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Auf dem linken Ufer des Flusses, der Europäer Stadt gegenüber, liegt eine Bettlerkolonie, deren ziemlich starke Bevölkerung einzig von den Almosen lebt, die die gutmütigen Seeleute den Armen zuwerfen, wenn sie, aus ihren Kähnen

Schiffsseiten belagern. Selbst die Küchenabfälle, die der Schiffskoch über Bord wirft, werden eifrig wieder aufgefischt, und schmunzelnd ob der reichen Beute breitet der glückliche Finder Kartoffelschalen, Kohlstrünke und Brotreste auf dem Boden seines Fahrzeugs zum Trocknen aus.

Ein specielles Sonntagsvergnügen für | Hieben antreibend, geht es fort; die Verdie seemännischen Gäste des Hafens sind mieter keuchen, ebenfalls in ganzer Schar, die Ausflüge zu Pferde, Esel oder Maul- | hinterher, bis die gänzliche Erschöpfung tier. Schon Sonntags früh kommen die von Reiter und Tier Halt gebietet. Vermieter, jeder sein Reittier am Zügel Findet sich dann abends die Gesellschaft führend, an das Bollwerk, und mit end wieder beim Schiffe ein, so ist man doch lojem wontschi horsi", einem Misch- troß Beulen, Schrammen und zerfeßten. masch aus chinesischem Englisch, bieten sie Kleidern fest überzeugt, daß man sich ausihre Tiere den Seeleuten zur gefälligen gezeichnet amüsiert habe. Benutzung an. Solch ein Vergnügen schlägt der Matrose nur ungern aus, und bald ist der Handel abgemacht. Für einen halben bis zu einem ganzen Dollar, je nach Konjunktur, erwirbt er das Recht, den ganzen Nachmittag den edlen Renner zu torquieren. Aus leicht begreiflichen | unermüdlich die Hände emporstreckend, die Ursachen bleibt aber der Vermieter gern in der Nähe seines Tieres, welches seinen ganzen Reichtum ausmacht und ihn unter günstigen Geschäftsverhältnissen auch voll auf ernährt. In zahlreicher Kavalkade aus den Mannschaften mehrerer Schiffe zusammengesezt, bricht man auf und jagt durch die engen Straßen von Tient-sin in das offene Land hinein. Ein kurzes Tauende ersezt die Reitpeitsche. Durch die üble Behandlung wild gemacht, geben die Tiere sich wohl alle Mühe, die maritimen Kavaliere abzuwerfen, was ihnen aber nicht so leicht gelingt. Der Seemann ist gewöhnt, in der Takelage sich mit den Beinen so fest zu klammern, daß er die Hände zur Aktion frei behält. Mögen dem Tiere auch die Rippen knacken, das ist dem Reiter sehr gleichgültig. Das kunstgerecht gehandhabte Tauende zwingt den Renner, sei er auch noch so störrisch, zum Gehorsam. Jan Maat weiß das Instrument zu handhaben. Passive Erfahrung aus seiner Schiffsjungenzeit und aktive in seiner jezigen Würde als Matrose steht ihm zur Seite. In eine dichte Staubwolke gehüllt, stürmt die Schar dahin über Stock und Stein. Menschen und Tiere weichen erschreckt und in allen Tonarten ihre Entrüstung zu erkennen gebend aus dem Wege. Dergleichen ist aber nur geeignet, die Lust der Reiter bis zur Ek stase zu steigern. Johlend und die Tiere mit derben Seemannsflüchen und dito

Über die Brüstung des Schiffes ge= lehnt, bemerkte ich eines Tages die Leiche eines Kindes den Fluß herabtreiben. Ich machte einen neben mir stehenden Chinesen, der die ausgeladenen Waren kontrollierte, darauf aufmerksam; aber mit gefühllosem Achselzucken, als sei die Sache gar nicht wert, sich deshalb auch nur herumzudrehen, gab mir der Biedere zur Antwort: „Spos no have got tschau-tschau, mother put liti into water" Sprache überseßt: „Wenn die Mutter nichts zu essen hat, wirft sie ihr Kind ins Wasser."

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in eine verständliche

Wohin das Auge blickt, Elend und die weitgehendste physische und moralische Verkommenheit unter dem niedrigen Volke, das ist der Eindruck, den man aus diesem Teile des „Blumenreiches der Mitte" mit hinwegnimmt.

Einige Meilen aufwärts von der Mündung des Liao-ho, der sich, von Norden kommend, in den Golf von Liao-tong, den nördlichsten Teil des Busens von Peking, ergießt, liegt ein wichtiger Ausfuhrhafen, Nuitsch-wang. Der Fluß ist breiter und mächtiger als der Pai-ho

und seine Wassermassen noch um vieles | tensegeln versperrend, und legen sich zum schlammhaltiger als dieser. Es genügt, Ausladen neben die Seeschiffe. einen Eimer voll der dunkelgelben Brühe zu schöpfen und nach einigen Minuten wieder auszuschütten, um einen dicken Bodensaz reinsten Lehmes im Gefäß zu rückzubehalten.

Die Geflügelzucht wird hier großartig, das Ausbrüten der Eier künstlich betrie ben. Eier sowohl wie lebendes Geflügel sind daher erstaunlich billig. Hundert Eier kosten zwanzig bis fünfundzwanzig Am linken Ufer breitet sich die Stadt Cents (80 Pfg. bis 1 Mark) und das aus, ein wahres Häusermeer, das etwa Dußend Enten oder Hühner einen Dol200 000 Einwohner beherbergt. Im lar. Die Wohlfeilheit dieser leckeren Gegensaß zu den oben beschriebenen Ort- Nahrungsmittel tröstet den Seemann einischaften baut man hier fast ausschließlich germaßen über den sonstigen Mangel an aus Holz, das das Innenland wohl in Vergnügungen. Das An-Land-Gehen ist großer Menge liefern muß. Freundlicher für die Seeleute, die nicht Geschäfte in sieht die Stadt aber dadurch nicht aus. der Stadt zu regeln haben, von der Wie große Schuppen dicht beieinander chinesischen Regierung verboten. Die aufgebaut, ziehen sich die schmuzfarbenen Feindseligkeit der Bewohner den EuroGebäude bis ins Unendliche. Selten ein- päern gegenüber führte in früheren Zeimal steigt das spige, am Rande weit aus- ten zu unangenehmen Konflikten mit den geschweifte Dach eines Tempels über das Seeleuten, welche die Regierung durch Gewirr unzähliger Dächer empor. Ebbe obiges Verbot weise vermeidet. In und Flut verändern den Wasserstand hier | Nuitsch-wang sind überhaupt nur sehr sehr bedeutend, und bei niedrigem Wasser wenige Europäer angesessen. Einige Lotbekränzen sich die Ufer mit einem brei- sen und Agenten von Handelshäusern sind ten Schlickrande, ein Eldorado für die die einzigen Vertreter der Civilisation. Schweineherden, deren freudiges Grun- Das gesellschaftliche Leben ist gleich Null. zen bis zu den Schiffen herüberdringt, Da darf man sich denn nicht so sehr die mitten auf dem Flusse vor Anker wundern, wenn sich dieselben in ihrer geliegen. Während der Sommermonate schäftsfreien Zeit gar zu sehr mit der liegen hier beständig dreißig bis vierzig Flasche beschäftigen eine Angewohnheit, Schiffe aller Nationen. Die deutsche die sich vielleicht aus dem benachbarten Flagge nimmt dabei den ersten oder zwei- Sibirien eingebürgert hat. Da der Fluß ten Rang ein, wie überhaupt an der fünf bis sechs Monate im Jahre zugefrochinesischen Küste. Die Reeder von Ham- ren und die Schiffahrt deshalb gänzlich burg und Bremen haben hier draußen unterbrochen ist, gehen die meisten Ageneine Flotte von über hundert Fahrzeugen, ten mit den letzten Schiffen nach Süden; die, auf drei bis vier Jahre ausgerüstet, in welcher Einsamkeit trop der sie umin den ostasiatischen Gewässern Küstenfahrt gebenden Menschenmassen die Zurückbleitreiben, bevor sie wieder in den heimat- benden den langen harten Winter verlichen Hafen zurückkehren. Nach Nuitsch- träumen müssen, kann sich zur Genüge wang kommen die Schiffe fast ausnahms- ausmalen, wer einige Wochen die einlos mit Ballastladung und nehmen hier tönigen Uferbilder tagtäglich vor Augen Unmassen von kleinen ölhaltigen Bohnen hat. Mit großer Genugthuung vernimmt ein, die nach den südlichen Häfen verschifft man das Kommando zum Ankerlichten, werden. Mit diesem Exportartikel schwer und ohne sehnsüchtige Rückblicke sieht man beladen, kommen jeden Morgen Flotten das Schiff den Strom hinabgleiten der von Hunderten von Flußdschonken den großen Salzflut zu, über die wir nach Strom herabgesegelt, die ganze stattliche dem sonnigen und farbenprächtigen Süden Breite des Liao-ho mit den großen Mat- | zurückkehren.

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Korrespondenzen.

Aus Paris.

Don

C. Schreiber.

die Verwaltung und Erhaltung

nannt.

ie Assistance Publique, die rie | haupt vollzieht die Ernennung der einzelnen sige Körperschaft, welche in Paris Mitglieder, zu welchen der Präfekt der Seine, der Polizeipräfekt, die Bürgermeister, zwei der Spitäler und Wohlthätig-| Municipalräte, ein Staats- oder Steuerrat, keitsanstalten besorgt und zugleich ein Mitglied der Handelskammer, mehrere durch tausend Fäden mit den Departements Ärzte und Chirurgen und sieben beliebig ge= Frankreichs verbunden ist, darf als ein Werk | wählte Mitglieder gehören. Alle Mitglieder der großen Revolution betrachtet werden. Bis tragen volle persönliche Verantwortung. Nach dahin war die Hilfe für die Armen und Elen je zwei Jahren wird stets ein Dritteil neu erden dem guten Willen der Gesellschaft über- | lassen. Erst die Revolution erhob die Wohlthätigkeit zur socialen Pflicht. Vor dem Jahre 1790 gab es drei große Administrationen: L'Hôpital Général, Allgemeines Krankenhaus, das Hôtel Dieu und das große Bureau der allgemeinen Almosenie. Alle übrigen Wohlthätigkeitsanstalten und Hospitäler hingen mit den genannten drei Administrationen zusam- | men, das heißt jede von ihnen hatte für eine bestimmte Anzahl von Häusern zu sorgen und verfügte über die zur Bestreitung der Auslagen notwendigen Fonds.

Die Centralisation der Armenpflege bringt große Vorteile mit sich. In allen Einrichtungen weht ein einheitlicher Geist, und die Wirkung der vereinigten Mächte des Geldes und der Intelligenz strebt mit eiserner Energie nach demselben großen Ziele: Elend und Krankheit in der Bevölkerung zu verringern; sie nehmen sich kräftig der Erziehung der verlassenen Kindheit und Jugend an. Sämtliche der Assistance unterstehende Anstalten werden von dieser mit Lebensmitteln versorgt. Der Mißbrauch, die Küche von Spitälern und Versorgungshäusern Im Jahre 1790 begann man in Paris sich | in die Hände von Pächtern zu geben, welche lebhaft mit der Reorganisation der öffentlichen sich selbst bereichern und häufig genug den Wohlthätigkeitsanstalten und Spitäler zu be- | Kranken geradezu ungenießbare Speisen vorschäftigen. Die Meinungen über die Neuerun- sezen, ist in Paris unbekannt. Die Assistance gen waren jedoch so verschieden, daß lange ist gleichsam eine einzige riesige Haushaltung keine Einigung erzielt wurde. Endlich beschloß mit vielen Zweigniederlassungen. Die Körperman diese Administrationen zu vereinigen und schaft schließt mit Lieferanten ab und gilt für an die Spiße sämtlicher Unternehmungen einen so strenge und anspruchsvoll, daß nur die tüchGeneralrat und eine administrative Kommission | tigsten und ehrenwertesten Menschen, welche zu stellen. Der Generalrat bestand anfangs die Ware in bester Qualität liefern, sich im aus elf Mitgliedern und wurde 1880 auf fünf-| Geschäftsverkehr behaupten können. Die Assizehn erhöht. 1849 erhielt die Administration stance verfügt über ungeheure Magazine, die eine neue Form. Durch den Minister des In- | teilweise in den Centralhallen untergebracht neren wird nämlich ein einziger verantwort sind. Hierher kommen täglich die Massen Vorlicher Direktor ernannt, welcher die Ausgaben räte verschiedenster Eßwaren aus der Umselbständig leitet, jedoch von einem Über- gebung. Die Beamten der Assistance überwachungsrat umgeben ist. Das Staatsober- nehmen dieselben und führen genaue Kontrolle

darüber. Jedes Spital, jede Anstalt besißt | lassen. In der Küche sind die modernsten große fastenartige, geschlossene Wagen, auf Konstruktionen verwendet. Das Feuer ist verdenen der Name der Anstalt zu lesen ist. Am bannt, der Dampf allein waltet als Herr und Morgen fahren diese Wagen zu den Maga- Meister. Längs der Wände laufen große zinen der Centralhallen; für jeden derselben Kessel, in die durch Ventile Dampf einströmt. überbringt ein Administrationsbeamter einen An großen Spießvorrichtungen braten die Schein mit der Bezeichnung der verlangten | Fleischstücke. Selbstverständlich befinden sich Lebensmittel. Diesen Scheinen entsprechend unter den Spitälern alte Häuser, welche tro wird die Austeilung vorgenommen. Die Verpflegung ist durchschnittlich weit besser als in Deutschland und Österreich. Die Assistance hat eigene Schlachthäuser gebaut, in denen die beste Qualität Fleisch ausgeschrottet wird. Die Kranken erhalten seine Weine, frisches Obst, die besten Gemüse, trockene Früchte und selbst Konfitüren.

aller Umbauten und Veränderungen immer noch ein düsteres Aussehen bewahren. Die neuen modernen Bauten jedoch schwimmen in Luft und Licht, sie haben herrliche Gärten und sind in jeder Beziehung ebenso praktisch als sinnreich, ja selbst luxuriös und elegant.

Eine wahrhaft großartige humanitäre Institution ist das Haus der Enfants assistés et Im Jahre 1879 wurden beispielsweise gegen abandonnés. Es verdankt seine Entstehung 2000000 kg Fleisch, 2000000 Stück Eier, dem heiligen Vincenz von Paula, welcher an gegen 200000 kg frische Fische und 250000 kg einem Brunneurande einst zwei nackte KnäbWurstwaren sowie 3500000 kg Brot ver- lein fand. In diesem Hause werden täglich braucht. Das Getreide zur Herstellung des all die unglücklichen Geschöpfe aufgenommen, Brotes wird in großen Mengen von der Ver- welche Laster und Elend ins Leben sezen, waltung gekauft und in einer eigenen Bäckerei deren sich Vater und Mutter sofort nach der gebacken. Die Kellereien find wahrhaft groß- | Geburt entledigen. Elende kümmerliche Säugartig. Die Weinlieferungen werden jährlich linge bevölkern einen Teil des Hauses, und trop ausgeschrieben, die gelieferten Weine chemisch der tüchtigen Ammen ist ein nicht geringer untersucht, wodurch die armen Kranken davor Bruchteil dieser armen Geschöpfe vom Tode bewahrt bleiben, das Gebräu, welches in Paris gezeichnet. Die am Leben bleiben, werden in unter dem Namen Tischwein in den Handel ländliche Pflege gebracht und von der Assikommt, zu genießen. stance bis zum sechzehnten Lebensjahre unterstüßt, bis zum zwanzigsten im Auge behalten.

Sämtliche Medikamente für alle Apotheken der Spitäler liefert eine einzige Centralapotheke.

Das Haus der Verlassenen besteht aus zwei Abteilungen. In der einen, in welcher jene Ausgedehnte Magazine verwahren die Vor- Kinder untergebracht sind, deren Eltern man räte von Möbeln, Betteinrichtungen, Wäsche kennt, bemüht sich das Haus, zu bewirken, daß u. s. w. Mit dem Nähen der Wäsche, dem Kinder und Eltern in Verbindung miteinander Zupfen von Charpie und anderen Arbeiten bleiben. Anständigen, erwerbslojen Müttern beschäftigt die Assistance teilweise Pfründne- bewilligt die Anstalt Unterstüßungen bis dreirinnen, die eine geringe Bezahlung erhalten, | hundert Franken jährlich. Nur dort, wo die aber mit diesem wohlthuenden Nebenverdienst Eltern unbekannt sind oder wo man ihren sehr zufrieden sind. lasterhaften Einfluß befürchtet, bleibt der Ver

Die Krankenpflege besorgen mit wenigen kehr zwischen Eltern und Kindern aufgehoben, Ausnahmen Graue Schwestern.

Noch 1785 herrschte die abscheuliche Einrichtung in den Spitälern, in ein und demselben Bette mehrere Kranke unterzubringen. So fand Tenon im Hotel Dieu in 1219 Betten 3418 Kranfe. In den Sälen lagen Männer und Frauen, Sterbende und Refonvalescenten bunt durcheinander. Selbst die verschieden artigen Krankheitsformen bedingten keine Abjonderung, und jedes Hospital mußte somit als Infektionsherd betrachtet werden. Nicht selten kam es vor, daß ein Kranker in einem Bette lag, aus welchem man rechts und links Tote entfernte.

vertritt die Anstalt die Stelle von Vater und | Mutter. Sie nimmt Schüßlinge von der Geburt bis zum zwölften Lebensjahre auf.

Einen sonderbaren Eindruck machen die säugenden Eselinnen, an deren Euter jene Kinder gelegt werden, welche den Ammen den furchtbaren Krankheitsstoff, mit dem das Laster sie in die Welt gesezt hat, mitteilen könnten. Die äußerst reinlich gehaltenen kräftigen Ejelinnen bleiben ruhig und fromm, während die armen Säuglinge, in Tragförben ihnen angehängt, die Nahrung zu sich nehmen. Die Wärterin bringt das Euter des Tieres in den Mund des Kindes, und dieses saugt frisch darauf los. Jezt sind die Pariser Spitäler zumeist Die Waisenversorgung wird von seiten der Musteranstalten mit freundlichen, geräumigen | Assistance ganz verschieden von dem in deutKrankensälen, trefflichen Betten, Bibliothek- schen Ländern üblichen Modus vorgenommen. zimmern für die Arzte und Administrations- | Man geht von dem Grundsaße aus, das verräumen, die keinerlei Bequemlichkeit vermissen | waiste Kind in irgend einer Familie heimisch

zu machen. Aus diesem Grunde baut man keine Waisenhäuser, sondern teilt die Waisen gegen Entgelt an Familien auf dem Lande oder giebt sie später zu Handwerkern in die Lehre und bewahrt die Kinder dadurch vor einer exklusiven Stellung.

Als die Nation ehrendes Werk darf das große Hospital für skrophulöse Kinder in Bercksur-mer, wenige Stunden von Paris entfernt, betrachtet werden. Die Assistance hat für das Haus etwa sieben Millionen ausgegeben, es dient an siebenhundert Kindern zum Aufenthalt. Diese Kinder, welche in Paris verkommen müßten oder elend durchs Leben siechen würden, werden in Berck sorgsamst behandelt, kräftig genährt, häufig völlig geheilt.

Es bedarf kaum noch der Erwähnung, daß die Versorgungshäuser Salpetrière für Frauen und Bicêtre für Männer zweck- und zeitgemäße Schöpfungen sind. Diese beiden Häuser verfügen über 5500 Betten. Diese Etablissements sind größtenteils für Geisteskranke eingerichtet. Unsichtbar und doch so fühlbar starrt uns dort das Lasciate ogni speranza entgegen. Hier haust das furchtbare Trio Wahnsinn, Blöðsinn, Epilepsic. In der Umgebung von Paris verfügt die Assistance gleich- | falls über Versorgungshäuser, über Anstalten für Inkurable und über einige Stiftungen, in welchen gegen sehr unbedeutendes Entgelt einzelne Personen oder Ehepaare behagliche Unterkunft finden.

Die Assistance ist jedoch nicht allein die Schüßerin der öffentlichen Anstalten.

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noch eine Anzahl Stiftungen, welche der Assistance nicht unterstehen. In die meisten dieser Stiftungen werden auch zahlende Kranke aufgenommen. Das berühmte Irrenhaus von Charenton sowie das Asyl Stc. Anna sind unter direkter Staatsaufsicht.

In Vincennes und Vesinet nehmen zwei Asyle rekonvalescente Arbeiter und Arbeiterinnen auf, die dort bis zur völligen Genesung verbleiben.

Überaus rührend ist das Haus der Quinze Vingt, „Fünfzehn mal zwanzig“, eine Kolonie von Blinden und Erblindeten. Ludwig der Heilige stiftete das Haus im Jahre 1260, da, als er aus dem Kriege gegen die Mauren zurückkam, viele von seinen Rittern erblindet waren. In dieses Haus dürfen die Blinden sogar ihre Familie mitnehmen. Fünf Schwestern vom Orden St. Vincenz leiten die Pflege der Erkrankten. In einem eigenen Lesesaal werden den Männern täglich zwei Stunden lang Zeitungen, den Frauen Romane vorgelesen. Das Haus besißt eine eigene Schule für die Kinder der Blinden. Einzelne Blinde haben im Hause selbst kleine Tabakstaden. Wieder andere beschäftigen sich mit leichten Handarbeiten. Auch haben die Blinden des Hauses eine Musikkapelle gebildet und veranstalten einigemal des Jahres Konzerte.

Mit dem Erziehungshaus für junge Blinde sowie mit dem Haus für junge Taubstumme steht die Assistance nicht in Verbindung.

In der Rue Oudinot besißen die Brüder St. Jean de Dieu ein maison de santé, das größtenteils für Zahlende eingerichtet ist, jedoch auch eine beträchtliche Anzahl von Freipläßen besigt. Der Garten der Anstalt ist herrlich. Die von den zahlenden Kranken geleisteten Beiträge dienen mit dazu, ein Haus für verkrüppelte Kinder in der Rue Lecourbe zu erhalten, von denselben Brüdern gestiftet und geleitet. Die Brüder fordern von den Eltern der Kinder kleine Beiträge von einem halben bis fünfzehn Franken per Monat. Die Sorgfalt und Liebe, die langmütige Geduld, welche die Brü

Sie übt ausgedehnte Privatwohlthätigkeit. Wer die Hilfe der Assistance in Anspruch nimmt, wendet sich schriftlich an dieselbe. In jedem Arrondissement von Paris befindet sich ein Bureau, welches eine Anzahl von Herren | und Damen als unentgeltliche Beistände ernennt. Sobald eine Bitte um Unterstüßung angelangt ist, haben dicse lezteren die Verpflichtung, sich noch am selben Tage in der Wohnung des Armen von seiner Lage zu überzeugen und Bericht zu erstatten. Das Gesuch wird sofort erledigt. Im Jahre 1879 | der im Verkehr mit den unglücklichen Kindern wurden auf 55000 Gesuche Unterstüßungen gewährt und 70000 abschlägig beschieden. Hundertachizig Ärzte sind von der Assistance besoldet, die Kranken in ihren Wohnungen zu be- | handeln. Es sei hier erwähnt, daß die Wohl thätigkeitsbureaus im Jahre 1879 für Medika- Unter den hundertsechsundzwanzig Wohlthämente und Arzte allein gegen 700 000 Fran- tigkeitsanstalten von Paris gehören einunddreiken, für Unterstüßungen an Geld ungefähr | ßig den Schwestern vom heiligen Vincenz; für über 2250000 Franken, für Unterstüßungen | achtzehn dieser Häuser bringen die Schwestern an Nahrungsmitteln 1500000 Franken, im durch Sammlungen milder Gaben die Erhalganzen 5500000 Franken verbrauchten. tungskosten auf. Alle diese Häuser sind für die So großartig die Einrichtungen der Assi- Pflege und Erziehung von Mädchen bestimmt. stance sind, würden dieselben doch noch lange | In ihrer Einrichtung gleichen sie so ziemlich nicht genügen, um auch nur den dringendsten anderen, dieselben Zwecke verfolgenden WohlBedürfnissen gerecht zu werden. Es giebt | thätigkeitsanstalten. Die große Wichtigkeit der

an den Tag legen, verdienen die höchste Anerkennung. Die meisten der armen kleinen Wesen sind geistig völlig zurückgeblicben, ein Glück, daß ihre verkümmerte Intelligenz sie ihr Elend nur unvollständig empfinden läßt.

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