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geschlagen das Hauptbuch des Hauses Rührung eine Weile nicht sprechen, dann

Randolph; man sah auf der weißen liniierten Folioseite die sauberen und viel stelligen Ziffernreihen.

Vor dem Hauptbuch, auf hohem Schreibstuhl, saß ein Mann. Der hob den Kopf, und als er den Eintretenden erkannte, stand er auf, ging dem Alten entgegen und bot ihm die Hand.

fuhr er fort: „Immerhin werden wir am Ort hier doch die Meistgebenden sein. Hast du gezeichnet,Randolph' oder,Randolph und Sohn‘?“

„Ich habe meiner Gabe nur ein N. N. hinzugesezt," erwiderte der Sohn ruhig.

„Albertus ich begreife dich nicht! Nun wird man Hinz und Kunz wegen ihrer zwanzig und fünfzig Mark großmütig preisen, während niemand erfährt, daß wir auch gaben," eiferte der Greis.

Wenn das Göttliche sich täglich zu Tausenden von Malen zeigt, verliert es in der Menschen blöden Augen den Schein der Göttlichkeit und wird ein Alltägliches, Ich würde vorziehen, gar nichts zu Selbstverständliches, Unheiliges. In der geben, wenn eine Wohlthat öffentlich sein Begegnung eines Kindes mit seinem Vater muß. Du weißt, ich hasse das. Auch du ist ein Abglanz jener geheimnisvol- warst früher, dünkt mich, meiner Ansicht, len, sehnenden, demütigen Annäherung denn ehemals gabst du deine Spenden des Menschen an seinen unbegreiflichen anonym.“ Schöpfer. Aber das Unfaßliche ist hier sichtbar worden, das dunkle Sehnen zur offenbaren Ehrfurcht. Wenn Kinder und Jünglinge sich froh um ihre Eltern drängen, ist es ein Anblick reinster Freude; wenn aber ein grauhaariger, alternder Mann mit Kindesdemut seinem greisen haften Vater genübersteht, so ist es ein heiliger Augenblick.

„Guten Tag, mein Vater," sprach der ernste, grauhaarige, große Mann zu dem heiter lächelnden Greis. Der fragte behaglich, ob es etwas Neues gäbe; aber Albertus Randolph kehrte an seinen Play zurück und antwortete flüchtigen Tones, mit dem Ausdruck der Unwahrheit: „Nein, nichts gar nichts." Er neigte zugleich wieder das blasse Antliß über das Haupt- | buch und tauchte die Feder von neuem ein. Der Alte sezte sich dem Sohn gegen über, faltete die Hände über dem Bäuchlein und fragte:

„So hat man denn bei uns nicht für die Überschwemmten in Tirol gesammelt?"

„Selbstverständlich- ich habe hundert Mark gezeichnet," antwortete Herr Albertus weiterrechnend.

„Das ist wenig, sehr wenig dem schreck lichen Elend gegenüber. Herr Gott, wenn man sich vorstellt das arme Volk, und welchen Winter es hat!" Er konnte vor

„Man ist zu leicht geneigt, das Alter für filzig zu nehmen," sagte der Vater; „den Verdacht will ich nicht auf mir haben."

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,So soll künftig immer dein Name dazu geseßt werden, wenn man für einen milden Zweck sammelt," antwortete Herr Albertus, ohne eine Miene zu verziehen.

„Nein, bitte, lieber Albertus, fahre nur in deinen dir genehmen Neigungen fort," bat der Greis.

Eine Weile herrschte Schweigen, Papa Randolph sah die Post durch. Wie jeden Tag, reichte er indessen bald seinem Sohn die Briefe hin mit der Bitte, sie ihm vorzulesen, da gerade heute seine Augen schlecht seien. Herr Albertus, der eine schwierige Aufmachung beinahe eben beendet hatte, unterbrach seine Arbeit ohne einen Seufzer der Ungeduld und las lang= sam seinem Vater alle Briefe vor, deren Kenntnis für diesen übrigens ganz gleichgültig war. Der Name eines Korrespon= denten erweckte indes in dem Alten Erinnerungen.

„Ob der alte Westenberg," sprach er behaglich, sich auch wohl noch der Zeit erinnert, wo er und ich als Lehrlinge zusammen seines Oheims Laden auskehren mußten, jeden Morgen um sechs, so Sommer wie Winter! Ja, Albertus, ihr Söhne habt es bequem, euch schiebt man.

luste!"

den Comptoirstuhl nur so hin: ‚Da sezt erleiden wir schwere, sehr schwere Vereuch! Wenn ich denke, wie ich gearbeitet habe! Und immer bescheiden, immer redlich! Nun, meine Redlichkeit ist be lohnt worden, ich bin jeßt der reichste Mann in der Stadt und, was mehr sagen will: der geehrteste! Albertus, wenn du wüßtest, wie die Leute mir alle entgegen kommen! Ja, die Ehre die blanke Ehre..."

Papa Randolph war wieder weich. Herr Albertus fuhr sich mit der Hand über die Stirn; aber gütig, bescheiden. zugleich, wie ein Knabe, der vor dem zagt, was er sagen will, sprach er:

Dem Papa Randolph war es schon längst entfallen, daß er die Geschichte eingehend an Konsul Broock erzählt hatte. Aber diese Bitte seines Sohnes ärgerte ihn doch, er murmelte Unverständliches vor sich hin.

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„Vielleicht," meinte Albertus liebevoll, thue ich dir gar einen Gefallen, wenn ich dir erst nach ihrer Entscheidung die Dinge erzähle?“

Nun loderte der Zorn des Greises auf: Ich sollte beiseite geschoben werden? Umgangen wie eine Null? Jch, der ich „Das freundliche Entgegenkommen der den Wohlstand dieses Hauses geschaffen, Leute verleitet dich oft, lieber Vater, seinen Namen geehrt gemacht? Was ihnen mehr Vertrauen zu schenken, als wäret ihr ohne mich? Zum Dank dafür, sie es im Grunde verdienen. Ich möchte daß ich mein Lebenlang schwer gearbeitet, dich innig bitten, über unsere Geschäfts- daß ich dir eine sorglose Jugend gönnte, angelegenheiten weniger mitteilsam zu sein. | ein reiches Heim schuf, soll ich jetzt wie Du hast, fürchte ich, über unser geplantes ein unnüßer, stumpfer, geschwäßiger Alter Unternehmen mit den finnischen Hölzern | abgesetzt werden? Noch, mein Sohn, bin gesprochen, denn heute vernehme ich zu meinem Schrecken, daß unser Konkurrent uns zuvorgekommen ist und statt unserer den großen Gewinn erzielt."

Alle Güte und Milde, deren seine Stimme fähig war, legte Herr Albertus in diese Worte. Er litt schwer, er der Sohn - errötete darüber, daß er sich unterfing, den Vater zu tadeln. Dem Alten schwoll ein kleines troßiges Gefühl im Herzen. Um die Beschämung, welche seine Stirn glühen machen wollte, nieder zukämpfen, begehrte er auf:

„Du thust, als wäre ich ein Schwäßer. Ich entsinne mich nicht, von der Holzgeschichte gesprochen zu haben. Sollte es jedoch geschehen sein, so denke ich nicht, daß gerade deshalb jener unseren Plan durchkreuzte."

Erörtern wir dies nicht weiter, lieber Vater," sagte der Sohn sehr freundlich. "Ich bitte dich nur noch, insbesondere über die Affaire Meinhardt zu schweigen. Bei der Sachlage könnte der Sturz des Hauses unvermeidlich werden, sowie ihre Verlegenheit anderen als mir bekannt ist, und stürzt das Haus Meinhardt, Vater,

ich, Gott sei Dank, kein kindischer Greis, und wenn du meinst, daß zwei Mitwisser zu viel sind für die Geschäftsgeheimnisse dieses Hauses, könnte ich mich erinnern, daß ich die Hauptperson bin, daß Geschäft und Haus eigentlich noch mein sind und daß, wenn einer hier das Comptoir verlassen muß, ich dieser eine nicht zu sein. brauche!"

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Vater!" Albertus stand bleich wie eine Leiche neben seinem Vater und faßte die runzelige Hand beschwörend.

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Nun ja," grollte der Alte in schon verhallender Erregung, „es ist von Zeit zu Zeit nötig, daran zu erinnern, daß ich noch im Vollbesig meiner geistigen wie körperlichen Kräfte bin."

Albertus schrieb weiter, sein Kopf war tief über das Buch gebückt, der graue Haarschopf fiel herab und bedeckte die Sorgenfalten auf der Stirn.

Man klopfte an die Thür. Anstatt bequem von seinem Siz aus „herein!“ zu rufen, hastete der Alte geschäftig von seinem hohen Stuhl herab, ging an die Thür und ließ den Klopfenden ein. Es war der jüngste Lehrling, er brachte eine

Depesche. Papa Randolph hatte nie mit solcher Ungeduld sein schwaches Augenlicht empfunden wie eben jeßt. Er hätte seinem Sohn gern gezeigt, daß er, der eigentliche Chef, das erste Recht habe, die Depesche zu lesen. So gönnte er sich wenigstens den Triumph, sie selbst zu öffnen, obschon der Lehrling ihm halblaut sagte: „Für Herrn Albertus Randolph, privatim."

Albertus nahm die Depesche, las und stüßte schwer das Haupt. Der Greis wartete, bis der Lehrling wieder die Thür geschlossen hatte dies Warten war die Folge der Ermahnungen seines Soh nes und fragte dann erst neugierig: Nun?"

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„Ach was mache dir nur keine Hirngespinste! Ein Enkel von mir, ein junger Mensch, in dessen Adern mein Blut fließt, kann wohl in der Übereilung einmal eine Tollheit machen, aber nie was Schlechtes! Herr Gott, wird Cornelie sich aber freuen denn das ist mir so gewiß, wie zwei mal zwei vier sind, daß der Bengel heute noch angereist kommt!“ Papa Randolph war so eilig und wich

Nach der eben gewesenen Scene konnte Albertus seinem Vater nicht das Wort „Privat - Angelegenheit" entgegenhalten. Auch hätte der Alte solche gar nicht als | tig in seiner Botenpflicht, daß er mit jugendgeheim für ihn geachtet. In dem Schreck, der seine Seele betäubte, war Albertus Randolph ohnehin unfähig, eine Lüge zu ersinnen; er sprach tonlos: „Die Depesche kommt aus Hamburg von Dollfus.“

Bei dem Hause Dollfus in Hamburg arbeitete der zwanzigjährige Sohn und Enkel der beiden Randolphs in einer Zwitterstellung als Volontär und Commis. „Sie betrifft Gustav?“ fragte der Alte freudig.

„Allerdings ja. Sie meldet, daß Gustav sich heimlich entfernt hat." Und dabei senkte Albertus die Stirn schwer gegen seine gefalteten Hände.

„Ei, sehe mir einer den Schlingel an! Macht sich Ferien! Was für eine über flüssige Wichtigkeit, deshalb zu depeschieren! Na, da können wir ja unseren Herrn Gustav erwarten, denn er wird natürlich Heimweh bekommen haben, der Junge, und fährt eins, zwei, drei nach Hause, um seinen Großpapa zu umarmen. Warte, mein Gustav, dich werden wir mal schleunig an die Arbeit zurücksenden!"

Herr Albertus teilte diese Ansichten seines Vaters nicht. Er kannte seinen Sohn, und er las aus dem Zusatz in der Depesche: Eilbrief folgt!" Dinge her

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licher Raschheit die Treppen hinanstieg.

Albertus Randolph aber vertiefte sich abermals in die Lektüre der Depesche, und seine Augen wurden immer gram= voller, seine Wange immer blasser.

Mühevoll wie das Tagewerk des Fischers, der jeden Tag hinaus muß auf die See, um bei nasser, windiger und widriger Fahrt den Fang zu erjagen, welcher ihn nähren soll; des Fischers, der das düstere Auge auf der Heimkehr spähend erhebt, um das Aufleuchten des Fanalfeuers an der Flußmündung zu beobachten, damit er seines Hafens nicht fehle, der dann mit neubelebter Kraft tiefer mit den Rudern ausholt, um schneller seine Fahrt zu beenden so mühevoll ist auch das Tagwerk manchen Mannes, der nicht im schwanken Nachen mit Elementen, sondern der in unaufhörlicher Selbstbeherrschung mit Menschen kämpfen muß, um in seinem Beruf erfolgreich zu arbeiten. Nur daß es oft erhebender ist, mit Wogen und Sturm zu kämpfen als mit seiner Mitmenschen Neid, Schlauheit oder Schwäche; aber auch, daß es tröstlicher ist als eines

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Fanalfeuers Aufflammen, mit dem Auge der Phantasie hinzuschauen auf das Licht, das sich am Ende solcher Arbeitstage im Kreise einer lieben Familie als trauliche Lampe entzündet.

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Puppe Mimi, die mit ihrem Rücken steif gegen den hohen Lampenfußz lehnte und ihre ledernen Beine schräg über die Tischdecke von sich streckte, prangte heute schon in einem schönen blauen Kleid, und ihr übermächtiger Haarwuchs von gelbblonden Hanffajern bäumte sich in kunstvoller Frisur über ihrer Wachsstirn auf. Käthchen nahm dem geduldigen Puppenkind gerade Maß über der flachen Brust, während sie, halb zur Puppe, halb zum Papa gewendet, plauderte. Albertus Randolph erschrak.

„Woher weiß Käthchen ...?“

Frau Cornelie hob ihre Augen von

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Wenn Albertus Randolph seinen ernstschweigsamen und doch oft gestörten Arbeitstag dem Abend zufliehen sah, wich die finstere Grübelei seiner schwerbelade nen und besorgten Seele vor dem schönen Mutgedanken: Für sie für mein Weib, mein Kind und meine Ehre! Und seine Befehle klangen minder herrisch streng, sein Gute Nacht!" zu seinen Untergebenen gütiger als sein Morgengruß. Dann schloß er die schwere Eichen- | ihrer Näharbeit und sah den Gatten einthür des Comptoirs, dann stieg er hinaufdringlich an. Er nickte gramvoll, er verin das Wohngemach und dann erfaßte stand. sein Auge mit immer neuer Dankbarkeit das einfachste und erhabenste Bild, welches der Schöpfer aller Menschenleben hin malen kann: sein Weib und sein lachendes Kind, still-zufrieden einander gesellt im Schein der Lampe. Der Staub, welchen Ärger und trockene Zahlenarbeit den Tag über um seine Lungen gelagert, fiel ab, und rein und froh klang seine Stimme, die seit zweiundzwanzig Jahren mit immer derselben Innigkeit sprach: „Guten Abend, mein Weib." Aus Frau Corneliens klugen Augen leuchtete ihm als Antwort ein warmer Strahl entgegen, und um ihren stolzen Mund schwebte sekundenlang ein Lächeln voll Zärtlichkeit, das immer rasch wieder entschwand, ehe eines anderen als des Gatten Auge es bemerken konnte.

Großpapa hat es mir verraten," triumphierte Käthchen. „Ob Gustav mir wohl etwas Schönes mitbringt? Einen Jungen? Ich wünsche mir einen Bruder für die Mimi, aber einen braunen Sammetkittel muß er anhaben und Krempstiefel auch. Nicht wahr, Mimi?“

„Großpapa hat mich gewiß falsch verstanden, mein Herzchen. Gustav kommt nicht hierher," sprach Herr Albertus langsam, seinem Kind das blonde Haar aus der heißen Stirn streichend.

Ach!" rief die Kleine gedehnt. Und dann munterer: „Ihr wollt es mir nur nicht sagen. Wenn Großpapa es gesagt hat, ist es aber doch wahr."

„Käthchen," sagte Frau Cornelie,,,streite nicht. Du wirst ja sehen, daß Gustav nicht kommt. Zu deinem Geburtstag wollen wir ihn einladen, dann bringt er dir auch eine Puppe mit, die als Junge angezogen ist. Und nun, mein Plappermäulchen, nimm deine Mimi in den Arm

So fand er sie auch heute, so in still freudiger Erwartung seines Kommens; aber nicht wie sonst klang seine Stimme frei vom Staub des Tages. Für Frau Corneliens Ohr war noch nicht die Stimme des Gatten gleichgültiger Tonfall -und sage dem Papa gute Nacht." nicht nur ihr Dhr, auch ihr Herz lauschte seinen Reden. Sie vernahm den unfreien Klang, aber sie unterdrückte in des Kindes Gegenwart jede Frage.

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Mama," rief Käthchen vorwurfsvoll, die Mimi muß doch erst ihr Nachtzeug anhaben; in der Kälte kann ich sie nicht auskleiden!" Und mit einem Blick auf „Papa," hob das kleine Käthchen an, die Uhr: „Außerdem ist es noch fünf „siehst du, ich nähe meiner Mimi ein Minuten bis neun. Seit meinem leyten neues Kleid. Die Mimi muß doch sein Geburtstag darf ich bis neun Uhr aufsein, wenn Gustav kommt. Nicht, Mimi?“ | bleiben, du hast es selbst gesagt."

„Nein," rief Herr Albertus wunderlich Ich weiß nicht, was ich fürchten muß, heftig, nein, Käthchen, keine Minute geben wir her, wir! Wir bestehen auf unserem Schein! Mama, ich bitte für Käthchen nicht bloß die rechtmäßigen fünf Minuten eine Stunde noch eine Stunde."

Er schloß das Kind an seine Brust, entließ es plötzlich, trat an eins der unverhüllten Fenster und starrte lange auf die schneehelle, von spärlichem Gaslicht schwankend überhuschte Straße. Frau Cornelie verriet durch keinen Blick, daß ihres Gatten Gebaren sie erschreckte. Ruhig plauderte sie mit der glücklichen Kleinen und zog auch den Gatten in das Gespräch. Sie fühlte, sein Herz lechzte nach dem Labsal, die heitere Kindersorglosigkeit zu sehen, die aus Käthchens Augen lachte.

Aber der hinausgeschobene Augenblick kam dennoch die Gatten waren allein. Herr Albertus ließ sich auf dem Sofa neben seinem Weibe nieder. Sie saß, ihre stolze Gestalt aufrecht wie immer tragend, still da, ihr Haupt mit den glat ten, dunklen Scheiteln ein wenig geneigt; ihr Antliß, das durch seine Regelmäßig feit in der Jugend herbe und jetzt bei ihren fünfundvierzig Jahren jugendlich erschien, war, auch wie immer, ganz ruhig. Sie fühlte sich so gewiß, das Vertrauen ihres Gatten zu empfangen, daß sie sein Aussprechen durch keine Frage beschleunigen wollte. Er brütete lange schweigend vor sich hin, während seine Finger mechanisch mit ihrem Zwirnknäuel spielten. Und endlich brach die Qual in ihm gewaltsam hervor, in einem Ausruf, einem Worte nur:

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fürchten darf, ohne vielleicht meinem Sohn in Gedanken unrecht zu thun! Cornelie, du kennst sein rasches Blut, seine heftigen Impulse, seine Genußsucht. Du weißt, wie viel Strenge wir vergebens aufwandten, wie der Großvater durch heimliche Geldgeschenke in den letzten Jahren des Knaben Übermut nährte, ohne sich des Schadens bewußt zu sein, den er anstiftete. Gustav ist zwanzig Jahre alt, jedermanns Liebling, begabt, heftig, ohne Selbstbeherrschung, hinreißend heiter und liebenswürdig. Von solchem Jüngling kann man alles erwarten und - ihm alles verzeihen! Denn dessen bin ich sicher: was er auch gethan haben mag - ein Augenblick leidenschaftlicher Verirrung riß ihn hin, nicht in kalter Überlegung, aus einem verbrecherischen Charakter handelte er nicht."

„Nun also," sprach Frau Cornelie, die sehr bleich geworden war, mit vieler Ruhe, „was schreckt dich dann? Auch andere Eltern haben solche Märtyrerstunden um ihrer Kinder Unverstand willen zu tragen. Mache dich gefaßt, eine Jugendthorheit streng zu ahnden, und sei mutvoll."

,,Du weißt," sprach er leise, „daß ich nicht so sehr eine Tollheit Gustavs fürchte als den Umstand, ein toller Streich von ihm könne in den Mund der ganzen Stadt kommen.“

Frau Cornelie nickte ein paarmal mit der Stirn. Ein Zug von Härte kam um ihren Mund.

"Ja," sagte sie, der alte Mann ist wie ein geschwäßiges Kind."

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