedem einzelnen Falle eine Prüfung der obwaltenden Verhältnisse vorzunehmen; das Gesetz vom 28. Februar 1843 über die Benutzung der Privatflüsse (Horn, a. a. O. Bd. I. p. 184) ist für sie maassgebend:

§ 3. Das zum Betriebe von Färbereien, Gerbereien, Walken und ähnlichen Anstalten benutzte Wasser darf keinem Flusse zugeleitet werden, wenn dadurch der Bedarf der Umgegend an reinem Wasser beeinträchtigt oder eine beträchtliche Belästigung des Publicums verursacht wird Ist dies der Fall, so muss die Fabrik angeben, in welcher anderen, unschädlichen Weise sie ihre Abgänge unterbringen will und ist demgemäs zu controliren (wie bei den festen Fabrikabfällen angegeben).“

„Für die Fabriken, welche die Rinnsteine oder Kan

« ZurückWeiter »