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Der rote Wein wird Krollo, der weiße Kreo, auch Kräger genannt, der wirklich trinkbar ist, wenn Luther auch schrieb: Jhene ubi acetum crescit. (Jena, wo der Essig wächst.)

An der Weinstube vorüber schreiten die gestrengen Herren, die Gemeinderäte, Polizeibeamten und Stadtkämmerer, in ihre Bureaus, die im oberen Stocke liegen. Das Ratszimmer enthält treffliche Bilder:

Das Johannisthor in Jena.

Herzog Karl August und seine Eltern, Bernhard von Weimar und die Herzogin von Tremouille, Jenenser Bürgermeister und Ratsherren blicken dort von der Wand. Über den Fenstern ist die berühmte Uhr. Zu beiden Seiten des Zifferblattes steht eine Figur, und zwischen ihnen, über der Uhr, ist ein von Blech gefertigter Menschenkopf mit beweglichen Kiefern, der Schnapp hans, angebracht. Bei jeder Viertelstunde erhebt die links stehende Figur, ein Engel, ein Glöckchen; schlägt die Uhr aber voll,

so reicht die Figur zur Rechten mit jedem Schlage einen an einem Stabe steckenden vergoldeten Apfel hin, nach dem jener Kopf, den Mund aufreißend, schnappt. Nie kann er den Apfel erfassen, was ver mutlich, wie der Führer durch Jena be= merkt, ein Sinnbild der unersättlichen menschlichen Begierden und der ewigen Versuchung bedeuten soll. Eine andere Quelle fügt dieser moralischen Nuzanwen

dung hinzu: „Wenn das Uhrwerk oder Zeiger zu Jena am Rathhause schläget und die Stunden anzeiget, so sperret ein Mann daran das Maul auf. Daher hat Herr Dr. Martinus Lutherus seliges Gedächtniß die Art zu reden genommen und von Maulaffen und Gaffen gesaget: Hans von Jena. Seine Worte lauten also in der Hauspostilla in der dritten Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis: Wenn ein großmächtiger König auf Erden Hochzeit machete, hätte die Mahlzeit herrlich bereitet und lüde viel dazu, da würde ein Zulaufen werden von allen Orten, und Hans von Jena würde auf allen Gassen sein und sehen wollen den königlichen Schmuck und Pracht."

Aus dem Gasthof zum Schwarzen Bären, wo Luther auf seiner Flucht von der Wartburg weilte, kam er ins Rathaus. Bis 1677 stand der Galgen davor; auf derselben Stelle, noch um die Zeit von Goethes Weimarer Jugendperiode, fochten dann die Studenten im Kreise der Genossen ihre Händel aus. Das geschah am hellen Tage, wäh rend die Väter der Stadt im Rathaussaale berieten, und die Tradition erzählt von einem Ratsherrn, den das Degenklirren ans Fenster lockte. In einem der Kämpfenden den eigenen Sohn erkennend, rief er ihm zu: „Friz, halt dich brav, du sollst auch 'n neuen Rock haben!"

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War dann das nötige Blut geflossen und die Sache akademisch arrangiert", so eilte die Schar, Rapiere und Ziegenhainer schwingend, unter Hundebellen und Hallo zum Burgkeller. Am Ausgang der Johan nisstraße gelegen, giebt diese ehrwürdige Kneipe" dem Rathause an Alter wenig nach. Ein Jahr nach Erbauung des Burgkellers, der sich mit seinem schönen Giebel würdig präsentiert, traf dort der gefangene Kurfürst Johann Friedrich mit seiner Gemahlin und drei Söhnen ein. Wenn es in diesen Räumen spufen sollte, ein Wunder wäre es nicht, denn Mord und Totschlag gab's genug ,,an diesem Orte, so zur Kurzweil und zur Labsal errichtet ist". Da wurden Spielleute, Weber, Trompeter, Schulknaben, verschiedene Studenten und ein Kaufmann ermordet, welchem Entleibten wegen seiner liederlichen Lebensart alle Seligkeit abgesprochen ward."

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Längst ist die rohe Sitte und wüste Raufbolderei dem Anstand gewichen. Wer in den zwanziger Jahren nach Jena kam, hob das anmutende Leben und Treiben der akademischen Jugend hervor. Von dem Alten, jagt unser Bericht, war noch so viel an bunter Romantik äußerer Erscheinung geblieben, um das Phan

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Tonne Bier in einer Sigung hinunterzugießen, jeden, der ihm zu nahe kam, hinter die Ohren schlug und bereit war, die Sache gleich auf der Stelle, auszumachen. Seine Sprache war ein Gemisch von eigenen Kunstwörtern, sein Ideal der Vollkommenheit ein vollendeter Schläger und das niedrigste Geschöpf ein Mensch, der nicht Lust hatte, sich jeden Augenblick um nichts zu raufen, und sich in seiner Kleidung einiger Sauberkeit und Eleganz befliß."

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stern, den beiden Sofas und dem für zwei Karolin erworbenen Schreibtisch schon beschrieben! Mamsell Schramms trugen ihm das Mittagessen für täglich zwei Groschen auf und wünschten ihm von Herzen Glück, als er sich zur ersten Vorlesung aus dem Hause begab.

In Reinholds Auditorium wollte er lejen. Bei ihm am Fenster stehend, sah er den immer größeren Andrang der Studenten nach der Universität. Heute die alte genannt, vom Paulinerplag und der Kollegienstraße bis zum Holzmarkt reichend, war sie bis ins sechzehnte Jahrhundert das Paulinerkloster des DominikanerPredigerordens. Sieben Bauten gehören dazu, unter denen Kirche, Konviktorien gebäude, anatomisches Theater und Amthaus mit Karzer bemerkenswert sind. In lezterem rufen tragi-komische Zeichnungen besonderes Interesse hervor. Denn 1822, als zwei Freunde des damaligen Studenten Distelly aus St. Gallen im Karzer saßen, vertrieb er sich und ihnen bei einem Besuche die Zeit, indem er groteste Darstellungen in Lebensgröße an die Wand malte: den Raub der Sabinerinnen und Marius auf den Trümmern von Karthago. Es wurde strenges Gericht über dieses Vergehen gehalten, doch auch die würdigsten Gesichter lösten sich in Lachen. auf. Bald kam es zu den Ohren des Großherzogs Karl August; beim nächsten Besuche in Jena nahm er die Gemälde in Augenschein und befahl, sie durch Schließung des Karzers zu erhalten.

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Nur eine kurze Strecke liegt WenigenJena von der Stadt. Zur Rechten des Weges hat man den Hausberg und die Landstraße, die am Fuße des Felsens nach Eisenberg und Gera führt. Dort in der turmlosen Dorfkirche mit dem hohen Giebeldach und dem großen Fenster im Hauptgebäude wurde Schiller, „öffentlicher Lehrer der Weltweisheit", mit Charlotte von Lengefeld getraut. Der Adjunkt Schmidt, ein kantischer Theologe, vollzog die heilige Handlung; es war nach dem Kirchenbuche am 22. Februar 1790, nachmittags halb sechs.

Vielleicht gaben Kirchenrat Griesbach und seine Gattin, eine der liebenswertesten Erscheinungen ihrer Zeit, den Neuvermählten das Hochzeitsmahl. Denn in dieses Haus zogen Schiller und Lotte auf mehrere Jahre. Hier wurden die „Horen“ redigiert, der Kampf mit oft nagenden Sorgen bestanden, die erkrankte Gattin, der kranke Dichter gepflegt. Drei Kinder schenkte sie ihm in diesen Räumen, und hier, wie Griesbach erzählt, spielte er mit den Knaben, indem er als Löwe auf der Erde kroch. Dann," fügte der Kirchenrat hinzu, „kam er mir größer vor als jener König, der so von einem spanischen Gesandten überrascht wurde."

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Diese Wohnung war nach der Mitteilung eines jungen Reisenden im Hinterhause. Über den Wirtschaftshof und durch einen langen Korridor kam er zur Thür. Eine schwache, unmännliche, fast quäkende Stimme, begann er seinen wenig bekannten Bericht, lud ihn zum Eintritt ein. Schiller erhob sich vom Kartentisch. Alles von ihm widersprach dem, was ich mir über seine äußerliche Gestalt und ihren Ausdruck eingebildet hatte. Ein langer Mann mit schlaffem Körper, die Kniee eingebogen, ein mattes Auge mit unstätem Blick, ein bleiches längliches Gesicht ohne Ausdruck und dazu rötliches Haar und lange Hände, die ein Schnupftuch hin und her drehten." Auch ein anderer, der ihn in dieser Wohnung besuchte, hebt die schlechte Haltung seines Körpers, seine ungestalteten Füße (was man in Tübingen

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men versteckte Bretterhütte in ein festeres Häuschen mit einer Zinne verwandelt, eine massive Küche und ein Bad angelegt. „An den Maurer 53 Thaler 9 Groschen, an den Schlosser 13 Thaler 19 Groschen“, ist im Kalender notiert.

Weinstülchen nannte) und die sonderbare er nur wenig ändern, doch wurde die in Bewegung seines Kopfes hervor. In der südwestlichen Ecke unter alten Bäuseiner Kleidung hatte er nicht nur keinen Geschmack, was wohl zu verzeihen wäre, sondern er handelte so sehr gegen alle Regeln desselben, daß er meist wunderlich angezogen war, besonders wenn er sich puzen wollte. Er konnte dann leicht einen blauen Frack und ein rotes Halstuch, gelbe Beinkleider und dunkle Strümpfe zusam men anziehen, und dies gab seiner ganzen Figur, besonders durch die zusammenstoßenden Kniee und auswärts gebogenen Füße, etwas Bizarres.“

Will man weiteren Berichten glauben, ging es in dieser Wohnung oft wunderlich zu. Das Essen, welches junge Leute mit der Familie teilten, kam aus der „Schrammei". Meist erst um drei, da sich Schiller kaum vor Mittag aus dem Bette erhob, ging es zu Tisch, und als er nach eben überstandener Krankheit noch nicht arbeiten durfte, verbrachte er die Zeit bis zum nächsten Morgen mit Kartenspiel. In Geldgeschäften „äußerst nachlässig", hatte er, vermutlich nach dem Besuche seiner praktischen Mutter, plößlich rechnen gelernt. Lustig war es anzuhören, sagt unsere Quelle, wenn er nun ins Rechnen kam. „Einst erklärte er in vollem Ernst, mit wie wenigem der Mensch leben könnte, und die ganze Summe belief sich auf sechs Thaler. Die Rechnung war etwa in die sem Sinne: Man kauft sich ein Laib Brot, man hat an einem halben Kreuzer täglich genug und ist in der Woche ein mal eine warme Wurst.“

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Von dem Hause hatte man einen prächtigen Blick ins Saalthal und sah stundenweit auf den schönen, durch Gebüsch und Krümmungen unterbrochenen Strom. Wenn der Mond über die kühn geschwungenen Bergzüge lugte, genoß Charlotte Schiller die großen Massen von Licht und Schatten, die an dem weißlichen Sandfelsen entstanden. So sagte einer der Biographen in seiner Schilderung des Gartens, während Goethe in seiner wunderbaren, dem Andenken Schillers geweihten Dichtung sang:

Da schmückt er sich die schöne Gartenzinne,
Von wannen er der Sterne Wort vernahm,
Das dem gleich ew'gen, gleich lebend'gen Sinne
Geheimnisvoll und hell entgegenkam.
Dort sich und uns zu köstlichem Gewinne,
Verwechselt er die Zeiten wundersam,
Begegnet jo, im Würdigsten beschäftigt,
Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt.

In diesen Räumen und diesem Garten entstand der größte Teil des „Wallenstein" und eine Fülle von Balladen: Der Taucher, Der Handschuh, Ritter Toggenburg, Die Kraniche des Jbykus, Der Gang nach dem Eisenhammer, Der Kampf mit dem Drachen. Bis in den Spätherbst, wo Schiller wieder die Wohnung im Griesbachschen Hause bezog, war er unter diesen Linden, Tannen und Akazien glücklich. Goethe fam oft in den Garten, und wie er nach dem Kaufe des Grundstücks die Maurer und Zimmerleute mühsam beaufsichtigt hatte, so gab er sich zwölf Jahre nach dem Tode des Freundes wieder die größte Mühe, das Zinnenhäuschen zu erhalten. In seinem amtlichen Gutachten darüber lautet die Stelle: Schiller baute in der linken Ecke seines Gartens ein kleines Häuschen, wo zu einem einzigen Zimmer im ersten Stock eine freistehende Treppe führte. Diese ist sowie die allzu tief liegenden unteren Schwellen verfault.

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Diese wären höher neu einzuziehen, die Treppe in das Gebäude zu verlegen und das Ganze so herzustellen, daß man zu dem oberen Zimmer gelangen und Fremde dahin führen könnte. Diese wallfahrten häufig hierher, und meine Ansicht ist, den hergestellten Raum nicht leer zu lassen, sondern des trefflichen Freundes Büste daselbst aufzustellen, an den Wänden in Glas und Rahmen ein bedeutendes Blatt seiner eigenen Handschrift, nicht weniger eine kalligraphische Tafel, meinen Epilog zur Glocke enthaltend. Hierzu möchte ich nun einen Stuhl, einen kleinen Tisch, dessen er sich bediente, vielleicht Tintenfaß, Feder oder irgend eine andere Reliquie. Alles sollte, soviel es der Raum gestattet, anständig und zierlich aufgestellt werden,

den Wunsch Einheimischer und Fremder zu erfüllen und diese Freundespflicht gegen ihn zu beobachten." Die Ausführung dieses Vorschlags fand aber Hindernisse, und da das Zinnenhäuschen immer baufälliger wurde, mußte es beseitigt werden. Die durch ewigen Ruhm geweihte Stätte wurde mit einem Rasenhügel geziert, auf dem sich, von einem Haufen Geröll und Buchsbaum umgeben, ein Granitblock mit der Inschrift erhebt: Hier schrieb Schiller den Wallenstein."

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Sieben Jahre ruhte er im Gewölbe der Jakobskirche zu Weimar, als Herzog Karl August, der einen Platz für eine Sternwarte suchte, Schillers Jenenser Garten zu diesem Zwecke erwarb. Dicht neben dem zweistöckigen Hause wurde die Sternwarte erbaut, und poetischer, sagt ein kundiger Führer, konnte dieser Play nicht verwendet werden. Denn wo Schiller über den aberwißigen Träumereien der Astrologie brütete, mit denen er seinen Wallenstein und Seni auszustatten hatte, beobachtet und berechnet jezt die erhabenste Wissenschaft den Lauf und Wandel der Gestirne und ihre ewigen Gesetze.

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Auch einen Garten, den Griesbachschen, an der Nordseite vom botanischen Garten begrenzt, wählte Karl August für seine Pläne. Es war 1816, als sich die Witwe des Kirchenrats entschloß, dem Herzog den Garten käuflich zu überlassen. Er bestimmte ihn zum Sommeraufenthalt seiner Schwiegertochter, der. Großfürstin Marie Paulowna, und seiner Enkelinnen Marie und Augusta, der verewigten Prinzessin Karl von Preußen und der deutschen

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