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rem dahin: „Wer, die geschichtliche Entwickelung zusammen... Es hat größere Minister gedes ungarischen Stammes berücksichtigend, den gegenwärtigen Zustand unseres wissenschaftlichen Lebens und Apparates objektiv betrachtet und überprüft, der wird gewiß zu dem Re- | sultat gelangen, daß dieser Stamm ein großes Anpassungsvermögen und daher auch eine große Lebensfähigkeit besißt. In einer kurzen Spanne Zeit wurden die Grundlagen für ein modernes, der Entwickelung fähiges wissenschaftliches | Leben aus eigenem Antriebe und aus eigener Kraft geschaffen, die Wechselwirkung in Gang gebracht. Mit der Konsolidierung der gesell schaftlichen Zustände werden sich diese Verhältnisse sicherlich noch bessern. Wenn es die Weltereignisse begünstigen, kann darüber kein Zweifel bestehen, daß Ungarn auch voll und ganz ein Kulturstaat im Sinne des fortgeschrittenen Westens werden muß." Ein sehr geistvoll geschriebener Artikel ist Das ungarische Par lament" von Dr. A. Nemenyi. Aus der Fülle der Urteile über die Parlamentarier Ungarns mag nur folgende Auslassung über den Minister präsidenten Koloman v. Tisza hier Plaß finden: „Er brachte Ordnung in die Finanzen, | er brachte Ordnung in die Verwaltung, jein Wille hielt allein eine große politische Partei

geben auch in der Regierung Ungarns; einen Staatsmann jedoch, der in kritischen Zeiten und im Besiße der Macht so unverbrüchliche Treue dem liberalen Gedanken bewahrt hätte wie Koloman Tisza, hat es selten in irgend einem Lande gegeben." Über den ungarischen Klerus veröffentlicht der berühmte Verteidiger Advokat Karl v. Ötvös einen sehr anzichenden Essay, und die „Ungarischen Frauentypen“, die uns Dr. Agay vorführt, sind eine besondere Delikatesse des feuilletonistischen Werkes. Ein wahres Kabinettstück des Humors ist endlich die | Skizze des berühmten ungarischen Romanciers Maurus Jokai: „Mein Bühnenleben."

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Wir schließen den Bericht über das originelle Werk mit den beherzigenswerten Schlußworten desselben: „Wer Ungarn näher kennen gelernt hat, ersieht, welch günstiger Boden für die mannigfaltigsten Kulturen daselbst vorhanden ist... Das Land ist eine,terra benedictissima', nur bedarf dasselbe der Mitwirkung der beiden Faktoren: Arbeit und Kapital, um es jener Stufe rasch zuzuführen, welche andere Länder nur nach Jahrhunderte währendem Ringen allmählich erklommen haben.“ A. K.

Litterarische Notizen.

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Epoche hervor; das ergreifend Menschliche bleibt dabei die Hauptsache und ist stark genug, dem Chronisten das Gemüt der Leser zu gewinnen. Darauf eben kommt es an. Mögen die Wissenden über das Mehr oder Minder in der Echtheit der Fassung streiten – wenn das Herz nicht erschüttert wird, ist auf eine größere Teilnahme für die gelehrten Studien nicht zu hoffen. Auch die beiden anderen Erzählungen, welche Hänselmann „unterm Löwensteine“ her vorgeholt hat, sind charakteristisch und fein ausgeführt.

Über die kulturhistorischen Erzählungen wer seinem entführten Söhnlein. Hier tritt eine den die Akten sobald nicht geschlossen sein, allgemein menschliche Empfindung, die alle denn das Studium der Eigentümlichkeiten ver- | Zeiten überdauert, im Rahmen der bestimmten gangener Zeiten besißt einen außerordentlichen Reiz, der noch lange nicht erschöpft ist. Un endlich verschieden ist der Standpunkt, auf den sich die Verfasser, und ebenso verschieden die Ansprüche, welche die Leser stellen. Die rich tige Mitte scheint uns Rudolf Baumbach in seinem Trug-Gold, Erzählung aus dem siebzehnten Jahrhundert (Berlin, Albert Goldschmidt), eingehalten zu haben. Hier ist die genaue Kenntnis des Charakters der Zeit mit poetischer Erfindung taktvoll vereinigt, und der Leser wird weder mit archäologischen Einzelheiten übersättigt, noch durch gelehrte Exkursionen aus der poetischen Stimmung gerissen. Die alchimistischen Schwärmereien des siebzig, Deutsche Verlagsanstalt.) Den Hinterzehnten Jahrhunderts bilden die Grundlage der anmutigen und fesselnden Erzählung.

Etwas mehr mit Gelehrsamkeit verbrämt erscheinen die drei Geschichten, welche Unterm Löwensteine betitelt und von Ludwig Hän selmann (Wolfenbüttel, Julius Zwißler) „einer ungeschriebenen aber wahrhaftigen Chronif nacherzählt" sind. Wirklich rührend ist die Geschichte von Hans Dilien dem Türmer und

Die Rose vom Haff. Roman von Emil Erhard. Drei Bände. (Stuttgart und Leip

grund dieser Erzählung bilden die preußischen Militär- und Hofverhältnisse etwa um die Mitte dieses Jahrhunderts, also die vorberei tende Zeit für die großen Ereignisse, denen die Welt ihre Umgestaltung verdankt. Schade nur, daß der Verfasser sich gar zu ausschließlich und geflissentlich an die höchsten Kreise hält und nur nebenbei einmal einen halben Blick auf andere Verhältnisse wirft.

Es ist

eine tüchtige Gesinnung in dem Buche, aber sie tritt einseitig hervor. Ohne Zweifel wird der Roman vielen Lesern gefallen, weil die gesellschaftliche Exklusivität bekanntlich eine große Zahl von Verehrern und Verehrerinnen hat, denen hier in recht unterhaltender Weise vollauf Genüge geschieht. Eine sehr anmutige Gestalt ist die Heldin des Romans, für deren schwierige Stellung in der bunten Hofgesellschaft jeder Leser Teilnahme empfinden wird. Xanthippe. Roman von Friß Mauthner. (Dresden und Leipzig, Heinrich Minden.) Das parodistische Talent Mauthners zeigt sich auch hier wieder in sehr geistvoller und vorurteilsfreier Weise. Es sind zwar altgriechische Namen, aber Gestalten aus der modernen Welt. Das Ganze ist eine Art Ehrenrettung der sprichwörtlich gewordenen Xanthippe, der Frau des gelehrten, ewig zerstreuten und für einen bürgerlichen Haushalt sehr unbequemen Professors Sokrates. Zum Schlusse ist die brave Xanthippe selbst die beste Interpretin des Charakters ihres Mannes. Es ist eigentlich eine ganz neue Specialität, welche Mauthner hier vorführt; sie ist vielleicht nicht für jedermann, aber wem sie zusagt, der wird gewiß auch eine rechte Freude daran haben.

Ein Problem. Roman von Gerhard von Amyntor. (Basel, Felix Schneider.) Es ist schon viel in Romanen mit Versprechungen | oder Schwüren gejündigt worden, die man Sterbenden leistet, um sich dadurch lebenslänglich unglücklich zu machen, aber zu so unerfreulichen Folgen hat es selten ein Verfasser gebracht wie Herr von Amyntor in seinem „Problem". Eine ganze Kette innerlich unsittlicher Handlungen entspringt hier aus dem Versprechen am Sterbebette, und weder die gewandte Art des Erzählers noch sein eigenes Bekenntnis am Schlusse des Buches, daß sein Held eigentlich ein trauriger Wicht sei, kann uns damit versöhnen, daß er sein Talent zur Behandlung eines so häßlichen Problems miß- | braucht hat.

verlangt der Leser zugleich etwas Originalität
in der Erfindung.

Schließlich gedenken wir noch eines Romans
Amazone von Karl Vosmaer, durch Lina
Schneider ganz vorzüglich aus dem Hollän-
dischen übersezt und von keinem Geringeren
als Georg Ebers mit einem Vorworte versehen.
(Stuttgart u. Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt.)
Es kommt zwar in dem Roman eine Stelle vor,
wo gegen das Vergleichen neuer Werke mit vor-
handenen Vorbildern protestiert wird, aber nichts-
destoweniger dient dies oft zur Orientierung über
die Gattung, und so möchten wir in bester Ab-
sicht diese „Amazone“ mit Heinses „Ardinghello“
oder der „Corinne“ von Frau v. Staël ver-
gleichen, wo der Roman eigentlich dem Leser
nur Gelegenheit giebt zur begeisterten Bewun-
derung von Italiens Natur und Kunstschäßen.

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Geschichte der Freimaurerei von der Zeit ihres Entstehens bis auf die Gegenwart. Von J. G. Findel. Fünfte Auflage. Zwei Bände. Findels Schriften dritter und vierter Band. (Leipzig, J. G. Findel.) Es besteht noch heute innerhalb des Freimaurer-Ordens keine völlige Klarheit über den Ursprung und die Entstehung der Freimaurerei. Der auf masonischem Gebiete sehr verdiente und fleißige Verfasser tritt nun seinerseits mit Energie der Annahme entgegen, als ob sie in ihrem Wesen und ihren Gebräuchen auf die Ritterorden des Mittelalters oder gar auf die Mysterien des Altertums zurückzuführen sei. Vielmehr weist er überzeugend an der Hand geschichtlicher Thatsachen nach, daß die geistige Maurerei sich aus den Steinmezgilden des Mittelalters entwickelt habe, die allerdings nicht bloße Gewerbsgilden, sondern zugleich auch Bruderschaften waren, welche eine geheime Kunstlehre übten. Die Anflänge an ältere Institutionen ähnlicher Art erklären sich aus einem gemeinsamen Zuge der Menschennatur nach ganz bestimmten, auf einer höheren geselligen GrundMagdalena. Roman von Valeska von idee beruhenden Organisationen, deren WiederGallwiß. Zweite Auflage. (Breslau und aufnahme noch keine direkte Fortpflanzung Leipzig, S. Schottländer.) Dieser Roman un- jener alten Verbindungen bedeutet. Indem terscheidet sich vorteilhaft von den meisten Pro- der Verfasser, gestüßt auf die Zeugnisse andukten aus weiblicher Feder durch die erbar- derer maurerischer Schriftsteller, insbesondere mungslose Strenge der Verfasserin gegen ihr des Philosophen Krause, den angedeuteten eigenes Geschlecht; schade, daß ihre Erfindungs- Nachweis führt, will er die Freimaurerei ihres gabe etwas zu kurz kommt, denn es handelt Charakters als eines Ordens entkleiden und sie sich um die alte Geschichte von dem edlen als einen freien Bund von Männern betrachMädchen, das den Sündenbock für die leicht- tet wissen, welche, allen Völkern des Erdkreises sinnige Freundin abgiebt und dadurch große zugehörig, unter symbolischer Annahme der Verwirrung austiftet. Allerdings ist das Thema Zeichen und Geräte des Bauhandwerkes an neu variiert, aber die Sache erscheint doch dem unsichtbaren Tempel bauen, der die ganze nachgerade zu abgenußt. Gut zu erzählen Menschheit in Duldung, Humanität und Bruversteht Valeska v. Gallwig; sie kennt das derliebe umschließt. Die weitere Entwickelung menschliche Herz und die Vorurteile der Welt, der Freimaurerei in ihren Verirrungen und aber bei der gegenwärtigen Massenproduktion | Vorzügen, in ihren Enttäuschungen und Er

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folgen erfährt durch den Verfasser eine licht
volle und vorurteilslose Darstellung, so daß
seine Geschichte", mit Rücksicht auf den Ein-
fluß, der der Freimaurerei auf kulturelle Fra
gen, insbesondere auf die Entwickelung der
modernen Aufklärung, zuzugestehen ist, auch
für den Nichtmaurer Interesse beansprucht.
In Geist und Form der Freimaurerei (der
Schriften zweiter Band) von demselben Ver-
fasser wird der Grundgedanke, der den Bund
beherrscht und durchdringt, in seiner praktischen
Handhabung und Durchführung erläutert und,
wie derselbe durch Gesez, Überlieferung und
geistigen Weiterbau sich gestaltet und fortge=
bildet hat, des näheren dargelegt. Auch diese
leztere Schrift bietet denen, die sich über die
Freimaurerei eingehender unterrichten wollen,
eine Fülle anregenden Stoffes und insofern
eine besonders interessante Studie, als darin
das sogenannte „Geheimnis“ des Bundes auf
seinen wirklichen Wert zurückgeführt erscheint.

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L'Antiquité littéraire. Von Alb. Wittstock. Dasselbe in englischer Sprache: The Ancient Classics. Dasselbe in deutscher Sprache: Altklassisches Lesebuch. (Bremen, M. Heinsius.) Beim Herannahen des neuen Schuljahres wollen wir nicht unterlassen, auf diese Schulbücher ganz eigener Art aufmerksam zu machen, welche der Konzentration des Unterrichts dienen sollen. Wir haben hier die griechischen und römischen Klassiker in französischer, englischer und deutscher Überseßung vor uns. Diese Bücher füllen eine wirklich Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der vorhandene Lücke aus. Es ist wohl bis jezt Kunst und des praktischen Lebens. Heraus- noch kein solches Sammelwerk vorhanden gegegeben von Dr. G. Krebs. (Stuttgart, wesen wie das Wittstocksche, in welchem ÜberF. Enke.) Jedenfalls nur die vergebliche segungen der alten Klassiker, die von franSuche nach einem möglichst weit umfassenden zösischen, englischen und deutschen Klassikern Ausdruck hat für dieses Werk, welches doch verfaßt worden sind, sich zum Vergleich nebengerade die praktischen Anwendungen der Physik cinander befinden. Darum gebührt dem Herin populärer Form besprechen will, den oben ausgeber die Anerkennung, die ihm hervor angegebenen wunderbar widerspruchsvollen ragende Namen der Wissenschaft gezollt haben Titel zu zeitigen vermocht, Nun, der Inhalt und die ihm kein Litteraturfreund versagen des Werkes scheint mehr zu geben, als jener wird, für seine mühsame interessante Arbeit, Titelstil vermuten ließ. Das uns vorliegende welche nur durch große Liebe zur Sache wie erste Heft enthält eine recht angenehm lesbare durch tiefes Verständnis und wissenschaftlichen und mit größter Rücksicht auf das allgemeine | Sinn vollendet werden konnte.

Für die Redaktion verantwortlich: Friedrich Westermann in Braunschweig.
Druck und Verlag von George Westermann in Braunschweig.
Nachdruck wird strafgerichtlich verfolgt. Überjeßungsrechte bleiben vorbehalten.

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Jor einigen Jahrzehnten hütete des großen römischen Fürsten zu hüten. die tusculanischen Ziegenher- Für jedes Tier, das sich verstieg oder das den des Prinzen Aldobrandini, abstürzte, ward ihm von dem Gelde abwelchem Tusculum heute ge- gezogen. Überdies hatte er ein gewisses hört, der Abruzzate Simeone Santis, ein Quantum von Käse in der Tenuta abzuhalbwilder Mensch, in zottige Felle geklei- liefern; was er davon außerdem bereitete, det und von ungewöhnlicher Körperkraft. gehörte ihm. Man sagte ihm nach, daß er in der Wut einmal eine lebendige Ziege zerrissen tierisch genug dazu war er.

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Der prinzliche Minister hatte ihn in Frascati auf dem Domplat gedingt. Er war mit einem Trupp neapolitanischer Schnitter gekommen, die mit Weib und Kind zur Ernte ins Römische wanderten, ein Menschenschlag mit Mördergesichtern. Nachdem Sor Simeone zwei Stunden lang wie ein Wolf den Aufseher umschlichen und zwei andere Stunden mit diesem um den Lohn gefeilscht, wobei er um ein Haar gegen den Beamten des Prinzen sein Messer gezogen, wurden die beiden handelseinig: für so und so viele Felle und einige Scudi verpflichtete sich Sor Simeone, das Jahr hindurch die Ziegen

In seiner Art ganz vergnügt, begab er sich auf den einsamen Ruinenberg, der damals nur wenig von Fremden besucht wurde, richtete sich mit seinem Kochtopf häuslich ein, zählte seine Herde, gab jedem Stück derselben einen Namen und begann, äußerst zufrieden mit den Weidepläßen, sein Hüteramt. Wenn er Tags über bald hier, bald dort in der Sonne lag, abends irgendwo ein Feuer anzündete, um daran seine Minestra zu bereiten und sich dann daneben zum Schlaf auszustrecken, dachte er zuweilen an seine junge hübsche Frau und daß er sie ihrem jungen hübschen Liebhaber fortgenommen; auch kam ihm manchmal in den Sinn, sie sich bald herzuholen, damit er nicht selbst Feuer anzumachen und die Minestra zu kochen

Monatshefte, LVI. 333. Juni 1884. Fünfte Folge, Bd. VI. 33.

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brauche. Manchmal heulte er bei solchen Gedanken vor Behagen laut auf, oder er schlug aus derselben Empfindung seinen Hund, den er nach jenem Liebhaber seiner Frau Marco nannte. Dagegen hatte er die zierlichste Ziege Laurina getauft. Ein besonderes Vergnügen verursachte ihm, den Marco auf die Laurina zu heßen und hernach den Hund dafür halb tot zu prügeln. Ein ganzes Jahr brauchte er, bis er zu dem Entschlusse kam, seinen Stroh witwerstand aufzugeben. Er nahm auf einige Wochen Urlaub, dingte einen Stell vertreter und begab sich auf die Wanderschaft. Bevor jedoch die Zeit ganz abgelaufen, kam er mit einem blutjungen und bildhübschen, aber blassen und kranken Weibe zurück, das auf dem Rücken ein Kind trug, erst vor kurzem geboren.

Es war ein Knabe.

Bis dahin hatte Sor Simeone in den Ruinen der ausgegrabenen Stadt gehaust: bald in den Gängen des Amphitheaters, bald in einem unterirdischen Gemache der ciceronischen Villa; in den Versenkungsräumen der griechischen Bühne oder in der Höhlung eines halb zerstörten antiken Grabmals. Diese Wohnstätten hätte er, unbekümmert um Skorpione und Nattern, ohne Zweifel mit Weib und Kind beibehalten, wäre ihm nicht von dem Verwalter, dem der bejammernswerte Zustand der jungen Mutter - sie war unterwegs von ihrem Manne halb tot geschlagen worden Mitleid einflößte, eine bessere Unterkunft angewiesen worden.

Es war das längst nicht mehr benußte Wächterhaus, welches auf der Höhe des Hügels auf einem ebenen, freien Platz dem einstmaligen Forum aus Trümmern der antiken Stadt: Gebälkstücken, Inschrifttafeln und Statuen, er baut worden, als Lucian Bonaparte Tusculum ausgraben ließ. Zwischen der so genannten „Villa des Cicero" und dem griechischen Theater lag das einsame Haus am Rande einer köstlichen Kastanienwaldung, auf drei Seiten von Fluren umgeben, die im Frühling und Herbst Blumenfeldern glichen. Rosen und Menthe

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begruben hier manches kostbare Marmorwerk, das gespenstisch aus dem Grün- und den Blumen hervorleuchtete. Von dem Hause aus genoß man eines weiten Über blicks auf die benachbarten öden Hügel mit ihren unbewohnten Thälern, auf die fernen grauen Felsenriesen der Abruzzen und die schimmernde Meeresküste. Zwischen den Abruzzen und dem Meer, dem tusculanischen Hügel gerade gegenüber, erhob sich das Albanergebirge mit seinem feierlichen Gipfel, dem schwärzlichen Rocca di Papa, den ausgedehnten Weinfeldern von Marino und dem Kraterrand des Albanersees, an dem die Städte aufstiegen.

Inmitten geheimnisvoller Ruinen, unter sich eine gewaltige, unverständliche Welt, ringsum Stille und Öde, wuchs der kleine Salvatore auf, so frei und wild wie die Falken, die auf den Trümmern hausten.

Es war ein hübsches zartes Kind mit schwarzem Lockenkopf und dunklen schwermütigen Augen. Bei dem großen Schweigen, das auf der Höhe herrschte, wurde auch der Knabe schweigsam und überaus ernsthaft. Er kannte niemanden als seine Eltern; wenn er einmal eine fremde Gestalt gewahrte, lief er fort und versteckte sich.

Sehr bald wußte er, daß seine Mutter viel von seinem Vater geschlagen wurde und es ruhig ertrug. Diese Wahrneh= mung machte einen mächtigen Eindruck auf das leidenschaftliche junge Gemüt. Wenn Sor Simeone an Sonntagabenden trunken von Frascati herauffam und in das Haus trat dieses bestand nur aus einem einzigen Raum —, stellte sich der Knabe schüßend vor seine Mutter, die geballten Händchen zum Schlage gegen den Vater erhoben, ihn mit seinen unschuldigen Augen feindselig anblißend. Gewöhnlich nahm die Mutter den heftig Widerstrebenden rasch auf, trug ihn hinaus und schloß hinter ihm zu. Während der Knabe wild schreiend an die Thür stieß und pochte, hörte er drinnen die Flüche seines berauschten Vaters und das unterdrückte Schluchzen seiner gemißhandelten Mutter. Die Nacht kam, er fürchtete sich, kauerte auf der Schwelle hin, schluchzte: Mutter!

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