Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

4.

Tod durch Erhängung, oder Erdrosselung,

oder Typhus?

Vom

Stabsarzt Dr. Frölich in Leipzig.

Die Sectionsbefunde geben bei einer und derselben äusseren Todesursache oft so verschiedene Bilder und bei verschiedenen Ursachen bisweilen so analoge Veränderungen, dass es der Gerichts-Arzt mit Recht zu den grössten Schwierigkeiten seines Berufs zählt, die Diagnose der Todesursache exact zu stellen. Wie dem Arzte des Kranken es neben dem objectiven Befunde ganz besonders auf eine genaue Anamnese ankommt, so muss auch der Gerichts-Arzt in der Aufnahme der stattgehabten Lebensverhältnisse des Todten bis zu den letzten Momenten und Aeusserlichkeiten des Todesereignisses selbst und in der Erwägung aller einschlagenden juristischen Erörterungen erhebliche Unterstützung für seine Diagnose erblicken. Bekanntlich wird der GerichtsArzt oft schon von einem einzigen solchen Momente, z. B. vom umgebenden Medium des Todten, auf den Weg zur richtigen Diagnose geleitet und letzterer bleibt nur noch die Bedeutung einer Erhärtung der richterlichen Voraussetzung. Bisweilen aber fehlt es an jeder von Aussen gebotenen Leitstange, und der nackte Sectionsbefund bildet

das ganze Material, welchem der Sachverständige sein Urtheil entnehmen soll. Für solche Fälle ist es in hohem Grade nützlich zu wissen, bis zu welchen Grenzen die Sectionsbilder Einer Todesursache von einer gewissen Norm abschweifen können, wie weit sie von somatischen Eigenthümlichkeiten, wie sehr sie von mit der Todesursache zusammenfallenden körperlichen Vorgängen bez. von Krankheiten verändert werden können. Es ist jedenfalls eine glückliche Idee gewesen, bei der Erstickungsfrage die Momente der Aus- und der Einathmung als beherzigenswerthe Factoren concurriren zu lassen; die gerichtliche Medicin muss dafür dankbar bleiben. Mindestens ebenso dankbar wird sie sich zeigen für das Studium des Einflusses von vorhandenen Krankheiten auf die Leichenbefunde der durch eignes oder fremdes Zuthun Getödteten.

Im Folgenden haben wir es mit einem Falle zu thun, der jedes anamnestischen Anhalts entbehrte, dessen äussere Untersuchung die Frage: „ob Erhängung oder Erdrosselung“, nur mit Vorbehalt beantworten durfte, und dessen innerer Befund die Zweifel durch einen dritten: ob vielleicht Typhustod beträchtlich complicirte.

Sectionsprotokoll.

I. Aeussere Untersuchung.

"

A. Allgemeine äussere Untersuchung.

Der Leichnam ist männlichen Geschlechts, 72" S. lang, ungefähr 35 Jahre alt, von regelmässigem Körperbau, mittelmässig ernährt, die Haut ist blass, kalt, gut angeheftet an die ziemlich kräftige Muskulatur. Auf dem Rücken ausgebreitete Todtenflecke und starke Abplattung. In der Bauchgegend überall mit Ausschluss der mittleren Partieen blassgrüne Hautverfärbung. Die Todtenstarre in den grossen Gelenken der oberen Gliedmaassen ganz gering, in den kleinen Gelenken ziemlich stark vorhanden. In den unteren Gliedmaassen allenthalben starke Todtenstarre.

2

B. Specielle äussere Untersuchung.

[ocr errors]

Kopfoberfläche stark behaart. Antlitz mit ruhigen Mienen, in der Wangengegend etwas eingefallen. An den hinteren Partieen der Ohren Todtenflecke. Die Augen von den Lidern bedeckt, tief in die Augenhöhlen zurückgezogen. Die Nasenhöhlen ohne auffälligen Inhalt. Die Mundhöhle von etwas ledrig sich anfühlenden Lippen geschlossen, ist wegen starker Unterkieferstarre nicht zu öffnen und zu besichtigen; der vordere Rand der Zunge füllt die durch den Verlust dreier Schneidezähne entstandene Lücke aus. Die Mundumgegend ist von einem mässig entwickelten Schnurrbart und Knebelbart besetzt. An den unbehaarten Stellen des Hinterkopfs diffuse Todtenfleckenröthe. Hals dünn, etwas lang, mit vorspringender Kehlkopfgegend; die Seitengegenden in ihren unteren Partieen blass-graublau verfärbt. In der Gegend zwischen oberem Kehlkopfende und Zungenbein befindet sich vorn nach beiden Seiten hinziehend und auf der Hinterfläche des Halses zusammenlaufend eine bis in die Gegend der Unterkieferwinkel 13"" S. schmal bleibende, von da beiderseitig ungefähr 4" S. weit sich auf 1" verbreiternde und darauf wieder sich auf 12" verschmälernde Verfärbung der Haut; die Farbe dieser linienförmigen Zeichnung ist von der Mitte des Kehlkopfs an bis ungefähr 42" nach rechts und hinten blass-grau; von derselben Stelle (Mitte des Kehlkopfs) an bis 2′′ nach links und hinten schmutzig-rothbraun, im weiteren Verlaufe nach links wird sie an der breitesten Stelle der Verfärbung inmitten roth und in der Umgebung scharf abgegrenzt schmutzig-grau; die übrigen Partieen der verfärbten Gegend sind braunroth. Blutunterlaufungen sind in der Nachbarschaft der beschriebenen Kreislinie nicht wahrzunehmen. Die wie bezeichnet verfärbte Haut fühlt sich in den blass - grauen und schmutzig-braunrothen Stellen pergamentartig fest an, nur der roth gefärbte Theil zeigt keine Regelwidrigkeit für die Beobachtung. Die Oberfläche des Brustkorbs ist in der queren Warzenlinie mit spärlichen Haaren besetzt, die Seitengegenden zeigen Todtenflecke, in der Gegend der 7. Rippe blass-grüne Fäulnissflecke, die Muskulatur mittelmässig; der Brustkorb selbst normal figurirt, nur die oberen Partieen schmal und der Längsdurchmesser ziemlich beträchtlich. Die Drosselgrube und die Schlüsselbeingruben, sowie der Sternalwinkel wenig ausgeprägt, die Zwischenrippenräume normal gross, in der linken unteren Brustseitengegend dieselben etwas grösser als rechts.

[ocr errors]

Die Bauchfläche eingesunken, zeigt ausser den erwähnten Fäulnisserscheinungen nichts Auffälliges. Nur ist die linke Seite resistenter für den Fingerdruck. Geschlechtstheile nicht erigirt, aus ihrer Mündung eine geringe grauweisse Flüssigkeit ausdrückbar; an der unteren Fläche des Hodensackes Todtenflecke.

Obergliedmaassen im Ellenbogengelenk nicht ganz gestreckt, in Einwärtsdrehung, die rechts mehr als links vorhanden ist; die Finger an beiden Händen halb gebeugt; die innere Fläche des Ober- und Unterarms rechterseits und des Oberarms linkerseits mit Todtenflecken; im Ellenbogenbug rechts zwei breite und 11⁄2" lange schmutzig-rothe vertrocknete Linien; auf der Höhe des inneren Knorrens am Oberarmbein und gleich daneben einwärts und 1" hinter- und ebensoweit abwärts unregelmässig begrenzte, theils blass-graugelbe, theils braungelbe, der Fläche nach linsen- bis pfenniggrosse mumificirte Flecke; im linken Ellenbogenbug eine 3"" lange, mit der darunter liegenden Blutader communicirende Schnittwunde, welche in ihrer Umgebung Reactionserscheinungen nicht bemerken lässt. Untergliedmaassen allenthalben in gestreckter Haltung.

[blocks in formation]

Die Innenfläche der Kopfschwarte ohne Abnormität. Die hinteren Partieen der Schädelhaube mässig blutreich. Der Schädel selbst sehr compact, aus den Knochenvenen reichliches Blut entleerend. Die harte Hirnhaut von mässig reichlichem hellrothem Blute an den oberen und mittleren Stellen umflossen, ihre Innenfläche normal, auf der Höhe des Scheitels mit der Spinnwebenhaut umschrieben verwachsen, wo letzterer mässige pacchionische Granulationen aufsitzen. Sichelblutleiter fast leer; in der Gegend der erwähnten Granulationen Ansammlung von Blutwasser auf der weichen Hirnhaut. Hirnhäute im Uebrigen ohne erwähnenswerthe Regelwidrigkeit. Die Venen auf der hinteren Oberfläche des Hirns mit geringem Blutgehalte, auf der vorderen mit noch geringerem. Das Venenblut ist vertheilt, dunkelroth und leichtflüssig. Die Furchen des Grosshirns tief eingeschnitten mit stark entwickelten Windungen. Die Farbe der grauen Substanz normal, die der weissen graugelblich und bläulich. Substanz des Hirns auf dem Durchschnitt mit geringzähligen Blutpunkten und von zäher Beschaffenheit. Die Seitenkammern mit geringem Inhalt. Streifenund Sehhügel weich schmierig zerfliessend. Die Adergeflechte mit mittelmässigem Blutgehalt. Die Unterfläche des Gross- und Kleinhirns mit der Brücke in Form und Farbe ohne Regelwidrigkeit; das Kleinhirn weich und mässig bluthaltig.

B. Hals.

Die Eröffnung der Hals-, Brust- und Bauchhöhle erfolgt durch einen vom Zungenbein beginnenden und an der Schamfuge endenden Längsschnitt in der Mittellinie des Körpers.

Bei Eröffnung des Halses strömt aus den grösseren Blutadern reichich dunkelrothes, ziemlich leichtflüssiges Blut. Schleimhaut des Schlundkopfes blass. Der Kehlkopf bis auf einige narbige Uneben

heiten der Unterfläche seines Deckels und die Verknöcherung seiner Hinterwand normal. Auf der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre nur einige wenige, mässig injicirte kleine Venen. Das Zungenbein ohne Abnormität.

[blocks in formation]

Das Brustbein an der Ansatzstelle der 1. Rippen etwas verknöchert, sonst normal. Die Lungen lassen in der unteren Gegend der Brusthöhle mehr als in der oberen einen leeren Raum übrig. Der obere Lappen der rechten Lunge ist vorn durch einen dünnen lockeren Strang an das Rippenfell geheftet; der Lungenansatzstelle dieses Stranges entsprechend fühlt man eine oberflächlich liegende, erbsengrosse, steinharte, von der Umgebung scharf abgegrenzte Stelle. In dem Hinterraum des Brustfellsackes beiderseits 4 Unzen betragende dünne, schwach blutig gefärbte Flüssigkeit. Das Herz, welches unterhalb der 3. Rippe beginnt und unterhalb der 5. aufhört, wird zur Hälfte seiner Ausdehnung von den Lungen bedeckt. Im Herzbeutel etwa 6 Unzen dunkelbraunrothe Flüssigkeit. Die rechte Herzkammer mit reichlichem blauschwarzem dünnflüssigem Blute ohne Gerinnsel. Das Herzfleisch ist in den oberflächlichen Schichten imbibirt. Die Klappen allenthalben normal. Die Lungenschlagader enthält reichliches wie beschriebenes Blut; ebenso das linke Herz, obwohl weniger als das rechte Herz. Die rechte Lunge auf der Vorderfläche blass, auf der Hinterfläche dunkelblau, Umfang normal. An der Ansatzstelle des oben erwähnten Stranges zeigt sich beim Einschnitt ein verkreidetes Tuberkelconglomerat. In der Spitze einige scharf umschriebene häutliche kleinere Stellen von aussen fühlbar. Der Oberlappen der rechten Lunge stark luft- und bluthaltig, besonders aus den Venen reichliches Blut überfliessen lassend, ödematös. Den von aussen fühlbaren Stellen entsprechend kleine verkreidete Tuberkeln. Der Mittellappen zeigt dieselbe Beschaffenheit in geringerem Grade; der Unterlappen verhält sich dem oberen ähnlich und besitzt sehr reichlich mit Blut gefüllte Venen. Die äussere Beschaffenheit der linken Lunge ist bis auf zu dunkle Farbe der Hinterfläche normal; auch hier in der Spitze zerstreute verkreidete Knötchen. Aus den mittleren Bronchien ergiesst sich grauer zähflüssiger Schleim, aus den Venen reichlich leichtflüssiges, schwarzrothes Blut, das sich mit der schaumigen Flüssigkeit der Durchschnittsfläche mischt. Der untere Lappen verhält sich ähnlich, ist hinten blutreicher als vorn. Bronchialdrüsen meist geschwollen, einzelne beim Einschnitte einen quarkähnlichen Inhalt entleerend.

D. Bauchhöhle.

Nach Eröffnung drängen sich aufgetriebene Theile des Dickdarms hervor; der Dünndarm zeigt sich äusserlich zusammengefallen. Die Leber ragt bis in die Mitte der linken Bauchhälfte hinüber, ihre

« ZurückWeiter »