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dem das Revaccinationsgeschäft obliegt, im Laufe des Jahres Gelegenheit haben oder finden, einige Kinder zu impfen. Hierdurch kann er so viel Glycerinlymphe gewinnen, um seiner Zeit sämmtliche Revaccinationen ausführen zu können. Bereits seit mehreren Jahren werden auch in dem Preussischen Militair-Medicinalwesen Versuche mit der Verwendung von Glycerinlymphe für die Revaccinationen angestellt; nach den hierüber veröffentlichten Mittheilungen haben sie indess noch nicht zu endgültigen Resultaten geführt und sind oft unbefriedigend ausgefallen. Dies ist um so auffallender, als die von mir selbst in Gegenwart von Militair-Aerzten ausgeführten Rekruten - Revaccinationen, sowie diejenigen, zu denen ich hiesigen Mititair-Aerzten die Glycerinlymphe gab, und auch die Versuche mancher Anderen sehr günstige Erfolge hatten. In einzelnen Fällen konnte ich aus den mir mitgetheilten Berichten leicht entnehmen, worin das Misslingen seinen Grund hatte, beispielsweise wenn mit der Lymphe Eines Haarröhrchens 20 und selbst mehr Individuen erfolglos geimpft waren, oder wenn die mit Glycerinlymphe geimpften Kinder vorher bereits mit anderer Lymphe erfolglos geimpft waren, denn selbst erfolglose Impfungen modificiren die Empfänglichkeit für eine zweite, bald nachher stattfindende Impfung. In anderen Fällen ist mir der Grund des Misslingens unbekannt geblieben. Ich kann nur vermuthen, dass entweder auch zu spärlich Lymphe angewendet, oder dass das wiederholte Mischen versäumt, oder dass unreines Glycerin benutzt, oder aber auch nicht mit der gehörigen Sorgfalt geimpft worden ist. Bei den Versuchen der Militair-Aerzte ist übrigens besonderes Gewicht auf die Zahl der durch die Impfung erzeugten Pocken gelegt worden. Ich halte diese Zahl für weit weniger abhängig von der Güte der Lymphe, als von der Menge derselben und von der Sorgfalt, mit welcher die Impfung vollzogen wird.

Auch in Russland soll, wie mir ein Arzt aus Odessa mittheilte, bereits Glycerinlymphe zu militairischen Revaccinationen benutzt sein.

Ein weiterer Vortheil der Glycerinlymphe ergiebt sich für Impf-Anstalten, welche dadurch nicht nur in den Stand gesetzt sind, stets genuine Lymphe und Lymphe erster Generationen vorräthig zu halten, sondern auch in Zeiten, wo die Zahl der Impflinge gering ist, reichlich wirksame Lymphe abzugeben *) und endlich auch unter den ungünstigsten klimatischen Verhältnissen Lymphe zu verschicken. In der Mitte des Monats Juni des letzten heissen Sommers schickte ich dem Dr. Canstatt zu Porto Alegre in Rio grande de Sul Glycerinlymphe in zugeschmolzenen Bretonneau'schen Röhrchen. Die dort nach zwei Monaten angelangte Lymphe wurde mit dem besten Erfolge verwendet.

Von welcher Wichtigkeit die Glycerinlymphe für tropische Klimate ist, bestätigt mir eine Mittheilung des englischen Militair-Arztes Robert Harvey bei der bengalischen Armee zu Bhurtpoor in Ostindien, der mir unter Uebersendung einer von ihm veröffentlichten Broschüre (On the dilution of vaccine lymph with glycerine and the multiplication and preservation of the virus thereby, 1868.) den Dank der dortigen Aerzte aussprach. Nur während der Wintermonate kann in Ostindien geimpft werden; während der heissen Jahreszeit hält sich die Lymphe nicht; man ist daher gezwungen, alljährlich frische Lymphe nach Ostindien kommen zu lassen. Ob es nun gelungen ist, die Glycerinlymphe dort während des ganzen Sommers zu conserviren, darüber habe ich zwar noch keine Mittheilung, ebenso wenig darüber, ob die Lymphe, welche ich im vorigen Sommer von hier an Dr. Harvey geschickt habe, dort wohlbehalten angekommen

*) Nur zu oft höre ich die Klage, dass diese oder jene ImpfAnstalt ausser Stande ist, den Aerzten Lymphe zu geben.

ist; ich kann es aber kaum bezweifeln, weil während unseres letzten, wahrhaft tropischen Sommers hier die Glycerinlymphe ohne jede besondere Vorsichtsmaassregel sich gut gehalten und auch, wie gesagt, in derselben Zeit den Transport nach Rio grande ertragen hat.

Noch will ich bei dieser Gelegenheit der Wichtigkeit der Glycerin lymphe für die Seeschifffahrt gedenken. Kein Schiff, das eine weitere Seereise antritt, besonders jedes Kriegs- und Auswanderer-Schiff, sollte ohne Vorrath von Glycerinlymphe in See gehen.

Endlich glaube ich es als einen Vortheil, den die Glycerinlymphe bietet, bezeichnen zu dürfen, dass der ImpfArzt, der sich ihrer bedient, bei der Auswahl der Impflinge, deren Lymphe er zur weiteren Benutzung abnimmt, viel strenger verfahren kann, als dies sonst oft der Fall ist, weil er an Lymphe nicht Mangel hat. Er wird auch weniger mit der Abneigung der Mütter vor dem sogenannten Abimpfen ihrer Kinder zu kämpfen haben, denn viele Mütter mögen das Abimpfen nicht, lassen es sich aber sehr wohl gefallen, dass man die stark entzündeten Pocken ihrer Kinder öffnet und die ausfliessende Lymphe entfernt.

Indem ich diese Mittheilungen schliesse, bemerke ich, dass nachdem ich nun länger als drei Jahre der Glycerinlymphe mich bedient habe, ich in der That nicht wüsste, wie in Ermangelung derselben die von mir geleitete Anstalt so viel zu leisten im Stande sein würde, wie sie in diesem Zeitraum geleistet hat, und glaube die Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass je allgemeineren Eingang mein Verfahren findet, um so glänzender der Einfluss der SchutzblatternImpfung auf Verminderung der Menschenpocken zu Tage treten wird.

7.

Die Verfälschungen des Biers und ihre

Entdeckung.

Vom

Stabsarzt Dr. Höche zu Zeitz.

Wenn es die Aufgabe der Sanitäts-Polizei ist, das physische Wohl aller Staatsmitglieder gleichmässig zu wahren und zu fördern, so gehört es gewiss zu ihren vornehmsten Pflichten, für die gute, gesunde Beschaffenheit der Nahrungsmittel der Bevölkerung auf jede Weise Sorge zu tragen und so den Einzelnen vor Nachtheile, die Gewinnsucht, etwaige Missbräuche oder Nachlässigkeit bei der Zubereitung durch verfälschte oder verdorbene Speisen und Getränke ihm bereiten könnten, möglichst zu wahren. Diese Verpflichtung wächst und gewinnt zu gleicher Zeit ein staatliches Interesse, wenn es sich um Nahrungsmittel handelt, die durch ihre allgemeine Verbreitung und ihren täglichen Verbrauch eine bedeutende Rolle in der Volksdiätetik spielen und so mehr oder minder auf die körperliche Entwickelung und den ganzen Habitus der Bewohner des Landes influiren.

Nächst den zum Leben unentbehrlichen Subsistenzmitteln, dem Brod, Fleisch u. s. w., dürften es die alkoholhaltigen Getränke sein, die, weniger weil sie absolute Bedürfnisse des Stoffwechsels decken, so doch als angenehme

Genussmittel, die weiteste Verbreitung gefunden haben, und unter diesen wieder in Deutschland zu Folge seiner verhältnissmässigen Billigkeit und des ihm unter den Spirituosen allein zukommenden gleichzeitigen Nährwerthes unser nationales Getränk, das Bier.

Der Consum des Bieres ist in der That ein ungeheurer, wie aus folgenden statistischen Notizen erhellt. Nach Dieterici trank im Jahre 1840 in den Staaten des deutschen Zollvereins jeder Einwohner durchschnittlich 45 Quart Bier, die sich auf die einzelnen Länder, wie folgt, vertheilen: in Preussen pro Kopf 24 Quart, 132 in Baiern, 65 in der Rheinpfalz, 41 in Sachsen, 71 in Würtemberg, 20 in Baden, 25 in Kurhessen, 61 in Thüringen, 68 in Braunschweig, 24 in Nassau, 69 in der freien Stadt Frankfurt, 10 in Lippe, 49 in Anhalt, 21 in Luxemburg. Im Jahre 1830 producirte man in England 7,670,100 Barrel Bier, nach Schnitzler in Frankreich im Jahre 1842 3,809,935 Hectoliter, und nach einer Notiz im Dictionnaire d'hygiène werden jährlich in Paris 140,000 Hectoliter Bier, in London aber 25 mal mehr verbraucht. Statistische Nachrichten über den heutigen Bierverbrauch stehen mir leider nicht zu Gebote, doch hat sich derselbe keinesfalls verringert.

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Aber wie überall mit zunehmender Consumtion, so hat sich die Speculation und der Geist des Wuchers auch beim Vertriebe des Bieres geltend gemacht, und bei keinem Genussmittel finden wir in den älteren Schriften über öffentliche Gesundheitspflege so viele Verfälschungen aufgeführt, als gerade beim Bier. Wenn die meisten davon auch in das Reich der Fabel gehören, so florirt doch der Handel mit den verschiedenartigsten Braumaterialien noch hinlänglich, um das Interesse der Sanitäts-Polizei wach zu erhalten, zumal da die Erfahrung von Jahrhunderten genugsam bewiesen hat, dass schlechtes Bier die meiste Propaganda für den

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