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bereits im Abtrittssitz geschehen. Vorschläge dazu sind im „Memorial de l'officier du génie 1820“, später von Chamot und Dérosne gemacht, ohne in Gebrauch gekommen zu sein. (Parent Duchatelet t. II. p. 360). Pappenheim erwähnt (a. a. O. III. p. 26.) einer von Marino angegebenen Vorrichtung, die in den Acten des hygieinischen Congresses zu Kopenhagen 1858 abgedruckt sei ohne sie näher zu beschreiben. Man kann den Urin entweder durch ein besonderes Rohr vom Sitzbecken aus ableiten, wie am Mehlhose'schen Luftcloset und in den Closets, welche ich im dänischen Lazareth zu Augustenburg zu sehen Gelegenheit hatte, und die ganz geruchlos waren; oder die Adhäsion benutzen, vermöge deren derselbe an einer geneigten Metallfläche hinabläuft, während die festen Excremente in der Achse des Fallrohres fallen.

In der Desinfection besitzen wir ein weiteres Mittel, die Unannehmlichkeiten der Aufsammlung zu mindern. Sie ist nicht bloss ein Mittel, um Gestank zu tilgen, sondern bei genügender Ausführung wirksam genug, um, selbst bei Epidemien, die durch das Abfuhrsystem gebotene Aufsammlung in zweckmässigen Behältern ungefährlich zu machen. So blieb es unter Andrem 1854 in Ulm, einer Stadt, welche wegen mancher Localverhältnisse eine bedeutende Epidemie erwarten lassen musste, durch fleissige und energische Anwendung von Desinfectionsmaassregeln bei einer ganz beschränkten Ausbreitung der Cholera, und die Krankheit erlosch schnell, (Griesinger, a. a. O. p. 260).

Die Anwendung der desinficirenden Mittel ist an keine besondere Einrichtung der Abtritte geknüpft, der Verwendung der Excremente eher günstig als ungünstig, lässt sich billig ausführen und verlangt nur eine geringe Mühe, wenn man die betreffenden Stoffe beim jedesmaligen Gebrauche des Abtritts anwendet. Trotzdem wird die Desinfection so Vierteljahrseschr. f. ger. Med. N. F. VII. 1. 2

lange nicht in allgemeinere Aufnahme kommen, als es in dem Belieben des Einzelnen liegt, ob er seinen Abtritt stinken lassen will oder nicht. Da wir aber genug wirksame Mittel besitzen, ihre Anwendung auch so billig ist, um von allen Hauswirthen verlangt werden zu können, und Contraventionen leicht festzustellen sind, so ist zu wünschen, dass die Desinfection, welche ganz im Interesse der Sanitätspolizei liegt, auch bei uns obligatorisch werde, wie sie es in Paris bereits seit dem 28. Dezember 1850 ist. Nur muss die Desinfection nicht eine einmalige sein, welche nur die Arbeiter bei der Extraction schützt, sondern sie muss öfter wiederholt werden. Man erreicht schon eine ziemliche Geruchlosigkeit der Behälter, wenn alle 3-4 Tage eine Quantität von Desinfectionsmitteln hinein gelangt; durch Vorrichtungen ist aber auch eine stetige, folglich noch wirksamere Desinfection herzustellen. Aufgabe der Techniker ist es, derartige Vorrichtungen zu ersinnen, die billig sind, einfach, um nicht häufige Reparaturen zu erfordern und so bequem, dass ihre Leistung nicht von dem Willen des Abtrittbesuchers abhängt.

Als Desinfectionsmittel hat man bis jetzt nur solche Substanzen gewählt, welche die stinkenden Fäulnissgase, hauptsächlich Schwefelwasserstoffverbindungen und Ammoniak, unschädlich machen. Die nicht stinkenden Fäulnissproducte sind vielleicht nicht weniger gesundheitsschädlich als jene; da man aber ihre Eigenschaften nicht kennt, so ist man bisher ausser Stande, sie unschädlich zu machen.

Die Desinfectionsmittel versetzen die Excremente entweder in einen Zustand, in welchem sie keine offensiven Gase aussenden, oder vernichten die letztern. Das Erstere geschieht durch Wasserentziehung (wie durch Kalk und Alaun) oder durch Verbindung mit den fäulnissfähigen, namentlich also den eiweissartigen) Substanzen (Holzessig,

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Kreosot, Carbolsäure etc.) (Schlossberger, a. a. O. a. a. O. p. 56). Andere Mittel machen die Fäulnissgase unwirksam durch Zersetzung (Chlor und Jod bilden mit S H. den JH. und Cl H. und S. wird frei) oder durch Oxydation (durch Jodsäure, Bromsäure, schweflige, salpetrige, unterchlorige Säure, Untersalpeter-Chromsäure, Metallsalze in Lösung (GrahamOtto, ausführliches Handbuch der Chemie, Bd. II. p. 324), indem alle diese Stoffe den Wasserstoff des S. H. zu H. O. oxydiren und S abscheiden, oder wie die Metalloxyde Schwefelmetalle bilden. Eine dritte Gruppe der Desinfectionsmittel absorbirt die gebildeten Gase (Erde, Asche, Kohle etc.). Gewisse Stoffe verbinden mehrere dieser Wirkungsweisen; so z. B. bewirkt die Kohle neben der Absorption eines Gasgemenges noch eine Zersetzung des S H. unter Abscheidung von S.) Liebig und Köhler chem. Wörterbuch, Artikel Absorption). Wie hieraus zu ersehen, bietet die Chemie eine grosse Reihe desinficirender Substanzen; nicht alle können jedoch für grosse Massen, wie sie hier in Rede stehen, Verwendung finden. Die am meisten gebrauchten führt Tardieu (1. c. t. III. p. 567) nach einer Tabelle von Ernst Vincent (Récherches historiques sur la construction des fosses d'aisances et l'emploi des matières fécales) an. Im Allgemeinen ist von einem Desinfectionsverfahren zu verlangen, dass es die Massen geruchlos mache, leicht anzuwenden und nicht theuer sei, nicht das Volumen zu stark vermehre und dadurch den Transport erschwere, dass es endlich nicht den Dungwerth der Excremente herabsetze. Flüssige Substanzen haben den Vorzug, dass sie gleichmässig mit allen Excrementen in Berührung kommen, deshalb werden manche Substanzen z. B. Eisenvitriol, der sich als Desinfectionsmittel gut bewährt hat, gern in Lösung angewendet.

Je nach dem Alter und der Qualität des Grubeninhalts

muss die Menge der zu verbrauchenden Substanzen bemessen werden; an Orten, wo viel animalische Nahrung genossen wird, ist ein grösserer Zusatz nöthig als dort, wo die Excremente mehr vegetabilische Stoffe enthalten. Die Ausscheidung des Schwefelwasserstoffs allein aus den Excrementengasen reicht zum Geruchlosmachen der Abtrittsbehälter nicht aus, da einzelne Bestandtheile jenes Gemenges weder durch Chlor noch durch Metallsalze zersetzt werden, wenigstens nicht bei gewöhnlicher Temperatur; es ist daher rathsam, Substanzen aus den verschiedenen oben bezeichneten Classen der Desinfectionsmittel zu einem Gemisch zu verbinden. Eine Reihe der gebräuchlichsten im Grossen bewährt gefundenen Compositionen findet sich ausführlich bei J. P. Schmit (Des moyens de récueillir et d'utiliser les engrais, qui se perdent dans les grands centres de population. Liège 1850, Art. Desinfection).

In der neueren Zeit hat ein Desinfectionsverfahren besondere Aufmerksamkeit erregt, weil es gleichzeitig durch Herstellung einer trockenen Masse die Abführung des Urins bedeutend erleichtern sollte; es ist dies das sogenannte Mosselmann'sche Verfahren. Dasselbe besteht (nach von Salviati etc. a. a. O. p. 98) in der Zumischung der doppelten Gewichtsmenge von Aetzkalk zu dem im Diviseur von den Fäces getrennten Urin; hierdurch wird eine im Volumen 2 mal so grosse Menge Kalkpulver erzeugt, welche ihrerseits ein gleich grosses Volumen Faces vollständig einzuhüllen, geruchlos und darum leicht transportabel zu machen im Stande sein soll. (chaux animalisée faite avec l'engrais humain solide). Da aber die Menge des Urins die der Faces um das Achtfache überwiegt, so muss aus dem Ersteren eine chaux supersaturée d'urine hergestellt werden, um auch jene zu geruchlosem Dünger zu machen. Zur

Herstellung eines Centner Dünger sind 19 Pfd. gebrannter Kalk nöthig.

Abgesehen davon, dass auch der frischeste Kalk höchstens das 1 fache seines Gewichts an Wasser aufzunehmen vermag, wobei meist die Pulverform schon längst überschritten ist, jeder weitere Zusatz daher nur flüssige Kalkmilch erzeugt (Annal. der Landwirthschaft 1865. No. 23 p. 211), das Verfahren auch wegen der Menge des zu verbrauchenden Kalks weder in landwirthschaftlicher noch in nationalöconomischer Beziehung ausführbar erscheint, (für Berlin würden z. B. jährlich 233,773 Tonnen Kalk erforderlich sein, während Rüdersdorf nur 40,000 jährlich liefert), so reicht es auch in hygieinischer Beziehung nicht aus, weil die Desinfection der festen Massen nicht eine stetige ist, sondern erst bei der Ausräumung erfolgt, und endlich nicht einmal der Gestank vermieden wird, da der Kalk das Ammoniak entweichen lässt (Voigt in Henkes Zeitschrift Bd. 79. S. 83). Das Mosselmann'sche Verfahren hat daher keinen Vorzug vor der von Deplanque erfundenen sogenannten fosse Siphon, wie sie sich in Abtritten auf dem Quai de la Megisserie in Paris findet. (Stadtbaurath Licht a. a. O. p. 32). Es wird eine gemauerte Grube mit Kalkwasser (Kalkmilch?) bis zur Höhe eines am oberen Rande abgehenden Bleirohres, welches nach dem Strassenkanale führt, gefüllt. Die in die Grube gelangenden Excremente verdrängen ein gleich grosses Volumen Kalkwasser, wobei sich die festen Stoffe mit dem Kalke verbinden und an der Sohle einen Niederschlag bilden sollen. Allein in jenen Abtritten herrscht ein sehr übler Geruch, die abfliessende Menge wird nicht desodorisirt, so dass damit in hygieinischer Beziehung nichts gewonnen wird.

In Stettin ist man auf die vom Professor Müller in Stockholm empfohlene desinficirende Mischung aus 100

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