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unter dem Volk einhergegangen, milden Blickes und doch würdevoll, der Friedens fürst:

Der stille Überwinder, der sich selbst
Besiegt, um seinem Volk genug zu thun,
Und jeder Willkür, jeder Leidenschaft
Die Zügel des Gewissens angelegt.

Dem Dichter hat er gewährt, was dessen Herz begehrte: sorglose Freiheit und ein freundlich Ohr für seine Lieder. Er fährt fort:

Und jener trauter Stunden dacht ich dann
Im hohen, bilderdunklen Teppichsaal,
Wo er mit ernsten Männern im Gespräch
Das stillgeschäft'ge Walten der Natur,
Der Vorzeit Bücher sich enträtseln ließ;
Denn eine nimmermüde Sehnsucht zog
Ihn zu des Lebens Tiefen. Nicht begnügt
Mit der Erscheinung sucht' er ihr Gesez,
Und jede neuerkannte Wahrheit gab
Ihm eine Stufe, die er sich erkämpft.
Und oft, wenn vor dem wissensdurst'gen Geist
Ein Strahl ihm aufging jener Gotteskraft,
Der ewig einen, die im leichten Blühn
Der Pflanze wie im Auf- und Niedergang
Der Völker und der Zeiten sich enthüllt,
Da slog ein Leuchten über seine Stirn,
Und höher schlug sein Herz, als wär er selbst
Der Weisheit Jünger, nicht ihr Vogt und Hirt.

Geibel litt seit Jahren schon in München an einer Darmverengung, und seit lange geht kein Morgen ihm schmerzenlos vorüber; er flagt in seiner Poesie kaum davon; er wie zwei Münchener Freunde, Melchior Mehr und Adolf Zeising, haben schwere physische Leiden mit religiösem Sinn ertragen und sich nicht so pessimistisch verbittern lassen wie manche Zuschauer, die sich's selber wohl sein lassen und doch das Mißbehagen und die Friedlosigkeit ihres Materialismus spüren. So ging Geibel nach dem Tode von König Max nach Lübeck, der Vaterstadt, die ihm stets teuer geblieben, deren er so gern in seinen Gedichten gedenkt; er fühlte dort sich wohler. Nach 1866 entsagte er dem könig lich bayerischen Ehrengehalt, den ihm der spätere Kaiser Wilhelm reichlich erseßte, und blieb im Norden. Er selbst sandte von dort „Spätherbstblätter“ in die Welt, die fein Ermatten der poetischen Kraft, wohl aber die Hinwendung zu sinniger Beschaulichkeit bekunden. In Elegien läßt er die Vergangenheit vorüberziehen. Er

wetteifert in einem dramatisierten Sprichwort: „Echtes Gold bewährt im Feuer" mit Feuillet, er faßt seine Gedanken und Erfahrungen über das Drama einsichtsvoll und lebendig zusammen und schreibt einen Brief in Hexametern darüber wie Horaz in der ars poetica. Er bietet eine Fülle köstlicher Epigramme, bald in Reimen, bald in der klassischen Form des Distichons, und wenn wir es bedauern mochten, daß er niemals in Prosa über Poesie und Poeten schreiben mochte seine Urteile über Meister und Werke alter und neuer Zeit hat er uns hier dargeboten. Auf dem Krankenlager gedenkt er der Gattin, der Jugend in Wehmut, aber er schließt mit hellem Accord:

Doch plötzlich rauscht

Der Pforte Vorhang; leise mit der Kerze tritt Mein Kind herein, ein lieblich Bild der Gegenwart. Und wie es langjam, mit beschwingter Hand, mir nun Die Kissen ordnet und sich zärtlich an mich schmiegt, Da weicht der Schatten, der mein bangend Herz beschlich,

Und dankbar fühl ich, ausgesöhnt mit meinem Los,
Wie reich ich noch gesegnet bin, und lebe gern.
Oder er singt ein andermal:

Jm Spätherbstlaube steht mein Leben,
Zu Ende ging das frohe Spiel,
Die Sonn' erblaßt, die Nebel weben,
Und bald, ich fühl's, bin ich am Ziel.
Doch nicht in klagenden Accorden
Hinsterben soll mein Harfenschlag,
Zwei Freuden sind mir noch geworden,
Drum ich beglückt mich preisen mag:

Ich sah mit Augen noch die Siege Des deutschen Volks und jah das Reich, Und legt' auf eines Enkels Wiege Den frisch erkämpften Eichenzweig. Dieser bestand in dem Beifall der Nation, der nun seine „Heroldsstimmen“ begrüßte, als er die politischen und patriotischen Gedichte gesammelt herausgab, welche er von seiner Studentenzeit bis zur Friedensfeier 1871 geschrieben. Hier sah man, wie er stets erhofft und erstrebt, was nun erreicht war, und erreicht war, wie er es gewollt, nicht durch Umsturz und blutige Gewalt von unten, sondern unter der Leitung genialer Helden und im Bunde der Fürsten und des Volkes, errungen auf den Schlachtfeldern draußen und begründet in freundlicher Einigung daheim. Und

er darf sich sagen: Ich bin dabei ge- Sprache eignet. Sein anschmiegsames wesen, ich habe redlich mitgethan!

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Geibels eigenem dichterischen Schaffen ging eine dankenswerte Überseßerthätigkeit zur Seite. Schon 1840 gab er mit Ernst Curtius „Klassische Studien" her aus, in welchen er glücklich begann, grie chische Weisen uns anzueignen. Die Mals burgische Bibliothek im hessischen Schloß Escheberg gab ihm Anlaß, sich mit der spanischen Lyrik vertraut zu machen; seinen „Volksliedern und Romanzen der Spanier" (1843) folgte im Verein mit Paul Heyse 1848 das „Spanische Lieder buch", und 1860 gab er gemeinsam mit Schack einen „Romanzero der Spanier und Portugiesen" heraus. Er hat das Verdienst, umfangreich und planmäßig nach den Quellen mit treuer Nachbildung von Rhythmus, Assonanz und Reim die originale Blüte spanischer Lyrik uns vermit telt zu haben. Wie Schack ihn noch einmal nach Spanien gelockt, so that es Leuthold in Bezug auf Frankreich. Auch zu den Fünf Büchern französischer Lyrik vom Zeitalter der Revolution bis zur Gegenwart" (1862) hat Geibel vieles beigesteuert, vieles mit dem jüngeren Genossen durchgearbeitet. In Lübeck dann nahm er die Griechen und Lateiner wie der vor und gesellte Oden und Satiren von Horaz und Elegien von Properz und den anderen Triumvirn Amors die Perlen griechischer Lyrik, wie sie in der Anthologie und in reizenden Fragmenten uns überliefert sind. Namentlich bei diesen ist es ihm prächtig gelungen, den eigentüm lich poetischen Hauch erquicklich zu bewahren. Geibel versteht eben zu unterscheiden, was in einem Werke Baustein und Mörtel ist, und während er jenen treu bewahrt, gewährt er bei diesem sich Freiheit; er empfindet, wie bald direkte, bald bildliche und metaphorische Ausdrücke auf das nationale Gefühl wirken, und versteht danach bald die unmittelbare übertragung, bald ein Äquivalent zu wählen, um auf uns im Deutschen den Eindruck zu machen, der dem Original in seiner

Talent feiert hier einen Triumph, er wetteifert mit A. W. Schlegel. Und gleich diesem und Platen hat auch er auf die poetische Technik, auf die Reinheit der Form und den Wohllaut der Sprache bei dem nachwachsenden Geschlecht bildenden Einfluß gewonnen.

„Spielmanns Heimkehr“, gedichtet, als Geibel sich wieder nach Lübeck zurückwandte, dürfen wir als ein Symbol sei= nes Lebens und Wirkens nehmen. Als die Rose blühte, die Nachtigall sang, ist er hinausgezogen, hat die Adler den Olymp umkreisen gesehen, aus dem grünen Rhein getrunken, auf den Gräbern der Hünen gesessen und am Fuße der Alpen gesungen; er hat den Mädchen zum Reigen gespielt und mit Trompetengeschmetter die Krieger in die Schlacht zum Sieg begleiter. Er fährt fort:

Ihr Pfleger des Geistes, mit sinnender Stirn,
Gott grüß euch, und reicht mir die Hand!
Von der Schöpfung geheiligtem Ringe,
Von dem Wandel der irdischen Dinge
Hab ich manches geschaut und erkannt.
Ich wende die Augen um und um:
Wer ist, der den Alten noch fennt?
Da dunkelt's am himmlischen Bogen,
Und es kommen die Sterne gezogen,

Und die Sterne sind treu bis ans End!

Die Sterne, Sinnbilder der ewigen Ideen; das Dreigestiru des Guten, Wahren, Schönen!

*

Während dieser Aufsatz in der Druckerei lag, kam die Trauerkunde, daß Emanuel Geibel am Palmsonntag, den 6. April 1884, gestorben sei. Die Glocken von St. Marien zu Lübeck, die ihn beim Eintritt in das irdische Leben begrüßt, gaben ihm auch das Grabgeläute. Seine Vaterstadt ehrte sich selbst durch eine würdige Totenfeier ihres edlen Sohnes. Mein offenes ehrliches Freundeswort, das ihm ein Zeichen treuer Erinnerung an schöne gemeinsame Tage dichterischer und wissenschaftlicher Arbeit sein sollte, ist nun zum Nachruf geworden.

In Andalusien.

Von

G. v. Beaulieu.

Ich ging in Sevilla mit dem Vorsatze aus, einmal einen ganzen Tag nicht die Kathedrale und womöglich keine Kirche zu besuchen, sondern nur profanes heutiges Straßenleben anzusehen.

Mein Begleiter, ein spanischer Jurist, lachte mich ob dieses Vorhabens aus.

"

Wenn Sie die Universität sehen, werden Sie zuerst in die Kapelle gehen," sagte er, und wenn Sie eine Kirche mit irgend etwas Maurischem daran, einem Portal, einem Minaret, einem Dach ornament, erblicken, bleiben Sie ja doch wie angewurzelt davor stehen, als wollten Sie es gleich mit den Augen photo graphieren. Ich traue Ihnen nicht, und wenn ich es auch thäte, man kann in Se villa nichts besehen, ohne an ein paar Kirchen vorbeizukommen.“

Wir gingen währenddessen durch die Calle de las Sierpes. Es war die Stunde vor dem Diner, die Stunde des Absynths auf den Pariser Boulevards, die Stunde des Plauderns, des Flanierens, der KlubRendezvous in Andalusien. Jede spa nische Stadt besißt großartige Klubgebäude, selbst die kleinen Orte. In Sevilla giebt es deren fünf bis sechs: den Klub der Militärs, den der Kaufleute und so weiter. Alle sind glänzend ein gerichtet, und die Mitglieder finden dort jede erdenkliche Annehmlichkeit Biblio thek, Lese-, Rauch, Spiel-, Musikzimmer.

II.

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Sie wollte keinen Scherz machen, es war früher ein Jesuitenkloster; als Karl III. war kein großer und kein kleiner Hund, den Orden auswies, wurde es akademische den sie für die Blume verlangte. Obige Hochschule. Man erkennt seine ursprüngAusdrücke sind die alten und volkstümliche Bestimmung noch an den schönen lichen Bezeichnungen für Kupfermünzen, Klosterhöfen und dem Garten, in dessen die unseren Zehn- respektive Fünfpfennig- Mitte sich andalusische Vegetation üppig stücken entsprechen. entfaltet.

In einem Lande, welches von Blumen In der Kapelle hatten wir eine Begegstrogt, und im Monat Mai ist das nicht nung mit einer deutschen Dame, einer wenig, allein die Nelke ist die teuerste, rotbackigen, wohlgenährten, die eine erweil begehrteste Blüte. Auch sind die göhliche Unterhaltung mit dem Pedell clavellos sehr groß, von dem vierfachen führte. Er verstand nur Spanisch, sie Umfange der unseren und rosenähnlich nur ihre Sprache und einige italienische gefiedert. Rosen werden nicht so geschäßt Brocken. Rechts und links vom Hauptund bezahlt wie die Nelken, die spanischen altar befinden sich zwei berühmte holzBlumen par excellence. geschnigte lebensgroße Heiligenstatuen von Alonso Cano, dem Meister dieser Kunst. Der Pedell deutete auf sie: „San Juan Evangelista y San Juan Bautiste, hecho de madera."

Rechts und links in den Straßen stehen fast alle zwanzig Schritte Verkäufer oder Verkäuferinnen mit Blumen; sie wechseln mit Händlern von Zeitungen und denen der Fosforos ab. Lettere sind Wachsstreichlichter, denn in dem waldarmen Lande ist das Holz sehr teuer.

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Wollen wir einmal im Zickzack durch Sevilla gehen? Ich weiß, Sie lieben es," sagte Don Alfonso.

„Ja, Sie kennen meine Schwäche. Ich überlasse mich gern dem Zufall, gehe gern ohne Zweck und Ziel, mache Entdeckungen und verweile just, wo es mir gefällt.“

„Nun, es wird ein buntes Programm werden; aber Sie sind gut zu Fuß, gehen wir."

Dieses lettere vamos! (gehen wir!) ist ein Lieblingswort der Spanier. Sie sagen es auch, ohne zu gehen, begnügen sich mit dem energisch stolzen Klange und bleiben.

Aber diesmal gingen wir. War es, um mich zu necken, daß mich mein anda lusischer Begleiter (es sigt allen Kindern dieses Landes der Schalk im Nacken) zuerst nach der Universität führte? Denn die Hauptsehenswürdigkeit ist hier außer dem Patio die Kapelle. Das Gebäude der Universität ist nach Zeichnungen des spanischen Architekten der Renaissance Herrera, dem Erbauer des Escorial, im sechzehnten Jahrhundert errichtet. Es

„Si," sagte sie eifrig, „Madeira ist ein sehr guter Wein, aber in Spagna anche buon vino, buonissimo, forte."

Er nichte erstaunt, er konnte diese Wahrheit nicht leugnen, war aber verwundert, daß die Fremde hier in der Kirche plößlich auf die Vorzüglichkeit des spanischen Weines zu sprechen komme. So verfolgten sie zu unserem Ergößen jeder seinen Gedankengang, er die Heiligen Canos, sie den feurigen Wein der portugiesischen Insel, und ob sie sich je verständigt haben, weiß ich nicht, da wir lachend weitergingen. Übrigens verdankt Madeira, die Insel, dem Worte madera (portug. madeira) ihre Bezeichnung. Als die Portugiesen sie in Besitz nahmen, war sie reich bewaldet, und man gab ihr daher diesen Namen. Das Mißverständnis war mir wieder ein Beweis, wie die Deutschen den spanischen Wein lieben. Sie denken bei allem Spanischen zuerst an den Wein, dann an Banditen und Stiergefechte; wenn sie gebildet sind, so nebenher noch an Don Quichotte und die Alhambra; wenn sie Herren sind, an die kleinen Füße und großen Augen der Andalusierinnen. Daß ein fleißiges, liebenswürdiges, interessantes Volk noch in dem Lande des Weines und des Korkes, der Orangen

eigentlich niemand. Dem Weine wird dafür um so mehr Ehre angethan. Wir würdigen ihn durchaus, mehr als die Spanier selbst, die sehr nüchtern und mäßig sind und sich den guten Stoff meist mit Wasser verdünnen; verderben, würden wir sagen.

und der Knackmandeln wohnt, beachtet da er nach der hier üblichen Anschauung das Blut kühlen und reinigen soll. Spargel läßt man wie in Italien in die Saat schießen und verspeist dann nur die grünen Spizen. Auch Fische in allen möglichen Bereitungsweisen: gekocht, in Öl gebacken, als Pastetenfüllsel, sauer, fehlen bei keinem Mittagessen, und Fische aus Ich hatte selbst Gelegenheit, mir die dem Guadalquivir lagerten hier in Masse

Haus des Pilatus" in Sevilla.

Früchte und Erzeugnisse des Landes anzusehen, denn wir waren auf den Mercado gelangt. Der Markt von Sevilla befindet sich in großen Hallen aus Glas und Eisen. Orangen und Citronen lagern trog der späten Jahreszeit noch in Haufen aufgeschichtet, dazwischen begannen Erdbeeren und Kirschen sich zu zeigen. Von Gemüsen werden sehr viel Artischocken, Bohnen, Garbanzos genossen. Ohne leztere, eine große Sorte gelber getrockneter Erbsen, verläuft keine spanische Comida. Auch Salat wird in Masse verbraucht,

und verbreiteten feinen angenehmen Duft.

Wir gingen daher bald weiter, kamen durch enge, gewundene Straßen über fleine baumbestandene Pläße. Grün wuchs auf den niedrigen Dächern der Häuser, oft auch ein blü hender Strauch, nickende Nelken und Rosen. Dazu der tiefblaue Himmel, ein zierlicher Balkon mit einem hübschen schwarzäugigen Mädchen; das sind Bilder, wie sie ein Maler ersehnt.

„Hören Sie," begann ich da plöglich, ich möchte den Corral del Conde sehen."

Der Corral del Conde in der Calle de Santiago ist der Sammelplatz spanischer Wäscherinnen; hier mußte es pittoreske Scenen geben. Wir schreiten wieder im Zickzack durch Straßen und Gassen, kommen auf eine große gepflasterte Plaza, die mit Bänken und Bäumen besezt ist. Wir treten durch ein offenstehendes Thor auf einen weiten, ebenfalls gepflasterten Plaz, niedrige Häuser umschließen ihn. von drei Seiten. Ihr oberes, von Holz errichtetes Geschoß ist von einer Galerie, nach Art der Schweizerhäuser, umgeben. Sie bildet den Trockenplatz der Wäscherinnen, bunte Stücke, rote, weiße, gelbe, blaue flattern dort. In der Mitte des Plazes steht ein großes steinum

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