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Deutscher

Bund, 19. Mai

1866.

No. 2277. zogthum Limburg, mit Ausnahme der Niederländischen Festungen Mastricht und Venlo, dem Deutschen Bunde beizutreten. Die Bedingungen und näheren Bestimmungen, unter welchen dieser Beitritt, nach vorheriger Verabredung, erfolgte, sind in dem Bundesbeschlusse vom 5. September 1839 (19. Sitzung § 251) festgestellt und allseitig angenommen worden. Obwohl nun der durch diesen Beschluss genehmigte Vorbehalt, dass das Herzogthum Limburg unter dieselbe Verfassung und Verwaltung mit dem Königreich der Niederlande gestellt werde, bislang keine irgend bedeutenden Unzukömmlichkeiten oder Irrungen mit dem Deutschen Bunde veranlasst hat, so hat doch während dieser langen Zeit auch keine irgend bemerkbare Annäherung der Limburgischen Bevölkerung an die Deutschen Verhältnisse stattgefunden. Diese Bevölkerung betrachtet vielmehr den ohne ihre Zustimmung erfolgten Anschluss an den Deutschen Bund als einen unfreiwilligen, nur durch unglückliche politische Ereignisse herbeigeführten Act, welcher eben deshalb in dem Herzogthum nie populär werden konnte. Die Einwohner Limburgs sind nie Deutsche gewesen; sie sind und bleiben in allen Hinsichten durch ihre Sprache, ihre politischen Ansichten und Sympathien, ihre Handels- und industriellen Verhältnisse, ja ihre ganze Erziehung und Bildung Deutschland fremd. Sie betrachten daher auch das Band, welches sie an Deutschland geknüpft hat, als ein erzwungenes, unglückliches, dessen Lösung in hohem Grade wünschenswerth für sie sei. Dieser Wunsch wird von den Bewohnern des Königreichs der Niederlande getheilt. Diese tragen mit Widerwillen die Opfer und Lasten, welche das Bundesverhältniss dem Herzogthum Limburg, ohne die mindesten Gegenvortheile, auflegt und welche das Königreich zum grössten Theile hat übernehmen müssen, weil das kleine Herzogthum sie allein. nicht würde tragen können. Ohne diese Sachlage würde das Königreich der Niederlande gewiss in besseren und freundlicheren Verhältnissen mit Deutschland stehen. Hierzu kommt, dass nicht allein die inneren, sondern auch die äusseren, politisch - geographischen Verhältnisse des Herzogthums leicht zu erheblichen Verwickelungen und Misshelligkeiten mit dem Deutschen Bunde führen können. Die Lage der Festungen Mastricht und Venlo, welche fast ganz vom Bundesgebiete umschlossen und von dem rein Niederländischen Territorium getrennt sind, kann bei den ersten kriegerischen Aussichten zu Streitigkeiten mit dem Auslande und zu Irrungen zwischen Niederland und dem Deutschen Bunde führen. Der König der Niederlande folgte bisher in der Reihe der stimmführenden Bundesglieder unmittelbar auf den König von Dänemark, also auf einen Europäischen Fürsten, mit welchem Er, dem Bunde gegenüber, Sich in so weit in ähnlichen Rang- und anderen Verhältnissen befand, als der Schwerpunkt der Regierungsverhältnisse beider Staaten ausserhalb des Deutschen Bundes lag, welchem Sie nur für einen verhältnissmässig geringen Theil ihrer respectiven Besitzungen angehörten. Seit dem definitiven Austritte des Königs von Dänemark aus dem Deutschen Bunde ist die Stellung des Königs der Niederlande in demselben offenbar eine andere, mehr isolirte, ja eine anormale geworden. Wenn bisher die Herzogthümer Holstein und Lauenburg vielen Bundesbeschlüssen fremd bleiben konnten, so durften Luxemburg und Limburg dasselbe thun. Künftig aber dürfte eine solche Aussonderung für letzere schwieriger

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19. Mai

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sein und um so leichter zu Differenzen mit dem Bunde führen können, als die No. 2277. Zurückhaltung des Herzogthums Limburg auch diejenige des Grossherzogthums Bund, Luxemburg, mit welchem dasselbe zu einer Virilstimme verbunden ist, zur Folge hat und also die in vielen Fällen erforderliche Einstimmigkeit der Bundesmitglieder lediglich durch die exceptionellen Verhältnisse des unbedeutenden Herzogthums Limburg erschwert, wo nicht gänzlich verhindert werden kann. Dieser Umstand aber macht die Stellung des Königs der Niederlande, als Grossherzog von Luxemburg, dem Bunde gegenüber, zu einer besonders schwierigen, ja peinlichen und unhaltbaren. In den meisten vorkommenden Fällen wird der König nicht umhin können, auf die durch den Bundesbeschluss von 1839 dem Herzogthum Limburg vorbehaltene und eingeräumte exceptionelle Stellung Rücksicht zu nehmen und Seine Zustimmung zu Anträgen und Einrichtungen zu verweigern, deren Annahme vielleicht im Interesse des mit vielen Deutschen Verhältnissen und Einrichtungen eng verbundenen Grossherzogthums Luxemburg wünschenswerth und vortheilhaft, ja oft nöthig gewesen wäre. Es ist nämlich nicht zu übersehen, dass das Grossherzogthum Luxemburg einen für sich allein bestehenden, ganz unabhängigen Staat mit eigener Verfassung und Verwaltung bildet und mit dem Königreich der Niederlande nichts gemein hat, als den Souverän und die in Bundesverhältnissen beiden Ländern gemeinschaftlich zustehende Virilstimme. In Betracht dieser Umstände ist es daher gewiss erklärlich, dass der Wunsch, das unfreiwillige Band, wodurch das Herzogthum Limburg mit dem Deutschen Bunde vereinigt worden ist, baldmöglichst und gänzlich gelöst zu sehen, in demselben und in dem ganzen Königreich der Niederlande täglich lauter und dringender wird. Die Königlich-Niederländische Regierung hält es daher für ihre nicht länger zu umgehende Pflicht, diese Lage der Dinge den höchsten und hohen Mitgliedern des Deutschen Bundes offen und wahrhaft darzulegen. Sie spricht dabei ihre innigste Ueberzeugung dahin aus, dass es nicht nur zweckmässig, sondern für beide Theile vortheilhaft, ja ehrenvoll und nöthig sei, das fragliche Band zu lösen. Ausser den verhältnissmässig geringen materiellen Vortheilen, welche der Bund bisher aus dem Herzogthum Limburg gezogen, hat ihm der erzwungene Anschluss desselben weder Nutzen, noch moralische Genugthuung verschafft. Bei jeder Gelegenheit hat es sich gezeigt und wird sich bei politischen Verwickelungen unfehlbar zeigen, dass Limburg nur widerstrebend, nur ungern, nur zögernd den Bundeseinrichtungen und Vorschriften Folge geleistet hat und Folge leisten wird. Die Königliche Regierung hält sich ferner überzeugt, dass der Deutsche Bund in einem Zeitpunkte, wo er mit den grössten Opfern deutschgesinnte Länder von einer ihnen widerwärtigen Verbindung mit einer fremden Nationalität befreit und mit Deutschland vereinigt hat, sein Ohr einem, im entgegengesetzten Sinne, von einer loyalen Bevölkerung ebenso dringend geäusserten Wunsche, aus der Verbindung mit Deutschland entlassen und ausschliesslich mit Niederland vereinigt zu sein, nicht verschliessen werde. Die Königlich - Niederländische Regierung, welche übrigens nichts mehr wünscht, als mit Deutschland in freien und freundlichen Verhältnissen zu bleiben, sieht sich daher schliesslich veranlasst, andurch den ebenso förmlichen, als vertrauensvollen Antrag zu stellen:

Staatsarchiv XI. 1866.

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No. 2277. Deutscher Bund, 19. Mai 1866.

dass es dem Durchlauchtigsten Deutschen Bunde gefallen möge, den die Aufnahme des Herzogthums Limburg betreffenden Bundesbeschluss vom 5. September 1839 wieder aufzuheben und somit den Austritt desselben aus dem Bundesverhältnisse zu genehmigen. Von der Grossherzoglich-Luxemburgischen Regierung ist der Gesandte angewiesen, in Beziehung auf den soeben gestellten Antrag alle Rechte und Interessen des Grossherzogthums vorzubehalten.

Auf Vorschlag des Präsidiums wurde beschlossen: die Abstimmung über die geschäftliche Behandlung des vorliegenden Antrages in der nächsten Sitzung vorzunehmen.*)

No. 2278.

No. 2278. Preussen,

1866.

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PREUSSEN. Min. d. Ausw. an d. Kön. Ges. in Stuttgart. Die Rüstungen und die feindselige Haltung Württembergs gegen Preussen betr. Berlin, den 22. Mai 1866.

Graf Linden hat mir vorgestern die in Abschrift anliegende Depesche 22. Mai mitgetheilt, in welcher die Königlich Württembergische Regierung sich den Schritten anschliesst, welche das Münchener Cabinet im Interesse der Erhaltung des Friedens bei uns gethan hat. Ich habe dem Königlich Württembergischen Gesandten sogleich bemerklich gemacht, dass die beiden Regierungen von Bayern und Württemberg sich nicht in gleicher Stellung zur Sache befänden. Während wir bereitwillig anerkennen, dass die Königlich Bayerische Regierung jeder Initiative zur Herbeiführung der gegenwärtigen Complication fremd geblieben ist, erscheint, nach den uns zugegangenen Nachrichten, die Königlich Württembergische, neben Oesterreich und Sachsen, in der ersten Linie der Regierungen, welche durch unerwartete und in ihren Motiven unaufgeklärte Rüstungen den Anstoss zu der gegenwärtigen Spannung gegeben haben. Ich habe Graf Linden darauf aufmerksam gemacht, dass unter den süd- und westdeutschen Staaten Württemberg zuerst militärische Vorkehrungen angeordnet habe, welche aus dem Rahmen der friedlichen Verhältnisse heraustreten. Die behauptete Geringfügigkeit dieser Vorbereitungen benimmt ihnen nicht den Charakter eines Anzeichens feindlicher Absicht; es liegt in ihnen, besonders in ihrer Anlehnung an die Oesterreichisch-Sächsischen Rüstungen, und nach ihren Beziehungen zu der Oesterreichischen Circular-Depesche vom 16. März, immer ein Ueberschreiten der bedeutsamen Kluft, welche auch den unerfreulichsten Depeschenwechsel immer noch von der ersten und geringfügigsten Anordnung zum Zwecke militärischer Actionen trennt. ¶ Graf Linden erwiderte mir, dass die bedrohliche Gesammt-Situation Deutschlands, Württemberg zu diesen Vorbereitungen ge

*) Der Antrag wurde in der 18. Sitzung vom 24. Mai (§ 142) einem Ausschuss von 5 Mitgliedern überwiesen, in welchen in der 19. Sitzung vom 29. Mai 1866 (§ 145) die Herren Gesandten von Oesterreich, Preussen, Bayern, Hannover und Baden, sowie als Stellvertreter die Herren Gesandten von Königreich Sachsen und den Sächsischen Häusern gewählt wurden.

Preussen,

1866.

nöthigt habe, während die bis zum Beginn der ersten Württembergischen Maass- No. 2278. regeln nur von Oesterreich und Sachsen vorgenommenen Rüstungen gegen 22. Mai Württemberg, nach der eigenen Ansicht des Herrn Gesandten, eine Drohung nicht involvirten. Graf Linden rechtfertigte nun zwar die OesterreichischSächsischen Rüstungen, welche bekanntlich in der ersten Hälfte des Monats März begonnen, aus der im Allgemeinen bedenklichen Lage, in welche Deutschland durch die politische Haltung Preussens gerathen sei. Als beweisende Thatsache für diese unsere Haltung, so weit sie dem den Oesterreichischen Rüstungen vorangehenden Zeitraum angehörte, hat mir Graf Linden ausschliesslich die am 28. Februar von Seiner Majestät dem Könige abgehaltene Conseil-Sitzung unter Zuziehung mehrerer Generale angeführt. Ich habe mein Erstaunen darüber, dass eine so einfache und so häufig vorkommende Thatsache, wie ein Ministerrath unter Vorsitz Sr. Majestät des Königs für den berechtigten Vorwand zu kriegerischen Rüstungen angesehen werden könne, dem Graf Linden ebenso wenig verhehlt, wie früher bei Besprechung desselben Themas dem Grafen Károlyi. Wie wenig es rathsam ist, durch drohende Rüstungen den Frieden zwischen Nachbarn zu gefährden, auf so gewagte Conjecturen hin, wie sie über das Conseil vom 28. Februar gemacht zu sein scheinen, wird die Königlich Württembergische Regierung selbst ermessen, wenn Ew. etc. dem Freiherrn v. Varnbühler mittheilen, dass in jenem Ministerrath allerdings die Frage zur Allerhöchsten Entscheidung vorgelegen hat, ob Preussen nach Maassgabe der Situation genöthigt sei, sich auf eine kriegerische Entwicklung derselben vorzubereiten, dass aber diese Frage nach sorgfältiger Prüfung verneint worden ist, und Se. Majestät durch die gerade in dieser Conseil-Sitzung gefassten Entschliessungen das Streben nach friedlicher Entwicklung der Krisis ausdrücklich sanctionirt hat. ¶ Dass über diese Entschliessungen damals Stillschweigen beobachtet werden musste, lag in der Natur der schwebenden diplomatischen Verhandlungen. Ich habe indessen eine Anfrage des Grafen Károlyi bald nach dem 28. Februar unbedenklich in dem Sinne beantwortet, dass ich zwar unser bisheriges intimes Verhältniss mit Oesterreich, wie es sich auf der Basis eines gemeinsamen Krieges gebildet habe, als gelöst ansehe, dass aber meines Erachtens daraus nichts Anderes folge, als die Rückkehr unserer Beziehungen auf den Fuss vor dem Dänischen Kriege, indem unser Verhältniss dasjenige zweier Europäischer Grossmächte werde, die sich gegenseitig keiner exceptionellen Intimität erfreuten. ¶ Freiherr v. Varnbühler wird Ew. etc. zugeben, dass von solchen zwischen den Grossmächten im Allgemeinen die Regel bildenden Beziehungen zur kriegerischen Bedrohung der einen durch die andere ein weiter und gewagter Schritt ist, und dass derjenige, welcher ihn aus solcher Lage heraus zuerst unternimmt, eine grosse Verantwortlichkeit auf sich ladet. Wir haben daher auch nicht ohne vollständige Ueberraschung gegen Mitte März zuerst Kenntniss von den Oesterreichischen und bald darauf von den Sächsischen Rüstungen gegen uns, sowie von der Thatsache erhalten, dass Oesterreich durch eine Circular-Depesche vom 16. März die Bundes-Regierungen zur sofortigen Mobilisirung ihrer Contingente in Aussicht auf bundesmässiges Einschreiten gegen Preussen gerichtet habe. Wir haben uns nicht sogleich entschliessen

No. 2278. können, dieser Nachricht Glauben zu schenken; nachdem sie uns aber zur GePreussen, 22. Mai wissheit geworden und wir in Erfahrung brachten, dass bei einigen, insbeson

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dere auch bei der Königlich Württembergischen Regierung die Oesterreichische Aufforderung vom 16. März auf keinen unfruchtbaren Boden gefallen war, haben wir uns zu Ende des Monats März zu definitiven *) Rüstungen entschliessen müssen. ¶ Der weitere Verlauf der Dinge ist bekannt und war vorauszusehen, dass eine Rüstung die andere hervorrufen werde. In der durch die erste Rüstung Oesterreichs, Sachsens und Württembergs heraufbeschworenen Thatsache, dass die Deutschen Regierungen einander gerüstet gegenüber stehen, beruht aber noch in diesem Augenblick ausschliesslich die Gefahr des Krieges. Wären jene Rüstungen im Monat März nicht begonnen worden, so ist nicht abzusehen, weshalb sich die Situation, wie sie im Monat Februar d. J. lag, in kriegerischer Richtung hätte entwickeln sollen. ¶ Ew. etc. wollen diese Betrachtungen dem Freiherrn v. Varnbühler mit dem Bemerken vortragen, dass wir nach Inhalt derselben die Königlich Württembergische Regierung als eine der ersten, welche gerüstet habe, nicht als vorzugsweise legitimirt zu Friedensmahnungen ansehen können. Ew. etc. sind ermächtigt, dem Frhrn. v. Varnbühler auf sein Verlangen Abschrift dieser Depesche zu hinterlassen.

v. Bismarck.

No. 2279. Württem

berg,

26. Mai

1866.

No. 2279.

WÜRTTEMBERG. Min. d. Ausw. an den Königl. Ges. in Berlin. wiederung auf die vorstehende Preussische Depesche vom 22. Mai.

Stuttgart, den 26. Mai 1866.

Er

Ew. Excellenz haben mir mit gefälligem Berichtschreiben vom 21. d. M. den Inhalt der Unterredung mitgetheilt, welche Sie aus Anlass des Vollzugs des Ihnen durch mein Schreiben vom 17. d. M. gegebenen Auftrags mit dem Königlich-Preussischen Ministerpräsidenten gehabt haben. Graf Bismarck hat seinerseits den Inhalt dieser Unterredung zum Gegenstand eines Erlasses an den Königlich-Preussischen Gesandten gemacht, welchen Freiherr v. Canitz mir mitgetheilt hat. Was mich in diesen Auslassungen des Königlich-Preussischen Ministerpräsidenten nicht wenig überrascht hat, ist die Behauptung: die Königlich-Württembergische Regierung habe keine Berechtigung, ihre Stimme für die Erhaltung des Friedens zu erheben, nachdem sie durch ihre militärischen Rüstungen die rein defensiven militärischen Maassnahmen der Königlich-Preussischen Regierung provocirt habe. ¶ Bevor ich noch in der Lage war, diese im Wege diplomatischer Correspondenz gegen die diesseitige Regierung aufgestellte Behauptung des Berliner Cabinets zu beantworten, ist mir der officielle Bericht über die Bundestagssitzung vom 24. d. M. mit dem Wortlaut der Preussischen Abstimmung über den Antrag vom 19. d. M. zugegangen. Ich habe hieraus entnommen, dass die Königlich-Preussische Regierung keinen Anstand genommen hat, im Schooss der Bundesversammlung auszusprechen, dass die Königlich-Württembergische Regierung aus demselben Grund wie Oesterreich und Sachsen sich

*) Vergl. w. u. Sächsische Depesche nach Berlin vom 2. Juni, Nachschrift.

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