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Indessen auch Dorsche, Störe, Meerneun augen, Aale, Hornhechte und Meerforellen sind eine zappelnde Abwechselung im Gros der Plattfische in diesem „Strandgarn". Von der Gesamtbeute kommt indessen nur ein kleiner Teil auf den Kieler Markt, die Hauptmasse wird geräuchert oder mehr noch im frischen Zustande von den Erpor teuren augenblicklich aufgekauft und mit

Fig. 7.

Verlauf der leßten sechs Jahre nur eines Winters, welcher so streng war, daß er den andauernden Betrieb einer Eisfischerei auf der ganzen Bucht und weit in die See hinein erforderte. Die Eisfischerei ist ungleich schwieriger und nicht so einträglich wie das Fischen im offenen Wasser. Ihre Praxis besteht im Auslegen von Angeln für Dorsche, Plattfische und Aale (Fig. 7 u. 8) in viereckige Löcher, welche in das Eis geschlagen werden, oder in größeren Zügen mit dem gewöhnlichen Gezeug, das nur eine andere Anwendung voraussetzt.

Wenn die Fangstelle auf der Eisfläche (nahe dem Ufer) ausgesucht ist, wird mit

Fig. 9.

Fig. 8.

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Angeln für Dorsche, Plattfische und Aale.

dem nächsten Bahnzuge schon nach Hamburg, Berlin, Leipzig, Magdeburg versandt, wo den Vertrieb der Ware die groBen Seefischhandlungen übernehmen, welche zwei- bis dreimal täglich ihre Preisnotie rungen den Lieferanten nach allen Seepläßen telegraphisch übermitteln.

Die Fischerei auf der Kieler Bucht und an den benachbarten Küsten nimmt fast das ganze Jahr hindurch ungestört ihren Fortgang. Es ist selten, daß im Winter tagelang das Wasser mit Eis bedeckt bleibt. Und ich erinnere mich aus dem

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Grundriß der Eisfischerei.

Eisärten oder bei sehr starker Eisdecke mit den Eisstämmen zunächst ein großes quadratisches Eingangsloch (Fig. 9, 1) geschlagen. Durch dasselbe wird das Netz ins Wasser gelassen, und während nach rechts und links in gerader Linie sechs weitere aber kleinere Öffnungen, die sogenannten „Zoßlöcher" (Fig. 9, 2) ge= schlagen, gleichzeitig aber mit beiden Nezenden Zugleinen und mit diesen wieder 25 m lange Rutenbündel (Vorschiebstangen) verbunden sind, werden diese Vorschiebstangen unter dem Eise von Loch zu Loch fortgeschoben, so daß an jedem Zoßloch erst diese, dann die Zugleine, schließlich die obere Neßkante sichtbar wird. Die Reihe der Zoßlöcher endigt zu beiden Seiten des Eingangsloches mit einem größeren Loche, der Streckungswake"

waken werden nun zunächst die beiden Zugleinen angeholt und so die Negenden gespannt. Hierauf werden weitere Zoßlöcher geschlagen und unter denselben durch Einholen der Zugleinen bei neuen Strek kungswaken (Fig. 9, 4) die Negenden weiter gespannt, bis diese sich beide schließlich an dem dem Einlaßloche gegenüber geschlagenen Holungsloche" (Fig. 9, 5) begegnen. Hier herausgeholt, wird das Net gelichtet, und indem es die ganze Fläche des Wassers unter dem Eise bei dem Herausziehen bestreicht, treibt es die Fische in den seiner Wand ein gefügten Maschentrichter, der ganz zu lezt am Einholungsloche mit der Beute erscheint.

(Fig. 9, 3). Durch diese Streckungs- drängt sich besonders zur Weihnachtszeit zu ansehnlichen Transporten. Die binnenländischen Märkte haben in der kalten Jahreszeit entschieden größere Vorteile an den Produkten der Seefischerei, weil man merkwürdigerweise für den Sommertransport auf den Eisenbahnen noch nicht zu Vorrichtungen geschritten ist, welche die komplizierte und doch nicht hinreichende Eisverpackung der Fische überflüssig machen könnte, zum Bau von Fischwaggons mit Eiswänden nämlich, wie solche in anderen Ländern, besonders in Amerika, für das Versandgeschäft von Meiereiprodukten, Fleisch und Wildbret schon seit Jahren die Schienen befahren. Dies ist eine Schattenseite der Praxis. Der befremdlichen Mängel giebt es aber noch mehrere, nur kann ihre Besprechung nicht hier im Rahmen dieser Skizze erfolgen. Die ganze Exportfischerei an unseren Küsten ist ein ausgedehntes Arbeitsfeld, auf welchem zum Wohle des Landes und der Fischer selbst noch viel zu thun übrig bleibt.

Gegen das Frühjahr, Sommer- und Herbstgeschäft steht der Winterfischerport Niels nach dem Binnenlande zurück. Immerhin ist er auch zu dieser Zeit bes deutend, und die Verladung geräucherter und frischer Ware auf den Eisenbahnen

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Die Sprachentwickelung beim Kinde.

Von

G. H. Schneider.

as macht die Mutter so unwandtschaft und das Gefühl der Zusam aussprechlich glücklich, wenn mengehörigkeit und der Liebe steigert sich sie das erste Lächeln auf dem aber von neuem, sobald das Kind zum Gesichtchen ihres Kindes sieht erstenmal ein Wort, sobald es das lang oder gar das erste „Papa“ oder „Mama“ ersehnte und mit Sorge und Ungeduld eraus seinem Munde vernimmt? Solange wartete „Papa“ oder „Mama“ stammelt, das Kind noch nicht lächelt, steht es der durch diese Worte gleichsam seine Eltern Mutter geistig ganz fremd gegenüber. als solche anerkennt und ihnen die DankDie Mutter weiß und fühlt wohl, daß sie barkeit für all die mütterlichen Sorgen einem neuen Wesen das Leben gegeben ausdrückt oder doch auszudrücken scheint. hat, daß das Kind Fleisch von ihrem Dazu kommt aber noch ein anderes. Wie, Fleisch ist; aber sie hat noch kein Mittel wenn das Kind nur unvollkommen und und keinen Beweis der Verständigung mit fehlerhaft sprechen lernte oder gar stumm ihrem Kinde. Es antwortet nur auf die bliebe? Wer kennt nicht die Angst und Pein des Hungers und Schmerzes mit Sorge der Mütter, deren Kinder erst verSchreien und auf die Befriedigung seines hältnismäßig spät das Sprechen lernen Begehrens mit dem noch tierischen Aus- und welche gleich befürchten, die Sprache druck der Lust, mit dem gierigen Einsaugen könne überhaupt ausbleiben? der Milch und dem freudigen Zappeln der Beinchen gleich dem jungen Käßchen, das sein Wohlbehagen durch Wedeln des Schwanzes zu erkennen giebt; aber noch zeigt das Kind nicht, daß es Freude über sein Dasein empfindet, auch wenn es nicht trinkt, daß es die Mutter schon beim Anblick erkennt, ihre Freude mitfühlt und sie versteht, wenn sie es herzt und ihm entgegenlächelt. Dieses Zeichen des Verständnisses und Mitfühlens ist nun mit einemmal in dem ersten Lächeln gegeben. Jezt fühlt die Mutter auch ihre seelische Verwandtschaft mit dem Kinde, und das erste Lächeln schlingt ein neues, festes Band der Liebe um beide.

Das Bewußtsein der geistigen Ver

Involviert das erste Wort des Kindes auch noch keinen Gedanken und ist es auch nur ganz unabsichtliche Erzeugung oder bloße Nachahmung der Laute, so zeigt doch das Kind damit, daß es die Anlage zum Sprechenlernen hat und sich mit der Mutter bald auch durch andere süße Worte verständigen wird. Mit dem höchsten Interesse verfolgen die Eltern dann die Entwickelung der Sprache ihres Kindes und sind über jede Nachahmung eines neuen Wortes, über jede neue Gedankenmitteilung hoch beglückt. Und dies mit Recht. Denn die artikulierte Sprache als das allein dem Menschen zukommende Ausdrucksmittel ist nicht allein die wichtigste und notwendigste Waffe im Kampfe ums

Dasein und eine gute Sprachentwickelung | Säugetieren und Menschen das Schreien deshalb von sehr hoher praktischer Be- der Neugeborenen entwickelt hat?

deutung; sondern an dieser Entwickelung erkennt man auch in erster Linie die Fortschritte der geistigen Thätigkeit im Gehirn des Kindes, und die Sprachentwicke lung hat daher selbst für den Laien, für jede Mutter und jeden Vater das größte Interesse. Für den Psychologen aber ist, wie uns der bekannte Physiologe Preyer in seinem unvergleichlichen Werke „Die Seele des Kindes" (Leipzig, 1884. Zweite Auflage) gezeigt hat, die Verfolgung der Sprachentwickelung eine uner schöpfliche Fundgrube der interessantesten psychologischen Beobachtungen und Entdeckungen.

Aller Mitteilung von Gedanken geht der Ausdruck irgend welcher Gefühle der Lust und des Schmerzes durch unartiku- | lierte Laute voraus; und die erste Gefühlssprache des neugeborenen Kindes ist sein Schreien. Das Kind schreit sofort nach der Geburt, weil es Kälte und Schmerz empfindet; es schreit, sobald es Hunger oder Nässe fühlt, und schreit auch nur um zu schreien.

Nur schreiende Neugeborene konnten. erhalten bleiben, alle stummen mußten notwendig untergehen, weil sie der Mutter, auf deren Fürsorge sie angewiesen waren, ihre Bedürfnisse nicht mitteilen konnten. Freilich würde das Schreien nichts nüßen, wenn es in der Mutter das Gefühl des Ärgers und Unwillens verursachte. Aber hier zeigt sich wieder einmal, in welch staunenswert zweckmäßigen Beziehungen die Lebenserscheinungen zueinander stehen Alle gesunden Vögel, Säugetiere und Menschen, respektive alle höheren Lebe= wesen, deren Junge hilflos und von der Pflege der Mutter abhängig sind, haben eine derartige Organisation, daß das Schreien der Neugeborenen in der Mutter das Gefühl der mütterlichen Liebe und Sorge erweckt, welches sich in seiner Stärke nach der Stärke des Schreiens richtet. Diejenigen neugeborenen Vögel und Säugetiere, welche ihr Verlangen nach Nahrung durch das stärkste Schreien ausdrücken, erwecken auch die stärkste mütterliche Liebe und werden zuerst befriedigt.

Dieses erste Schreien ist nicht etwa eine Außerdem steht das Schreien noch in höhere Offenbarung des menschlichen Gei- sehr zweckmäßiger Beziehung zur Atmung. stes oder ein gebieterisches Verlangen der Ein Kind, das bei der Geburt nicht schreit, Menschenrechte, wie es gedeutet worden vermag auch in der Regel nicht zu atmen ist, sondern eine ganz unabsichtliche Schmer- und deshalb nicht zu leben. Mit dem zensäußerung. Das Kind weiß noch nicht Schreien kräftigen sich die Muskeln des einmal, daß es damit die Befriedigung Kindes; und je mehr Nervenkraft sich in seiner Bedürfnisse erlangt. Der Trieb den Muskeln anhäuft, desto mehr fühlt zum Schreien wird unmittelbar durch die | das Kind den Trieb zum Schreien; desbetreffenden Unlustempfindungen hervor halb schreien die Kinder auch nicht nur, gerufen, gleichwie wir Erwachsenen gäh- wenn sie Hunger oder Nässe fühlen, sonnen, bei plößlichem Schmerz unwillkürlich dern das Schreien ist ihnen Bedürfnis aufschreien, in anderen Fällen lachen, ohne und beweist in der Regel, daß sie gesund dies absichtlich zu einem bestimmten Zweck | sind. zu thun, sondern nur weil wir einen Trieb zur Ausführung dieser Bewegungen fühlen. Der Schreitrieb ist aber eine äußerst wertvolle Mitgift für das Kind, eine vererbte zweckmäßige Einrichtung im mensch lichen Organismus gleich dem Pulsschlag des Herzens und den Bewegungen des Darmes.

Wie kommt es, daß sich bei allen Vögeln,

Das Kind führt auch viele andere Bewegungen, solche mit den Beinen, Armen und dem Kopfe, aus, die ganz überflüssig und unabsichtlich sind, nur deshalb statt= finden, weil sich in den Muskeln mehr und mehr Nervenkraft anhäuft, und die nur zur Kräftigung und zum Wachstum der Muskeln dienen.

Anfangs ist das Schreien mit den dazu

gehörigen mimischen Bewegungen das einzige Mittel zum Ausdruck der Gefühle. Aber schon frühzeitig bereitet sich die Sprachentwickelung vor.

In gleicher Weise wie die Gliedmaßen und die Atmungswerkzeuge ohne anderen Zweck als zur Befriedigung des Bewegungsbedürfnisses angestrengt werden, sehen sich gar bald die Kehlkopf, Mundund Zungenmuskeln in Bewegung, und das Kind bildet allmählich unabsichtlich die meisten Laute, deren es sich nach Erler nung der Wortsprache bedient. Die Ur sache hiervon liegt darin, daß diese Mus keln seit vielen Generationen bei den Vorfahren häufig in Thätigkeit gewesen sind und nun auch im Nachkommen nach dieser Thätigkeit in dem Maße streben, als sich Nervenkraft hierzu anhäuft. Wären alle Vorfahren des Kindes stumm gewesen, so würde es diese Laute nicht bilden.

Nächst dem Schreilaut uä entstehen nach Preyer zuerst die Urlaute ma, am, pa, ap, ta, at, welche sich von selbst dadurch bilden, daß bei starker Ausatmung die geschlossenen Lippen geöffnet und die geöffneten geschlossen werden (ma, pa, am, ap) oder daß die zwischen den Kiefern befindliche Zunge zurückgezogen resp. vorgeschoben wird (ta, at).

Bald folgen andere Laute, wie ha, hu, ör, rö, gö, ob, om, kö, und allmählich werden nicht nur die meisten Laute der Muttersprache, sondern auch solche gebil det, welche in derselben gar nicht vorkom

men.

Diese unabsichtliche Übung des Sprech apparates, welche eine wichtige Vorbereitung zum absichtlichen Sprechen bildet, beweist zwar, daß der vererbte Mechanismus der Artikulation und die Disposition zum Sprechenlernen vorhanden ist, aber einen geistigen Wert hat diese Lautbildung noch ebensowenig als das Schreien, Wimmeru, Grunzen, Lachen, Krähen zc., durch welches das Kind instinktiv seine Gefühle ausdrückt, und wie das Bellen, Heulen, Winseln des Hundes und all die mannigfaltigen Ausdrucksbewegungen anderer Tiere.

Man hat so oft behauptet, körperlich sei wohl der Mensch den höheren Tieren ähnlich, aber in geistiger Beziehung stehe er schon von seiner Geburt an über denselben. Die Erfahrung lehrt aber gerade das Gegenteil. Die specifisch menschlichen Körperformen sind schon vor der Geburt des Menschen entwickelt, und selbst der Sprachmechanismus kommt bald nach der Geburt zur Entfaltung und in Thätigkeit; aber die geistigen Prozesse und Thätigkeiten des neugeborenen Menschen stehen im ersten Jahre durchschnittlich noch auf einer tieferen Stufe wie diejenigen der höheren Tiere (vergl. mein Werk: Der menschliche Wille"). Alle die bisher genannten Lautäußerungen, welche beim Kinde im ersten Lebensjahre, auf seiner ersten Stufe der Sprachentwickelung ganz unabsichtlich und ohne Verständnis zu stande kommen, werden nur durch irgend welche Empfindungen und niedere Gefühle verursacht. Es vermag noch keine Laute nachzuahmen, geschweige daß von einem. absichtlichen Sprechen die Rede sein könnte.

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Allmählich, etwa nach Ablauf des ersten Jahres, tritt nun das Kind auf die zweite Stufe seiner Sprachentwickelung, es reagiert auf gehörte Laute und gesehene Bewegungen, erst noch unwillkürlich, dann mit Absicht. Es lächelt, wenn man freundlich lächelnd zu ihm spricht, antwortet auf Zureden, Fragen und Schelten mit unartikulierten Lauten, Vokalen oder Silben und sucht nach und nach alle Laute und Bewegungen, die es wahrnimmt, nachzuzuahmen. Um zu begreifen, daß auch die ersten Nachahmungen wahrgenommener Bewegungen oder Laute noch ganz unabsichtlich zu stande kommen können, brauchen wir uns nur zu erinnern, daß auch wir Erwachsenen viele Bewegungen, von denen wir sagen, daß sie „anstecken“, ohne jede Absicht, instinktiv nachmachen, so z. B. Lachen, Gähnen u. a. Sehen wir einen verwundeten und sich vor Schmerz krümmenden Menschen, so nehmen wir ganz unabsichtlich den Gesichtsausdruck des Schmerzes an und machen instinktiv womöglich die Bewegungen des Verwundeten mit

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