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Eben den meine ich, und was er mir anvertraute und auch anderen vertrauteren Freunden nicht vorenthielt, bis ihm der Mund geschlossen wurde, ist das Folgende:

„Vor mehreren Jahren wurde im herzoglichen Schlosse zu Gotha eine fremde, im Ort unbekannte Frau, welche sich Frau

nun doch auch in Rom der Winter geltend, „Unter den Kriminalisten berühmt durch durch Strichregen, Winde und Stürme. eine treffliche Sammlung von StrafrechtsDie Windströmungen bringen eigentüm fällen ...“ liche Effekte in der südlichen Natur hervor. Es ist mir immer, als ob erst dann, wenn der Wind die hohen Cypressen beugt oder den Pinien durch die Wipfelkronen fährt und dunkle Wolken dahinjagt über die feingeschwungenen Berg linien, als ob erst dann die italienische Landschaft mit ihren tiefgedämpften Far-... heim nannte, als Oberbettmeisterin ben ihren klassischen" Charakter in seiner ganzen Stimmungsmacht zeige. Dem sei aber, wie ihm wolle: das schlechte Wetter hält in Italien wie hier daheim die Men schen zu Hause und fesselt sie an den unbeschreiblich dürftig wärmenden Kamin. Es zieht auch ihre Gedanken unwillkürlich in die Heimat zurück, wo die biederen, zuverlässigen Freunde im weißen Kachelgewande stehen, wo die Thüren schließen und die Fenster in treuem Pflichtbewußtsein sich nicht leichtsinnig über das die cur hic hinwegsehen, um sich von den heiter spielenden Zuglüften keine aristokratische Exklusivität vorwerfen zu lassen. | Und wie denn bei solchen rückwärts der Heimat zugewendeten Gedanken auf gar mancherlei die Rede kommt, so wollte es eines Abends der Zufall, daß an unserem flackernden Kaminfeuer das Gespräch das damals noch lebhafter debattierte Kaspar Hauser-Rätsel streifte und Freund Fritsche das große Wort gelassen aussprach, er kenne das Geheimnis, ihm sei das Rätsel enthüllt worden.

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angestellt. Nachdem sie eine längere Zeit dort gewohnt hatte, machte sie die Bekanntschaft der Gattin des daselbst lebenden Polizeirats Eberhard und wurde nach und nach mit dieser Dame eng genug befreundet, um ihr vertraute Aufschlüsse über ihre früheren Schicksale zu geben. Sie sei, erzählte sie, in einem Fräuleinstift in Würzburg erzogen, in welchem vielfach Geistliche am Unterricht sich beteiligt und verkehrt, unter anderen ein junger Domherr von X., aus einer in Franken angesessenen, sehr angesehenen und alten Familie. Diesem Domherrn hatte die junge ... heim gefallen, er näherte sich ihr, sie erwiderte seine Neigung, und so entstand ein vertrauteres Verhältnis, welches mit dem Falle des jungen Mädchens endigte und Folgen nach sich zog, die ihre zeitweilige Entfernung aus dem Institut notwendig machten. Sie wurde in der Stille auf ein entlegenes Landgut des Domherrn gebracht und hier von einem Knaben entbunden. Genesen, kehrte sie in das Stift heim, das Kind aber mußte sie zurücklassen. Nachrichten über dasselbe erhielt sie von ihrem Verführer, der für dasselbe zu sorgen versprochen hatte. Nach geraumer Zeit wurde in einer Hauptstadt einer bayerischen Diöcese der bischöfliche Stuhl erledigt, und die Wahl des neuen Oberhirten fiel auf niemand anders als auf den ebengenannten Domherrn. Für die ... heim hatte man unterdes fern von Würzburg eine Unterkunft, eine dauernde Stellung gesucht. Von Zeit zu Zeit brachten ihr Briefe des Bischofs von X. Nachrichten über das Wohlergehen ihres Kindes; in diesen Briefen war häufig das

ausdrückliche Versprechen enthalten, daß | schwieg einige Tage, dann antwortete er,

der Knabe Erbe des Bischofs werden solle. „Nach kurzer Verwaltung seines Hirten amtes starb der Bischof auffallend rasch, unter verdächtigen Umständen, über welche jedoch nie etwas klar geworden ist. Mit diesem Tode hörte nun für die ... heim alle und jede Nachricht über ihr Kind auf. Erkundigungen, die sie angestellt hatte, soviel es in der Macht einer unvermögen den, an tägliche Arbeit gefesselten Frau gelegen, welche obendrein das Geheimnis bewahren mußte, waren fruchtlos geblieben. So hatte sie endlich, in dem langjährigen Schmerze ihres Mutterherzens, ihr Leid der neugewonnenen Freundin in Gotha geklagt.

daß er, da eine Möglichkeit der von Eberhard angedeuteten Identität allerdings vorhanden zu sein scheine, seiner Bitte nachgeben und nach Gotha kommen wolle. Er werde mit Hauser an bestimmtem Tag und Stunde im Grenzort Lichtenfels eintreffen; dort möge ein von Eberhard ins Vertrauen gezogener zuverlässiger Mann ihrer warten, um sie nach Gotha zu führen. Sie würden unter angenommenem Namen reisen, der wahre müsse streng verschwiegen bleiben.

Rat.

,Wer war das ? fragte der ,Ein Herr von X., der in Würzburg mit mir studierte und später Bischof wurde.'

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"In der That erschien Hauser mit seinem Mentor am festgesezten Tage in Lichtenfels. Der Bruder des Polizeirats, Rat Eberhard aus Coburg, empfing die Rei„Damals beschäftigte alle Menschen, be- senden hier, führte sie nach Coburg und sonders alle Polizeimänner in Deutschland, bewirtete sie dort in seinem Hause. Er die Frage: wer Kaspar Hauser sei? hatte am Abend ein paar Bekannte zu Auch bei Eberhard war dies fast zu einer sich geladen, um den Fremden Unterhalquälenden fixen Idee geworden, und als tung zu gewähren. Unter ihnen war der ihm seine Frau die Geschichte der ... heim katholische Pfarrer des Ortes, der zuleht mitteilte, stieg natürlich alsogleich der Ge- erschien. Den Fremden vorgestellt, fixierte danke in ihm auf, in ihr könne die Mut er den jungen Mann und sagte dann: ter des rätselhaften jungen Mannes ge-,Sie haben eine merkwürdige Ähnlichkeit funden sein. Er bat seine Gattin, mehrere mit einem verstorbenen Bekannten von bestimmte Punkte von der ... heim zu mir.' erfragen. Die Antworten bestärkten aufs wunderbarste seine Konjektur. Die Sache ließ ihn nun nicht länger rasten. Er schrieb einen Brief an den Rittmeister, unter dessen Obhut Hauser damals in Ansbach lebte, und indem er ihm so viel von seinen Vermutungen mitteilte, als er hinlänglich glaubte, um seine Bitte zu motivieren, ersuchte er den Rittmeister, mit seinem Schußbefohlenen einen Ausflug nach Gotha zu machen, so daß eine Konfrontation von Hauser und der ... heim stattfinde. Zu seiner Verwunderung weigerte sich der Rittmeister, auf die Bitte des Polizeirats einzugehen. Hauser, schüßte er vor, sei als ein Sohn Bayerns adoptiert und dürfe die bayerische Grenze nicht überschreiten. Eberhard schrieb nun zum zweitenmal, gab alle Daten, welche er vorher noch zurückgehalten, zur Unter stüßung seines Gesuches an und ließ dem Rittmeister keine Ausflucht mehr. Dieser Monatshefte, LVI. 331. - April 1884. - Fünste Folge, Bd. VI. 31.

Das Gespräch wandte sich auf andere Gegenstände, der Rat Eberhard aber benußte eine Gelegenheit, um sich zu entfernen, die frappante Äußerung des Pfarrers aufzuschreiben und sie durch Estafette noch in der Nacht seinem Bruder nach Gotha mitzuteilen.

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Am anderen Tage sezten Hauser und sein Begleiter die Reise nach Gotha fort, wo sie am Abend anlangten. Eberhard war ihnen entgegengeeilt und empfing sie in Schwabhausen. Am folgenden Tage besuchte er mit ihnen das Theater in Gotha, wo der Herzog sie in seine Loge rufen ließ und sich mit ihnen unterhielt. Für den zweiten Abend bat Eberhard sie zu einer kleinen Gesellschaft zu sich. Zu dieser ward auch die Frau ... heim ge= beten. Die lettere ahnte natürlich so

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wenig als Hauser, welche Absicht mit | Zimmer des Rittmeisters geführt zu werden; allein zu seiner größten Überraschung sagte man ihm, der Rittmeister habe am vorigen Abend noch Postpferde bestellt, und die beiden fremden Herren seien Punkt zwei Uhr abgefahren. Der Polizeirat begab sich, empört über diese Perfidie, heim, aber er war jest mehr wie je ent schlossen, die Sache auf irgend eine Weise bis ans Ende zu verfolgen.

ihrem Zusammenführen verbunden war. Als die ... heim den jungen Mann er blickte, brach sie in Thränen aus und konnte erschüttert die Blicke von seinen Zügen nicht abwenden. Hauser wurde neben sie auf das Sofa gesezt; auch er war seltsam bewegt und fieberhaft auf geregt, und beide schienen während des ganzen Abends nur füreinander Sinn zu haben.

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„Ehe man sich trennte, zog der Polizei rat den Rittmeister beiseite. ,Meine Vermutungen haben sich aufs entschiedenste bestärkt, sagte er. Es fehlt nur noch eines, um zu völliger Gewißheit zu kommen. Und das ist? fragte der Rittmeister kleinlaut und betroffen. ,Die... heim hat meiner Frau angegeben, ihr Kind habe an der rechten Seite auf den Rippen ein dunkelbraunes Mal gehabt. Lassen Sie mich mit Ihnen in Ihren Gasthof gehen, um zu untersuchen, ob es sich an Hausers Körper finde." ,Das geht nicht, beileibe nicht!' rief der Rittmeister aus. -,Und weshalb nicht!' -,Der junge Mensch ist infolge seiner langen, einsamen Einsperrung von der äußersten Schüchternheit, von einer krankhaft reizbaren Schamhaftigkeit. Wollten wir eine solche Untersuchung an ihm vor nehmen, er könnte Krämpfe bekommen.'"

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Der Polizeimann begriff solche Rücksichten nicht. Nun, so lassen Sie ihn einmal Krämpfe bekommen. Die Sache ist wichtig genug!,Nein, nein!' antwortete der Rittmeister, in die Enge getrieben. Aber ich will Ihnen einen anderen Vorschlag machen. Hauser hat einen außerordentlich festen Schlaf. Kommen Sie morgen zwischen vier und fünf Uhr zu uns; wir wollen dann, während er schläft, das beschriebene Mal suchen.'

„Der Polizeirat war damit einverstanden. Man trennte sich. Eberhard schloß während der Nacht kein Auge, und in seiner Erregung machte er sich schon auf den Weg zu dem Gasthause,Im Mohren', als kaum halb vier vorüber. Nachdem er Einlaß gefunden, verlangte er in das

„Einige Tage vergehen. Der Herzog hatte sich unterdes von Gotha 'nach Coburg begeben. Da fährt eines schönen Tages eine vierspännige Postkalesche in den Schloßhof zu Coburg ein; zwei Herren, der Erzbischof von Bamberg und ein Graf Rechberg, steigen heraus und bitten um eine augenblickliche Audienz. Der Herzog empfängt sie, und es folgt eine zweistündige geheime Unterredung, nach welcher der Herzog die beiden Herren mit äußerster Höflichkeit wieder entläßt. Kaum aber haben sich diese wieder in ihren Wagen gesezt und sind abgefahren, als der Herzog eine Estafette nach Gotha sendet, welche ein Kabinettsschreiben an den Polizeirat überbringt.

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Am Abend des folgenden Tages war in Gotha in dem dortigen Kasino die gewöhnliche Gesellschaft der Honoratioren versammelt. Auch der Polizeirat Eberhard erschien hier. Im Laufe der Unterhaltung warf er mit anscheinend großer Gleichgültigkeit die Worte hin: Es ist merkwürdig, wie sich unsere polizeiliche Spürkraft oft auf Abwege verlocken lassen kann. Ich habe Ihnen vor einigen. Tagen erzählt, daß ich dem Kaspar Hauserschen Rätsel auf der Spur sei, meine Herren, heute habe ich zu meiner Beschämung entdecken müssen, daß alle meine Konjekturen auf Sand gebaut sind.'

Die Anwesenden, welche von der herzoglichen Intervention keine Ahnung hatten, nahmen diese Versicherung auf guten Glauben an. Ob Eberhard im stillen weiter forschte oder nicht, weiß ich nicht. Aber gewiß ist, daß es kurze Zeit nach all diesen Vorgängen war, als der Mentor Hausers eines Tages in Ansbach

durch wirkliches oder fingiertes Unwohl sein sich gehindert erklärte, seinen Schüßling, wie er pflegte, zur Tafel im Gast hause zu begleiten. Hauser ging allein; unterwegs trat ein unbekannter Mensch ihn an und versprach ihm ohne Zweifel Enthüllungen über seine Herkunft, wenn er ihm ein Rendezvous in den Stadtanlagen gebe. Hauser folgte und wurde an einem einsamen Orte ermordet gefunden. Bei der Leichenschau fand sich das Mal auf der rechten Seite seines Körpers vor.

„Das Rätsel ist damit nicht ganz gelöst. Aber so viel kann ich andeuten: der Vater Hausers, der Bischof von X., hatte einen Bruder von anerkannt schlechtem Charak ter, der des Nachlasses wegen den zum Erben eingeseßten Sohn beiseite schaffen und zugleich der hohen geistlichen Würde ein Ärgernis ersparen wollte. Und ferner noch, daß der Bruder des Bischofs durch seine Verbindungen allmächtig war und daß nach dem Tode Hausers gerade sehr vornehme Personen es waren, welche mit großem Eifer für die rein unsinnige Behauptung stritten, er habe sich selbst ermordet, eine Annahme, die Mittermaier in seinen Briefen über Hausers Tod im Morgenblatt so schlagend in ihr Nichts zurückführte. Auch wissen alle Kriminalisten, welche sich für die Aufhellung der Thatsachen interessierten, die Kaspar Haujers Tod begleiteten, daß man die Akten darüber streng verheimlichte und niemandem zu Gesicht kommen ließ. Hauser der Sohn eines hochgestellten katholischen Geistlichen sei, wurde übrigens schon bei seinem ersten Auftreten in Bayern vielfach versichert."

Daß

überraschendes Ende gefunden, verwarf sie dann durchaus nicht. Er schrieb mir aus Karlsruhe den 2. Mai 1848, nachdem er für die Mitteilung gedankt: „Die Nachrichten scheinen mir bedeutungsvoll, und ihr Totaleindruck macht die von Ihnen gegebene Andeutung sehr wahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit wächst für mich, da ich schon bald nach dem Auftreten Hausers in Bayern von ach tungswerten Männern versichern hörte, daß Hauser der Sohn eines hochgestellten katholischen Geistlichen sei; auch hatten vorzüglich sehr vornehme Personen den Glauben verbreiten wollen, daß Hauser nicht ermordet worden sei; während ich in den damals erschienenen Briefen im Morgenblatte' zu beweisen suchte, daß Hauser sich nicht selbst getötet haben könne, versuchten vornehme Leute mich vom Gegenteil zu überzeugen. Auffallend war mir auch, daß von seiten des Hofes in Bayern die Untersuchung über den Mord an Hauser in ein Dunkel gehüllt wurde und die Akten niemandem, der sich dafür interessierte, zu Gesicht kamen. Auf jeden Fall scheinen mir die Nachrichten, welche Ew. Wohlgeboren gesammelt haben, wichtig genug, um eine öffentliche Bekanntmachung zu verdienen! - Mit vorzüglicher Hochachtung u. s. w. Mittermaier."

Jene Bekanntmachung ist denn auch erfolgt im Morgenblatt" Nr. 150 des Jahrganges 1848.

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Merkwürdig ist nun aber der Beweis, der in Mittermaiers Brief liegt, wie kurz sein Gedächtnis in einer Sache war, mit welcher er sich so vielfältig beschäftigt hatte. Er antwortete mir auf meine Mitteilung, als hätte ich ihm etwas ganz

Der Erzähler konnte nicht verlangen, daß wir diese Deutung der Kaspar Hauser- | Neues eröffnet; und doch war die ganze Sage sogleich als die unangreiflich richtige Eberhardsche Hypothese schon im Jahre annahmen doch schien sie mir in ihrem 1832 zur Erörterung gekommen — zwiKern berücksichtigenswert genug, daß ich schen Eberhard, dem Stadtkommissär sie meinem alten Lehrer im Strafrecht, Faber zu Nürnberg, dem Präsidenten im peinlichen Prozeß und in der gericht Feuerbach; schon hatte die Konfrontation lichen Medizin mitteilte. Mittermaier, des nicht von einem Rittmeister", sondie erste Autorität in der Hauser-Frage, dern von einem Gendarmerie-Lieutenant nachdem Anselm Feuerbach ein plögliches Hickel begleiteten Hauser mit der Frau

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Königsheim, als sie 1833 im Januar und schmerzlos in den Armen seiner Kinstattgefunden, auffallende Bestätigungen der zu Pyrmont, wohin ihn sein jüngster ergeben; und zuleht hatte Feuerbach seine | Sohn, der als Arzt dort lebt, zu sich ge= badische Prinzenfabel gänzlich fallen lassen holt hatte, gestorben. und sich in einem Briefe an Eberhard für völlig überzeugt erklärt, das über Hausers Herkunft liegende Dunkel helle sich jetzt endlich auf. Das von Das von der Königsheim angegebene Geburtsjahr 1811 passe vortrefflich; Hausers Physiognomie und Haltung entspreche ganz den unver kennbaren Eigentümlichkeiten katholischer Geistlicher; „Hauser ist gleichsam nur ein Kanonikus oder Domherr en miniature, an dem man kaum die Tonsur vermißt", schrieb er an Eberhard.

Das alles ist heute klargestellt aus dem noch ungedruckten Briefwechsel zwischen Feuerbach und Eberhard — seltsam genug ist die Welt von heute, die Plunders weilen als unsere eigentliche litterarische Hauptstadt betrachtet, mit dieser Reli quienausgrabung noch verschont worden - aber der treffliche Dr. O. Mittelstädt, der in seinem „Kaspar Hauser“ (Heidel berg 1876) dem badischen Prinzentumsschwindel so gründlich den Boden ausgeschlagen hat, geht auf Grund jener Korrespondenz in die Sache so ausführlich ein, daß tro unserer damaligen Zweifel Freund Fritsche heute aufs herr lichste gerechtfertigt dasteht.

Und nun, wie war es möglich, daß 1848 der große Mittermaier mit dem Jupiterhaupte noch nichts von dem allen erfahren oder es ganz und gar vergessen hatte?

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Hier enden die Lebenserinnerungen. Es sollte dem Verfasser nicht vergönnt sein, nach dem Morgen des 20. August, an dem er diese lezten Zeilen schrieb, die Feder wieder in die Hand zu nehmen. — Ein Magenleiden, das ihn schon seit längerer Zeit heimsuchte, nahm von dem Tage an einen jähen, tödlichen Verlauf. In der Frühe des 31. August ist er sanft

So manches ist seitdem über ihn ge= sagt und geschrieben worden, über seine litterarische Thätigkeit, über seine Person. Alle die, welche ihn kannten, wußten ja um die ruhige Klarheit seines Wesens, um sein natürliches Sichgeben ohne jede Prätension, um die seltene Bescheidenheit, mit der er sein großes Wissen, dem ein staunenswertes Gedächtnis zur Seite stand, in der Unterhaltung kund that. So oft ist von den verschiedenst gearteten Menschen nach ihrem ersten Bekanntwerden mit Schücking gesagt worden, daß sie von der Harmonie, der ungesucht vornehmen Art seines Seins einen unauslöschlichen Eindruck hinweggetragen hätten.

Aber was bei alledem der Kern seiner Natur war, darum wußten nur die, die ihm nahe standen. Es war eine unerschütterliche Treue gegen sich selber, ein Festhalten sonder Wanken an dem, was ihm als das Rechte, eine selbstlose Hingabe an das, was ihm als seine Pflicht galt. Und darum sind wohl kaum seinem Scheiden wahrere und in dieser Wahrheit ergreifendere Worte nachgesprochen worden als die seiner Heimatgenossin Emmy v. Dinklage:*

und nun auch du, Levin; dein Scherblick,
Er ruht nie mehr auf unsrer Heimat Heide,
Vollbracht dein flagelos besiegt Geschick,
Das deinen Mut gestählt in schwerem Leide.
Wenn heut der Lorbeer deine Bahre schmückt,
Wenn Deutschlands Gaun durchzittern Trauerklänge,
Nie hast du um den Beifall dich gebückt,
Nie standst du in der faden Streber Menge!

Still, ernst und groß der Heideheimat Sohn,
Bist sorgjam du dem lauten Schwarm entflohn
und hast aus tiefstem, innerm Drang geschrieben.
Ruh sanft in roter Erd ein hehrer Glanz

Ein Geist, der stets sich selber treu geblieben,

Auf deiner Gruft wird lang nach uns noch leuchten;

Nimm, braver Mann, der Heimat Heidekranz,

Den schwere Freundesthränen feuchten.

„Tägliche Rundschau“ Nr. 206 vom 5. September 1883.

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