Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

thätigkeiten machen neue Einrichtungen | Die Centralisation und Differentiierung

nötig, die der Pflanze abgehen. Während die Pflanze ein System sich wiederholen der Ernährungseinheiten darstellt, bedarf das Tier eines einheitlichen Kontaktes mit der Außenwelt, ein Organ, das die Auswahl sowie die Ortsbewegung ermöglicht. Dieses Organ stellt das Nerven system mit den Hilfsorganen, den Sinneswerkzeugen und den Muskeln dar.

Sehen wir von den elementarsten Anlagen eines Nervenapparates bei den niedersten Tieren ab, der sich unseren Beobachtungen bei einzelnen sogar noch völlig entzieht, und betrachten wir das Nervensystem in seinen höheren Entwicke lungen.

des Nervensystems hat ihre höchste Ausbildung erfahren in den Wirbeltieren, vor allem dem Menschen. Hier finden wir die Vereinigung der den Körper allseitig durchziehenden Nervenfasern in einem mächtigen Organe, dem Hirnrückenmark. Ju dem von weißen Faserzügen umgebenen grauen Kern des Rückenmarkes gehen die einfachen Reflexe von Empfindung auf Bewegung vor sich, die indessen mit dem Aufsteigen nach der Nackenanschwellung und vor dem Übergang in das Gehirn durch Verbindung und Gruppierung der Nervenzellen eine Reichhaltigkeit koordinierter Bewegungen zeigen, daß alle für das Wirbeltier notwendigen Ortsbewegungen bereits zur ErDie Formelemente desselben sind Fasern scheinung kommen. Bekannt sind die Exund Zellen; erstere stellen vorwiegend die perimente am enthirnten Frosch, der bei periphere Leitung her, lettere lagern im Reizung der Hautnerven nicht nur in Centrum. Es ziehen isolierte Fasern von regelrechten Sprüngen zu entfliehen sucht, allen Punkten der Körperoberfläche nach sondern auch, wenn festgehalten, durchaus zelligen Anhäufungen im Juneren, und zweckmäßige und höchst komplizierte Bevon diesen gehen polar entgegengesezt | wegungen zur Abwehr der feindlichen EinFaserzüge nach der Peripherie zurück. Erstere entnehmen die Eindrücke der Außenwelt und leiten dieselben zu den Zellen, Ganglienzellen genannt. In diesen geschieht eine Umsetzung der als sensible Leitung zu bezeichnenden Erregungen durch die Haut nerven, es entsteht eine Stromerregung von der Ganglienzelle aus in der ableitenden Nervenfaser, die nicht wieder in die Haut verläuft, sondern sich in ein der Zusammenziehung, „Kontraktion“, fähiges Gebilde, dem Muskelfleisch, einsenkt und hier ein Bewegungsphänomen, eine Zuk fung, hervorruft.

[ocr errors][merged small][ocr errors]

wirkung macht, so daß einige Physiologen nicht anstanden, dem Rückenmark soge= nannte seelische Funktionen, wie bewußte Empfindung, Überlegung, Wille, zuzuschreiben, während nur ein unbewußter Koordinationsmechanismus vorliegt.

Das Gehirn, bildlich als die Blüte des Rückenmarkes bezeichnet, ist durch Differentiierung und Umwandlung dieses Organs entstanden, wie die knöcherne Hirnkapsel, der Schädel durch Differentiierung der vorderen Teile der Wirbelsäule. Im allgemeinen die Formelemente des Rückenmarkes beibehaltend, findet sich nur ein sehr viel verwickelterer Faserverlauf, zwischen deren Zügen sich mächtige graue Herde von Ganglienzellen einschieben. Aus diesen entspringen neue weiße Markstränge von Verbindungsfasern, bis sich endlich der ganze Leitungsapparat in bogenförmigem Verlauf in den grauen, vielfach gefalteten Hirnmantel einsenkt. Mit dem Auftreten der größeren Masse grauer Substanz im Gehirn tritt eine wesentliche Funktionssteigerung ein, deren Qualität ebenfalls eine Änderung erfährt. Es differentiieren

Ohne damit

sich die Zuleitungsapparate zu den sehr Zellenerregungszustände. komplizierten, doch dem physikalischen Ver- eine Erklärung des zur Zeit noch unfaßständnis zugänglichen Sinnesorganen, die der Aufnahme specifischer Empfindungsqualitäten dienen.

baren Vorganges der Selbstempfindung und des Bewußtwerdens gegeben zu haben, können wir doch mit der Hinnahme der Thatsache die weiteren Vorgänge im Seelenorgan leichter einsehen.

Der Effekt der Selbstempfindung eines Vorganges in der Nervenzelle, einer ins Bewußtsein tretenden Zellenfunktion ist ein dreifacher. Erstens: die sogenannte specifische Sinnesenergie, die Empfindung der Reizungsqualität als Licht-, Ton-, Geruchs-, Geschmacks, Tast- und Wärmeempfindung mit der analogen Äußerung für quantitative Erregung. Zweitens: die Empfindung der Erregungsenergie, der Integrität, Ungestörtheit der Leitung und Funktion, deren Steigerung oder Hemmung; das jedes bewußte Empfinden begleitende Gefühl der Befriedigung, Lust oder Unlust. Drittens: die Fähigkeit, empfangene Eindrücke festzuhalten im sogenannten Nachbild, gewordene Eindrücke bei erneuter Reizung in gleicher Weise zu reproduzieren im Erinnerungsbild, dem Element des Gedächtnisses.

In dem Zellenapparat der Sinnesganglien entwickelt sich nun jener rätselhafte Vorgang, der erste seelische Akt, den wir als bewußte sinnliche Wahrnehmung bezeichnen. Ein Impuls im Sinnesorgan erfährt, zum Ganglienapparat geleitet, eine Umänderung in der Weise, daß die centrale Erregung als specifische Selbstempfindung nachklingt; wir sagen: wir werden der Anregung, Veränderung in den Zellen der Sinnescentra bewußt. Denken wir zum Beispiel die uns umgebende Luft in Schwingungen von hundertachtundzwanzig Undulationen in der Sekunde verseßt, so ist unser Gehörapparat geeignet, diese hundertachtundzwanzig Stöße dem im Cortischen Organ sich ausbreitenden Gehörnerv zuzuleiten, welcher periphere Be wegungsimpuls auf der Nervenbahn den Zellen des Gehörcentrums mitgeteilt wird. Die darauf folgende Erregung der Zellen äußert sich in einer specifischen Selbstem pfindung, die Wellenbewegungen der Luft werden umgesezt in eine bewußte Sinneswahrnehmung, die wir als Ton bezeichnen, und wir hören nun das e der kleinen Oktave. Das Ohr ist im stande, Schwingungen von sechzehn in der Sekunde bis 38 000 (etwa elf Oktaven) klar aufzunehmen, und die Hirnzellen antworten mit den entsprechenden Tonempfindungen. Die Schwingungen des Lichtäthers geben be- Bereits seelisch gewordene, das heißt kanntlich viel bedeutendere Schwingungs bewußte Vorgänge werden das Objekt zahlen. Die Stäbchen- und Zapfenschicht weiterer Verarbeitung. Es vollzieht sich mit den Müllerschen Fasern der Nezhaut | ein Assimilationsprozeß, indem die Eleim Auge ist im stande, 481–764 Billionen mente der Sinneseindrücke durch die AufSchwingungen in der Sekunde den End- merksamkeit fixiert, objektiviert und nach ausbreitungen des Sehnerven mitzuteilen. den Gesezen der Koordination gruppiert Die dadurch in den Vierhügelzellen her werden. In der Vorstellung ist das bevorgebrachte Sinneswahrnehmung bezeich- wußte Wechselverhältnis des Individuums nen wir als Licht, und so entsprechen 481 mit der Außenwelt hergestellt, und die Billionen Schwingungen der Empfindung sinnlichen Eindrücke ermöglichen die Unterdes roten, 764 Billionen der des violetten scheidung, die Auswahl. Nehmen wir Lichtes. Ton und Farbe sind demnach nun an, daß im Gehirn, wie im RückenTranssubstantionen von Bewegung in mark, die sensorischen Centren mit ent=

Die sinnliche Wahrnehmung erhebt sich zur sinnlichen Vorstellung in neuen Gangliengruppen. Aus der Perception, das heißt dem Bewußtwerden des äußeren Eindruckes, wird die Apperception, das heißt die Erfassung desselben durch die Aufmerksamkeit. Hier verhält sich das Perceptionscentrum als periphere Zuleitung.

sprechenden Bewegungscentren in Leitung hafte Koordinationen des Empfundenen im stehen, so werden die inneren Vorgänge | Vorstellungscentrum ein, wodurch Jlluauf dem Wege des Refleres als lebendige sionen entstehen. oder Thatkräfte in die Erscheinung treten müssen; aus der sinnlichen Vorstellung resultiert der entsprechende Bewegungsakt. Die Empfindung der inneren Spannung, des Dranges nach Ausgleich bezeichnen wir als Trieb.

Die Nach- und Erinnerungsbilder klingen in der Regel schwach wieder, doch kann z. B. das Erinnerungsbild einer geliebten Person in der Sehnsucht nach derselben eine besondere Lebhaftigkeit erreichen. Ist durch tagelanges Bangen um deren Wir sehen leicht ein, warum sinnliche Wohl das Gehirn bereits abnorm reizbar Vorstellungen den Charakter des Trüge geworden, so geschieht es leicht, besonders rischen, Unvollkommenen haben können, bei mangelhafter Beleuchtung der Umwarum dieselben nicht bei einem Indivi- gebung, daß uns plößlich die Person selbst duum genau so wie bei einem anderen entgegenzutreten scheint, oder wir ersein werden. Einmal können Fehler in blicken sie in der Situation, die dem Inder Konstruktion des Sinnesapparates halt der Befürchtung entspricht: hilfeflehend unvollkommene Leitung übermitteln, dann auf untergehendem Schiff, sterbend oder können Störungen in den Perceptionszel tot, aus vielen Wunden blutend u. s. w. len, mangelhafte Anlage oder pathologische Das Erinnerungsbild hat die Stärke Veränderungen im Apperceptionsapparat eines wirklichen Sinneseindruckes erlangt, auf die Entstehung von Sinnesvorstellungen modifizierend einwirken. So kennen wir z. B. die Farbenblindheit nicht bloß bei einzelnen Individuen, sondern bei gan- | zen Völkerschaften als Funktionsdefekte der Nezhaut des Auges. Ja, es ist anzunehmen, daß nach dem Geseze der Anpassung und Vererbung das Auge erst in langen Jahrtausenden sich zum Leitungsapparat der Differenz in den Farbenschwingungen herangebildet hat. Es mag eine Zeit gegeben haben, in der das Auge überhaupt nur weiß, schwarz und die Mischung grau aufzufassen vermochte, so daß die ganze Natur sich wie eine Tuschzeichnung verhielt. Der Mangel an Interesse für Naturschönheiten bei wilden Völkern und Kindern mag zum Teil hierin begründet sein. In einem höheren Entwickelungsstadium finden wir die Lust an grellen Farbengegensätzen, eben weil die Zwischen nuancen nicht empfunden werden.

und da nun keine Differenz der Intensität mehr zwischen beiden besteht, so können wir das Reale vom Schein nicht mehr unterscheiden und die Hallucination, Sinnestäuschung, ist vollendet.

Am leichtesten treten Hallucinationen dann ein, wenn das Gehirn durch Krankheit, Nachtwachen, religiöse Büßungen und dergleichen in den Zustand reizbarer Schwäche versezt ist, oder wenn durch langdauernde Monotonie der Sinneseindrücke Funktionsbedürfnis eintritt, wie in der Einzelhaft. Visionär sind Hallucinanten; der Glaube an Geistererscheinungen und Ahnungen beruht auf diesen Sinnestäuschungen.

Bei der Illusion werden die Sinneseindrücke unrichtig appercipiert, in falschen Zusammenhang gebracht, wie dies besonders leicht durch Mangel an Aufmerksamkeit geschieht. Aber auch rückwirkend aus komplizierten Vorgängen des Urteilens und Schließens kann Störung in der Apperception entstehen. So rufen Furcht, Hoffnung, Aberglaube, verbunden mit Schwächung der Intensität der Sinneseindrücke, Dämmerung, unbestimmten Geräuschen leicht Illusion hervor. Es ist Zustände, die man als Hallucina- | bekannt, wie leicht der in der Walddämmetion bezeichnet, oder es treten fehler- rung Verirrte die Geräusche als Peitschen

Abnorme Reizbarkeit im Centrum sinnlicher Wahrnehmung läßt entweder die Nach- und Erinnerungsbilder zu lebhaft erscheinen, so daß dieselben wegen ihrer Intensität nicht mehr von den realen Sinneseindrücken unterschieden werden kön

nen

knall, Hundegebell hört, ein Baum mit phantastischen Ästen als Schreckgestalt, ein hängendes weißes Gewand in der Dämme rung für ein Gespenst angesehen wird. Die hübschesten Märchenbilder, der Elfen reigen, die Lokalsagen wurzeln meist in Jllusionen.

Aber auch die normalen Koordinationen der Sinneseindrücke wollen erst gelernt sein, die Leitungsbahnen müssen erst eröffnet und geübt werden. Bekannt sind die Wirkungen, welche operative Erschlie ßung des Sehorgans in reiseren Jahren hat. Der zum erstenmal Sehende ist er schreckt, geängstigt von den auf ihn einstürmenden Sinneswahrnehmungen, und nur ganz allmählich ist er im stande, Per spektive und Größenverhältnisse zu erlernen. Wer weiß nicht zu erzählen von den falschen Urteilen über Höhe und Entfernung, wenn z. B. der Bewohner des Flachlandes zum erstenmal die Alpenwelt erschaut. Ich erinnere endlich daran, wie schwer es ist, das Sehen durch das Mikroskop zu erlernen. Wenn man sich bemüht, dem Laien ein interessantes Präparat zu zeigen, so wird man regelmäßig durch die Freude an Luftblasen, eventuell einer farbigen Wollfaser, verstimmt; es lehnt sich die Apperception an alte, bekannte Bilder an, naive Vergleiche folgen und troz aller Mühe gelingt es oft nicht, die Aufmerksamkeit und das Verständnis für das eigentliche Demonstrationsobjekt zu erwecken. Doch kehren wir zur Betrachtung weiterer Differentiierung seelischer Thätigkeiten zurück.

Wenn auch ohne Zweifel reichliche Verbindungsbahnen zwischen den einzelnen Sinnesganglien existieren, welche die Vervollständigung des sinnlichen Bildes durch das Zusammenwirken mehrerer Sinnes centra ermöglichen, wodurch bereits eine große Reichhaltigkeit in der Koordination unserer Vorstellungen gegeben ist, so geschieht doch die lezte Vereinigung aller psychischen Erscheinungen und aus seelischen Vorgängen reflektierter Bewegungsakte (psychomotorer Erscheinungen) erst in einer höheren Station: der Rinde des

Großhirns. Aus den Centralganglien erheben sich mächtige Faserzüge, die, im sogenannten Centrum semiovale vereinigt, nach den Windungen der Hirnoberfläche sich begeben, um hier in der grauen, sehr komplizierten Zellschicht, die eine fast überall gleich dicke, bandartige Lage bildet, zu endigen. Die vergleichende Hirnanatomie zeigt zwar, daß bei den entwickelten Wirbeltieren dies Organ niemals ganz fehlt, daß jedoch anfangs die Centralganglien weitaus an Masse überwiegen und das Großhirn rudimentär bleibt, dann sich dasselbe über den Hirnstock erhebt und diesen bedeckt, selbst überwächst, endlich beim Menschen seine bekannte Mächtigkeit mit dem größten Windungsreichtum zur möglichsten Gewinnung von grauer Fläche erreicht. Es erscheint daher der Schluß gerechtfertigt, daß die Funktionsäußerungen dieses Organs zwar in stetiger Reihe. sich steigern müssen, daß aber kein Grund vorliegt, einen qualitativen Unterschied in den Funktionen selbst anzunehmen. Das Großhirn erhält wahrscheinlich keine direkte Zuleitung von der Peripherie, sondern die Zuleitungsfasern stammen hauptsächlich aus den Sinnescentren. Daher sind seine Funktionsobjekte die bereits vorhandenen sinnlichen Vorstellungen, es vermittelt nicht mehr Prozesse des Bewußtwerdens, sondern des Bewußtseins.

Wie in den Centralganglien der Sinneseindruck sich zur bewußten Wahrneh mung umseßt und die Summe der Wahrnehmungen zur sinnlichen Vorstellung koordiniert wird, so gruppieren sich die Sinnesvorstellungen im Großhirn zum Begriff, das heißt das Objekt wird nun in seinen Attributen, nach der Art der Erregung, die es in den einzelnen Sinnesapparaten erzeugte, zusammengefaßt.

Die Begriffe werden unter sich nach den Gesezen des Urteilens und Schließens verbunden und somit die Erkenntnis der Dinge hergestellt. Man bezeichnet die Vorgänge als „Verstandesoperationen“, aus denen als Bewegungseffekt unser bewußtes Handeln resultiert. Die Empfindung der inneren Spannung mit dem Trieb

zum Bewegungsausgleich wird zum Wil- in ihren Beziehungen zueinander in Ver

len. Abnorme unharmonische Spannungsempfindungen, die überstürztes, unbesonne nes Handeln zur Folge haben, stellen sich als Affekte und Leidenschaften dar.

gleichung gestellt, so entstehen dadurch Reihen von Urteilen und Schlüssen, von denen das denkende Individuum nicht selbst in seiner Stellung zur Welt berührt Die Begriffe werden nicht immer un wird; es tritt aus seinem Verhältnis zur mittelbar aus der sinnlichen Anschauung, Welt der Erscheinungen heraus und stellt sondern häufig auch aus Erinnerungsbil sich über dieselbe. Damit ändert sich die dern des Vorstellungscentrums zusammen- | Selbstempfindung dieses seelischen Vorgesezt. Im letteren Falle ist die Mög- ganges, das Begehren wird zum Beschauen. lichkeit gegeben, dieselben willkürlich zu Man bezeichnet dieje Thätigkeit des Gegruppieren, so daß sich das Vorstellen hirnes als Vernunftsäußerung und glaubt und Denken mehr oder weniger von der hierin eine Fähigkeit gefunden zu haben, realen Sinnenwelt entfernt. Auf diese die man nur für den Menschen, nicht aber Weise entsteht die Thätigkeit der Phan- für das Tier in Anspruch nehmen müsse. tasie. Indessen sind die Elemente vernünftigen Denkens bei den höheren Wirbeltieren überall leicht zu entdecken, wenn auch dieses Vermögen bei dem Menschen durch die hohe Entwickelung des Großhirns, namentlich seines Stirnteiles, ganz überwiegend zur Erscheinung kommt. Nun erst treten die sinnlichen Triebe, der egoistische Wille zurück, die innere Spannung im Vernunftcentrum wird ästhetisches Empfinden, die Funktionsäußerung bezieht sich in ihrer höchsten Leistung auf die Ergründung der Wahrheit, sie wird zur Wissenschaft, oder das ästhetische Empfinden geht in das künstlerische Schaffen über.

In der Vermischung von Erinnerungen aus Erlebtem mit Phantasiebildern schafft man sich mit Vorliebe die Welt des Kommenden, der Zukunft. Aus den Phantasiebildern schöpft die künstlerische Gestal tungskraft. Von besonderer Wirksamkeit ist die Phantasie in der unfertigen Begriffsgestaltung des Kindes, und im Vergleichen mit der Wirklichkeit wird dieses allmählich durch die Phantasie auf die richtige Beobachtung des Erlebten hinübergeleitet. So entsteht das kindliche Spiel, und hierin liegt der selbsterzieheri sche Einfluß, wodurch das Spielen der geistigen Entwickelung des Kindes so großen Vorschub leistet; freilich muß dasselbe aus dem Inneren des Kindes hervorgehen, müssen die Objekte, an denen sich die Phantasie übt, einfach sein. In beiden Richtungen wird vielfach gefehlt, entweder indem man die Spiele dem Kinde zu fertig giebt, wie dies in den Kindergärten oft genug geschieht, oder indem das Spielwerk zu kompliziert und raffiniert geboten wird, wodurch der kindlichen Phantasie nichts zu schaffen übrigbleibt und über dies die leichte Zerstörbarkeit der Objekte häufig Ursache von Leidwesen und Thränen wird.

Alle diese Vorgänge lassen sich nicht denken ohne völlige Integrität der Leitung und Funktion der Koordinationscentren, die freilich bei dem Leitungsreichtum und der Leichtigkeit der Reizübertragung zwischen den einzelnen Gehirnprovinzen sich noch vielfach der Einsicht entziehen. Pathologische Vorgänge, wie Unterbrechung und Veränderung in den Leitungsbahnen, abnorme Steigerung oder Schwächung der Leitungswiderstände, Druck und Zerstörung einzelner Hirnteile, ändern den normalen Ablauf des Empfindens, Vorstel= lens, Wollens und bilden den Inhalt jener frankhaften Veränderungen, die wir als Der Juhalt der Verstandesthätigkeiten Seelenstörung oder Geisteskrankheiten bebezieht sich auf das Verhältnis des Indi- zeichnen. So erzeugen gesteigerte Leitungsviduums zur Außenwelt, ist also egoistisch widerstände die Formen der Melancholie, im weiteren Sinne des Wortes. Denken zu leichtes Auslösen der psychischen Rewir uns nun die Objekte der Außenwelt flexe Manie und Tobsucht; Defekte in der

« ZurückWeiter »