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haken das belebende Feuer wieder anzünden, wenn der Dampfwagen erscheint, um die deutsche Arbeit auf den entlegenen Bergspigen in Empfang zu nehmen und die schwere Eisenware den großen Märkten des Vaterlandes und des Auslandes zuzuführen. Der junge Bergknappe von Klausthal, der mit dem grünen Schachthute auf die Freit geht", sowie der Vogelhändler aus den sieben Bergstädten des Oberharzes, der mit seinen Kanarienvögeln die Reise nach Amsterdam antritt, gehören zu den typischen Figuren auf den Bahnhöfen zu Grauhof und Goslar.

Nordrand des Harzes handelt, über die beiden alten Städte Halberstadt und Gos lar gelenkt. Es ist dies in Bezug auf Goslar nur gelungen, indem man diese alte Kaiserstadt durch ein geschickt angelegtes Sicherheitsventil für den Verkehr, welches mehr als eine bloße Zweigbahn ist, mit dem Bahnhofe zu Grauhof verbunden hat. Goslar ist nun so vielfältig in das Eisenbahnnez hineingezogen, daß man sich ihm von Magdeburg aus fast nach Belieben auf dreierlei verschiedenen Eisenbahnen nähern kann. Zugleich ist es bis jezt die einzige Stadt am Fuße des Harzes, welche nicht allein mit der Da die sieben Bergstädte des OberEbene, sondern auch schon mit dem Ge- harzes früher wenigstens nur Hafer baubirgsplateau durch eine Eisenbahn in ten und weder Gemüsegärten noch InduJuni 1884. Fünfte Folge, Bd. VI. 33.

Monatsbeite, LVI. 333.

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dicht gegenüber. Eine echte Goslarsche Marktfrau aus jeßiger Zeit würde jedoch in der Beißkaße nicht Plaz haben. So werden denn auch die Ratsherren von Goslar bei der Beißkage wohl schon gezeigt haben, daß man die kleinen Diebe hängt, die großen und aufgeblasenen Wichte aber trog Galgen und Beißkaze nur zu oft frei herumlaufen läßt.

Der Dichter Friedrich Wilhelm Zachariä, der 1763 von Braunschweig aus den Oberharz besuchte, redet idealisierend von den „Karawanen der Harzmädchen“, welche die „seltenen Getränke“ von Goslar herauftrügen. Der Weg von Goslar nach Klausthal führt nach Zachariäs Beschreibung durch eine lange Reihe von Bergen, von denen einer immer höher, waldiger und fürchterlicher ist als der andere. Der Reisewagen, den er in der Kaiserswort (Kaiserswôrt) erhalten hatte, bestand in einer stark mit Eisen beschlagenen Karre. Zwei mutige schwere Hengste waren davor „lang“ gespannt. Sie hatten Schenkel wie die Knochen der Elefanten. Auf dem vordersten Rosse saß in die Quere „ein verwegener Harzjüngling mit um das Maul hängenden Haaren“. Er trug einen weiten Leinwandkittel und hielt eine schreckliche Peitsche in der Hand. Während die starken Rosse himmelan kletterten, rief der Knall dieser Peitsche einen tausendfachen Wiederhall in den Bergen hervor. Die herzoglichen Pferde, mit denen Zachariä nach Goslar gekommen war, hatte er von der Kaiserswort aus zurückgeschickt. Der Name wort kommt in mehreren niedersächsischen Städten vor. Das niederdeutsche wôrt bedeutet hovestat, Baustätte, umhegtes Grundstück. Die Wort war ursprünglich das Gildehaus der Gewandschneider. Man glaubt gewöhnlich, daß sie erst viel später als Gasthaus eingerichtet ist. Doch geht aus Zachariäs Reisebeschreibung hervor, daß das merkwürdige Haus schon 1763

Die Töchter der Bergleute in der Gegend von Klausthal und Goslar sind durch Heinrich Heine sehr anziehend geschildert worden. Man findet auch wirklich feine ausdrucksvolle Gesichter, wenn auch selten volle runde Gestalten unter ihnen. Da die männlichen Familienglieder früh schon als Pochknaben ihr Geld verdienten, so fühlten sie sich als Berg knappen in dem Alter von achtzehn Jahren schon vollkommen selbständig. Sie verließen das Elternhaus und lebten, wie sie es nannten, vor Bursch" im Hause der Schwiegereltern. Allein endlich mußte neben dem Hausstande der Eltern und Schwiegereltern noch ein dritter für die jungen Leute geschafft werden. Von die sem Augenblick an war gewöhnlich schon die Blüte der Frauen dahin. Wenn der Bergknappe aus dem dunklen Schacht heraufkam und seine Kleider gewechselt hatte, so wollte er nur noch sich durch Goslarsches Bier erquicken, die Zither spielen und singen. Je mehr er selbst aber jein „Verknieng" (Vergnügen) in der heiteren und geselligen Bergmannsstube verlangte, um so früher wurde die sorgen volle Hausfrau alt, verachtet, häßlich und zänkisch. Sie lag bald in beständiger Fehde mit den Verkäuferinnen auf dem Markte zu Goslar, welchen sie alles Geld bis auf den lezten Pfennig zutragen mußte. Zu welchen Scenen es dabei auf dem Marktplage gekommen ist, das läßt uns jezt der Ratsdiener von Goslar ahnen, wenn er uns die Beißkaze zeigt. Es sind zwei hölzerne Stühle dicht neben einander, in welche je zwei zänkische wenn auch vielleicht bloß nebenbei oder Marktweiber eingesperrt wurden. Die gar nur vorübergehend - als Herberge Köpfe, welche die beiden Gegnerinnen nicht gedient hat. Zachariä nennt sie ein verbewegen konnten, befanden sich einander wünschtes Schloß, das er gern für ein

gewöhnliches Wirtshaus gehalten haben würde, wenn die leeren Zimmer und Hallen ohne Stuhl und Tisch dies gestattet hätten. Als Heinrich Heine zu Ende der zwanziger Jahre dieses Jahr hunderts nach Goslar kam, scheint die Wort kein Gasthaus gewesen zu sein. Er übernachtete nahe dem Markte". Das Rathaus zu Goslar nennt er eine weiß angestrichene Wachstube, meint aber, „das daneben stehende Gildehaus" habe schon ein besseres Ansehen. Auch Heine er wähnt den Namen „Kaiserswort" noch nicht. Da er besonders die Kaiserbilder an dem Gildehause bespricht, so hätte er den Namen Kaiserswort vermutlich gebraucht, wenn er ihn gekannt hätte. Er jagt in seiner Weise, diese Standbilder deutscher Kaiser seien räucherig schwarz und vergoldet. In der einen Hand hätten sie das Scepter, in der anderen die Weltkugel, und so sähen sie aus wie gebratene Universitätspedelle". Erst 1846 erwähnte Brederlow in seinem Buche über den Harz die Kaiserswort unter diesem Namen als wirkliches Hotel, welches aber damals noch der Kaufmannsgilde gehörte. Der neue Aufput, von dem Brederlow sagt, daß er dem alten Gildehause schon manche ironische Glos sen der Reisenden zugezogen habe, scheint erst stattgefunden zu haben, als das alte Gebäude seine kaufmännische Bestimmung verlor, also lange nach Heines Reisebildern, obgleich es in diesen doch auch schon an ironischen Bemerkungen über das alte Gebäude nicht fehlt.

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Entdeckungen ging natürlich eine lebhafte Handelsbewegung, wenn auch später ein Rückschlag eintrat, als durch die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien um Afrika herum der Zwischenhandel von Italien und auch von Deutschland verödete. Jene Handelsbewegung begann nicht erst mit der Entdeckung Amerikas. Vielleicht bezieht sich schon die Stiftung des Ordens vom goldenen Vließ (1430) auf die Handelsverbindungen. Schon in den Kämpfen mit den Mauren hatten Portugal und Spanien die Wolle des transmarinischen Schafes nach seinem ganzen Werte schäßen gelernt. In Flandern wurde diese Wolle in kostbare Tuche verwandelt. Schon vor dem fünfzehnten Jahrhundert hatten die flandrischen Kaufleute beansprucht, daß ihnen die Verluste, die sie durch Räuber in Norddeutschland erlitten, von Städten wie Goslar und Wernigerode ersezt werden sollten. Gerade Goslar scheint sich dem nicht widersezt zu haben, wie es denn auch später, als Maximilian diese den Habsburgern ziemlich gleichgültige norddeutsche Reichsstadt verpfändete, selbst die Summe zahlte, um bei dem Reiche zu bleiben. Goslars Handel, der in der Blüte stand, verlangte dies. Auf die Niederlande waren die Blicke um so mehr gerichtet, als Maximilian, der lezte Ritter, sich schon 1477 mit der Erbtochter Karls des Kühnen verheiratet hatte, dessen Vater bei seiner dritten Vermählung mit einer portugiesischen Prinzessin den berühmten Orden gestiftet hatte. NachWas würde Heine gesagt haben, wenn dem Maximilian 1493 noch deutscher er bereits gewußt hätte, daß die Gewand- Kaiser geworden war, baute die Stadt schneider, die sich ja auf Dekorationen ver- den Gewandschneidern ihr Gildehaus auf stehen mußten, den Kaisern an ihrem der Wort. Seit Wilhelm von Holland Gildehause zum Teil den Orden vom in Goslar war, hatte kein Kaiser mehr goldenen Vließ umhängten, der erst die Stadt betreten. Die Gewandschneider mehrere Jahrhunderte nach den Lebzeiten setzten auf das Gildehaus die Bilder der derjenigen Herrscher, die hier dargestellt Kaiser, die sich um Goslar verdient gejind, gestiftet wurde? Indessen läßt es macht hatten. Wilhelm von Holland aus sich doch vielleicht erklären, daß die Tuch der „kaiserlosen, der schrecklichen Zeit" händler ihre Kaiserbilder auf diese Weise war nicht darunter. Wohl aber stellten ausstaffierten. sie fünf Heinriche, den zweiten Konrad, Durch das Jahrhundert der großen Otto den Großen und den sächsischen

Lothar in lebensgroßen Kaiserbildern auf Kaiserswort als ein Denkmal der groß

artigen und eigentümlich gestalteten Handelsverhältnisse im fünfzehnten Jahrhundert betrachten muß.

Am 31. Dezember 1883 jaß ich früh am Fenster meines Zimmers in der Kaiserswort. Ich wollte sehen, ob auf dem Markte der alten Kaiserstadt noch etwas von den alten Volks- und Bergmannsleben zum Vorschein käme. Was hätte ich darum gegeben, wenn ein munterer Bergknappe zum neuen Jahr sein fröhliches: Glück auf!" über den Markt gerufen hätte; aber nichts regte sich. Nur einige

die Front des Gildehauses. Die Stadt Goslar wollte ihre Privilegien verherr lichen, unter deren Schuße die Gewandschneider nur im Gildehause ihre flandrischen Tuche von der Wolle des spanischen Merinos verkaufen durften. Darum beging man den Anachronismus, einige der Kaiserbilder mit dem goldenen Vließe zu schmücken. Über all den Kaiserbildern erhebt sich ein schlanker Turm mit dem vergoldeten Reichsadler. Auch ein Schäfer hund ist abgebildet. An seinem Halsbande steht die Inschrift: Auro cura gregis dignissima est", die ut der Tauben umflatterten das schöne alte Herde ist Goldes wert. Das veredelte bronzene Marktbecken mitten auf dem Schaf hielt ungefähr zu jener Zeit seinen Plaze. Die Sage erzählt, der Teufel Einzug in England, aber erst mehrere habe dies einst zur Nachtzeit dorthin geJahrhunderte später in Deutschland. Zwar stellt. Vier Kandelaber, von denen jeder könnte der Spruch: Auro cura gregis vier Arme hat, umgeben zwei runde dignissima est auch eine Verherrlichung Steinterrassen. Über diesen erhebt sich

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von Goslar mit Tausenden von Bergleuten. So stürmten sie aus dem Rammelsberge heraus, wenn die Kaiserstadt brannte, und standen plötzlich da, wenn der Feind ihr nahte.

Goslar, das am Wege nach Klausthal hinauf eine ungeheure Schiefergrube besaß, ist seiner Bauart nach eine echte Schieferstadt. Auch die Häuser am Markte, der Kaiserswort gegenüber, sind mit Schiefer gedeckt, und freundlich lugen die Fenster der Dachstübchen aus Schiefer hervor, der sie mit schmalem Rande einfaßt. In diesen Häusern befinden sich die bekannten Goslarschen Bergfannen. Die berühm teste derselben, aus dem Jahre 1477, ein hohes Kunstwerk, fand man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in einer fest stehenden schmalen hölzernen Bank der Rathausstube.

Einst waren auf der Kaiserswort auch die Gesandten versammelt, welche den Westfälischen Frieden verhandelten. Der damalige Rektor von Goslar führte vor ihnen den verlorenen Sohn auf.

Das ehrwürdige Rathaus, wo die Gesandten schon 1641 den gefährlichen Krieg

und Oberstock. Zu letterem führt an der Giebelseite, die sich der angrenzenden Straße zukehrt, eine schöne Freitreppe, mit einem schüßenden Schieferdach und kunstvollem Steingeländer versehen. Unten gewährt eine offene Halle den Marktleuten bei Regenwetter willkommenen Schuß. Das Schieferdach des Rathauses hat sechs kleine Vorsprünge, die von den Steinmeßen hübsch verziert sind. Ferner befindet sich auf jeder oberen Ecke ein Aufsaß, einem Scepter ähnlich.

Treten wir in das Rathaus selbst ein, so machen die Kronleuchter aus Hirschgeweihen sogleich einen guten Eindruck, wie wir ihn im Rathause einer von wildreichen Forsten umgebenen Stadt nur erwarten können. Ein Kaiserbild und eine gut kaiserliche Inschrift vermehren unser Behagen, obgleich sie freilich uns auch ins Gedächtnis zurückrufen, daß der mächtigste Kaiser, den Goslar gesehen, hier in der Nähe bei Bodfeld nach der Jagd und nach dem Genusse einer Hirschleber gestorben ist. Übrigens finden wir in diesem alten und ehrwürdigen Gebäude fast alles so klein und äußerlich unschein

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