Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

hölzernen Kiste unter Kleidern, wo dieselbe noch völlig frisch bald darauf gefunden wurde. Am Kopfe fiel eine ziemlich starke Anschwellung der rechten Stirnhälfte und der Lider des rechten Auges auf. Auf dem oberen Augenlide fand sich ein leicht excoriirtes hellrothes, nicht sugillirtes Fleckchen von Mohnkorngrösse und nahe dem inneren Augenwinkel ein zweites kirschkerngrosses, welches bläulich gefärbt war und eingeschnitten ein wenig geronnenes Blut im Unterhautzellgewebe zeigte. Ein paar dem ersten ähnliche Fleckchen, gleichfalls nicht sugillirt, fanden sich am unteren rechten Augenlid. Die Lippensäume und die Nasenspitze waren bräunlich gefärbt, lederartig betrocknet, aber nicht sugillirt, dagegen zeigte ein über den Nasenrücken geführter Schnitt, dass unter der Haut eine dünne Schicht geronnenen Blutes verbreitet lag. Ueber dem rechten Schenkel der Lambda-Naht war die Haut in Viergroschenstück grösse geröthet, aber weder excoriirt, noch sugillirt. Der rechte Fuss und linke Fuss und Unterschenkel waren bläulich gefärbt und etwas ödematös. Sonst waren Verletzungen nicht vorhanden. Die Nabelschnur war 1" weit vom Nabel mit stark gefranzten Rändern getrennt.

Die Section ergab, dass das Kind nach der Geburt gelebt habe, doch waren die Lungen so wenig ausgedehnt, dass sie mit den vorderen Rändern den Herzbeutel kaum erreichten und, obgleich in allen Theilen schwimmfähig, hatten sie doch stellenweise ein fast fötales Aussehen und enthielten hier sehr wenig Schaum. Das Kind hatte somit nur sehr kurze Zeit und unvollkommen geathmet.

Unter der unverletzten Kopfschwarte lag eine bis 4"" dicke Schicht von Sulze, welche fast nur die linke Schläfenund Stirngegend freiliess. Rechts ging sie über die Stirn herab bis zum Auge. Rechts vorn war sie schwarzroth gefärbt, jedoch auch hier in der Tiefe, sowie mehr nach

hinten am hinteren Theil der Seitenwandbeine und dem Hinterhaupt hellroth bis bernsteingelb gefärbt. Das Periost war dabei überall blass, fest anliegend, nicht sugillirt. 1" über dem unteren Ende der rechten Hälfte der Kranznaht ging von dieser in der Richtung gegen das Tuber frontale ein 1" langer Bruch ab, der ganz geradlinig, glatte scharfe und nicht blutige Ränder zeigte. Die Schuppennaht war vom unteren vorderen Winkel des rechten Seitenwandbeins ab nach hinten hin 1" lang ein wenig auseinandergerissen und waren die Ränder blutig gefärbt. Die Schädeldecken waren im Allgemeinen sehr dünn und zeigten hie und da sechsergrosse papierdünne Stellen. Sowohl zwischen der Dura und dem Knochen, als unter der Dura auf der Pia fand sich eine dünne Schicht halbgeronnenen Blutes, welche die rechte Schläfen und vordere Scheitelbeingegend einnahm. Sonst war die Dura blass, ebenso die Pia, das Hirn war sehr weich, blutarm, frei von Extravasaten. In der mittleren Schädelgrube lag rechterseits eine dünne Schicht halbgeronnenen Blutes, die Basis war unverletzt. In diesem Falle war die Fractur des Stirnbeins so beschaffen, dass man sie sehr wohl als post mortem entstanden ansehen konnte. Trotzdem würde ich dies nicht thun wegen der Diastase der Sutura squamosa, welche unmittelbar daneben vorhanden war. Die Ränder derselben waren blutig gefärbt und, was noch wichtiger war, gerade an dieser Stelle fand sich unter dem Knochen, unter der Dura und an der Basis des Gehirns halbgeronnenes extravasirtes Blut vor. Der locale Zusammenhang, welcher zwischen diesen Extravasaten und den Knochenverletzungen bestand, zwingt uns dazu, sie als intra vitam entstanden zu betrachten.

Schwieriger ist es, die speciellere Entstehungsart zu

ermitteln.

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XI. 1.

8

Dass der Kopf längere Zeit fest eingestanden hat, beweist die starke Entwickelung und Ausdehnung der Kopfgeschwulst. Es ist auch kaum zweifelhaft, dass die rechte Stirn und Schläfe vorgelegen habe, worauf die Anschwellung der rechten Stirnhälfte, das Oedem der Lider und die Chemosis der Conjunctiva bulbi des rechten Auges hinweisen. Ausserdem fanden wir den rechten und linken Fuss und Unterschenkel bläulich gefärbt und ödematös. Es scheint fast, dass diese wenigstens eine Zeitlang neben dem Kopf vorgelegen haben. Solche Geburten können bekanntlich ohne Kunsthülfe günstig verlaufen. Der Kopf kann sich besser einstellen, die Füsse zurückgehen und die Ausstossung des Kindes kann in einer Scheitellage erfolgen. Eine solche Geburt wäre natürlich keine leichte und macht Kindessturz in hohem Grade unwahrscheinlich. Als absolut unmöglich ist es jedoch nicht zu bezeichnen, weil derselbe nur Leichtigkeit der letzten Geburtsperiode, der Ausstossung voraussetzt. Die Durchmesser des Kopfes waren von mittlerer Grösse (3, 4 und 44"), und wenn die N. etwa, nachdem die Geburtsarbeit längere Zeit gedauert, der Kopf sich richtig eingestellt hatte, ihr Lager verliess, hätte sie möglicherweise von der Ausstossung des Kindes im Stehen überrascht werden können. Bei Sturzgeburten wird der Schädel gewöhnlich an einem der Seitenwandbeine verletzt, und hier betraf die Verletzung die rechte Stirnseite und Schläfe, doch ist zu erwägen, dass der Sturz von der Treppe herab geschehen sein sollte, wo ein seitliches Aufschlagen auf eine Stufe auch diese Verletzungen ermöglicht haben möchte. Sehr auffallend würde es immer bleiben, dass bei dieser Art des Sturzes keine Abschindungen der Oberhaut entstanden sein sollten. Der Nasenrücken war sugillirt, aber die Haut auf demselben unverletzt, die Betrocknung der Nasenspitze und der Lippen war dem Einpacken in die Kiste zuzu

[ocr errors]

schreiben. Die kleinen Excoriationen, von denen eine auch sugillirt war, an den Lidern des rechten Auges schienen eher durch Nägelzerkratzungen, als durch Sturz entstanden zu sein. Ausserdem wäre es doch ein wunderbares Zusammentreffen, wenn gerade diejenigen Stellen, an welchen die Geburt vorwiegend Extravasate und Kopfgeschwulst erzeugt hatte, nachher auch durch den Kindessturz sollten verletzt worden sein. Hiernach kann man allerdings nicht mit Sicherheit behaupten, dass die Angabe der N., dass das Kind von ihr die Treppe hinabgestürzt sei, erlogen sei, doch ist die Entstehung der Knochenverletzungen in der Geburt wahrscheinlicher und sprechen hierfür die starke Entwickelung der Kopfgeschwulst gerade über der fracturirten Stelle und die oben deducirte abnorme Lage des Schädels, welche ein Gegenpressen desselben gegen die Beckenknochen, z. B. gegen die Symphyse, nicht unwahrscheinlich macht. Wie dem auch sei, eine absichtliche Herbeiführung der Schädelverletzung durch Schlag oder Stoss war jedenfalls nicht anzunehmen und sprechen hiergegen die schon öfters angeführten Gründe.

6.

Ueber Pockenimpfung

und

über die Bedeutung der Glycerin lymphe für die öffentliche Gesundheitspflege.

Von

Dr. Eduard Müller,

Geh. Medicinal- und Regierungs-Rath und Director der
Königl. Schutzblattern-Impfungs-Anstalt zu Berlin.

Die Pocken sind bei den medicinischen Facultäten und in der medicinischen Literatur Deutschlands unmodern geworden. Der angehende Arzt hat auf der Universität kaum einen Pockenkranken zu sehen Gelegenheit gehabt. Die Praxis aber belehrt ihn, dass trotz der Impfung die Pocken immer noch zu den modernen Krankheiten gehören. Mir scheint es deshalb nicht überflüssig, wenn ich aus meiner amtlichen Erfahrung in den folgenden Blättern es versuche, die Gründe, warum die von Einer Seite überschätzte, von der anderen missachtete Schutzkraft der bisherigen Impfungen den früheren Erwartungen so wenig entsprochen hat, zu erörtern und den Weg zu zeigen, wie Grösseres geleistet werden kann.

I. Die Menschenpocken-Impfung.

Einen höheren Grad der Ansteckungsfähigkeit, als die Menschenpocken, besitzt keine andere Krankheit. Wohin jene kamen, da mussten sie deshalb in solchem Umfange

« ZurückWeiter »