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Litterarische Mitteilungen.

ilhelm Vatke in seinem Leben und vollen Biographen in seinen Einzelheiten zu seinen Schriften. Dargestellt von untersuchen und zu erfassen sich bestrebt! Heinrich Benecke. Mit W. Welch unentwegte Ausdauer und welch nimVatkes Bildnis. (Bonn, Verlag mermüder Fleiß, bis zu den tiefsten Gründen von Emil Strauß.) Das obige der Erkenntnis vorzudringen! welch gefesteter Werf, obgleich es einen der größten Theologen Mut, vor den Resultaten der Forschung, auch unseres Jahrhunderts zum Helden hat, ist keines vor solchen, die der Forscher nicht gewollt, wegs bloß für Theologen geschrieben. Es wer vielleicht nicht einmal geahnt, nicht zurückzuden es mit dem größten Interesse und mit ent- schrecken! welch sicheres Wohnen in der Burg schiedenstem Nußen alle lesen, welchen daran liegt, derer, denen es nie um die Person, immer in die Geschichte des höheren Geisteslebens in nur um die Sache zu thun ist! welch stiller, Deutschland innerhalb der leßten zwei Menschen- | besonnener Kampf gegen die finsteren Mächte, alter tiefer einzudringen. Von solchen ist ja auch | die das Licht der freien Forschung verhüllen, vorauszusehen, daß sie diejenigen philosophi- | am liebsten auslöschen möchten! welche Kraft schen Vorkenntnisse mitbringen, ohne welche der Resignation, geduldig mit anzusehen, wie freilich die Lektüre des Werkes an einigen Stellen mißlich oder gar fruchtlos sein würde. Und selbst dem gelehrten Leser möchte es hier und da ergehen wie dem braven Hallenser Gesenius, der offen genug war, einzugestehen, daß er „Vatkes Einleitung in die biblische Theologie überhaupt nicht verstanden habe“. Indessen dabei handelt es sich, wie gesagt, nur um einige wenige Partien, die der Leser ja nach Belieben überschlagen mag; im übrigen aber, das heißt in seinem weitaus größten Teile, bietet das Werk eine solche Fülle von Anregung und Belehrung auf den verschiedenen geistigen Gebieten, daß man die kleine Unbequemlichkeit, respektive Beschämung gern in den Kauf nehmen mag.

selbst die Jünger allmählich sich zu den neuen Propheten wenden und den alten Meister allein lassen allein mit seinem unverwüstbaren Glauben an die Perfektibilität des Menschengeschlechts und den endlichen Sieg des Lichtes!

Von diesem Standpunkte gesehen und wir wenigstens wüßten nicht, auf welchen anderen man sich zu Recht stellen könnte — ist denn freilich das Werk in so manchen seiner Kapitel oft eine recht schmerzliche, entmutigende Lektüre. Man wird da wieder und wieder nicht bloß auf den Antagonismus des einzelnen Dunkelgeistes gegen den ehrlichen Forscher hingewiesen den begreift man ohne weiteres; aber was unbegreiflich scheint und einem Es ist unmöglich, ein anspruchsloseres Ge- | doch zur leidigen Evidenz wird, das ist der lehrtenleben zu führen, als es der Held dieser | nahe Kontakt der politischen und socialen Strö Biographie geführt hat. Man könnte versucht mungen mit dem Quellengebiet der reinen sein, den Umriß desselben in dem Rahmen Geisteswissenschaften und die Abhängigkeit dieweniger Zeilen zu geben: er ward geboren, ser von jenen, zum wenigsten in ihrer äußestudierte sich mit nimmermüdem Eifer durch ren Ausbreitung und Wertschäßung auf dem unzählige gelehrte Bücher, schrieb selbst ein Markte des Lebens. Auch in diesen Gebieten paar höchst gelehrte, docierte fast ein halbes sprechen Zahlen, und ach! welche beschämende Jahrhundert hindurch Theologie und Philo Sprache in folgendem Resumé der Lehrthätigsophie, legte sich hin und starb. — Und welch feit Vatkes, wie es der Verfasser zum Schluß ein reiches Bild nun dieses scheinbar bis zur seines Buches giebt: „Die höchste Besuchsziffer Einförmigkeit einfache Leben, wenn man es erreichte der gefeierte Dozent mit hundertneununter der Anleitung des fleißigen und pietät- unddreißig Anmeldungen für biblische Theologie

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ein höchst methodischer, höchst besonnener, ja nüchterner Gelehrter am Spätabend seines Lebens so denken konnte, es denen zu denken geben sollte, welche stets geneigt sind, den Drang des Geistes nach den lezten Konjequenzen als Radikalismus zu brandmarken, den die jugendliche Unreise des oder der Betreffenden allenfalls, wenn nicht entschuldigt, so doch erklärt.

des Alten Testamentes im Sommersemester | Straußsche Werk keineswegs zu unterschreiben 1833, und im Sommer des nächstfolgenden und kann doch der Meinung sein, daß, wenn Jahres hatte er hundertvierunddreißig Zuhörer für die biblische Theologie des Neuen Testamentes. Die Zahl hundert wurde erreicht bei den Vorlesungen über die Lehre von der Dreieinigkeit im Winter 1841 bis 1842... Große Auditorien mußte Vatke noch bis zum Ausgang der vierziger Jahre wählen, denn es waren für die Privatkollegia durchschnittlich fünfzig, für die Publika noch mehr Zuhörer unterzubringen. Ganz plöglich änderte sich das Verhältnis: 1852 wurde Hengstenberg Examinator, und Vatke erklärte den Hiob vor fünf Studierenden. Kollegia über Jesaia, die Psalmen und die Genesis kamen von da ab bisweilen gar nicht mehr zu stande. Und doch machte sich sofort bei Beginn der neuen Ära, von 1860 bis 1862, eine interessante Veränderung in dem Besuch der Vatkeschen Vorlesungen bemerkbar: er las, während ihm die Reaktionsperiode nur noch durchschnittlich zwölf Zuhörer zuführte, plößlich wieder in Auditorien mit vierzig Pläzen. Darauf trat sofort nach der neuen Ara abermals ein Niedergang ein

Es scheint freilich, daß man schon ein Menschenalter zuvor vorausgeahnt hat, zu welchen unlicbsamen Konsequenzen das Denken Vatkes dereinst gelangen könne. Wenigstens spricht dafür der Ausgang einer höchst merkwürdigen Angelegenheit aus dem Jahre 1843 (der obige Brief Vatkes ist vom 24. Januar 1873), die als warnendes Exempel nach der ausführlichen Darstellung des Buches in der Kürze mitzuteilen sich verlohnen dürfte.

Es hatte sich aber in dem genannten Jahre in Berlin eine „Philosophische Gesellschaft“ konstituiert zu dem Zweck, auf der allen Mitgliedern mehr oder weniger gemeinschaftlichen Basis der Hegelschen Philosophie, für die nähere Verständigung unter sich und die all

Interessante Veränderungen fürwahr, so interessant wie die Thatsache, daß einer der gelehrtesten Theologen seiner Zeit und vielseitige Fortbildung der Philosophie zu wirken. leicht aller Zeiten es nie bis zum ordentlichen Professor und erst in den lezten Jahren seiner Thätigkeit zu einem Gehalt von achthundert Thalern brachte.

Freilich, wie mochte man auch jemand die höchste akademische Würde nicht vorenthalten, der sein Urteil über seines Freundes David Strauß' Buch „Alter und neuer Glaube“ dahin abgeben konnte: „Du weißt, daß ich in einzelnen Fragen meinen besonderen Weg gehe. Die erste Frage: Sind wir noch Christen? ver- | neine ich mit dir, wenn man urchristliches oder orthodoxes Christentum meint; bejahe sie aber, wenn man das christliche Princip in dem Strom der geistigen Entwickelung versteht. Dasselbe ist freilich befreit von der früheren Schranke, aber der Weltgeist konnte es ohne | solche nicht einführen. Du lächelst vielleicht? Die zweite Frage: Haben wir noch Reli gion? beantworte ich ganz wie du, stelle mich aber auf die Seite der Philosophie, welche ein Absolutes als wirkjames, einheitliches und gei- | stiges Princip annimmt und dadurch den Mangel der religiösen Vorstellung ersetzt. Ich bete allerdings nicht zu einer Person, aber ich | versenke mich in den Gedanken und das Gefühl eines intensiv Unendlichen, was inhaltsreicher ist als das religiöse Gebet... Laß dich ja nicht trübe stimmen durch die Angriffe; wenn es aber deine Überzeugung erlaubt, ziehe den idealen Faktor des Weltprozesses in späterer Auflage mehr in den Vordergrund."

Man braucht dieses Urteil Vatkes über das

In der Liste der konstituierenden Mitglieder finden sich außer selbstverständlich den akademischen Hegelianern von der strikten und der lagen Observanz, wie Hotho, Michelet, den Benarys, Vatke natürlich selbst und andere, auch angesehenste Männer aus den verschiedensten Berufssphären, wie Präsident Lette, General v. Pfuel, Oberpräsident v. Puttkamer, Oberpräsident v. Viebahn und andere. Von auswärtigen Mitgliedern nennen wir: Rosenkranz, Kuno Fischer, David Strauß, Vischer, Zeller alles in allem die Elite der philosophischen und philosophiefreundlichen Welt. Die Gesellschaft beschloß, ohne Statut zu bleiben, um auf diese Weise der, anderenfalls nötigen Anzeige an die Behörde und deren Bestätigung nicht zu bedürfen. Diese Anzeige konnte freilich nicht unterlassen und diese Bestätigung mußte bes wirkt werden, als sich noch im September desselben Jahres Vatke, Hotho, Ferdinand und Agathon Benary zur Herausgabe eines wöchentlich erscheinenden Journals: „Kritische Blätter für Leben und Wissenschaft“, vereinigten. Zweck der Zeitschrift: „Vorführung der bedeutenderen Erscheinungen der Wissenschaft, insbesondere auf dem Gebiete der Philosophie und Theologie, der Kunst und des Staates, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Richtung, einzig und allein von dem Standpunkte der Wissenschaft und in der ihr angemessenen würdigen Haltung." Die vier Unternehmer erbaten für Agathon Benary, der mit der besonderen Redaktion beauftragt war, bei dem Oberpräsiden

ten der Provinz Brandenburg v. Meding die Konzession und wurden abschlägig beschieden. Es hätten sich, schrieb der Oberpräsident zurück

notabene nach vier Monaten!

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wenigstens die akademische Lehrfreiheit von diesem Schwall reaktionärer Wogen ungefährdet geblieben! Aber stand nicht zu befürchten, daß der Saz: Was jene Philosophie auf Universitäten lehren darf, soll sie nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften verbreiten," sich unter den Händen jener staatsweisen Prestidigitateurs zu dem Saze umwenden könnte: „Was diese Philosophie nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften verbreiten darf, soll sie auch auf Universitäten nicht lehren?“

aus den amtlichen Verhältnissen der Herren gegen das von ihnen beabsichtigte publicistische Unternehmen in Betracht der im Prospekt an gezeigten Tendenz Bedenken ergeben u. s. w. Dem ablehnenden Bescheide des Oberpräsidenten toar bereits eine Audienz bei dem Minister der geistlichen Angelegenheiten Eichhorn vorhergegangen, in welcher Se. Excellenz Nach der Ansicht der verbündeten Männer den Herausgebern erklärt hatte: Wären sie stand dies gar sehr zu befürchten. Sie wandbloß Litteraten, so wäre nichts einzuwenden; ten sich also zuvörderst an den Senat mit der allein als Docenten und Professoren der könig- Bitte, zu entscheiden, ob ihre Angelegenheit lichen Universität müßte ihnen die Erlaubnis des berührten Princips wegen wichtig genug zur Herausgabe aus der höheren Rücksicht zu erachten sei, um dieselbe Sr. Königlichen verweigert werden, daß sie, ohne praktisch Majestät zur Entscheidung vorzulegen?" Der lebendige Kenntnis von Kirche und Staat, ihr Senat (Rektor Lachmann) bedauerte, „auf die Blatt auch in Bezug auf diese Gebiete vom Sache nicht eingehen zu können, da mit AusStandpunkte einer Philosophie redigieren wür-nahme der vieldeutigen Medingschen Erkläden, die nach dem Urteile sowohl des Mini-rung zur Erörterung der Frage Faktisches in sters als auch aller höheren preußischen Staats- | amtlicher Form nicht vorliege". (25. März männer mit der Kirche und dem Staate, wie sie sein könnten und dürften, unverträglich wäre. Je mehr nun er (der Minister) von ihnen, als Ehrenmännern, den festen Glauben habe, daß sie ihre Ansichten mit Offenheit und Energie verbreiten würden, und ihnen den guten Willen und Vorsay sowie die Geschick- | lichkeit zutraue, niemals mit der königlichen vollends in dieser Vereinigung von Männern, Censur in Konflikt zu geraten, um so weniger wäre ihr Unternehmen zu billigen. Wie loyal und ehrenwert immerhin ihr Streben sei, so würden es die vier Herausgeber dennoch kaum verhindern können, daß ihr Blatt nicht verderblichen Richtungen zur Fahne würde. Aus diesen Gründen u. s. w.

1844.)

Einen Monat später wurde den Petenten eine mündliche Erklärung durch den Geheimenrat Ladenberg, als Kommissar des Ministers: Es müsse bei dem Bisherigen sein Bewenden haben. Der Minister sehe sich außer stande, ihnen zur Konzessionierung einer Zeitschrift,

die von der philosophischen Richtung aus, welche notorisch mit dem Wesen des Staates und der bestehenden Kirche in allgemeinen Konflikt geraten, auf die Gestaltung des Lebens in Kirche und Staat und zwar in Weise populärer Darstellung einwirken wollten, die Hand zu bieten.

Wie schlecht diese Erklärung auch stilisiert war, an Deutlichkeit ließ sie sicher nichts zu wünschen übrig. Man hatte die Maske vollends abgeworfen und in unzweideutigster Weise diejenige philosophische und theologische Richtung bezeichnet, welche man durch administrative Maßregeln zu bekämpfen fest entschlojsen war fest und entschlossen, selbstverständlich, bis auf weiteres.

Man wird begreiflich finden, daß die vier Männer dieser seltsamen, mit so verwunder lichen Argumenten ausgestatteten Lehre vom beschränkten Professorenverstand ihren Beifall verjagen mußten. Und offenbar handelte es sich hier nicht mehr um eine private Angelegenheit, sondern um eine vom höchsten allgemeinsten Interesse, in der That um die Frage: Soll die Wissenschaft frei sein? soll sie gezwungen sein, sich die Bevormundung der Die Petenten, als ob sie beweisen wollten, von ganz anderen Rücksichten, vielleicht nur daß sie mit Haut und Haaren dem Böjen vervon launenhafter Willkür geleiteten Staats- fallen, beruhigen sich noch immer nicht. Sie organe gefallen zu lassen? Oder wäre der gehen abermals den Senat an, sich auf Grund Verdacht einer solchen Willkür ausgeschlossen dieser amtlichen Kundgebung zur Sache äußern gewesen? War es nicht mehr derselbe Staat, zu wollen. Abermalige Weigerung des Senats der heute eine Philosophie in Bann und Acht' (Rektor Lachmann) mit obligaten Erklärungen that, welche er seiner Zeit durch die Berufung | der theologischen und philosophischen Fakuldes Stifters eben dieser Philosophie sowie täten durch ihre zeitweiligen Dekane Hengstendurch Anstellung vieler Schüler und Anhänger berg resp. Dieterici. desselben, nicht nur als Lehrer, sondern ebensosehr als Verwaltungsbeamte, Richter und Diener der Kirche, bereits seit fünfundzwanzig Jahren anerkannt hatte? Und wäre doch

Nun aber ist die ganze philosophische Fakultät offiziell in Mitleidenschaft gezogen. Sie erläßt (27. Juni 1844) an den Minister ein Schreiben, in welchem sie der Wissenschaft das

Recht der freien Forschung und der Entschei- | mit guten Genossen im gemeinschaftlichen Stre

Excellenz läßt sich natürlich auf nichts ein. Er stellt in Abrede, den Anhängern der Hegel schen Philosophie ein Hindernis litterarischer Thätigkeit in den Weg gelegt zu haben oder künftig in den Weg legen zu wollen, und begleitet diese, nur von einem Grafen Örindur zu lösende rätselhafte Erklärung mit einem Ausfall gegen die Personen der Herausgeber, der in dem Ausspruche gipfelt, daß, wenn die Behörde solchen Unternehmungen entgegen trete, sie nichts thue, als ein Urteil vollziehen, welches der Stifter jener Philosophie selbst mit großer Entschiedenheit gegen ein so thörichtes und anmaßliches Übergreifen ausgesprochen hat."

dung, wie weit sich die Forschung auf das ben nach der Wahrheit und oft genug auch in aktuelle Leben einzulassen habe, auf das ener- dem Unglück, von den Mächtigen dieser Erde gischste vindiziert und Excellenz bittet, sich mit verworfen und von der Menge, die mit dem ihr auf diesen allein möglichen Standpunkt zu | Glücke geht, scheu gemieden zu werden, zieht stellen und von demselben aus die zu Kon- sich durch Vatkes immer mehr vereinsamendes zessionen mitwirkenden Behörden zu instruieren, Leben wie ein frischer Quell durch sonst freudin dem gegebenen Falle zu rektifizieren. loses Terrain. Denn die alten Gönner: der „großsinnige“ Altenstein, dem er seine Berufung verdankte, der wackere Geheimrat Johannes Schulze, der ihm stets ein aufrichtiger Gönner blieb, die ehrwürdigen Kollegen Neander, Marheineke, die dem jüngeren Manne stets Förderer waren, auch wo sie die Resultate seiner Forschungen nicht gelten lassen konnten — sie waren längst vom Schauplaße abgetreten; immer einsamer wurde es um den alternden Gelehrten, der, als er zuleßt auch nicht einmal mehr drei Schüler zusammenbringen konnte, das Lesen aufgeben mußte. Er hätte bei aller seiner Anspruchslosigkeit doch einen schweren Stand gehabt gegen die Grauengestalten der Verbitterung über eine so syste= matische Zurückseßung und des Grams, sich so verkannt zu sehen, so verlassen zu wissen, wären ihm eben nicht die Freunde geblieben: Männer wie Rosenkranz, Zeller und besonders David Strauß, der ihm von allen wohl am nächsten stand und zu dessen kühnerem und wirkungsvollerem Genie er stets mit neidloser Anerkennung, ja Bewunderung hinauffah. So gehören denn auch die zwischen den beiden Freunden gewechselten Briefe, von denen, vorzüglich aus den lezten Jahren, eine größere Zahl mitgeteilt ist, zu den interessantesten Partien des Buches.

In richtiger Erwägung des Gesezes vom Choc und Gegenchoc wird sich Excellenz dann hoffentlich nicht eben gewundert haben, wenn dieses so unverbindliche Schreiben mit einem von seiten der Petenten erwidert wurde, in dessen Eingang es heißt: „Soll dieje leßtere Bezeichnung auf uns zielen, so müssen wir dieselben in tiefster Ehrerbietung unbedingt ablehnen,“ und in welchem sie weiter nach Heraufbeschwörung des Schattens von Altenstein, ,,des großsinnigen, edlen Mannes", dem sie sämtlich ihre Stellung verdanken, die Unantastbarkeit ihrer Rechte aus den Schriften des Meisters selbst deduzieren.

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Wir schließen diese Zeilen, welche vielleicht So hatte denn Vatke außer der Genugthuung, so schon über den Rahmen einer Anzeige hinin der verlorenen Sache das lezte Wort be- ausgehen. Aber wir haben genzeint, mit halten zu haben, nur noch den leidigen Ver- einiger Ausführlichkeit auf ein Werk Hinzeigen gilschen Trost: soccos habuisse. Denn daß zu müssen, dessen Held den meisten unserer die Sache von Anfang bis zu Ende für den Leser vielleicht selbst dem Namen nach uitbeMinister Batke und Genossen“ hieß, daß man kannt ist und der doch zu jenen stillen emsigen nur Vatke meinte, während man auf die Pionieren gehört, die ihrem strebenden Volke Petenten in Gemeinschaft schlug fann fei vorausziehen und denen es, ohne es zu wissen, nen Augenblick zweifelhaft sein. den nicht geringsten Teil seiner moralischen Und dieser Trost der innigsten Verbrüderung | Eroberungen verdankt. Fr. Sp.

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Für die Redaktion verantwortlich: Friedrich Westermann in Braunschweig.
Druck und Verlag von George Westermann in Braunschweig.
Nachdruck wird strafgerichtlich verfolgt. Übersetzungsrechte bleiben vorbehalten.

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n Dresden, mitten in der Alt- | ein solides Ansehen. Und das alte Gestadt, in dumpfer, enger wölbe schien in gutem Rufe zu stehen, Gasse hing an einem altmodi- denn den Nachbarsleuten, die auf das hin und Her vor den Fenstern achteten, waren es wohlbekannte Laute, wenn das helle Ladenglöckchen klang und wieder klang, und immer gab es für die müßigen Seelen etwas zu beobachten, wenn sie auf das Spezereigewölbe ihr Augenmerk richteten. Von früh bis zum Abend ging Mägdevolk ein und aus und Hausfrauen mit wichtiger Miene, denn es galt, durch guten Einkauf einen neuen Stein einzufügen zum Aufbau häuslicher Gedeihlichkeit und Behäbigkeit. Behäbigkeit! - wie behagt sie doch dem wunderlichen Ding, das sein abgesondertes Leben in uns führt, dem allerliebsten Tier im Menschen, das neben der mit ihm eingespannten Seele, unbekümmert darum, ob diese bedrückt mit ihm. einherläuft, es sich wohl sein läßt bei gutem Futter und in angenehmer Wärme. Dem allerliebsten Tier im Menschen, das sich breit machen darf neben Hoffnungslosigkeit und sich bequem bewegt neben

schen Haus, das längst nicht mehr steht, über einem Warengewölbe ein unscheinbares blaues, verblichenes Laden schild, darauf stand in schnörkelhafter Schrift: Spezereiwaren - Handlung von Balduin Häberlein." Das Lädchen hatte ein gedrücktes Bogenfenster, in dem die Herrlichkeiten, die feilgeboten wurden, aus lagen, und vor dem Fenster war ein Brett angebracht, um mancherlei Lockspeise den Leuten vor die Nase zu sehen. Da prangte, je nach den Jahreszeiten, ein Körbchen zarten Gartensalates, ein appetitlich aufgeschnittener Käse, der unter seiner blanken Glasglocke einen gar erfreulichen Anblick bot; da lag ein starrer, feister Fisch, so recht der Länge nach; da stand ein hübsch Gerichtlein zarter Rüben, und gab es etwa nichts anderes des Frostes wegen, so hockten nebeneinander auf dem Brette weiße Leinwandsäcke voll Backobst, auserlesener Wachsbohnen und Erbsen. Es hatte alles Monatshefte, LVI. 335. August 1884. - Fünfte Folge, Bd. VI. 35.

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