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des Regen- und Grundwassers. Als diese | Schloß Zwanenburg bewohnt. Was würRiesenmaschinen in Thätigkeit getreten den wohl die früheren Besizer dieses Gebäudes sagen, wenn sie sähen, wie jezt ein Techniker in ihren exklusiven Räumen residiert.

waren, sank das Niveau der auf 724 Millionen Kubikmeter geschäßten Wassermenge täglich um einen Centimeter. Nach neununddreißig Monaten war das gewaltige Werk zu Ende geführt; der gefahr drohende See war verschwunden, und an seiner Stelle hatte Holland ein fruchtbares Terrain von mehr als drei Quadratmeilen gewonnen, welches jezt von 10000 Menschen bewohnt wird.

Dieses ruhmreichen Kapitels aus der Geschichte der holländischen Ingenieurkunst muß man mit Bewunderung gedenken, wenn man auf der kurzen Eisenbahnstrecke zwischen Amsterdam und Haarlem an den ehemaligen Ufern des Sees entlang fährt. Bei Halfweg, der einzigen Station zwi schen beiden Städten, wird man ferner auf großartige Schleusenwerke aufmerksam gemacht, welche früher das Y von dem Haarlemer Meer trennten. Durch ein Öffnen derselben würden Amsterdam und ein weiter Landstrich mit Hunderten von Ortschaften unter Wasser gesezt werden können. Wie die Russen 1812 Moskau in Brand steckten, so haben zwar die Holländer, um einem sie bedrohenden Feinde zu trozen, in früheren Zeiten wiederholt einen Teil ihres eigenen Landes von den Fluten überschwemmen lassen; daß man aber unter ähnlichen Umständen noch in unserem aufgeklärten Jahrhundert solche verderbenbringende Maßregel ergreifen sollte, erscheint uns doch kaum glaublich. Dennoch soll dieselbe für den schlimmsten Fall von den Behörden der Landesverteidigung in Aussicht genommen sein. Praktisch wichtiger ist es wohl jedenfalls, dafür Sorge zu tragen, daß sich das Wasser nicht eigenmächtig einen Weg ins Land bahut. Um lezteres zu verhindern, sind denn auch die Schleusen von Halfweg, die man die Thermopylen Hollands genannt hat, wie alle Deiche des Landes einer steten Beaufsichtigung durch eigens dafür angestellte Wasserbau - Ingenieure unterworfen, deren Chef das alte, ehemals am Ufer des Haarlemer Meeres belegene

Kaum hat man Halfweg hinter sich, so tauchen schon die charakteristischen alten Türme von Haarlem am Horizonte auf, die uns nicht nur aus alten, sondern auch aus neueren Gemälden bekannt sind, denn eins der Panoramen in Amsterdam vergegenwärtigt seinen Besuchern in lebendi ger Weise die Belagerung dieser Stadt durch die Spanier im Jahre 1573, eine Belagerung, die, obgleich sie im Gegensag zu der früheren Leydens mit einer Übergabe des Plazes endete, doch wegen der mutigen Ausdauer der Belagerten zu den besonders denkwürdigen Begebenheiten der holländischen Geschichte gerechnet wird. Haarlem, dessen Blütezeit, wie die Hollands überhaupt, in das siebzehnte Jahrhundert fiel, ist jezt eine stille, freundliche Stadt mittlerer Größe, die, was die äußere Erscheinung ihrer Straßen und Pläze anbetrifft, gleich den meisten Orten des Landes ein Amsterdam im kleinen genannt werden kann. Es fehlt das Getreibe der Großstadt, dafür aber haben manche Partien der von schönen Bäumen beschatteten Grachten ihren besonderen, mehr idyllischen Reiz.

Unter den alten Kunststädten Hollands ist Haarlem nächst Amsterdam die bedeutendste. Wie Antwerpen auf Rubens und Amsterdam auf Rembrandt, so kann Haarlem mit Recht auf seinen Franz Hals stolz sein. Jahrhundertelang blieb dieser große Künstler wenig beachtet, bis ihm die Kunstgeschichte vor noch nicht langer Zeit endlich den verdienten Ehrenplaz neben Rembrandt eingeräumt hat. Neuere Forschungen haben ergeben, daß Franz Hals seiner Zeit in der guten Stadt Haarlem ein mehr als lustiges Leben geführt hat, ja daß er sogar vom Bürgermeister wegen Mißhandlung seiner Frau gerügt wurde und versprechen mußte, sich der „Dronkenschappe" zu enthalten. Vielleicht mag der dadurch entstehende schlechte Ruf seinem

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Kostümbild aus Nordholland.

assistierte, ein undankbarer Schüler Namens Fust seine sämtlichen Instrumente, Lettern und Bücher gestohlen, um dieselben nach Mainz zu bringen. Dort sei Gutenberg in den Besitz derselben gelangt und habe die Erfindung des Holländers zusammen mit Fust, seinem bekannten Genossen, weiter auszunuzen gewußt. So hübsch diese Geschichte klingt und so sehr sie dem holländischen Nationalgefühl schmeicheln mag, es fehlt an dem erforderlichen Nachweis, der natürlich durch den Umstand, daß man im Rathaus ein angeblich von Coster her gestelltes Druckwerk aufbewahrt, noch nicht erbracht sein kann. Neuerdings soll denn auch selbst ein Holländer, Dr. van der Linde, in einer Schrift über die „Legende von Coster" die ganze unbeglaubigte Tradition in das Gebiet der Fabel verwiesen haben. Die Haarlemer aber sind nach wie vor stolz auf ihren alten Küster, der hier nicht nur durch das vorerwähnte Standbild geehrt ist, sondern auch durch Ausschmückung seines Geburtshauses mit Gedächtnistafel und Büste sowie durch Bezeichnung derjenigen Stelle im soge

nannten Haarlemer Holz, wo er seine ersten Buchstaben ge= schnitten haben soll.

Das Haarlemer Holz ist ein schöner parkartiger Wald im Süden der Stadt. An der anderen Seite der lezteren, im Nordwesten, liegt das seiner schönen Gärten wegen. beachtenswerte Dorf Bloemendal. Hier sieht man, daß Haarlem nicht ohne Grund seiner Blumenzucht wegen berühmt ist, hier zeigt sich aber auch der Reichtum seiner Bewohner, denn welche Stadt ähnlicher Größe besißt in nächster Nähe eine solche Reihe stattlicher, vom üppigsten Blumenflor umgebener Landhäuser. Bemerkenswert ist auch, daß hier wie in anderen Gegenden Hollands die Villen der Vornehmen meist durch eine besondere in Buchstaben über der Hausthür angebrachte Inschrift bezeichnet sind. Dies findet man zwar auch in anderen Ländern, insbesondere in England, eigentümlich aber ist, daß die holländischen Landhäuser oder Buitenplaatsen statt eines Namens gewissermaßen ein Motto führen, das in Gestalt eines kurzen Spruches, wie „Wel tevreden", „, Vriendschap en Gezelschap", Buiten zorg" 2c., der, wie es scheint, durchweg sehr behaglichen Stimmung ihres Besizers Ausdruck giebt.

Doch noch weit sehenswerter als Bloemendal selbst ist die in ihrer Art vielleicht einzige Aussicht, die man von dem unweit desselben belegenen Brederoder Berg aus genießt. Dieser Brederoder Berg, der auch die blaue Treppe genannt wird, ist der höchste Punkt der Dünen bei Haarlem. An der einen Seite sieht man die Stadt selbst und Bloemendal, an der anderen überblickt man weithin die wellenförmigen Linien unzähliger Dünenhügel und ganz fern am Horizont als einen schmalen, silbernen Streifen das Meer. Der öde und gleichmäßige Charakter der Dünen trägt nur dazu bei, die Großartigkeit der Scenerie zu erhöhen, die

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uns einen faum weniger tiefen Eindrud hinterließ als die Bergriejen der Schweiz.

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Auf dem Wege von Haarlem nach Haag statten wir der alten Stadt Leyden einen kurzen Besuch ab. Bekanntlich ist hier der Schauplatz von Georg Ebers' „Frau Bürgermeisterin", einem Roman, der uns in der eingehenden Schilderung der Belagerung der Stadt durch die Spanier im Jahre 1574 eins der glorreichsten Kapitel der holländischen Geschichte vor Augen führt. Vier Monate lang troßten die Bürger allen Schrecken der Belagerung unter Führung ihres trefflichen Bürgermeisters van der Werff, dem Ebers mit dichterischer Freiheit in der Frau Bür germeisterin" eine jugendlich schöne, kluge und beherzte Gattin zur Seite gestellt hat. Damals machten die Holländer zur Ent sehung Leydens von dem Radikalmittel einer Überschwemmung ihres eigenen Landes Gebrauch. Wilhelm von Oranien ließ die sonst so jorgfältig ge= hüteten Deiche durchstechen und brachte mit den hereinbrechenden Fluten und den von ihnen getrage= nen Schiffen der Wassergeusen der Stadt die ersehnte Hilfe. Welch ein Jubel mag hier geherrscht haben, als man von den Wäl

len herab das glückbringende

seine Universität, deren Errichtung die Bürger der ihnen gleichzeitig offerierten Befreiung von gewissen Abgaben vorgezogen haben sollen. Man hatte recht gewählt, denn durch diese Universität und ihre hervorragenden Lehrer war Leyden Jahrhunderte hindurch eine der berühmtesten Städte Europas. Doch nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Kunst ist die Stadt von Bedeutung gewesen, denn in ihren Mauern lebte der lustige Maler und Kneipwirt Jan Steen, und ihr entstammten ferner Lukas van Leyden, Rembrandt, Jan van Goyen, Frans van Mieris und andere bedeutende Künstler. Jezt freilich ist die einstige Größe Leydens dahin. Es hat kaum mehr als 40000 Einwohner, obgleich hinreichend Raum für die doppelte Anzahl vorhanden sein soll. Die Straßen sind, wenn sie nicht gerade von einer klingelnden Pferdebahn durchfahren werden, wie ausgestorben; hier und da wächst sogar Gras zwischen dem Pflaster, und der alte Vater Rhein, der die

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Holländische Trachten.

Vorwärtsdringen des Wassers verfolgte! | Stadt durchfließt, scheint sich, altersschwach Zur Belohnung für den heldenmütigen und melancholisch, wie er hier ist, des VerWiderstand jener Tage erhielt Leyden 1575 falles von Leyden wie seiner selbst zu

Am Strande von Scheveningen.

schämen, indem er unter dem unschönen Namen Galgewater gewissermaßen in fognito seine trüben Fluten mühselig und langsam dem nahen Meere zuwälzt. In mitten der engen Gassen erhebt sich ein Erdhügel mit einem breiten Turm, der die Burg genannt wird und dessen Fundamente noch aus der Römerzeit stammen sollen. Von oben herab würde man einen Überblick über Stadt und Land haben, wenn nicht schöne alte Bäume nach allen Seiten hin die Aussicht versperrten. Nur mit Mühe entdeckt man zwischen den Zweigen hindurch die Spigen einiger Häuser und Kirchtürme. So kommt es dem einsamen Wanderer, der hier steht, fast vor, als befinde er sich im Schlosse Dornröschens, das durch eine himmelhohe Hecke von der Außenwelt getrennt ist. Diese Eigentümlichkeit der Burg steht aber in gewissem Einklang mit dem Charakter der Stadt. Man möchte meinen, beide seien in tiefen Schlummer versunken.

Doch wenden wir uns von der melancholischen Stadt der Vergangenheit zu der lebensfreudigen der Gegenwart, von der altberühmten Hochschule zu der modernen

Residenz des Königs der Niederlande. Haag oder, wie die Holländer sagen, 's Graven Haag macht keinen specifisch holländischen Eindruck. Es ist eine schöne, regelrecht erbaute Stadt mit langen ge raden Straßen, weiten Pläßen und vielen stattlichen Gebäuden. Seine Bedeutung liegt fast ausschließlich in dem Umstande, daß es Siz der höchsten Behörden des Landes ist und daß hier der Hof, die bei demselben accreditierten Diplomaten sowie eine Reihe vornehmer Familien ihren dauernden Aufenthalt genommen haben. Man sieht daher zwar manche glänzenden Läden, aber wenig Verkehr in den Straßen, deren großartige Anlage und Unbelebtheit an Karlsruhe und andere künstlich geschaffene oder groß gewordene Residenzen deutscher Mittelstaaten erinnern. Inmitten der Stadt liegt, zum Teil von schattigen Alleen umgeben, der Vijver (Weiher), ein länglich viereckiger Teich mit Schwänen und einer durch ihren üppigen Baum- und Gebüschwuchs fast einem Stückchen Urwald gleichenden Insel. An der einen Seite bespülen die Fluten des anmutigen Vijver die Mauern des Binnenhofes, einer unregelmäßigen Masse teils älterer, teils neuerer um einen mittleren Hof gruppierter Gebäude. Jm Binnenhof haben die beiden gesetzgebenden Körper Hollands, die Generalstaaten, ihre Sizungsräume. Die erste aus neununddreiBig Mitgliedern bestehende Kammer wird durch die eine Vertretung der Provinzen bildenden Provinzialstaaten, die zweite aus achtzig Mitgliedern zusammengesetzte durch Bezirkswahlmänner gewählt. Die Sizungssäle sind nicht eben imponierend. Man kann sich kaum denken, daß in diesen einfachen, schmucklosen Räumen, in denen etwas erhöht ein simpler Thronsessel für den König und noch bescheidenere Stühle für die königlichen Prinzen reserviert sind, die Geschicke des Landes und der Kolonien entschieden werden. Dieselbe Einfachheit finden wir im königlichen Palais wieder, dessen Säle sich kaum von den Luxusräumen eines reichen Privatmannes unterscheiden. Die Holländer lieben es ersicht

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