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eine Idee von dem Umfange Amsterdams, es beim klaren Tageslichte doch eigentlich wenn man hört, daß die dem Mittelpunkte nur wenig ähnlich ist. Ja, wer dann auf

der Stadt am nächsten liegende Heeren der hohen Amstelbrücke steht, kann trog gracht etwa eine Stunde lang ist. Die der fehlenden Kuppeln und Marmorpaläste an diesen Hauptgrachten belegenen Wohn- bei einiger Phantasie sogar sich in den häuser und Speicher unterscheiden sich Gedanken hineinträumen, daß er vom durchgehends nur wenig von denen der Ponte Rialto herab den stolzen Canal übrigen Straßen. Überall sieht man die grande überschaue. Einen gewissen Ersat selben schmalen, hohen Backsteinhäuser mit für die Kuppeln bieten übrigens die spizem, mehr oder weniger verschnörkel- barocken Türme Amsterdams. Man hat tem Giebel. Die Backsteine sind dunkel, von diesen Kirchtürmen in Anknüpfung meist rot oder braun, zuweilen auch an ein Bonmot Victor Hugos über die schwarz, die Thür- und Fensterumrah- | vlämischen Architekten gesagt, ihre Erbauer mungen aber und die sonstigen vorspringenden Bauteile ganz hell angestrichen. Dies giebt einen seltsamen Kontrast, der durch die Regelmäßigkeit, mit der er sich wiederholt, noch verstärkt wird. Die schlichten Façaden sind nicht durch Erker oder Balkone belebt, doch führen zu dem meist hochgelegenen Parterre oft stattliche Freitreppen, ähnlich denen, die man noch jezt im Hamburger Wandrahm findet. Auch ragen von den Giebeln der Speicher aus Vorrichtungen zum Auswinden in die Straße hinaus.

Wer wie wir an einem Sonntag mittag zuerst die Geschäftsstraßen Amsterdams durchwandert, der findet dieselben zwar eigentümlich, doch zugleich nüchtern und eintönig, denn den eigentlichen Reiz gewinnt das Ganze erst durch die wech selnde Staffage der Schiffe und der ge schäftigen Menschen. Wenn große und kleine Fahrzeuge ein- und ausladen, wenn die Speicherthore sich öffnen und die Winden in Thätigkeit treten, wenn die Zugbrücken auf und niedergehen und die backsteingepflasterten Straßen von zahl reichen rührigen Menschen erfüllt sind, dann bieten die ernsten Häuser- und Baumreihen einen trefflichen Hintergrund für das lebensvolle Geschäftsbild der alten reichen Handelsstadt. Noch schöner aber präsentiert sich das Ganze des Abends im Mondenschein. Dann erinnert das von zahlreichen Wasserstraßen durchzogene Amsterdam wirklich in mancher Beziehung an Venedig, mit dem es wie Hamburg so oft verglichen wurde und dem

hätten successive ein Richterbarett, eine umgekehrte Salatschüssel, eine Zuckerbüchse, eine Flasche und eine Monstranz aufeinander gestülpt. Das ist natürlich stark übertrieben, aber dennoch insofern bezeichnend, als die Türme aus verschiedenen, oft bizarr geformten Stockwerken in wenig stilvoller Weise zusammengefügt sind. Dennoch und vielleicht gerade wegen dieser Seltsamkeit ist den betreffenden Bauten ein gewisser malerischer Reiz nicht abzusprechen. Bemerkenswert ist auch, daß von diesen und den meisten holländischen Türmen herab am Ende jeder Viertelstunde ein Glockenspiel ertönt. Zuerst erstaunt der Fremde darüber, mit der Zeit langweilt es ihn und schließlich wird er es wie der Einheimische kaum noch beachten. Auffallend aber bleibt es, daß der selbst so schweigsame Holländer die Stimme seiner Türme viermal in einer Stunde erschallen läßt.

Als eine andere Eigentümlichkeit Amsterdams ist noch hervorzuheben, daß die Stadt auf neunzig oder nach anderen Angaben gar hundert Inseln erbaut ist und daß die einzelnen Häuser wegen des morastigen Bodens der Inseln wie in Venedig auf Pfählen errichtet werden müssen. Schon Erasmus von Rotterdam hat daher mit Bezug auf Amsterdam gesagt, er kenne eine Stadt, deren Bewohner gleich Krähen auf den Gipfeln der Bäume wohnten. Da in einer so großen Stadt stets alte Gebäude niedergerissen und neue errichtet werden, so hat man leicht Gelegenheit, den sorgfältigen Fundie

rungsarbeiten zuzuschauen und sich davon zu überzeugen, daß dieselben den Bau sehr erheblich verteuern müssen. Man sagt sogar, daß bei Errichtung eines Hauses die Arbeiten unter der Erde ebenso kost spielig seien wie die oberhalb derselben.

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tückischen Meere nicht auf die Dauer begünstigt, denn mit der Zeit sahen die meisten von ihnen ihre neugeschaffenen Häfen wieder versanden. Die Erbschaft dieser älteren Handels- und Seestädte, wie Edam, Enkhuizen, Stavoren, ging dann größtenteils auf das jüngere, schon seit dem vierzehnten Jahrhundert mächtig

Die alte innere Stadt wird, wie be- aufstrebende Amsterdam über, das sich im reits erwähnt, im Norden durch den am siebzehnten Jahrhundert zu dem ersten

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Y belegenen Hafen begrenzt. Das Y ist | Handelsplay Europas aufschwang und, bekanntlich eine westliche Seitenbucht der wenn es auch inzwischen von anderen Zuider-Zee, jenes über siebenhundert Quadratkilometer großen Meerbusens, der erst im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts durch wiederholte Einbrüche der See in das holländische Festland gebildet wurde. Die großartige Naturumwälzung hatte den jähen Untergang zahlreicher Ortschaften verursacht und das Aufblühen anderer wichtiger Pläße an den Ufern des neuen Wasserspiegels hervorgerufen. Doch auch die letteren wurden von dem

modernen Seestädten überholt ist, doch heute noch wie ehemals einen großartigen Welthandel betreibt. Zur Erhaltung und Erleichterung dieses Welthandels hat Amsterdam im Laufe dieses Jahrhunderts wahrhaft großartige Wasserbauten unternommen. Da die an vielen Stellen seichte Zuider-Zee, zumal für tiefergehende Schiffe, ein überaus gefährliches Fahrwasser bot, so grub man in den Jahren 1819 bis 1825 vom Y aus nach der

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Nordspite des holländischen Festlandes fast der des Suezkanales gleichkommende den Amsterdam direkt mit dem Meere verbindenden Nordkanal. Dieser Kanal, welcher über 80 km lang, 36 m breit und 6 bis 7 m tief ist und dessen Wasser stand durch gewaltige Schleusen reguliert wird, kostete etwa sieben Millionen Gulden. Doch auch er genügte den gesteiger ten Ansprüchen der neuesten Zeit nicht mehr. Man wünschte noch schneller und bequemer das offene Meer erreichen zu können und führte daher einen neuen kürzeren, aber breiteren Kanal vom 9 aus westlich durch die Dünen der Nordsee zu. Diese 1876 dem Verkehr er öffnete, mit einem Kostenaufwande von etwa fünfundzwanzig Millionen Gulden geschaffene Wasserstraße, welche, da sie die schmalste Stelle Hollands durchschnei det, Holland op zijn smaalst" genannt wird, hat eine Länge von 25 km, eine

Breite von 60 bis 100 m und eine Tiefe von 7 bis 8 m. Drei mächtige, 1872 vollendete Schleusen schützen die westliche Einfahrt gegen den Andrang der Flut. Bei Ausführung des Unternehmens ist aber gleichzeitig ein großer Teil des Y zu beiden Seiten des neuen Kanales eingedämmt und in Land umgewandelt. So ist denn auch das Y jezt nichts mehr als ein Teil des neuen Kanales, der, auch nach der Zuider-Zee zu durch Schleusenwerke abgeschlossen, nicht unter dem Wechsel von Ebbe und Flut zu leiden braucht. Amsterdam aber hat dadurch den weiteren Vorteil, nunmehr vor Sturmfluten und den mit diesen verbundenen überschwemmungen geschützt zu sein. Die Gefahren, welche die Zuider-Zee der Stadt und ihrem Handel brachte, sind demnach beseitigt. Doch hiermit noch nicht zufrie

den, hat man neuerdings sogar eine Austrocknung dieses Meerbusens in Erwägung gezogen. Wenn man auf Andrees Handatlas bereits in der Zuider-Zee einen projektierten Abschließungsdeich für die Trockenlegung" von Enkhuizen aus östlich nach der Nähe von Kampen gezeichnet sieht, so sollte man denken, daß das etwas fabelhaft klingende Projekt schon in näch ster Zeit ausgeführt werde. So weit scheint indes die Sache doch noch nicht gediehen zu sein. Die Meinungen dar über in Holland sind, soweit wir erfahren fonnten, geteilt. Die einen verteidigen den Plan, indem sie darauf hinweisen, daß es bereits gelungen, das Haarlemer Meer trocken zu legen; die anderen ent gegnen vielleicht nicht mit Unrecht, daß das doch ein weit weniger großes und gefahrvolles Unternehmen gewesen sei, und daß, abgesehen von technischen Bedenken, auch der Kostenpunkt noch erheb liche Schwierigkeiten bereiten dürfte. So läßt sich denn wohl zur Zeit noch nicht jagen, ob, geschweige denn wann das fühn geplante Werk, welches der See das vor Jahrhunderten eroberte Terrain wie

der entreißen soll, zur Ausführung gelangen wird.

Doch neben den vorerwähnten großartigen Unternehmungen verdienen auch die eigentlichen Hafenbauten unsere Aufmerksamkeit. Schon vor Jahren sind zwei geräumige Hafenbassins, das Westerund das Doster-Dok durch lange Dämme von dem nunmehr kanalisierten Y abgetrennt. Inmitten beider Bassins aber hat man jezt auf drei neugeschaffenen, durch Dämme miteinander verbundenen Inseln den Centralbahnhof errichtet, von dem aus zwei Schienenwege, der eine westlich und der andere östlich am Hafen und den Quais entlang führend, eine direkte Verbindung zwischen den letzteren und den verschiedenen Eisenbahnlinien Amsterdams bilden. An der äußeren Seite der Bahnhofinseln befinden sich große Quais mit Landungsbrücken für die nach näher gelegenen Plägen fahrenden Dampfer. An das Wester- und Doster-Dok schließt sich ferner westlich und östlich eine Reihe weiterer Hafenbassins mit mehr oder weniger umfangreichen Dockanlagen, deren auch nur oberfläch

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liche Beschauung schon der räumlichen nung auf See gleich erkennen und NachAusdehnung wegen erhebliche Zeit in richt voneinander nach der Heimat bringen. Anspruch nimmt. Hervorzuheben sind neben dem Holzhafen und dem großen, die Handelskade benannten Quai insbesondere das für die Kriegsmarine her gestellte Rijks-Maritime-Dok und das zur Lagerung unverzollter Waren dienende, von hohen Mauern umschlossene Entrepot Dok, in dessen Mitte sich ein für Seeschiffe bestimmter, 7 m tiefer und durch Schlängel vom übrigen Hafen abgetrennter Kanal befindet. Am jenseitigen Ufer des Y liegt neben dem von Bäumen umgebenen Tolhuis (Zollhaus), einem beliebten Vergnügungsort der Amsterdamer, von dem aus man eine schöne Aussicht auf Stadt und Hafen genießt, der Petroleumhafen. Die Verbindung zwischen beiden Ufern wird durch Fährboote hergestellt.

Beim Gebäude der Gesellschaft „Zeemanshoop" angelangt, haben wir bereits dem Hafen den Rücken gekehrt. Kein Fremder aber wird denselben definitiv verlassen, ohne von hier aus eine Fahrt nach Zaardam gemacht zu haben. Zaardam, oft unrichtig Saardam genannt, eine Stadt von über 12 000 Einwohnern, ist in erster Linie durch Peter den Großen berühmt geworden, der hier seiner Zeit als schlichter Schiffszimmermann gearbeitet hat. Durch neuere Forschungen soll freilich festgestellt sein, daß der Zar sich dort nur acht Tage aufhielt und dann nach Amsterdam zurückkehrte. Dennoch ist die Hütte Peters des Großen daselbst noch immer der Stolz aller Zaardamer und ein Wallfahrtsort für alle Holland besuchenden Fremden. Das Interessant ist auch ein Spaziergang alte, aus rohen Brettern zusammengefügte an der die inneren Hafenanlagen begren Gebäude neigt sich bedenklich nach der zenden Prins-Hendrik-Kade, einer langen einen Seite, ist aber auf Veranlassung Uferstraße, die in mancher Beziehung an der verstorbenen Königin Anna Paudie Hamburger Vorfeßen erinnert. Am lowna, einer russischen Prinzessin, zum östlichen Ende derselben befindet sich die Schuß gegen Wind und Wetter durch ein 1785 von Privaten gegründete „Kweek- auf Backsteinpfeilern ruhendes Holzdach school voor de Zeevaart" (Seemanns- gleichsam mit einem großen Etui umgeben. schule) und das stattliche Zeemanshuis, Die imponierende Einfachheit des Innedas wie das Sailor's Home in London ren wird leider durch in die Wände einund Liverpool mehr Zuspruch zu haben gefügte Marmortafeln, die an den Besuch scheint als das jenen nachgebildete Ham späterer russischer Herrscher erinnern solburger Institut. Ein anderes den Inter- len, beeinträchtigt. Man meint, der effen der Seefahrer dienendes Gebäude Schatten des großen Peter müßte durch ist im Inneren der Stadt von der Gesell- die niedere Thür treten und zornig die schaft, Zeemanshoop" errichtet. Diese Ge- Entfernung dieser Tafeln verlangen, durch sellschaft sorgt nicht nur für Witwen und die seine späten Nachfolger in so prunkWaisen von Seeleuten, sondern bemüht voller und aufdringlicher Weise für alle sich auch, ähnlich wie der Londoner Lloyd, Zeiten bescheinigen, daß auch sie die für ihre zahlreichen bei der Schiffahrt Stätte seines Ruhmes in Augenschein geinteressierten Mitglieder die neuesten Nach-_nommen. Doch wer eine Anschauung von richten über in See gegangene Schiffe zu Holland gewinnen will, unternimmt nicht erlangen. Kapitäne, welche Mitglieder nur des Zaren wegen die Fahrt nach von „Zeemanshoop“ sind, führen als solche Zaardam. Der Ort selbst nämlich bietet am Topp des Großmastes eine kleine ein ungemein anziehendes und für Holrote Flagge mit der Nummer, unter wel land charakteristisches Bild, denn der cher sie in den Listen der Gesellschaft ein wesentliche Teil desselben besteht aus getragen sind. Infolge dessen können sich zwei langen Reihen von Windmühlen die betreffenden Schiffe bei einer Begeg- nebst dazu gehörigen meist kleineren Ge

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