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zugleich in den rötlichen buschigen Haaren des Frevlers wühlt. Dieser scheint soeben im Begriff, sich vom Boden zu er heben, auf den er niedergekniet ist, um seinem hingestreckten Opfer den „Gnadenstoß“ zu geben. In seiner Rechten blinkt der blutige Dolch. Hinter einem verfalle nen Gemäuer ihm zur Seite harren aber auch schon die gräßlichen Weiber, die keine Phantasie grauenvoller zu ersinnen im stande ist. Hart an die Wand gedrückt, um nicht vorzeitig entdeckt zu werden, schielen sie mit den gierigen Blicken ausgehungerter gefräßiger Ungeheuer her über, mit krampfiger Spannung wartend, bis der Mörder sich anschicke, seinen Weg zu verfolgen, der ihn bei seinen ersten Schritten an ihnen vorüberführen muß. Mit Schaudern empfindet man den Augen blick voraus, da sie sich auf ihn stürzen werden voll erbarmungsloser Wut, um mit ihren Schlangengeißzeln ihn, den in atemlosem Entsegen Davonstürzenden, vor sich herzupeitschen, fort, fort durch die grausige Gewitternacht fort, fort bis in alle Unendlichkeit.

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Hat Böcklin hier die Folterqualen, die den Missethäter verfolgen, anknüpfend an die beredte Personifikation der griechischen Mythe, zum Gegenstande seiner Darstellung gemacht, so beschäftigen ihn bei einem anderen Bilde, das gleich dem vorgenannten aus dem Jahre 1870 stammt, die Gefahren, die tückisch über den harmlosen Wanderer hereinzubrechen drohen. Auf seinen Wanderzügen über die Alpen mag da und dort ein steiler Abhang, ein gäh nender Schlund ihm den Gedanken an die Gefahren solcher Gebirgswanderungen, namentlich in früheren, von minder vorsorglichem Straßenbau bedachten Zeiten, nahe gelegt haben. Er fühlte nach, wie die beängstete Phantasie des Wanderers auf schwindelnden Pfaden neben den augen scheinlich drohenden Gefahren unvillkür lich weitere fabelhafte Schreckgebilde vor sich erstehen sicht. Wo eine schwarze Höhle gähnt, da weckt sie die Sorge, ob nicht der Drachen alte Brut" drin wohne.

Vor den lebhaften geistigen Augen des Malers gestaltete auch dieser Gedanke sich sofort zum Bilde. So entstand denn die Drachenhöhle", ein Gemälde von ähnlichen Formatverhältnissen wie der „Anachoret". Zwischen zwei senkrecht emporsteigenden und nahe aneinander tretenden Felswänden hindurch schlingt sich der schmale, notdürftig aufgemauerte Saumpfad, unterhalb dessen es noch in nahezu unabsehbare Tiefe hinabgeht. In diesen Kessel stürzen von der höchsten, wolkenumlagerten Höhe herab die schäumenden. Fluten und versprühen unterhalb der Brücke, deren Bogen über ihr Bett hingespannt ist, zu feuchtem, schimmerndem Staube. Der Brücke nähert sich ein kleiner Wanderzug. „Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg"; die Männer folgen den vorsichtigen Schritten des klugen pfadkundigen Tieres. Da reckt aus einer Höhle über ihnen ein Lindwurm seinen schnabelartig zugespizten Kopf, seinen ungeheuren langen Schlangenhals nach ihnen. nieder. Entsezt suchen die Wandersleute zu entfliehen, aber wie soll ihnen das möglich sein, da ein einziger Schritt des furchtbaren Ungetüms vielen Dußenden der ihrigen gleichkommt?

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Bereits gelegentlich des ersten größeren Werkes, das Böcklin in und für Deutschland schuf, hatten wir Veranlassung zu bemerken, wie er damit umging, sich sein eigenes Malverfahren zu schaffen. Er bildete dasselbe nach der Richtung hin aus, daß er seine Gemälde, wie das bei den Quattrocentisten vielfach üblich war, in Tempera untermalte und mit Ölfarben überging. An der weiteren Vervollkommnung dieses Verfahrens arbeitete er besonders eifrig in München, wohin er im Jahre 1871 abermals übersiedelte. Namentlich war es ihm, dessen glühender Farbenphantasie die verfügbaren Mittel noch lange nicht zu folgen vermochten, darum zu thun, eine Farbenskala von immer vertiefterem Umfang und erhöhterer Leuchtkraft zu erzielen. Einen Gipfelpunkt seines Wirkens nun sowohl nach dieser Richtung hin als in Bezug auf eine

freie urgewaltige Entfaltung seines eigen- | Nereide", auch kurzhin als „Meeresidylle" sten Genius, der zu seiner vollen Bethä- oder „Seeschlange" bezeichnet.

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pige Triton, bildeinwärts schauend, bläst gewaltig in sein Muschelhorn, dessen dröhnende Klänge man über die bewegten Fluten hinrollen zu hören meint, während das jugendliche Meerweib, behaglich auf den Rücken hingestreckt, mit einer mächtigen Seeschlange ihr neckisches Spiel treibt. Sie hat das Ungeheuer, das seinen Kopf zu ihr emporstreckt, an der Genickhaut gepackt, ähnlich dem Griff, mit dem man wohl ein junges Käßchen in die Höhe zu heben pflegt. In der That scheint das gewaltige Reptil sich seiner Herrin gegenüber nach Art eines gutmütigen Haustieres zu gehaben und die etwas derbe Liebfosung mit grunzendem Behagen zu empfinden. Der gigantischen Urkraft der Scene entspricht die überwältigende Fülle des Kolorits. Der wolkenumlagerte Horizont, das tiefblaue Meer, auf dem der weiße Schaum der an dem Felsenriff branden den Wogen schwimmt; die Seeschlange, deren golddurchschimmerter grüner Leib sich da und dort über die Wasserfläche emporringelt; der glühend braune Triton mit den glänzend beschuppten Beinen; endlich das nackte Weib, an dessen feuchtschimmernde Haut sich das lange dunkle Haar vermöge der Nässe eng angeschmiegt hat das alles spielt mit mächtiger Wucht der Gegensäße ineinander und verschmilzt dabei doch zu einem harmonischen Farben bouquet, innerhalb dessen jede Einzelerscheinung in all ihrer Übernatürlichkeit mit packender Überzeugungskraft an uns herantritt.

Böcklin hat seither diesem Gemälde von Florenz aus, wohin er gegen Mitte der siebziger Jahre ausgewandert ist, eine Reihe verwandter Meeresmythen folgen lassen. Die bedeutendste derselben ist das im Frühjahr 1883 vollendete „Spiel der Wellen". Hier stellt der Künstler den behaglichen Ruhepausen, die er zum Gegenstande seiner früheren Meeresidyllen gemacht, die volle Bewegung gegenüber. Die Beobachtung, wie in dem rastlosen Wogengange der See immer die eine Welle, sich niederstürzend, nach der anderen zu haschen scheint, regte den Künstler an,

jede der Wellen als ein beseeltes Wesen wiederum im Sinne der klassischen Sage

zu denken. Dieser poetischen Fiktion verdanken wir ein troß mancher Oberflächlichkeit in Zeichnung und Behandlung der nackten Körper prächtiges Bild, über das erst jüngsthin so viel gesprochen und geschrieben worden ist, daß auf seine eingehendere Schilderung hier füglich verzichtet werden kann. Außerdem entstanden in Florenz bisher zahlreiche Landschaften, zum Teil durch bedeutungsvolle Staffage belebt, Charakterköpfe und Figurenbilder, in denen bisweilen unmittelbare Einflüsse der altflorentinischen Malerei zum Ausdrucke gelangten, und Ähnliches mehr. Besonders erwähnt seien die „Gefilde der Seligen", im Jahre 1878 für die Berliner Nationalgalerie geschaffen. Entgegen der altherkömmlichen Ansicht, die eine Schönheit im Sinne des Malerischen nur der geschwungenen Linie zuerkannt wissen will, hat Böcklin hier gerade für die Charakteristik elysäischer Gefilde die Durchführung senkrecht aufstrebender Linien ge= wählt. Man würde zu sehr falschen Schlüssen gelangen, wollte man annehmen, der Künstler habe das infolge einer vernünftelnden Berechnung gethan. Böcklin ist, bei all seiner klassischen Bildung, durch und durch eine Malernatur. Der Hauptsitz seines gestaltungskräftigen Empfindens liegt im Auge. Mit offenem Sinn für jedweden Anschauungseindruck fühlte er sich gelegentlich gefesselt durch die Ausblicke, die sich zwischen den kerzengerade emporgewachsenen Stämmen einer Reihe ziemlich gleichmäßig verteilter Pappeln oder Cypressen erschließen. Das erweckte den Eindruck einer gewissen Feierlichkeit, der eine Stimmung gehobenen Behagens sich beigesellte, wenn unterhalb der dunklen Baumwipfel der Blick in eine heiter schimmernde jenseitige Landschaft sich aufthat. Der Anknüpfungspunkt war gegeben; von ihm aus bildete Böcklins Phantasie weiter, und es entstand. jene Darstellung eines Ausblicks in elysäi= sche Gefilde, bei der die senkrechten Linien ein charaktergebendes Merkmal bilden.

Den Stämmen der Pappeln, die im Mit telgrund an den schattigen jenseitigen Ufern des tiefblauen Gewässers emporragen, und dem vom Felsenplateau zur Rechten jäh herabfallenden Wasserstrahl entspricht die ferzengerade emporgerichtete Halshaltung der im Vordergrund schwim menden Schwäne, zugleich ein beredter Ausdruck für das neugierige Aufspähen der weißgefiederten Schwimmer zu der lichtvollen Hauptperson, jener jugendlichen Frauengestalt, die auf dem Rücken des rosenbekränzten Kentauren den sonnigen Gefilden da drüben zustrebt, auf denen man die Scharen der Seligen den Reigen um den Altar schlingen sieht. Beurteiler, denen nur die nebelhafter verschleiernde Atmosphäre unserer nördlichen Gegenden vor Augen schwebt, wollten bei diesem und ähnlichen Werken dem Künstler eine man gelhafte Lichtperspektive vorwerfen, nicht erwägend, daß für ihn die Eindrücke Italiens maßgebend sind, dessen klar durch sichtige Luft den vollen Lokalton weithin ungebrochen wirken läßt und eben deshalb seinem nach blühender Farbenkraft verlangenden Sinn so sympathisch ist. Schon aus diesem Grunde fühlt Böcklin sein Künstlertemperament innig mit seinem gegenwärtigen Wohnort verwachsen. Dort in der nur einseitig bebauten Via Lungo il Mugnone vor der Porta San Gallo

hat er sein Atelier aufgeschlagen, dessen mächtiges nach Norden gehendes Fenster einen weiten Ausblick über die grünen Gefilde und die den Horizont begrenzenden Hügelketten gestattet. Von dorther sandte er uns nunmehr auch vor wenigen Monaten seine herrliche Toteninsel", unter den neueren Schöpfungen seiner Palette diejenige, die sich der ungeteiltesten Bewunderung wohl in allen Lagern der Kunstfreunde erfreut. Ganz in der großartig beherrschten Landschaftsdarstellung aufgehend, bietet diese malerische Verkörperung eines stillen Eilands mit seinem felsenumschlossenen Park voll dunklen Cypressenschattens und lautlosen Gräberfriedens ein Stimmungsbild, dessen geheimnisvoller Zauber das Gemüt des Beschauers mit unwiderstehlicher Macht gefangen nimmt. In solcher Weise rastlosem Schaffen hingegeben und nur mit einem kleinen gewählten Freundeskreise verkehrend, lebt Böcklin in Florenz ganz seiner Kunst, in seinem Schüler Hans Sandreuter, der zugleich sein Baseler Landsmann ist, sich einen zunächst bedingungslosen Nacheiserer heranbildend. In Erwartung der ferneren Werke, die er uns von dorther zusenden wird, scheiden wir für heute von einem Künstler, über den das lezte Wort noch lange nicht ge= sprochen ist.

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Suakin. Jeit der Eröffnung des Kanals von Suez hat das Rote Meer, dieser große Meerbusen von ca. 500 000 qkm Flächen gehalt, eine Bedeutung erlangt, wie man sie vor einem Menschenalter nicht ahnen fonnte. Abgesehen von der großen Heerstraße zwischen Europa und Amerika, ist der Weg durch das Rote Meer augenblick lich der meistbegangene und wird es noch während langer Zeit bleiben. 2200 km lang ist diese Straße. Und wenn wir vergleichsweise hinzufügen, daß das Adriatische Meer nur ca. 900 km lang ist und eine Fläche bedeckt von ungefähr 130000 km, so wird dadurch die Größe des Meerbusens noch mehr hervorgehoben. Eine der ältesten Fahrstraßen der Welt, wurde das Meer seit undenklichen Zeiten das rote genannt. Ein Volk übernahm diesen Namen von dem anderen, und auch die Araber und arabischen Geographen nennen das Meer Bahr-el-ahmer, das heißt das rote.* Weshalb, das weiß eigentlich bis auf den heutigen Tag mit Bestimmtheit niemand. Die Farbe des Wassers hat auf alle Fälle den Namen nicht verursacht; ob die Farbe der um wohnenden Völker, wie einige wollen, oder ob die Farbe der Berge, der Korallen, der Tange der Grund dieser Benennung

Jezt heißt es bei den arabischen Schiffern auch oft Bahr-kolzum.

Wassana.

gewesen ist, bleibt überdies ziemlich gleichgültig. Jeder kann es damit halten, wie er will, die Gründe für, die Gründe gegen diese oder jene Annahme sind ziemlich gleichwiegend. Der Name besteht seit Tausenden von Jahren. Hinzugefügt soll noch werden, daß das Rote Meer an seiner größten Breite ca. 350 km breit ist, also die Breite in gerader Luftlinie der Entfernung von Berlin nach Osnabrück gleich fommt. Das Rote Meer hat stellenweise eine Tiefe von 2000 m und läuft nach Norden zu in zwei kleineren Busen aus: in den westlichen bekannten und stark besuchten Suez-Golf, bei den Alten Sinus heroopolites, und den östlichen bis jezt selten befahrenen Akaba-Busen oder Sinus ælaniticus genannt. Die Achse des Roten Meeres liegt fast genau in der des Adriatischen Meeres; beide ziehen von Nordwest nach Südost. Abgeschlossen durch eine nicht einmal 40 km breite Meerenge, bildet also eigentlich das Rote Meer ein geschlossenes Seebecken. Diese Abgeschlossenheit wird noch dadurch erhöht, daß das Erythräische Meer gar keine nennenswerten Zuflüsse erhält. Denn wenn der von den Gehängen kommende Barka, der sich dicht bei Suakin ins Rote Meer ergießt, auch ebenso lang wie die Weser ist und ein größeres Stromgebiet beherrscht, so wälzt er seine Gewässer doch nur periodisch zum Meere. Manch= mal allerdings in erstaunlichen Quanti

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