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Perlmutterschalen, welche anscheinend gut waren, so betrogen, daß er zum zweiten mal nicht wieder damit handelte. Ein Italiener hatte einen kleinen Teller voll kleiner Perlen gekauft; als er sie nach Mailand schickte, wurde ihm der Bescheid, daß man derartige Perlen dort billiger kaufen könne, als er sie in Massaua von den Banianen erstanden hatte. Wie viel Perlen im Dahlak-Archipel, wie viel überhaupt im Roten Meere ans Licht gebracht werden, entzieht sich jeder Berechnung; denn wenn man auch ungefähr das Quantum der Perlmutterschalen, welches auf die europäischen Märkte geworfen wird, erfahren kann, so ist es ja bekannt, daß oft unter hundert Schalen, ja zuweilen unter Hunderten, nur eine einzige mit einer edlen Margarita geschmückt ist.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Massaua sich bei gefestigten Zuständen schnell heben wird. Schon berichten die Zeitungen, daß britische Offiziere dort die Leitung der Angelegenheiten in die Hand genommen und namentlich den Willkürlich keiten der ägyptischen Beamten ein Ziel gesezt haben. Diese waren bis in jüngster Zeit schreiend. Natürlich! Massaua, weit genug ab von Kairo gelegen, war ebenso wie Berber, Chartum, Kassala, Metemmeh stets eine Brutstätte mohammedanischer Gewaltakte. Selbst im Jahre 1881 wurden von den Behörden Menschen krank geprügelt, ja zu Krüppeln geschlagen, um Geständnisse zu erzwingen von Dingen, die vielleicht gar nicht begangen waren oder von denen sie nichts wußten. Und daß selbst vor den Roheiten der ägyptischen Beamten Europäer nicht sicher waren, davon wissen die schwedischen

Missionare zu berichten. Diese waren um so schußloser, als selbstverständlich der französische Vicekonsul, Protektor der römischen Missionsanstalten, sich der Schweden nicht annahm.

Diesem Getriebe ist nun mit einem Schlage ein Ende gemacht. Die Engländer haben die Gefängnisse geöffnet, denjenigen Gefangenen, deren Schuldlosigkeit offen zu Tage lag, auf der Stelle die Freiheit gewährt und über die anderen die schnellste Untersuchung angeordnet. Und mag man nun über die englische Ausbreitungssucht denken und sagen, was man will: das muß der Unparteiische zugeben, daß die Eingeborenen jedenfalls von den Engländern besser behandelt werden als von ihrer eigenen Behörde. Den ägyptischen Paschas gegenüber waren die Eingeborenen weiter nichts als arbeitende Kräfte, welche jeder nach seinem Gutdünken benutzen, aussaugen und ausquetschen konnte. Zum Teil muß man es auch der ägyptischen Efendiwirtschaft vom Efendina an bis zum untersten Efendi - zuschreiben, daß das Verhältnis mit Abessinien nicht geregelt, daß nach den blutigen Schlachten von Gudda Guddi und Gura kein Friede geschlossen wurde.

So dürfen wir denn hier einer guten Zukunft freudig entgegensehen. Bis jezt war Massaua nur wenig bekannt; nur die Abessinienreisenden oder vereinzelte Jäger und Jagdpartien kamen dahin. Daran aber zweifeln wir nicht, daß, sobald am Roten Meere Friede hergestellt sein wird, Massaua ebensogut auf dem Programm von Cook, Stangen und Riesel stehen wird wie jezt seit Jahren Kairo, Assuan und Philä.

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Mentone.

Von

Robert Dobute.

vielen deutschen Familien einen bekann= ten Klang hat, will ich dem Leser erzählen.

is vor kurzem auf dem Landwege schwer erreichbar, haben die Gestade der Seealpen im großen Gange der Geschichte Fünf Felsenhöhlen in unmittelbarer nur eine nebensächliche Rolle gespielt. Nähe des Ortes bergen Reste jenes Jezt aber beginnt sich hier ein Leben zu Lebens, welches sich abgespielt hat weit entfalten, wie es ähnlich nur das Alter vor der Zeit, bis zu der das Gedächtnis tum an den Küsten Latiums und Cam- der Menschheit in Geschichte und Sage paniens gekannt: Kurort reiht sich an Kur zurückreicht. Manch interessantes Ergebort, Villa an Villa. Klimatisch und land- nis brachte ihre Durchforschung der Fachschaftlich eine der schönsten Strecken unse- wissenschaft; die historische Erkenntniß res Weltteiles, wird die Riviera von Jahr aber gewinnt durch sie keine neuen Anzu Jahr mehr die große Winterstation haltspunkte. Für diese wird der Schleier, Europas. Viermal bin ich selbst diese welcher auf der Urzeit dieser Küsten ruht, Straße gezogen, habe Mentones gast erst gelüftet, als Männer aus Phokäa, lichen Boden, nach dem es mich immer der Pflanzstadt Athens am jonischen Gewieder hinlockte, nach allen Richtungen stade, die ligurischen Völker in den Kreis durchstreift, bin hier fast heimisch ge- ihrer Handelsverbindungen ziehen. Wenn worden. aber der athenische Schiffer die Küsten Von dieser Stadt, deren Name in so der Barbaren befuhr, dann war er über

den warentauschenden Kaufmann hinaus zugleich der Bringer milderer Gesittung: das Gastgeschenk, welches die Gründer von Marseille und Nizza den umwohnen den Völkern dargereicht, es hat diesen Segen getragen durch die Jahrtausende. Denn noch heute bildet der Baum der athenischen Göttin, die ölbringende Olive, neben Orange und Citrone den wahren Reichtum des Landes.

An der Stelle, wo das hohe Urgebirge, steil ins Meer fallend, den Zugang zum Hinterlande besonders schwer macht, ragte damals auf jäher, weit in die

blaue Flut vorsprin= gender Felsklippe einsam ein Tempel des Baal. Phönicische Seefahrer, vielleicht Karthager, hatten dem grausen heimischen Gotte das Heiligtum errichtet. Als die Griechen ihre Erbschaft übernahmen, da verwandelte sich das Haus des menschengierigen Moloch in das desjenigen Zeussohnes, der so oft an den Küsten des Mittelmeeres

Hafen des Herkules wird eine römische Legion auf dem Marsche nach Spanien derart geschlagen, daß niemand übrig blieb, die Kunde der Niederlage nach Rom zu bringen. Unweit derselben Stelle, bei dem heutigen Torbia, nehmen die Römer später ihre Vergeltung: die Scharen der Alpenvölker sind auf den Höhen der Berge von den Legionen umringt, jeder Ausweg ist verlegt; da entzünden sie mächtige Scheiterhaufen und stürzen mit Frauen und Kindern in die Flammen, den freigewählten Feuertod der

Ruinen des Augustus- Denkmals bei Torbìa.

als der Nachfolger des semitischen Gottes erscheint. Der Ort ist von nun an dem „einsam thronenden Herakles" geweiht; vom Herakles Monoi fos (uovos oixoor) hat er seinen Namen bis auf den heutigen Tag: Monaco. Schon im griechischen Altertum war der dortige Hafen ein viel besuchter; wieder holt wird seiner von den Schriftstellern gedacht. Früh auch tritt der Name des Ortes in die römische Geschichte ein. Be reits am Ausgang des dritten Jahr hunderts beginnen in diesen Gegenden die Kämpfe mit den ligurischen Völkerschaf ten; zunächst mit wechselndem Glück. Beim

Sklaverei vorzie hend. In Monaco, an der Grenze der gallischen Provinz, schiffte Cäsar sich ein für Genua, als er zum entscheidenden Kampf gegen Pompejus schritt. Aber erst die kaiserlichen Adler

des Augustus vermochten die kriegerischen Bergvölker zu dauerndem Gehor sam zu bringen. Des zum Andenken ließ der Imperator im Jahre 13 v. Chr. auf der Höhe der Berge, hart über dem Hafen des Herfules, ein weit in

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Land und Meer hinein sichtbar Denkmal errichten; und der Kern dieser Tropæa Augusti" stand troß aller Kämpfe, die sie im Lauf der Jahrhunderte umtosten, aufrecht bis in die Zeit Ludwigs XIV. Dessen Scharen erst sprengten im spanischen Erbfolgekriege das im Mittelalter zur Burg eingerichtete feste Gemäuer und verwandelten so das Monument in einen unförmigen Steinhaufen. Lange vor dieser Zeit, im Jahre 1564, hat es der Franziskaner Pater Bojero gesehen, die Stätte untersucht und aus den vorhandenen Trümmern das Bild des ursprünglichen Werkes zu refon

struieren gesucht. Nach ihm erhob sich auf einem quadraten Sockelgeschoß ein zweites ähnliches, aber etwas zurückspringendes Stockwerk, dessen Ecken mit mäch tigen Waffentrophäen geschmückt waren. Jumitten der Südfront befand sich die Eingangsthür, eine zweite dieser korrespon dierend auf der Nordseite. An der Südfront des zweiten Geschosses war die große Inschrift angebracht, deren Text Plinius aufbewahrt hat; sie besagte, daß Augustus das Monument zum Andenken seiner Siege über fünfundzwanzig namentlich aufgeführte Alpenvölker errichtet habe. Es folgte dann im weiteren Aufbau ein cylindrischer Körper von wesentlich kleinerem Durchmesser, den zwei Reihen von Säulen oder Pilastern übereinander gliederten. Zwischen ihnen Nischen mit Statuen; darüber endlich eine Stufenpyramide, deren Abschluß die etwa sechs Meter hohe Bildsäule des Kaisers bildete. Den Kopf derselben sah Bojero noch und hat nach ihm die Höhe der ganzen Statue bestimmt; einen anderen Kopf, angeblich ein Bildnis des Drusus, soll in der ersten Hälfte unseres Jahr hunderts ein dänischer Prinz unter den Trümmern gefunden und mit nach Kopen hagen genommen haben. Andere Reste der Hauptstatue und der Inschrift waren. noch bis vor kurzem im Orte erhalten; die Kirche und Häuser desselben sind vor wiegend mit dem Material der großen Trümmermasse errichtet; selbst für den Bau der Kathedrale von Nizza wurde viel Marmor der äußeren Bekleidung von hier verschleppt.

Bei der Schwierigkeit der Alpenübergänge war der Weg längs der Küste der römischen Verwaltung von besonderer Wichtigkeit, als die einzige jederzeit be nutzbare Verbindungsader zwischen den Provinzen der Gallia cisalpina und transalpina; ihr Ausbau war daher durch die Notwendigkeit geboten. So entstand unter Augustus hier eine jener großartigen Heerstraßen des römischen Rei ches, die nach ihm getaufte Julia Augusta. Wie lange sie im Stand gehalten wurde,

ja ob sie überhaupt das Schicksal der römischen Welt überdauert, vermag ich nicht zu sagen; schon Hadrian mußte an ihr wichtige Reparaturbauten vornehmen. Allmählich verwischten die schicksalsreichen Jahrhunderte der Folgezeit ihre Spuren so weit, daß stellenweise nur noch das Maultier auf engem Saumpfad den Weg längs der Felsen fand, als Napoleon sein Heer über die Alpen führte, zum Kampf auf Italiens Boden. Wie einst jene wohlgepflegten Kunststraßen des Altertums, so wichtigen Vorschub sie auch dem Handel leisteten, doch in erster Linie aus militärischen Rücksichten entstanden waren, so dekretierte jezt auch der neue Cäsar zur Sicherung der Verbindung seiner Armeen mit dem Mutterlande die prachtvolle Route de la Corniche zwischen Marseille und Genua. Durch drei Vierteljahrhunderte zog auf dieser der Handel und Wandel zwischen den Völkern zu beiden Seiten der Seealpen dahin, bis die moderne Technik, die Felsen sprengend, dem Dampfroß seinen Weg hart am Meeresufer bahnte. Seitdem ist die schwindelnde Straße, die wie ein Kranz sich um die Höhen der Berge legt, wieder mehr verlassen. Waren- und Menschenverkehr zieht den rascheren Schienenweg

Wem aber das Herz empfänglich schlägt für die wunderbare Schönheit dieser Gestade, der sollte noch heute den Weg der Corniche, wenigstens auf der Strecke, wo er am großartigsten, zwischen Nizza und San Remo, zu Wagen zurücklegen.

Der Wanderer, der in römischer Zeit vom Hafen des Herkules, ostwärts Italien entgegen zog, fam nach einer Stunde. Marschierens an eine weit in das Meer hineinspringende Landzunge, das heutige Kap Martin. Von der Höhe derselben senkte sich der Weg zwischen Olivenpflanzungen hinab zum Ufer, welches hier ein lebhafter als an der übrigen Küste gegliedertes Vorland zeigt. Auf kurzer Strecke öffnen sich vier Gebirgs

thäler nebeneinander, je einen Bach zum Meere sendend; mannigfach fließen die weichen Wellenlinien der anmutigen Vorberge ineinander; pittoresk und abwechselungsreich steigen hinter ihnen die Gipfel des Hochgebirges auf, deffen schroffe Massen die schüßende Wand für eine besonders üppige Vegetation bilden. In der Ebene, hart am Meeressaume, über schritt die Straße die Bäche, um hinter dem vierten in scharfem Winkel nach links zu biegen und nun zu einem Hügel hinaufzusteigen, dessen Längsseite sie in etwa dreißig Meter Höhe über dem Meere weiter verfolgte. Vielleicht lag an dieser Biegung schon in römischer Zeit eine Siedelung: mehrfache Inschriftenfunde und Gräber in der Umgegend erwecken wenigstens diese Vermutung. Freilich wird erst im dreizehnten Jahrhundert hier ein Ort genannt: Mentone. Damals war es ein kleines, kaum fünfhundert Einwohner zählendes Nest mit hohen Mauern und einem den Gipfel des Hügels krönenden Kastell. Seine Hauptstraße, die heutige Rue longue, folgt genau dem Zuge der alten Julia-Augusta, welche sich auch jenseits des ehemaligen Stadtthores in der heutigen Rue Ste. Anne weiter verfolgen läßt.

Der interessanteste jener Reste des Altertums ist das sogenannte „Römergrab" auf dem Kap Martin, ein kleines Bauwerk, dessen ursprüngliche Bedeutung zu ergründen den Archäologen von Fach überlassen bleiben mag. Es zeigt in sei ner von drei niedrigen Wandnischen die beiden äußeren rechteckig, die mittlere halbrund belebten Fassade eine eigenartig deforative Verwendung des Opus reticulatum in schwarzem und weißem Marmor. Die Wölbungen der Nischen waren gepußt und mit Laubwerk bemalt. Über den Nischen ein schmales, aus zwei Schichten Ziegeln gebildetes unverpußtes Horizontalgefims und darüber, noch er kennbar, die Reste eines Obergeschosses, wieder im farbigen Ornament des Nez mauerwerkes. Offenbar ein Werk aus den letzten Zeiten des Reiches!

Als das geordnete Regiment des Römertumes vor dem Andrang der Barbaren dahinjank, brachen auch über diese Küsten Kriegsnot und Verwüstung herein. Besonders verhängnisvoll scheint der Zug der von Italien kommenden Westgoten gewesen zu sein (410/411). Nizza wenigstens wurde damals so gründlich zerstört, daß nur wenige Fischerhütten auf der Trümmerstätte stehen blieben. Und doch hatten einst die Villen um Nicäa und Cemeleum (Cimiez), der Landeshauptstadt, an Menge und Schönheit rivalisiert mit den Bauten der blühenden Badeorte des Golses von Neapel; zahlreiche Juschriftenfunde erzählen noch heute davon, daß hier Mitglieder der ersten Familien des römischen Adels in Menge ansässig gewesen.

Bald ostwärts, bald westwärts wogten die Barbarenscharen, bis endlich sich die Herrschaft der Longobarden gegen Ende des sechsten Jahrhunderts aus der allgemeinen Gärung abklärte. Ihr wieder macht. Karl der Große ein Ende; aber auch er vermag nur auf kurze Zeit den von der Natur so reich gesegneten Gestaden Schutz vor der Wildheit der Menschen zu geben. Schon während der Longobardenherrschaft hatten die Raubzüge der Saracenen, jene furchtbare Plage des Mittelmeeres, begonnen; und schlimmer als je zuvor wüten die Seeräuber unter Karls schwachen Nachfolgern. Auf uneinnehmbaren Höhen der Uferberge sehen sie sich fest, von dort aus in jäher Schnelle über die Schiffe auf dem Meere, die Städte der Küste herzufallen, Verwüstung dem Lande, Tod oder Sklaverei den Menschen bringend. Damals wurde Eza und Torbìa der kleine Ort, der von den Tropæa Augusti seinen Namen herleitet befestigt; es entstand auf der höchsten Spitze der Berge über Mentone das Felsennest, welches heute den Namen St. Agnes trägt. Mit welchen Opfern an Menschen und Lasttieren mag der Bau errichtet sein, zu dessen steiler Höhe emporzuklimmen ein rüstiger Bergsteiger nahezu vier Stunden gebraucht. Liest man von den Schrecknissen jener wilden Zeit in der Chronik

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