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Ahnungsvoll und furchtsam zugleich sah Betty ihm in die strahlenden Augen. Noch wußte sie nicht, ob sie recht verstanden habe, ob sie verstehen dürfe, was er meinte. Und mehr an den Vater als an sich denkend, seufzte sie: „O, wenn es möglich wäre, noch einmal glücklich zu werden!" „Warum sollte es nicht möglich sein?" rief Zädler kühn. Wenn Sie es wollen, Betty, wenn ich hoffen darf, daß Sie -" Nein! Es war zuviel, was in diesen leßten Stunden auf Betty einstürmte. Mochte nun kommen, was da kommen wollte, sie wollte jedenfalls von nichts mehr wissen. Sie neigte den Kopf noch tiefer hinab, und während das rosige Licht des Spektrums der Vorgebeugten auf Stirn und Locken glühte, weinte sie.

Es war dies eine Wirkung des roten Lichtes, welche Zädler noch nicht studiert hatte. Aber glücklicherweise giebt es neben den wissenschaftlichen Interessen noch andere, welche in entscheidenden Augenblicken das Verhalten des Menschen regeln. Irgend eine solche zarte Entscheidung des Gefühls, die freilich mit der strengen Logik des Verstandes nichts zu thun hatte, mochte es sein, welche den Physiker rettete.

Inzwischen schritt Eibeling aufgeregt durch das Zimmer. Fast mehr noch als das Schicksal seiner Abhandlung beschäftigte ihn der Gedanke an Zädler. Das ruhig-feste Wesen des Physikers, seine bescheidene Sicherheit und sein umsichtiges Vorgehen traten deutlich vor seine Seele, und wenn er dabei an seine eigene Methode der Forschung dachte, konnte er eines gewissen Zweifels sich nicht entschlagen. Es kam über ihn wie ein dämmerndes Bewußtsein des Schwankens, des Tappens im Dunkel, dem die ganze Arbeit seines Lebens geglichen habe wieder konnte er sich nicht befreien von einem dumpfen Gefühl des Widerwillens, ja des Hasses gegen den Mann, der ihm ohne bösen Willen seine Kreise gestört hatte.

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Halb mechanisch griff er nach dem Kreuzband und entfaltete die kleine Zeitung. Es war ein sonst ihm kaum zu Gesicht kommendes Winkelblättchen, das Organ Gröhles, und das erste, was ihm in die Augen fiel, war ein Artikel mit der Überschrift: Professorenweisheit.

„Wie wir hören,“ so las er, „zerbrechen sich einige unserer hochgelahrten Professoren die Köpfe darüber, warum einige magnetische Beobachtungen in unserem physikalischen Institut nicht stimmen wollen. Daß Professor Zädler, über dessen Unfähigkeit wir schon wiederholt zu berichten hatten, nicht hinter die Sache kommen würde, ließ sich denken. Leider hat auch der sonst recht verdiente Professor Eibeling sich durch die ungeschickten. Beobachtungen des p. p. Zädler täuschen lassen und eine Theorie auf dieselben gegründet, welche, so geistreich, so ausgezeichnet und einleuchtend sie sonst auch ist, doch auf durch Thatsachen widerlegten Voraus

Mit Sicherheit konnte es später nie mand mehr angeben, wie es kam; aber es ist Thatsache, daß Betty und Zädler beide Hand in Hand inmitten der Strah len des Spektrums standen. Und als Betty dem geliebten Manne in das Gesetzungen beruht. Es thut uns dies leid. sicht zu sehen wagte, da mußte sie unter Thränen glückselig lächeln und konnte sei nem Kuß nicht wehren. Er aber führte beglückt die leise bebende Braut durch das Zimmer.

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Denn die Eibelingsche Lehre ist nicht im Stile der Professorenweisheit gehalten, welche glaubt, alles gethan zu haben, wenn sie recht viel mathematische Formeln verfaßt hat, sondern sie ist volkstümlich, verständlich dem gemeinen Manne, der sich dabei etwas denken kann, und frei von gelehrter Verbohrtheit.“

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Eibeling zuckte schmerzlich zusammen. im Lehnstuhl merkte wenig davon. In Das sind meine Bundesgenossen!" rief fernen Zeiten weilte sein Geist, er sah er. „Der absolute Unverstand! O arme einen jüngeren, lebensfrischeren Mann, Wissenschaft, die nur noch gilt, wo man er sah sich selbst andachtsvoll zu den sie verkennt!" Er seufzte tief auf und las Füßen des berühmten Lehrers. Mit dem dann weiter: vollen Herzen des Dichters hatte er die bunte Welt erfaßt, und in raschem Ansturm mit den Flügeln der Phantasie gedachte er die stummen Rätsel der Natur zu lösen. Die Welt fügt sich so leicht, wo wir glauben und lieben.

„Mit jener magnetischen Störung aber verhält es sich folgendermaßen: Als vor einigen Jahren das Bibliotheksgebäude renoviert wurde die Herren Professoren waren natürlich auf Erholungsreisen, sie haben ja ein halbes Jahr Ferien, während unsere Freunde im Schweiße ihres Angesichts bei dem Bau arbeiteten entfernte man die vor sämtlichen Fen stern befindlichen eisernen Gitterstäbe und stellte dieselben, da niemand von den Leitern der wissenschaftlichen Institute sich darum kümmerte, einen passenden Plaß anzuweisen, in eine unbenußte Kammer des Kellers im physikalischen Institutsgebäude. Dort stehen sie jedenfalls noch jezt in guter Ruh, und man braucht nicht so gelehrt zu sein wie Professor Zädler, um zu wissen, daß Eisen vom Magneten angezogen wird.“

Darauf folgte eine ziemlich konfuse Auseinandersetzung über den Erdmagnetismus, der sich einige gute Ratschläge für Eibeling und einige Ausfälle gegen Zädler anschlossen. Es war Gröhles Rache.

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„Du kamst zur rechten Zeit,“ murmelte Eibeling, indem er das Blatt fortlegte. „Zur rechten Zeit, um mir zu zeigen, wohin ich gekommen; aber auch noch, um mich zu behüten, daß ich nicht dem Irrtum das Unrecht hinzufüge. Ich habe vieles wieder gut zu machen.“

Den Kopf in die Hand gestüßt, saß er lange still in seinem Lehnstuhl.

Durch das offene Fenster zog die reine, würzige Luft der Anlagen, tönte das entfernte Geräusch lustwandelnder fröh licher Menschen und der vereinzelte Freu denruf spielender Kinder. Der Gelehrte

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Die lezten Strahlen der Sonne lagen auf den langen Bücherreihen und rückten höher und höher. Jezt folgten ihnen die Augen des Philosophen zu dem goldenen Titel, dessen Buchstaben sie beleuchteten, und er erkannte sein eigenes Werk: „Eibeling. System der Naturphilosophie.“ Da verschwand die Sonne, dunkel ward's und der helle Titel verlosch im Schatten.

Im Lehnstuhl saß ein gebrochener Mann. Da öffnete sich leise die Thür. Zwei Gestalten traten schüchtern herein; sie näherten sich dem verwundert Empor= schauenden und erfaßten seine Hände.

Im Dunkel ruhten die langen Bücherreihen; aber die Fragen, welche in ihnen gestellt sind, brennen ewig fort in den Köpfen und Herzen der Menschen. Der Greis im Lehnstuhl hat sie nicht gelöst, auch seine Enkel werden sie nicht lösen, aber freier werden sie ihnen gegenüberstehen, immer wieder neue Kraft schöpfend aus dem unversiegbaren Quell unseres Wissens, der schaffenden, lebendigen Natur, in deren Wechselwirkung sie sich fühlen. Und wenn sie sich bescheiden am Stückwerk des Wissens, bleiben sie doch treu dem dichtenden Ideal, das darüber hinaus trägt.

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och vor einem Menschenalter entdecktes Land. Man weiß heute von wollte die Mark Branden- dem Kongogebiet in Afrika mehr, als man burg oder, offiziell gesprochen, im vorigen Jahrhundert im Reiche" von die Provinz Brandenburg diesem Teile des Königreichs Preußen bei den West- und Süddeutschen gar kannte. Unter Friedrich dem Großen wenig bedeuten. Man fand sich ihr gegen hatte sich die historische Staubwolke, die über mit dem alten historischen Wize ab, das Land dem übrigen Deutschland noch der so abgenugt ist, daß man billig An- verhüllte, zwar gelichtet aber da waren stand nehmen muß, ihn zu wiederholen; um ihn Leute wie Voltaire und andere, man lernte von einem Geschichtskompen die den Boden, der sie nährte, auf dem dium zum anderen die alte Mär, daß die sie in stolzen Karossen dahinfuhren, mit Hohenzollern in der Mark einen Pfand- ihrem Wig und ihrer Unfähigkeit, Land besitz behalten hatten; man wußte nicht, und Leute zu erkennen, wahrhaft genial daß die Mark von ihnen wirklich rechtlich verleumdeten. erkauft worden war, erkauft mit ihrem guten klingenden Gelde, das sie durch weise Finanzwirtschaft in ihren Truhen gesammelt und aus ihren süddeutschen Besizungen nach der Mark gebracht hatten; man glaubte, daß dort so um Berlin herum" die Rittergüter bei starkem Winde in der Luft umhergetrieben würden, daß die Menschen noch in Lehmhütten wohnten und sich von Kräutern nährten und in Schaffellen einhergingen kurz, die Ostmark Deutschlands war ein noch un

Während der Befreiungskriege hatte man allerdings Gelegenheit gehabt, zu der Erkenntnis zu kommen, daß der Teil Preußens, der eine so mächtige Widerstandskraft gegen einen Napoleon, den Emporkömmling revolutionärer Gewalten, aus sich selbst erschaffen konnte, denn doch etwas anders geartet sein müßte, als davon die landläufige Ansicht existierte. Aber solch innere Betrachtungen waren. in jener Periode äußerer Thaten nicht am Plaze. In den darauf folgenden. Zeiten

wurden sie vielleicht unbequem. Man Sand- und Sumpfgebiete in das Bruch

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fühlte eine nahende Macht man ahnte auch an der politischen Windrichtung, wo her sie kam — aber man verschloß vor ihr die Augen, bis sie denn da war. Und nun riß man die Augen weit auf und rieb sich diese wie beim Aufwachen aus dem Schlafe und dann kam man innerlich zu der Frage, wie man bislang so wenig über ein Land wissen konnte, das solche Heeresmassen — solche Männer solche Führer solche Organisation geschaffen hat! Die Mischung germanischen und slavischen Blutes! Der große Kanzler hat in dieser Feststellung des wah ren Grundes wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen. Er, der echte Märker, enthüllte dem südlichen Deutsch land, das da in dem Heidelberger Pro fessor Bluntschli vor ihm saß, das Geheimnis der Erfolge Preußens. Erst der hartnäckige langjährige, bis zur Vernich tung des Gegners geführte Krieg zwischen der angesessenen slavischen Bevölkerung der Mark gegen das vordringende ger manische Element dann die Unterwerfung jener unter deutsche Führung und Kultur darauf die Vereinigung beider seitiger Eigenart und daraus als Produkt die staatenbildende Kraft das Mark aus der Mark.

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Unser erstes landschaftliches Bildchen am Kopfe dieses Aufsages zeigt uns einen Ort, um den mit dem Eintritt in das zweite Jahrtausend unserer Zeitrechnung Heidentum und Christentum die Kraft ihrer Leiber und ihrer Waffen aneinan der gemessen haben aber es war kein Glaubenskampf, es war ein Kampf der Nationalitäten um den Boden, um die Herrschaft. Rechts der Elbe saßen schon seit Jahrhunderten die Wenden von links des Flusses drangen die Germanen und ihre neue Kultur ein. Die Spree bildete in ihrem weiten Fluß- und Seegebiet, in ihren Niederungen und Brüchen ein günstiges Kriegstheater für die Entfaltung großer Heeresmassen, die Flußübergänge waren von besonderer Bedeutung, namentlich da, wo sich weite

vorstreckten und die Annäherung des Feindes begünstigten. Zur Sicherung dieser Übergänge errichtete man feste Plähe. Solche befanden sich an dem kleinen Nottefluß, der in die Dahme, die wendische Spree, einfließt, drei in ganz geringer Entfernung voneinander. Einer dieser war auf dem Wustrow, das heißt einem von Gräben umflossenen Ort, errichtet. Die zwei ersten Silben sind echt slavische. Der Ausgang der wild um diesen Ort wogenden und tosenden Kämpfe liegt in dem angefügten Worte „hausen“ ausgedrückt. Auf den runden Schild der Slavenfürsten wurde der spige der askanischen Markgrafen gesezt über den Fundamenten der alten Wendenburg erhob sich das Haus der deutschen Landesfürsten als einer Landwehre. Die aus diesem langjährigen Existenzkampf als Sieger hervorgegangenen Deutschen und die unterworfenen Wenden wohnten ganz nahe zusammen, aber ihre Stammesverschiedenheit gaben lettere lange noch nicht auf. Diese markierte sich bis in die neueren Zeiten, wo noch die Bezeichnungen Deutsch- Wusterhausen" für die Burg und deren Annex, „Wendisch - Wusterhausen" für das Dorf und dessen Bevölkerung sich aufrecht erhielten. Da, wo auf unserem Bilde der Kuppelturm aus den Wipfeln der Bäume aufragt, ist die Stelle, um die sich die Geschichte des Ortes windet. Es ist der alte Wartturm, der Lueg ins Land, vielleicht schon von den Askaniern erbaut, wenigstens in seinen Fundamenten. Die Stellung seiner mit der Wendeltreppe forrespondierenden, schief aufsteigenden Fenster weist aber schon auf eine spätere Zeit auf die von Schlieben, die in der Mark und von da weiter nach dem Osten einen hochwichtigen Kulturberuf des Germanismus erfüllten. Wir lernen sie auf diesem Wege als die treuesten, emsigsten, aufopferndsten und fähigsten Arbeiter an dem Staatsgebäude der Hohenzollern kennen. Lange allerdings blieben sie nicht in dem Besize von Wusterhausen, vielleicht drängte sie das Bewußtsein ihrer großen Aufgabe

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immer weiter nach der Ostmark. An ihre Häuser, von denen das zu rechter Hand Stelle traten als Besizer die Schenken das ältere, das zur linken das später von Landsberg, welche schon die zur angebaute sein dürfte. Die Schenken von Lausitz lehnbare Herrschaft Teupig be- Landsberg teilten das Schicksal aller jener saßen, Deutsch-Wusterhausen, das Schloß, Familien, die mit der Zunahme an Besit

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