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liches Bild: die fürstlichen Kinder neben Goethe und dem Altertumsforscher Heinrich Meyer, die sich bestrebten, die Kleinen zu unterhalten. Acht Sommer zählte Marie, während sich Augusta im fünften befand. Der Dichter erzählte ihnen Schlangenmärchen und Begebenheiten aus dem Orient, auch schrieb er ihnen Chinesisch und Arabisch vor. Heinrich Meyer teilte sinnige Geschichten von Bettlern mit und ließ die Kinder ein wenig zeichnen. Ihr Eifer wurde belobt, ihre gelungene Zeichnung eines Baumes oder Häus

Im Schlößchen", dem zweistöckigen Hause mit stattlichem Balkon, verlebten fie manchen Sommer. Auf dem Plaz in der Nähe, der mit Pappeln umgeben ist, hat Riemer, der berühmte Gelehrte, Marie chens durch einen Ausflug belohnt. Zu

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Die ehemalige Universität und das Karzer in Jena.

die bekannten Stöcke, die Ziegenhainer", gefertigt werden, kaufte Heinrich Meyer einen Stock, und als einst den vom Regen überraschten Prinzessinnen die Schenke im Dörfchen Kunitz eine Zuflucht bot, hörten sie dort, von Studenten gesungen, das Räuberlied: „Ein freies Leben führen wir,

ein Leben voller Wonne."

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Sie staunten und lauschten, und auch die Mutter erstaunte nicht wenig, als sie das Lied aus dem Munde ihrer Töchter vernahm. Das hatten sie den Musensöhnen glücklich abgelauscht, und es gefiel ihnen so, daß sie es nicht mehr vergaßen. Ein freies Leben führen wir," ertönte Augustas zarte Stimme, wenn sie lustig über die Beete sprang oder sich in den Anlagen erging. Schon die Aussicht vom Balkon gewährte den holden Schwestern Freude, doch jauchzten sie über den Liebreiz der Landschaft wahrhaft auf, als die Mutter sie nach dem Fuchsturm führte. Da steht er, über siebzig Fuß hoch ins Blaue ragend, ein alter Verteidigungsturm, auf dem Hausberg, den Knebel in Hexametern besang:

Kahl ist der Scheitel, die Brust umgiebt der lau
bichte Weinstock,
Und von manchem Gehölz liebliches Farbengemisch.
Sattsam hast du bereits das Thun und Leben der
Menschen

übersehen, und nun lädst du zur heiteren Höh. Scheue den Fußtritt nicht, o Wanderer, liebliche Aussicht

Beut dir rings umher Stadt und der Fluß und

das Land.

Von der Turmspiße, die nach allen Seiten mit Fenstern versehen ist, schweift der Blick weit umher. Im Norden taucht Dornburg und Kamburg, im Westen der Ettersberg zwischen Weimar und Erfurt, im Süden die bis zum Erzgebirge sich erstreckenden Berggruppen hinter dem Orlathale auf. Über den Kernbergen ragt die Leuchtenburg hervor, und dicht unter dem Fuchsturm liegt das ganze Ziegenhainer Thal mit seinem reichen Baumwuchs ausgebreitet da. Die Burggrafen von Kirchberg, ein mächtiges Geschlecht, dessen Mannesstamm am Ende wählten einen herrlichen Plag für ihr des achtzehnten Jahrhunderts erlosch, Schloß. Der Fuchsturm ist der einzige überrest; es ist derselbe Turm, in dem vater der sächsischen Häuser, von seinem Markgraf Konrad von Meißen, der StammVetter in einem eisernen Käfig gefangen gehalten wurde. Zahlreiche Sagen knüpfen sich an den Turm, auch die von einem bösen Riesen, der in der Gegend hauste. Er schlug die Warnung seiner Mutter in den wind und vergriff sich sogar an ihr: Wind und vergriff sich sogar an ihr: Da wich sein Grimm so ganz aus allen Bahnen, Daß er mit frechen Händen nach ihr schlug. Und plöglich hüllt den Himmel dunkle Nacht, Der Sturmwind braust, der laute Donner kracht, Ein Aufruhr scheint das Thal rings zu erschüttern, und des Gebirges starre Seiten zittern. Der Frevler stürzt betäubt zur Erde nieder, Sie wölbt sich ihm zum schnell gefundnen Grab; Ein Berg bedeckt alsdann die Riesenglieder, und als nun längst verhallt des Lästrers Stimme, und tiefer sinkt er in den Grund hinab. und längst man Ruhe sand vor seinem Grimme, Da wuchs zu aller bösen Kinder Graus Der kleine Finger ihm zum Grab heraus, Den man von weitem schon erkennt

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Und den man jezt den Fuchsturm nennt.

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bäude, das sogenannte Johann Wilhelmerschloß, bewohnten der Hof und Goethe. Hier zog sich der Dichter, um ruhig schaffen zu können, in ein kleines Zimmer, sein Malepartus", zurück, wo er am Abend die Freunde empfing. Diesem Raume verdankte er viel produktive Momente", und die Benutzung der Wand, um Einfälle oder Beobachtungen zu notieren, gehörte zu seinen kleinen vergnüglichen Eigenheiten". An Schiller schrieb er in diesem Sinne:

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Es ist lustig, daß ich dort an einem weißen Fensterpfosten alles aufgeschrieben habe, was ich seit dem 21. November 1798 in diesem Zimmer von einiger Bedeutung arbeitete. Hätte ich diese Registratur früher angefangen, so stände gar manches darauf, was unser Verhältnis aus mir herauslockte."

Denn der neue Frühling blickt. Andere Verse von Goethe stehen auf einem Gedenkstein im Hintergrunde des Gartens, dem sogenannten Pappelsaale, und dort, wenn die Nachricht begründet ist, warb Prinz Karl von Preußen um die Hand der Prinzessin Marie. Geraume Zeit ließ sich Wieland unter diesen Bäumen nieder, auch Voß und Karoline von Wolzogen, Schillers Schwägerin, als der Tod ihres Gatten sie in die Einsamkeit trieb. Heinrich Meyer, der so gern im Barometerbeobachtungen und Verse an der Brinzessinnen-Garten weilte, schloß dort die Augen für immer. Im Wagen des Herzogs kam der Kranke aus Weimar, und sein leztes Wort war ein Gruß für den benachbarten, den botanischen Garten, in dem er mit Goethe in himmlischer Klarheit die Kunst be jprach".

In früheren Jahren waren sie viel im Schlosse zusammen. Am Fürstengraben, hart an der westlichen Ecke, erhebt es sich. Gleich der Universität besteht es aus einem Hauptund mehreren Nebengebäu den: dem Wilhelmer Schlosse, dem Reithause mit angrenzendem Turm, dem Amt- und Kornhause. Nach der Schlacht bei Jena, wo das Schloß den Franzosen als Lazarett gedient, räumte es der Herzog der Universität zur Aufstellung von Sammlungen ein; das archäologische, zoologische und mineralogische Museum nebst dem orientalischen Münzkabinett ist jetzt darin.

Das gegen Abend liegende Seitenge

Tüncher und Tapezierer ließen die

Wand verschwinden. Dieses Andenken an den Genius wurde bei einer Renovierung der Zimmer im Schlosse sowohl als auch im Gasthof zur Tanne vernichtet, denn auch dort benußte Goethe die Wand zu Notizen.

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Die Kirche in Wenigen-Jena.

Jenseits der Saale und dicht an der Brücke, die von Jena nach Kamsdorf, der Heimat des Dichters Albrecht v. Haller,

sagen, schrieb er dem fürstlichen Freunde und rief, als er das Dekret der Enthebung von der Inten= danz empfing:

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Hauses, eine dreifenstrige Schlafkabinett, waren oft Goethes liebster Aufenthalt.

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Korb mit Cham

pagner. Der

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Fürst trug ihn

selbst die Treppe

hinauf und rief

führt, liegt dem Freunde zu: „Komm, laß uns ander Gasthof stoßen, wir bleiben die Alten!"

zur Tanne. Die Erker räume des bescheidenen Stube und monatelang Dort hat

er den Fischer" und den „Erlkönig" gedichtet, Wolkenformen und Himmelsfarben beobachtet, auch Arbeiten zur Morphologie und den entopischen Farben entstehen lassen. Ich hatte mich," sagte er in den Tag- und Jahresheften, im Erker der Tanne zu Kamsdorf einquartiert und genoß mit Bequemlichkeit, bei freier Ausund Umsicht, besonders der charakteristischen Wolkenerscheinungen. Ich beob achtete sie nach Howard in Bezug auf den Barometerstand und gewann mancherlei Einsicht."

In diesem Gasthof erschien er 1817 in tiefstem Groll. Vor „Karstens Pudel", dem er das Auftreten in Weimar bekanntlich verweigern wollte, war er nach Jena und in die „Tanne" geflüchtet. Entschloss sen, der Theaterleitung für immer zu ent

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In der „Tanne" versöhnten sich die Freunde, doch nicht, wie irrtümlich gemeldet wurde, im botanischen Garten. Goethes altes Wohnhaus daselbst ist nicht mehr vorhanden; in dem 1825 neu erbauten Hause wurden zwei Zimmer für ihn hergestellt, in denen man jezt noch sein Schreibpult nebst Tintenfaß und Streubüchse zeigt. Wie oft und lange und mit rechtem Behagen hat er auch in diesem Garten gehaust"! Hier begann er den zweiten Teil der Italienischen Reise; noch um die Weihnachtszeit war er in dieser wunderlichen jenaischen Wohnung, wo aller Komfort nur aus der Seele des Bewohners entspringen kann". Der Plan für das größte Gewächshaus, um die südlichen Pflanzen zu überwintern, wurde von ihm gefertigt; als Rauch, Goethes Büste zu modellieren, ihn dort mit einigen Freunden besuchte, führte er die Herren durch das eben vollendete Haus.

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In diesem Garten verdrossen ihn die Nörgeleien" des Professors Luden über den Faust und die „unbändigen" Fragen der Schriftstellerin Johanna Schopen

hauer, der er den Ursprung der Seele er klären sollte. Plößlich verlor er die Geduld, nahm vor der redseligen Dame Reißaus" und eilte zum Buchhändler Frommann, der am Fürstengraben in dem geräumigen Hause wohnte, das später für die Zwecke des Zenkerschen Knabeninstituts umgestaltet und erweitert wurde.

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erwähnte, der sich ihm bei Frommanns vorstellen ließ. Nach allem und jedem", nach der Stadtverfassung, Handel und Gewerbe, bäuerlichen Verhältnissen, Ackerbau und Geognosie fragte er Stüve. „Sie sind Advokat," meinte er schließlich, „das heißt ein Mann, der aus jeder Sache etwas zu machen weiß."-Entschuldigen Excellenz," warf dieser ein. - „Recht so," sprach Goethe, „ein Advokat darf nie etwas zugeben."

Frommanns, wie die Jenenser sagten, liebten den zwanglosen Verkehr. Ihre „blaue Stube" stand jedem Fremden offen, und wer den behaglichen" Goethe in Jena Das Essen, welches er sich aus einem genießen wollte, suchte ihn in diesem Hause Gasthofe nach dem botanischen Garten auf. Oft kam er in Riemers Begleitung, bringen ließ, schmeckte ihm plötzlich nicht. plauderte am Theetisch, zeichnete ein wenig, Im Ärger darüber wollte er nach Weineckte die Frauen und ließ sich wieder mar zurück oder nach Dornburg. Die necken. Als Zacharias Werner in der Ge- Freunde sahen ihn ungern scheiden, und sellschaft war, erzählte ihm Goethe von dem als er Frau Frommann von dem schlechten Hallenser Studenten, der lärmend, in Ka Essen sagte, sprach sie mit ihrer Köchin nonenstiefeln und mit dem mächtigen Säbel davon. Doch diese erzählt uns am besten rasselnd ins Berliner Theater kam. Das selbst, was sie für Göhte that". Vor Bublikum murrte, schwieg aber plößlich einem Jahre lebte sie noch, eine rüstige betroffen, denn der Student sprang auf Achtzigerin, und ihr altes Auge strahlte die Bank und schrie: Schauderhafter noch einmal auf", als man sie nach ihrer

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