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höchsten Diskant.

Den hellsten Aus- gegenwärtigen interessanten Begegnung fiel dergleichen fürs erste weg; aber daß er jemand vor sich habe, mit dem unter Umständen scharf gerechnet werden mußte, merkte der zwischen Traum und Wirklichkeit in aller Konfusion seines jungen, dummen Daseins taumelnde schlaftrunkene, durchfröstelte, absonderliche Nachtschwärmer bald. Das übrige gab sich so ziemlich von selbst.

ruf jagte ihr aber natürlich der Mensch ab durch sein unvermutetes Erscheinen in der Einsamkeit. Bei einer Wendung des Weges um eine Felsenecke stieß sie auf ihn, und wir wollen es ihr zugestehen, daß sie wahrscheinlich nicht so laut: „Mein Gott!" gerufen haben würde, wenn sie ihn nicht lang ausgestreckt, die Hände unterm Kopfe, mit geschlossenen Augen und offenem Munde von der Morgensonne im todähnlichen Schlaf beschienen, auf einer Natur Steinbank quer hinein in ihren Pfad vor sich gehabt hätte.

Der Specht zu ihrer Rechten hielt vor ihrem Ausruf mit seinem Hämmern am Baum inne; aber die frühen Fäustel und Schlägel in einem fernen Schieferbruche ihres Freundes Schönow flangen melo disch weiter. Der junge Mensch aber vor dem alten Mädchen fuhr ohne Schrei empor, warf die Beine von seiner Steinplatte, strich die wirren Haare aus dem Gesicht und wußte unbedingt längere Zeit nicht, wo er war, was um ihn war und wer er selber war.

„Guten Morgen!" sagte Julia; aber von diesem Schläfer im Walde war es nicht zu verlangen, daß er den Gruß höflich, klar und deutlich zurückgebe. Jener bereits erwähnte verunglückte junge Mönch von Heisterbach, der vier Jahrhunderte in der schönen Wildnis verschlafen hatte, vermochte das so wenig wie der verunglückte junge Gelehrte von heute, unser und des Onkels Schönow unzurechnungsfähiges Mündel Gerhard Amelung, den seine durchaus nicht zu rechtfertigende Seligkeit im Walde wach und auf den Beinen erhalten hatte bis in die erste Morgendämmerung. Da war es wahrlich die höchste Zeit, daß die helle, vernünftige Sonne und ein verständiges Frauenzimmer kamen, um dem Jungen wieder den Kopf zurechtzurücken.

Gegenseitige höfliche Vorstellung war bei den Unterhaltungen, welche die Berlinerin mit jedermann, der ihr in den Weg kam, leicht anzuknüpfen verstand, nicht immer vonnöten. Auch bei der

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Eine etwas unheimliche Erinnerung an allerlei kuriose Berichte der Polizei aus dem heimischen Tiergarten nach einem zweiten genaueren Blick auf diesen seltsamen Schlafgänger unseres Herrgotts bei Mutter Grün von sich weisend, fragte Julia zuerst einfach nach dem Pfade.

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Dieser Weg führt wohl nicht wieder. in das Thal und die Stadt hinunter, junger Herr? Ich bin ein wenig aufs Geratewohl vom Gasthofe in die Berge gestiegen."

Den Hut, der ihm zum Kissen gedient, in den Händen, die zerzausten, taufeuchten Haare im Gesicht, stand der Jüngling und sah auf die Fragerin wie einer, der zuerst selber noch das entschiedenste Be dürfnis hatte, sich nach dem richtigen nächsten Wege zu Thal, in die Stadt, zu den Menschen zu erkundigen.

„Ich wünschte womöglich durch die Hundstwete nach meinem Hotel, dem Preußischen Hof, zurückzukehren," fügte Julie ihrer Frage an und traf dabei wenigstens auf ein Wort, an das sich der arme Teufel vor ihr in seiner halben Schlaf- und Traumtrunkenheit und ganzen Verwirrung noch zu klammern im stande war.

Im ganzen Lexikon sämtlicher Straßen, Gassen und Kehrwieder der Welt gab es keinen zweiten Namen, der den übernächtigen Waldläufer so sehr auf seinen eigenen Weg und Heimweg hinwies wie die Hundstwete.

„Ich wohne dort," stotterte er, immer noch scheu auf die fremde, scharf lächelnde, kuriose Dame und dann wieder nach allen Seiten in den sonnedurchleuchteten Wald stierend. „Ich gehe dahin — nach —

Hause. Wenn Sie so gütig ja, es| Stadt, zu den Menschen, nach der Hundsführt ein Holzstieg für die armen Leute twete zurückbrachte und zwar kopfschüthinaban Liebelottes Garten. Ich telnd und mit dem Seufzer: werde gern

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„Einer älteren Dame den Arm an den gefährlicheren Stellen bieten, wenn ich mir erst ganz wieder den Schlaf aus den Augen gewischt habe," sprach Fräulein Julie. „Nehmen Sie es mir nicht übel, junger Mann, aber wie mir deucht, verschläft man selbst in Ihrem Alter die schönste Sommernacht nicht ungestraft im Walde. Um Gottes willen, junger Mensch, sehen Sie mich nicht so übergeschnappt an! Kommen Sie zu sich, und wenn's vielleicht gestern abend ein wenig zu fidel auf der Kneipe war, so verspreche ich hiermit gern für mein Teil, da unten in der Stadt nicht weiter nachzureden. Ich stamme auch ein wenig von Universitäten -jezt aber im Erust, Kind, was ist Ihnen? Ist es etwas anderes als die Furcht vor der Mama? Sind Sie in irgend einer Weise krank? wirklich nicht bei sich?"

Sie hielt nun bereits den armen Narren des Glücks am Oberarm und erlaubte sich, ihn ziemlich heftig zu schütteln.

„Ich bin hier in die Gegend gerufen, um allerlei Unmündigen aus der Verwirrung zu helfen: wünscht das Schicksal vielleicht, auch Sie mir noch zu Freund Schönow und dem übrigen aufzupacken? Na, Kind, dann nur 'rein ins Vergnügen! Mein Name ist Kiebit Fräulein Julie Kiebig aus Berlin, und

jomit wie heißen Sie, lieber Freund, damit ich Sie fürs erste wenigstens möglichst sicher zu Hause abliefern fann?!"

Des Onkel Schönows Mündel und Schüßling stammelte seinen Namen, und des großen Berliner Dachdeckers Vormünderin, beste Freundin und Gönnerin sagte nachher nichts weiter als mit anscheinender Gelassenheit:

„So mußte es kommen."

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Eine halbe Stunde später war sie es, die den Findling, ihn womöglich noch fester am Arm haltend, in das Thal, die

„Nun laß sehen, Junge, was für ein Unglück du in deiner Dummheit angerichtet hast!"

Es würde vielleicht wünschenswerter gewesen sein, daß dies alte gescheute, ge= lehrte Mädchen nicht so ganz nüchtern, das heißt nur nach einem Trunk klaren kalten. Brunnenwassers aus der Hand, auf die Berge und in den Wald gegangen wäre. Es berauscht einen bei leerem Magen mancherlei, was wohl immerhin diese Macht und Fähigkeit in sich trägt, aber doch gottlob nicht allezeit sie ausübt.

Helle Sonne, Waldschatten und -Lichter, kühler Gebirgswind und Morgentau zum Exempel.

Die Tochter des weiland verstaubtesten Hegelianers der Friedrich-Wilhelms-Universität zu sein, selber Latein und Griechisch bis zum Exceß zu verstehen und (gestern noch ruhig in Berlin!) ohne eine Tasse Kaffee im Leibe so auf einmal auf einem recht fühlen Felsblock mitten in der Wildnis neben dem konfusesten dummen Schlingel der Provinz zu sigen und ihm seine Weltanschauung abzufragen, ihm seine bisherigen Lebensbedingungen sehr stückweise herauszuholen, das konnte selbst der Schärfsten alle Quantitäten, Qualitäten, Relationen und Modalitäten des Universums wenigstens auf Momente durcheinander rütteln.

Der Junge paßte nur zu gut in die außergewöhnliche naturwohlige Morgenund Märchenstimmung der alten Großstädterin. Sie redete, nachdem sie so merkwürdig herausgekriegt hatte, wer er war, auf des „verrückten Burschen“ Schönows Brief hin natürlich in gelehrten Zungen mit dem verblüfften provinzialen Autodidakten, bekam jedoch sofort heraus, daß ihm die seinige in dieser Hinsicht durchaus noch nicht vollständig gelöst worden sei. Der Kuckuck rief auch zu spöttisch in diesem jezt vollständig durch

sonnten deutschen Buchenwalde in die Sprachen der Griechen und Römer hinein, und Julchen Kiebig kehrte bald ein fach die gute, aber sehr neugierige und inquisitorische Tante aus der Residenz hervor. Im echtesten Berliner Jargon (der Onkel Schönow konnte es nicht besser) fragte sie, und der Jüngling" hatte zu antworten. Beides genau! — Sie wickelte das Kind so zu sagen nochmals aus den Windeln. Von seinem ersten Denken an hatte Gerhard Amelung über sich Bericht zu erstatten; und es war wohl wiederum der ungewohnte Morgenrausch und ihre gänzliche Nüchternheit, daß ihr mehr als einmal zu Mute war, als sei sie mehr als dreißig Jahre jünger und size wieder auf der obersten Stufe der Treppe ihrer väterlichen Berliner Mietwohnung in der Mittelstraße und lasse sich von einem anderen armen Teufel seine Geschichte erzählen.

„Der arme Teufel!" murmelte sie, meinte diesmal aber nicht den Knaben neben ihr auf der Steinbank. „Und ein Vogel hat natürlich sofort den Kameraden an den Federn wie am Pfeifen erkannt," fügte sie für sich hinzu mit einem Blick über die Schulter, wie nach dem Onkel Schönow hin.

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Bekanntschaft. Also nach deines Bruders Tode übertrug dir Herr Schönow aus Berlin seine Schreibgeschäfte? Na, na, die kenne ich, mein Sohn, und weiß, wie viel Zeit du dabei wie er selber für alle möglichen Allotria vollübrig behalten hast. Seine Lebensgeschichte hat er dir in die Feder diktieren wollen? Das ist ja ein wahres Glück, daß ich da noch zur rechten Stunde komme, um auch das Meinige dir dabei zu Papier zu geben! Ja, ja, gewurmt hat es den alten Potsdamer schon lange, daß er in der Kriegsgeschichte von Düppel und Anno Tobak — sechsundsechzig meine ich — nicht ein einziges Mal gedruckt vorkommt! ... Also da hat er auf diese Weise Abhilfe treffen wollen? Ich sehe den Schwarm Vögel von denselben Federn immer dichter beisammen auf einem Ast! In Berlin waren wir dem alten Jungen, seit wir nicht mehr unter uns Berlinern sind, seit der fremde Zuzug uns zu einer Weltstadt gemacht hat, längst nicht mehr gemütlich genug. Da hat er sich denn in seiner Wehmut da unten bei euch und speciell in seines Kameraden Zelt in der Hundstwete einen Unterschlupf einrichten wollen, die Hypothek der Familie Liebelotte angekauft und wieder einmal, wie man sagt, die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Hast es ja auch schon erfahren, wie der Tod besser als irgend ein anderer mit der Feder umzugehen weiß. Auf Schriftzeichen, Schnörkel, Haar- und Grundstriche läßt der sich nicht ein. Einfach dicke schwarze Striche macht der durch den angenehmsten gesellschaftlichen Verkehr in der Gegenwart und die erfreulichsten Hoffnungen für die Zukunft. Meinem alten guten Freunde Schönow strich er seinen Freund Hamelmann aus der Provinzidylle, gab ihm hier am Ort noch eine unmündige Kreatur auf den Arm und reduzierte ihn von neuem oder besser wieder einmal auf einen Hilfeschrei nach — mir; dieser Morgen

„Dein Bruder, mein Kind, war jeden falls ein vortrefflicher Mensch!" sagte sie laut und deutlich. „Daß er so wenig wie wir anderen in der Welt Bescheid wußte, dafür konnte er nichts. Also ihm hast du es in erster Linie zu danken, daß du heute an diesem wirklich angenehmen Morgen unter den vernünftigen Leuten nichts kannst, nichts weißt, nichts hast und nichts bist!?... Na, nur weiter - also auch der Herr Baumeister Hamelmann hat ihm und dir dabei geholfen? Du lieber Himmel, bis zu seinem Banferott! Und dann ist Herr Schönow gekommen Herr Schönow aus Berlin, und hat sich eurer angenommen Fräulein Withas und deiner?! Die Tante Fiesold scheint wirklich die einzige Ver- ist entzückend für jemand, der dergleichen ständige in der ganzen Gesellschaft zu lange nicht genossen hat! ... und auf das sein, und ich freue mich auf ihre nähere | kleine Mädchen bin ich wirklich recht ge

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spannt. Von dir und deinen Unzurech nungsfähigkeiten weiß ich nun so ziemlich genug; jezt also zu diesem armen Kinde mit dem närrischen berühmten Namen, diesem Fräulein Hroswitha, das auch unter dem Namen Fräulein Witha Wittchen Schneewittchen Hamelmann in meines Alten Briefen und hier in euren sieben Bergen läuft! Ich würde mich am Ende gar nicht darüber wun dern, wenn ich auch es an einer anderen Stelle in diesem kuriosen Zauberwalde, sich den Schlaf aus den Augen reibend und die Zöpfe flechtend, vorfände.

Nüchtern und berauscht durch den glorreichen Morgen war sie, wie gesagt, genug, die alte Jungfer aus Berlin, um vieles hinzunehmen und über sich ergehen zu lassen. Alles, was Flügel hatte um diese Stunde (die Eulen ausgenommen), gebrauchte dieselben, und alles, was Stimme hatte, zierte sich gar nicht, die frühe, lichte, warme Stunde melodisch zu loben: wie kam es, daß jezt plöglich Fräulein Julia Kiebig aus Berlin mit dem größtmöglichsten Mißlaut in das liebliche Zusammenklingen von Himmel und Erde hineinfuhr?

„Na, det muß ich sagen!" klang oder schnitt es mit dem vollsten, echtesten Ton und Gestus der Reichshauptstadt durch das Märchen der Provinz, und Sergeant Kamerad Schönow vom siebenten Brandenburgischen, dicht vor einem Parade marsch einen Mann mit „drei fehlende Knöppe, een janzet Federbett in die Frisur und die Motten und den Rost in die janze Jarnitur" sich aus dem Gliede langend, würde Ausdruck und Gebärde kaum inniger der Gelegenheit angepaßt haben. Julia hielt den armen Jungen vor ihr nicht mehr am Arm; sie hatte ihn fest am Kragen genommen, hielt ihn so auf Armeslänge vor sich, besah ihn sich noch einmal ganz genau und seßte ihn durch einen kräftigen Stoß von neuem auf den fühlen Stein am Waldwege.

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hatte aber gegenwärtig keine Zeit mehr, genau auf ihr Konzert zu achten.

Und der arme Sünder Gerhard Amelung hatte doch nichts weiter gethan, als seine Stimme zu dem glückseligen Naturgesang, ihr Antwort auf ihre Fragen gegeben und ihr aus bänglichem, jubelndem, zitterndem Herzen hergestottert, was er über den Verbleib des zweiten Mündels des guten Onkels Schönow, was er von Fräulein Hroswitha Hamelmann seit gestern abend wußte.

Was dann weiter von Fräulein Julie bemerkt wurde, steht bereits am Ende des vorigen Kapitels zu lesen.

*

Wie der Wald allgemach lebendig geworden war von allerlei Vogelsang, das war gar nichts gegen das Zwitschern und Tirilieren, welches um diese Stunde nunmehr das Thal und vor allem die Gärten um die Dächer der Menschen erfüllte. In die Berge wagten sich die Schwalben nicht, und auch die klugen Sperlinge blieben da, wo sie am sichersten zu ihrem täglichen Brot und Vergnügen gelangten. Für jeglichen Schnabel, der sich oben in der schönen Wildnis öffnete, die neue Sonne zu loben, ließen Hunderte sich vernehmen in der Tiefe aus den Obstbäumen und Büschen, von den Dachfirsten, Fahrwegen und Düngerhausen; und in der neuen Sonne, in dem fast betäubenden Gezwitscher und umflattert von Wolken von Kohlweißlingen lag vor allem das kleine Gärtneranwesen weiland der Gebrüder Amelung und jezo unanfechtbares, ins Hypothekenbuch eingetragenes Eigentum der sicheren Firma W. Schönow und Compagnie.

Wenn über irgend was in der Welt in dieser Nacht eine Veränderung gekommen. war, so war's dies kleine Haus, und dazu war's wirklich, als ob alles, was gleichfalls Flügel hatte, wie Fräulein HrosSie selber blieb aufrecht, hörte wohl witha Hamelmann heute, längst ganz noch dumpf den Finken schlagen, Drossel genau wisse, was hier passiert war in und Zeisig singen und den Kuckuck lachen, | dieser Nacht.

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Daß die alten Hausfreunde, die sich noch der gute Kriegsmann von Beaune la Rolande zugezogen hatte (die schlimm sten Halunken, wie die Tante Fiesold meinte), zutraulich zum Glückwunsch auf das Fensterbrett flatterten oder über die Schwelle hüpften, wollte wenig bedeuten; aber daß auch das jüngste, eben erst in den Nestern flügge gewordene Gesindel kam und seinen Kratfuß machte, das sprach doch sehr für einen feinen Justinkt in der Nachbarschaft wenigstens was das Spaßenvolk aubetraf. Über Nacht, um die kleine Laube hatten sie doch alle gethan, als ob sie fest schliefen und sich auch im Traum um nichts, was in der kleinen Laube sich ereignete, kümmerten. Und nun war Wittchen, Schneewittchen sest überzeugt, daß sie alles gehört hatten, was doch eigentlich niemand als zwei in der ganzen Welt was anging, und daß sie viel lauter davon in den hellen Morgen hinausschrieen, als angenehm war. Und die Kleine hatte noch nie in ihrem jungen sechzehnjährigen Dasein ein so selig-böses Gewissen gehabt und hatte sich bei Sonnenaufgang so sehr vor allem gescheut vor der Sonne selber, vor ihrem Spiegelchen, vor der Tante Fiesold und vor den lärmenden Spaßen und Schwalben vor ihrem Fenster auch!

Zu Bette war sie gegangen und hatte ihr Kopfkissen in ihrem ängstlichen Glück naß geweint, und hatte sich zuletzt doch an den Namen ihres gestorbenen Vaters und ihrer leider Gottes auch schon so lange gestorbenen Mutter, und natürlich noch einem anderen Namen und über allerlei abgerissene Zeilen aus ihrem Kindernacht gebet hinweg in den Schlaf gemurmelt. Und - o! wie zum Erschrecken war der blendende Strahl, in dem sie sogleich wieder erwachte, da es doch eben noch gottlob dunkelste, stillste Nacht war! . . . Da mußte man wohl, auf seinem Bettchen sigend, eine geraume Weile sich auf sich selber besinnen und auf die ersten Tagestöne im Hause und draußen im Garten und von der Hundstwete her horchen!... Im Schwalbenneste unter dem Dachrande

war es am ersten lebendig gewesen, und die Spaßen hatten sich auch vernehmen lassen, und ein Hund hatte bei dem Nachbar gebellt, und in der Twete war ein Mann ärgerlich über Pferd und Karren gewesen; aber im Hause war es still geblieben.

Tante Jakobine pflegte als recht zu schonende, bresthafte, bedauernswerte Pfleglingin in diesem irdischen Elendsthal zwar immer ein wenig weit in den Tag hineinzuschlummern; aber da war doch noch jemand im Hause, der sich sonst gewöhnlich ziemlich früh rührte und regte. Wir wissen, wo dieser lettere die Nacht zugebracht hatte und wo er aus dem tiefsten Schlaf aufgestört worden war; doch Witha Hamelmann wußte es nicht und horchte doch eigentlich nach ihrem Erwachen. nur nach ihm allein.

Es war ein verzaubertes Haus in dieser heiligen Früheim Grün, mit den Sommerblumen, Schmetterlingen und Vögeln rundum, und trotz ihrem Glück ängstigte sich Schneewittchen bald halb zu Tode darin.

Sie stand nun in der kleinen, schwarzen, verrauchten Küche und sah die Flammen um den Wasserkessel tanzen; aber die Tante Fiesold ließ sich noch lange nicht sehen und Gerhard Amelung auch nicht. Es wurde allgemach immer unbegreiflicher - das letztere nämlich.

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