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Nahe dem Turme sehe ich die Caridad, das Hospital, in welchem sich die schönsten Murillos befinden, und weiterhin die Plaza de Toros, die Arena für die Stiergefechte. Eine schöne eiserne Brücke führt über den Fluß; sie verbindet Sevilla mit der Triana, seiner Vorstadt, dem Wohnort der Schmuggler, Schiffer, Zigeuner. Weiterhin erblicke ich die Cartuja, das einstige Kartäuserkloster, jezt Porzellan fabrik; sehe ich üppig grüne Berge und in der Ferne duftig-zart die Kette der Sierra Morena. Alles in allem ein blü hendes Bild, Andalusiens würdig.

Es war am ersten Pfingstfeiertag und gegen neun Uhr morgens. Die Glocken begannen zu läuten, auf einem, auf dem anderen Turme, dröhnend mächtig, hell und fein, in allen Tonarten. Wenn alle Glocken Sevillas läuten, so ist das ein Gesumm in der lauen sonnigen Luft, daß man keinen klaren Gedanken zu fassen vermag.

Hier allein wird man recht inne, welch eine Macht der Katholicismus noch besißt. In Italien, in Rom verschwindet das Gegenwärtige zu sehr vor der Erinnerung an die antike Welt, vor den großartigen Zeugen sowohl in Plastik wie in Architektur, die Kunde geben von untergegangenen Geschlechtern. Nirgends tritt das kirchliche Leben so in den Vordergrund, greift es so unmittelbar in das Treiben des Tages als in Spanien. Und besonders ist das in Sevilla der Fall. Hier ist die Kirche reicher als anderswo, das Volk mehr zu Schaugepränge geneigt als anderswo; hier findet man die eigentümliche Verbindung von Religion und Genuß, von fanatischer Askese und feuriger Sin nenlust. Hier sieht man noch heute die Gestalten Murillos auf den Straßen, in den Kirchen: Frauen, welche mehr Weib als Madonna find; Männer, welche in der Santisima Virgen nicht allein die Heiligkeit, sondern auch die Schönheit verehren. Geschlechtsliebe und religiöse De votion findet man hier seltsam vermischt.

Oft sah ich in einer stillen Kapelle Blicke von verzehrender Inbrunst und

Verzückung zu der Darstellung der Heiligen emporgerichtet, die sich von irdischem Verlangen nicht unterschieden. Der Klerus kennt sein Volk und weiß, wie er Macht über dasselbe gewinnt. Alle Künste macht er sich dienstbar, und wer ein eindruckfähiges Gemüt hat, hüte sich, sich in seinen Bannkreis zu begeben. Ich habe die Wirkung an mir selbst erfahren die herrlichen Kathedralen, die Meisterwerke der Malerei und Skulptur, der süße Gesang, Orgel-, Violinen- und Flötenklang, betäubender Weihrauch, dazu die feierlich schwarzgekleideten, leise murmelnden Beter, die erschreckend natürlich bemalten Holzbildnisse der Heiligen wer da nicht selbst von Holz ist, dem beginnt bald jeder Nerv zu zittern und der Kopf sich zu verwirren.

Fremde aller Nationen strömen während der Karwoche nach Sevilla, die Preise in den Gasthäusern und casas de huespedes steigen dann um das Zweibis Dreifache. Denn die semana santa wird jeßt, da die offiziellen Kirchenfestlichkeiten in Rom suspendiert sind, von der ganzen Welt hier am großartigsten gefeiert. Acht Tage ruht alles bürgerliche Leben, Tag für Tag ziehen Prozessionen durch die Stadt, läuten die Glocken, ist Gottesdienst und feierlich Umzug in den Kirchen. Doch noch interessanter als die Karwoche ist Fronleichnam, weil es eine eigenartige Ceremonie, den Tanz vor dem Hochaltar, besißt, die nirgends, selbst in Rom nicht, gefeiert wird. Das Fest des corpus domini wird nicht viel von Fremden besucht, dagegen sehr von Spaniern. Erstere scheuen die Hize, da das Fest spät fällt.

Doch ich muß zum Pfingstmorgen zurückkehren, an dem ich unter betäubendem Glockengeläute von der Giralda niederstieg. Ich ging über den Orangenhof und trat an Blinden, Krüppeln, Bettlern vorüber, die ihre Hand bittend nach jedem Fremden ausstrecken, in die Kathedrale. Anfangs vermochte ich nichts zu sehen, denn ich kam aus hellem Sonnenschein in dunkles Dämmerlicht. Dann schweifte

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den; ihre Orgel besißt fünftausend Pfeifen; an zweiundachtzig Altären wird gebetet und Messe gehalten. Die Geistlichen der Kirche bestanden früher aus hundertdreiunddrei Big, jest siebenundneunzig Priestern, das Erzbistum besaß neunhundert Häuser in Sevilla, viele liegende Gründe und Korn renten. Das sind trockene Ziffern, allein sie geben doch einen Begriff von dem grandiosen Charakter dieser katholischsten aller Kathedralen. Rechnet man dazu den Reichtum an Skulpturen und Male rei, an Holzschnigarbeit, den Silberschat, den Glanz der Meßgewänder und Altar

Die Wirkung der Kathedrale wird etwas durch eine Einrichtung beeinträchtigt, die allen spanischen Kirchen eigen tümlich ist. In dem Mittelschiffe erhebt sich, durch eine gerade, mit Skulpturen bedeckte Wand (den trascoro) abgeschlossen, der coro. Leßterer ist der Sig der Geistlichkeit und innen mit der silleria del coro versehen, deren reichgeschnißte Size, Lehnen und Rücken oft ein Museum für sich bilden. Ein Gitter, die reja, schließt den Chor ab und es folgt, meist unter der Kuppel und in einer Linie mit dem Querschiffe, ein quadratischer freier Raum,

entre los dos coros (zwischen den beiden Choren). Ihn begrenzt ein neues Gitter, dann erhebt sich auf ansteigenden Stufen der Hauptaltar, welcher im Rücken durch einen hoch emporragenden Retablo begrenzt wird. Nach den Seitenschiffen ist die capilla mayor mit dem Hauptaltare entweder durch ein eisernes Gitter wie in Sevilla oder durch eine Skulpturenwand wie in Toledo abgeschlossen, die auch durchbrochen den Einblick in das Allerheiligste gewährt. Die Reja und der Retablo bieten den Künstlern Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Geschicklichkeit. Das eiserne, reichvergoldete Gitter ist oft ein Meisterwerk der Schmiedekunst, der Retablo ein anderes der Holzschnißarbeit. Gotische Spigbogen oder Renaissancesäulchen teilen ihn, und er enthält eine verwirrende Fülle von Reliefs, Figuren und Ornamenten, die bemalt oder ver goldet sind. Zuweilen ist auch der Retablo von Stein wie im Dome von Malaga.

Eine zweite Eigentümlichkeit der spanischen Kirchen sind die beiden Orgeln im Chor und die beiden Kanzeln vor dem Gitter des Hauptaltares. Lettere sind nach Südwest und Nordost in die Seiten schiffe hinein gerichtet. Eine dritte Orgel über einem der Portale, deren Pfeifen schräg in die Kirche hineinstehen, tritt oft noch hinzu. Retablo und Chor erheben sich in halber Höhe des Mittelschiffes; je niedriger besonders der Chor ist, desto reiner hat man den Eindruck des ganzen Bauwerkes. Eine andere Besonderheit, die, obwohl unbequem, die malerische Wir fung erhöht, ist der vollständige Mangel an Stühlen und Bänken in der Kirche. Wer eine Predigt nicht stehend anzuhören vermag, bringt auf dem Arme einen Feldstuhl mit, in dessen Ausschmückung ziem licher Lurus entfaltet wird. Doch thun das nur Damen und auch nur einige. Die meisten knieen oder kauern auf den Strohmatten oder Teppichen, die man auf den Steinboden entre los dos coros breitet. Die Männer stehen oder sie Enien auf einem improvisierten Teppich,

ihrem Taschentuch, und stüzen den linken Arm auf Stock oder Schirm, der zugleich den abgenommenen Hut trägt. Die Spanierin kleidet sich zur Kirche nur schwarz, und es stimmt feierlich, die Reihen kniender schwarzer Gestalten zu sehen, deren Auge und Sinn, wenigstens anscheinend, alle nach einer Richtung gewandt sind. Ob ein Blick in die von der Spizenmantilla anmutig umrahmten reizenden Gesichter der Andalusierinnen nicht die Feierlichkeit stören und weltliche Gedanken wekken würde, wage ich nicht zu entscheiden. In spanischen Kirchen dreht man nie dem Hauptaltar den Rücken zu; thut es einmal ein Fremder, in Bewunderung des Coro versunken, so kommt gleich der Sakristan in langem, schwarzem Mantel, den glänzenden Metallstab in der Rechten, und mahnt ihn an seine Pflicht. Nie geht auch ein Spanier an einem Altar vorüber, ohne sich tief zu verneigen, er gehe vorüber, so oft es auch sei. Man erwartet das auch von Touristen, und es ist bei der Menge der Altäre nicht leicht, keinen Verstoß zu begehen. In dem nicht vorschriftsmäßigen Benehmen und der hellen Kleidung erkannte ich in der Kathedrale von Sevilla gleich einige Fremde. Ein paar junge Amerikanerinnen oder Engländerinnen, braun gebrannt, mit großen praktischen Strohhüten, großen praktischen Schuhen und troß des Festtages in furzen grauen Waterproofkleidern. Es mußten junge Mädchen sein; sie waren überschlank. Ein Neger, reichlich mit Plaids beladen, ging hinter ihnen. Dann erschien eine korpulente elegante Französin mit vieler Tournüre und vielen Federn auf dem extravaganten Hute. Ein Herr, ebenfalls à quatre épingles, eine rote Nelke (Ehrenlegion imitierend) im Knopfloch, führte sie am linken Arme. Wenn ich auch nicht die Korpulenz der Dame und die Nelke des Herrn gesehen, so würde mich diese Art des Führens jedes Zweifels über ihre Nationalität überhoben haben.

Die Messe war vorüber, unter die Einheimischen und Fremden geriet Bewegung, sie gingen von dem Raume

zwischen den Choren" nach den Seiten | in Violett, ein schwarzes viereckiges Baschiffen, die Prozession sollte beginnen. rett, in dessen Mitte sich eine grüne Von Chor und Hauptaltar zog sie aus, Seidenpuschel befindet, auf der Tonsur; die Menge der Sevillaner und Fremden Priester in Meßgewändern, weiß, gelb, wich, eine Gasse bildend, zurück. bunt, goldgewirkt. Viele dieser Gewänder sind Meisterwerke der Handstickerei in Gold, Silber und Seide, großblumig oder mit stilvollem Ornament; sie und die kost= baren Spizenmanschetten wie die Chorhemdenbefäße sind von unschäzbarem Wert.

Boran schritt eine merkwürdige Gestalt in langem schwarzem Atlasrock, über den von den Schultern ein runder Kragen fiel. Auf dem Kopfe trug der Mann eine schwarze Perücke, die hinten in ein wohl gedrehtes abstehendes Zöpfchen auslief; sein hageres Gesicht glich den Zügen, welche Velasquez zu malen liebte, cha rakteristisch, sprechend, stolz und selbst bewußt. In der Hand hielt er einen langen glänzenden Metallstab; er ist der Ordner der Prozession.

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Nun kam auf erhöhtem Postament, von Kerzen beleuchtet, von prunkendem Silber strahlend, in einem Kranze von Brillanten, das Allerheiligste, die Monstranz mit dem Leibe des Herrn. Wie die Mahd vor der Sense des Schnitters, so sank alles Lebende in der Kirche zu Boden, auf die Knie und schlug das Zeichen des Kreuzes. Als es vorüber, standen die Andächtigen auf; viele Herren nahmen den Kirchenbeamten, die, dem Zuge folgend, große Bündel langer roter Wachslichter trugen, die dargebotenen Kerzen ab und folgten mit den brennenden Lichtern der Prozession. Alle zogen nach dem Sagrario, wo eine neue Ceremonie stattfand, dann kehrten sie in derselben Ordnung, weit im Bogen um den Chor gehend, zum Hauptaltar zurück. (Schluß folgt.)

Hinter ihm zogen in schwarzem Gewande mit weißen Chorhemden singende Priester. Eine seltsame Musik begleitete den Gesang. Vier Männer Laien, nicht Geistliche spielten die Flöte, die Pfeife und das Horn, sie werden zu hohen Festtagen engagiert. Es folgten ihnen rot röckige Chorknaben mit goldenen Diademen auf dem jungen Haupte; sie versuchten, die runden Wangen und den frischen Mund ebenfalls in feierlich asketische Falten zu ziehen. Dann Priester

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o als nordwestlichste Grenz dem Bruche. Sie alle sind Städte mit pfeiler des deutschen Gebirgs- selbständigen Regierungen im vollen Sinne landes neben dem bläulichen des Wortes gewesen. Aber sogar BallenBrocken der dunkelgrün ge- stedt, welches ich hier aus dem Spiele färbte Bruchberg sein melancholisches lassen will, ist jetzt nur noch ein herzogHaupt erhebt, stürzt von jenem die Bode licher Witwensiz ohne Regierung. dem Elbgebiete und von diesem die Oker dem Wesergebiete zu. Es müssen recht ansehnliche Wassermassen sein, welche dort oben im Gebirgsnebel von den Heren zu sammengebraut werden, denn einige Meilen nördlich vom Harzgebirge flutete in alter Zeit ein See aus den Gewässern der Bode bis zu denen der Oker oder wenigstens der Jlse hin. Diese Sumpflandschaft, der Oschersleber Bruch, ist in alter Zeit ein Schußgraben für das deutsche Kaisertum gewesen. Hinter ihm ist das sächsische Königtum groß geworden. Wo nicht in Quedlinburg, so hätte es doch schon früh in Goslar sich vor den Ungarn sicher fühlen können, ehe sie besiegt waren. Lange dauerte die Blüte der Kaiserstadt Goslar und noch länger die Nachblüte. Halberstadt, Wernigerode und Blankenburg liegen in dem Viereck zwi schen dem Harze, der Bode, der Oker und

Der im Mittelalter so blühende Vertehr dieser kleinen Harzresidenzen war nicht allein durch die politischen Veränderungen der neueren Zeit gesunken. Auch das Eisenbahnwesen fügte ihnen anfänglich bedeutende Nachteile zu. Einst hatten diese Städte, die den Schlüssel zum Gebirge besaßen, den Verkehr durch ihre Frachtwagen mit den schmucken Pferden über die Gebirgspässe zu leiten verstanden. Nun schien aber die Eisenbahn anfänglich nur für die tiefsten und glattesten Stellen der Ebene berechnet zu sein. Zwischen dem Harze und der Altmark hatten sich seit alter Zeit die Landstraßen von Berlin nach Köln und von Obersachsen nach der Nordsee gekreuzt. Man glaubte diese Kreuzwege eine Strecke weit durch die Eisenbahn in der Bruchlinie vereinigen zu können. Da wurde das kleine Oschersleben ein Knotenpunkt, der

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