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dass

Preussen,

1866.

zenden Organisations- und Ausführungs-Gesetze nicht gehörig übersehen lasse. No. 2389. Man scheue vor einer Maassregel zurück, von der man nicht wisse, wie tief sie 1. Septbr. in das Rechtsleben jener Bevölkerungen einschneide und wie viel sie davon zerschneide. Dabei wurde auf eine Reihe von Verfassungs-Paragraphen exemplifizirt. ¶ Diese Ansicht wurde wiederum mit der Behauptung bekämpft, unsere Verfassung selbst erst nach und nach und zu einem beträchtlichen Theile bis zur heutigen Stunde nicht ausgeführt worden. ¶ Endlich wurde noch geltend gemacht, dass die Einführung der Verfassung die Bevölkerung für Preussen gewinnen und vor Partikularismus bewahren würde. Dagegen wurde von verschiedenen Mitgliedern, welche hervorragenden Männern der preussenfreundlich nationalen Partei jener Länder nahe stehen, übereinstimmend bezeugt, dass ein grosser Theil der Bevölkerung daselbst die sofortige Einführung der Preussischen Verfassung geradezu beklagen würde, weil sie davon eine Schädigung ihrer realen Interessen und rechtlichen Eigenthümlichkeiten besorge.

V. Die Kommission, welche in ihrer Mehrheit sich zwar gegen die sofortige Einführung der Verfassung in den zu annektirenden Ländern aussprechen und der Regierung vorläufig freie Hand lassen zu müssen glaubte, hielt sich andererseits für verpflichtet:

a) den Zeitraum bis zur Geltung der Verfassung durch Bestimmung
eines festen End-Termins zu begrenzen.

b) über die Grundsätze, von welchen die Regierung in den neuen Lan-
destheilen während dieser Zeit sich leiten lassen werde, weitere be-
ruhigende Erklärungen zu erlangen.

nament

Zu a. Ein fester Termin macht die Geltung der Verfassung lich des Tit. 2 von den Rechten der Preussen von dem Zustandekommen

des, mannigfachen Wechselfällen unterworfenen, in §. 2 verheissenen Gesetzes unabhängig, setzt allen Hoffnungen und Besorgnissen ein Ziel und würde so hoffte die Kommission auch auf unsere neuen Mitbürger in den annektirten

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Staaten ihre beruhigende Wirkung nicht verfehlen.

Zu b. In Bezug auf die formalen politischen Rechte der neuen Staatsangehörigen versicherte der Herr Minister-Präsident, dass dieselben jedenfalls zu dem Reichstag des Norddeutschen Bundes wählen würden. Was dagegen die besonderen Volksvertretungen dieser Länder betreffe, so könne er, ohne dies gerade definitiv abzulehnen, doch eine Verpflichtung zu deren Berufung auch nur mit berathender Stimme nicht eingehen. Der Minister-Präsident deutete ferner an, dass es sich vielleicht empfehlen könnte, mit einem vereinigten Ausschuss aus den zu annektirenden Ländern über die neuen Organisationen sich in Verbindung zu setzen. ¶ Endlich stellt er bestimmt in Aussicht, dass die Regierung in den annektirten Ländern eine Kommission von höheren Beamten unter Vorsitz eines Preussischen Beamten zur Berathung darüber zusammentreten lassen werde, wie die verschiedenen Rechtszustände auszugleichen und die Verschmelzung anzubahnen sei. Ingleichen würden zur Unterstützung des Ministeriums sachverständige Männer aus den neuen Landestheilen nach Berlin berufen werden. ¶ Was den materiellen Rechtszustand angeht, so war man in der Kommission der An

Preussen,

1866.

No. 2389. sicht, dass die auf die Justiz-Verwaltung und das Steuerwesen bezüglichen Ge1. Septbr. setze und Einrichtungen jener Länder unverändert fortzubestehen hätten, insoweit nicht eine dringende Nothwendigkeit die Aufhebung geböte. ¶ Die Vertreter der Staats-Regierung waren zu einer speziellen Erklärung hierüber nicht ermächtigt; die Kommission glaubte sich jedoch in dieser Beziehung an die frühere Erklärung des Herrn Minister-Präsidenten halten zu dürfen, dass in den annektirten Ländern Alles konservirt werden sollte, was Preussen irgend ertragen könne.

B. Spezial-Diskussion.

Von den vorstehend entwickelten allgemeinen Gesichtspunkten aus war eine grosse Anzahl von Verbesserungs-Vorschlägen zu dem Regierungs-Entwurf eingebracht. Alle stimmten darin überein, im §. 1 an Stelle der PersonalUnion die Real-Union (Art. 2 der Verfassung) auszusprechen. Im Uebrigen zerfielen die Vorschläge in drei Hauptgruppen:

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1) Die erste, repräsentirt durch ein Amendement, wollte die Einverleibung der Bestätigung des Reichstages des Deutschen Bundes vorbehalten.

2) Die Amendements der zweiten Gruppe, welche bis auf eins zurückgezogen sind, verlangten die sofortige Einführung der Verfassung in den neuen Landestheilen.

3) Die Mehrzahl der Amendements gehörte der dritten Gruppe an. Dieselben wollten die Einführung der Verfassung bis nach Jahresfrist oder bis zum 1. Oktober 1867 vertagt wissen; eins derselben bestand auf der Zuziehung der bisherigen Stände mit berathender Stimme während des Interimistikums.

Die Königliche Staats-Regierung erklärte dies letztere sowie sämmtliche Amendements der ersten und zweiten Gruppe für unannehmbar; dagegen mit den übrigen Amendements der dritten Gruppe sich im Wesentlichen einverstanden. In Folge dessen wurden auch diese bis auf eines zurückgezogen, dessen Inhalt und Fassung sämmtliche Amendementssteller dieser Kategorie unter sich vereinbart hatten.

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Berlin, den 1. September 1866.

Die XIII. Kommission.

v. Carlowitz (Vorsitzender). Kanngiesser (Berichterstatter). Bering. v. Brau-
chitsch (Genthin). Dr. Lüning. Dr. Becker. Frentzel. v. Bockum-
Dolffs. Meulenbergh. Freiherr v. Nordenflycht. Dr. Graf v. Schwerin-
Putzar. Schulze (Berlin). v. Denzin. Dr. Lette.
Dr. Lette. Dr. Virchow. Bas-
senge. v. Kirchmann. Rhoden. Berger (Solingen). Graf v. Strachwitz.

Entwurf des Gesetzes nach den Vorschlägen der Commission.

Wir Wilhelm, etc.

§. 1. Die Herzogthümer Holstein und Schleswig werden in Gemässheit des §. 2. der Verfassungs-Urkunde für den Preussischen Staat, mit der Preussischen Monarchie vereinigt.

Preussen,

1866.

§. 2. Die Preussische Verfassung tritt in diesen Landestheilen am No. 2389. 1. Oktober 1867 in Kraft. ¶ Die zu diesem Behufe nothwendigen Abänderungs-, 1. Septbr. Zusatz- und Ausführungs- Bestimmungen werden durch besondere Gesetze festgestellt.

§. 3. Das Staats-Ministerium wird mit der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt.

Urkundlich etc.

No. 2390.

PREUSSEN. Gesetz, betreffend die Vereinigung des Königreichs Hannover, des Kurfürstenthums Hessen, des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt mit der Preussischen Monarchie.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc., verord- No. 2390. Preussen, nen unter Zustimmung beider Häuser des Landtages was folgt: 20. Septbr.

§. 1. Das Königreich Hannover, das Kurfürstenthum Hessen, das Herzogthum Nassau und die freie Stadt Frankfurt werden in Gemässheit des Art. 2 der Verfassungsurkunde für den Preussischen Staat mit der Preussischen Monarchie für immer vereinigt.

§. 2. Die Preussische Verfassung tritt in diesen Landestheilen am 1. October 1867 in Kraft: Die zu diesem Behufe nothwendigen Abänderungs-, Zusatz- und Ausführungs-Bestimmungen werden durch besondere Gesetze festgestellt. Das Staats-Ministerium wird mit der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt.

§. 3.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 20. September 1866.

(L. S.) Wilhelm.

von Roon.

Graf

Graf zu

Graf von Bismarck-Schönhausen. Frhr. von der Heydt.
von Itzenplitz. von Mühler.
Graf zur Lippe. von Selchow.
Eulenburg.

1866.

PREUSSEN.

No. 2391.

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Vereinigung der Herzogthümer Holstein und Schleswig mit der Preussischen Monarchie,

mit Motiven.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc., verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Monarchie, was folgt.

§. 1. Die Herzogthümer Holstein und Schleswig mit Ausnahme eines, durch Vertrag mit dem Grossherzog von Oldenburg näher zu bestimmenden Ge

No. 2391. Preussen, 6. Septbr.

1866.

Preussen,

1866.

No. 2391. bietstheils, werden mit der Preussischen Monarchie auf Grund der am 30. Okto6. Septbr. ber 1864 in Wien zwischen Preussen und Oesterreich einerseits und Dänemark andererseits und am 23. August 1866 in Prag zwischen Preussen und Oesterreich abgeschlossenen Friedensverträge vereinigt.

.

§. 2.

Die Preussische Verfassung tritt in diesen Landestheilen am 1. Oktober 1867 in Kraft. Die zu diesem Behufe nothwendigen Abänderungs- und Zusatzbestimmungen werden durch besondere Gesetze festgestellt. §. 3. Das Staats-Ministerium wird mit der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt.

Urkundlich etc.

Motive zu dem Gesetz-Entwurfe, betreffend die Vereinigung der Herzogthümer Holstein und
Schleswig mit der Preussischen Monarchie.

Im Art. 3 des am 30. Oktober 1864 in Wien abgeschlossenen Friedens hat Seine Majestät der König von Dänemark allen seinen Rechten auf die Herzogthümer Schleswig und Holstein zu Gunsten Ihrer Majestäten des Königs von Preussen und des Kaisers von Oesterreich entsagt und sich verpflichtet, alle in Bezug auf diese Herzogthümer von Ihren gedachten Majestäten zu treffenden Bestimmungen anzuerkennen. In dem am 23. August 1866 zu Prag abgeschlossenen, inzwischen ratifizirten Friedensvertrage hat Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich alle seine im Wiener Frieden erworbenen Rechte auf die beiden Herzogthümer Seiner Majestät dem Könige mit der Maassgabe übertragen, dass die Bevölkerungen der nördlichen Distrikte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden sollen. ¶ Der Wiener *) und der Prager**) Vertrag liegen in Abschrift hier bei. Auf Grund dieser vertragsmässigen Bestimmungen haben Seine Majestät der König beschlossen, die Herzogthümer Holstein und Schleswig mit der Preussischen Monarchie zu vereinigen. ¶ Doch wünscht die Königliche Regierung sich die Möglichkeit zu wahren, abgesehen von der Abstimmung der nördlichen Distrikte Schleswigs, dem Grossherzog von Oldenburg einen zwischen beiden getrennten Theilen des bisherigen Holsteinschen Besitzes Seiner Königlichen Hoheit belegenen Distrikt abzutreten. Der Grossherzog von Oldenburg hat als Vertreter resp. Rechtsnachfolger beider Gottorpschen Linien bei dem früheren Bundestage Ansprüche in Bezug auf die Erbfolge in den Elbherzogthümern erhoben. Es ist wünschenswerth, diese Ansprüche auf gütlichem Wege zu beseitigen und werden die deshalb eingeleiteten Verhandlungen auch im Interesse der Marine eine anderweitige Regulirung des Gebiets an der Jahde umfassen. ¶ Der §. 1 des vorgelegten Gesetz-Entwurfs enthält desfallsige Vorbehalte. ¶ Die §§. 2 und 3 des Gesetz-Entwurfs stimmen im Wesentlichen mit den betreffenden Paragraphen des auf Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt bezüglichen Gesetz-Entwurfs überein.

*) No. 1728.

**) No. 2369.

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No. 2392.

PREUSSEN. Aus dem Bericht der XIII. Kommission des Abgeordnetenhauses über den Gesetz-Entwurf, betreffend die Vereinigung der Herzogthümer Holstein und Schleswig mit der Preussischen Monarchie.

1866.

Dem Schicksal der Elbherzogthümer ist die Deutsche Nation in den No. 2392. Preussen, letzten Jahrzehnten mit besonderer Theilnahme gefolgt. Ihre maritime und strate- 24. Septbr. gische Bedeutung als „Schlüssel der beiden Deutschen Meere", ihre durch Jahrhunderte der Fremdherrschaft erprobte Deutsche Gesinnung, vor allem aber die Erkenntniss, dass die Schleswig-Holsteinsche Frage die Deutsche Frage im eminenten Sinne des Wortes sei, erklären diese Theilnahme. ¶ Die einzelnen Ereignisse der wechsel vollen Geschichte Schleswig-Holsteins seit dem offenen Brief Christian VIII. sind in Aller Erinnerung. Unter ihnen gelangten die nach der Entwaffnung der Herzogthümer zwischen Preussen und Oesterreich einer. seits und Dänemark andererseits in den Jahren 1851 und 1852 gepflogenen Verhandlungen und das den Abschluss derselben bildende sogenannte Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 zu folgenschwerer Bedeutung. Gegen das alte Landesrecht Schleswig-Holsteins sicherten jene bekanntlich König Friedrich VII. die Erhaltung der Dänischen Gesammtmonarchie zu und verpflichteten Preussen und Oesterreich zur Anerkennung der Thronfolge des mit einer Schwestertochter Christian VIII. vermählten Prinzen Christian aus der jüngeren Herzoglich Oldenburgischen Linie Schleswig-Holstein - SonderburgGlücksburg, wogegen Dänemark die Gleichberechtigung der verschiedenen Landestheile und die Einführung getrennter Verfassungen für die besonderen Angelegenheiten der Herzogthümer versprach. Im Londoner Vertrag wurde namentlich die Integrität der Dänischen Monarchie und die Abänderung der legitimen Erbfolge von den Europäischen Grossmächten und von Schweden nochmals anerkannt. Mehr als 10 Jahre schwerer Bedrückung der Herzogthümer und einer matten diplomatischen Aktion, deren Mittelpunkt der Bundestag bildete, waren vergangen, als am 15. November 1863 König Friedrich VII. verstarb. Der Prinz von Glücksburg bestieg als Christian IX. den Dänischen Thron, nahm zufolge des Londoner Vertrages und des auf Grund desselben erlassenen Dänischen Thronfolgegesetzes vom 8. Mai 1853 auch die Erbfolge in den Herzogthümern in Anspruch und erliess eine neue Verfassung, welche Schleswig in Dänemark einzuverleiben bestimmt war. Wegen mehrfacher Dänischer Seits erfolgter Verletzungen der auch durch den Londoner Vertrag verbürgten verfassungsmässigen Rechte Holsteins schritt am Tage vor Weihnachten 1863 der damalige Deutsche Bund dort zur Exekution. Die Dänen räumten ohne Schwertstreich das Holsteinische Land. Deutsche Bund seine Betheiligung abgelehnt hatte, nahmen Preu sen und Oesterreich als Europäische Grossmächte die Sache Schleswigs in die Hand. Vergeblich verlangten sie von König Christian IX. die Zurücknahme der nach der Thronbesteigung gegen den Londoner Vertrag verliehenen, die Rechte Schleswigs beeinträchtigenden Verfassung. Noch im Laufe des Januars 1864

Nachdem der

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