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des Heckenveges um das mittelalterliche Lokals nahm sie den Arm des Freundes fester und sagte lächelnd:

Bauwerk auf. Da war die breite weiße
Chaussee, die selbstverständlich vom Bahn-
hof in die Stadt führte, da war die durch
Gaslaternen erhellte Hauptstraße, und
nach weiteren zehn Minuten-Fräulein
Julia Kiebiz als alte aber höchst muntere
gelehrte Jungfer da, wo sie vor einer
ziemlichen Reihe von Jahren schon einmal
gewesen war als junger melancholischer
Backfisch, nämlich in ganz derselben Stim-
mung, in welcher sie ihren Freund Schö-
now seiner Zeit unter der Treppe hervor
holte.

"

Also Berliner Hof, Koppenberg!" Einige Schritte um die nächste Straßenecke brachten sie und ihre beiden Begleiter oder Führer wirklich vor das Hotel de Prusse“, und was etwa von Daemels Fenster aus nachgeguckt hatte und was etwa von der Bevölkerung der Umgebung nach dem Berliner Hof mitgegangen war, war für die große Berlinerin, augenblick| lich wenigstens, so wenig vorhanden wie der Pöbel in den Gassen von Rom für die römische Patricierin in ihrer Sänfte auf den Schultern ihrer aus allen Provinzen des Imperiums zusammengestoppelten buntfarbigen Sklavenschar.

Der alte Freund, der sich auf der Treppe bei Böschens Mühle nicht ohne Grund ganz still verhalten hatte, blickte jezt im erhelltesten Mittelpunkt des Städtchens auf und aus verwunderten, schwim- | Abend im Berliner Hofe erwartet worden. menden Augen umher.

„Na, zum Deibel, ja aber wat soll denn dies? Wo befinden wir uns denn eegent lich, Koppenberg?"

„An Daemels Ecke, wie gewünscht, Herr Schönow," sprach sachgemäß der eingeborene Führer. „Hotel Daemel meinten Fräulein, und da meinte ich

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Hotel Daemel? Daemels Ecke, Daemel!" schnarrte der alte Berliner Schieferbrecher. „Wat is denn dat für 'n neuet Blech, Sie kupferbeschlagene Dachnase?

Hotel de Prusse, Schafskopp! Sechs Fenster Front, gut durchjewärmt, alle Kellner in weiße Binden und mit silberne | Leuchter parat!... Daemels Ecke? So 'ne Dummheit, und bloß, weil man die lezten Schritte vor Rührung und Dank barkeit ein bißken zu tief in Jedanken jeschritten is! ... Naturellement, Hotel de Prusse Berliner Hof uf provinziell; -jroßer Jott, Fräulein, wie würde ick Ihnen in Daemels Ecke einlogieren?!"

„Gedacht hab ich's mir wohl," brummte Koppenberg; „dann, bitte Fräulein, nur noch 'n fünfzig Schritte weiter."

Die hohe Jungfrau war der Sache vollständig gewachsen. Es interessierte sie recht, Daemels Ecke sofort kennen zu ler nen. Doch nach einem kurzen Blick in die offenen Bogenfenster des berühmten

Und sie war in der That am heutigen

Da waren die Kellner im Frack und mit möglichst weißer Wäsche. Da war der Wirt zum Berliner Hof, Herr Maushacke, selber und zwar mit der bunten betroddelten Hausmüße in der linken Hand und mit der rechten Faust im Rockkragen seines jüngsten „Garçons", der es in wirklich etwas frivoler Weise nicht lassen. konnte, ein gluckjend Gegrinse hinter einem schlecht gemimten Stickhustenanfall zu verbergen.

„Nur jezt nich jrob, Maushacke!" stammelte aber Schönow, immer vergnüglicher lächelnd. „Wir haben ihr, und ick schwimme in Thränen und Wonne! Allen Sündern sei vergeben, und det Porzellan, wat mich dieser, wie mich scheint, wirklich nich janz im Fundament richtige Jüngling vielleicht voch jezt verbrochen hat, nehme ich ooch auf mir. Maushacke -Fräulein Julia! Unser erster hier in seiner Branche. Fräulein Julie Kiebig aus Berlin Maushacke. Sie wissen, wat ich Ihnen jesagt habe, Mann! und er hat sich nach besten Kräften druf einjerichtet, Fräulein! Schlafappartemang, Salong in schönster Ordnung; anstoßender Ballsaal bei jeßiger Säsong gleichfalls bei Tag und Nacht zur Verfügung. Bougies nich bloß uf die Rechnung, Thee parat, und jezt zeijen Sie uns endlich den Weg

die Treppe ruf. Nehmen Sie ruhig meinen Arm wieder, Jnädigste, Liebste, Hochverehrteste. Sie haben die vollkommene Berechtigung, sich nich janz feste auf die Beine zu fühlen nach so 'ne strapaziöse Tour an so 'nem schwülen Sommertage. Jck kenne det ja. Et war ooch in eenem hübsch heißen Monat Juli, als wir am sechsten die Ordre kriegten, als Avant jarde vom dritten Corps den Feind aus eenander zu marschieren. Hat mehr als een Kamerade gemeint: Leihen Sie mich Ihren Arm, Schönow! Und ick lich ihm ihn, wenn et irgend möglich war, und trug ihm den Kuhfuß noch dazu. Aber det Abkochen am elften in Brünn! ... Da sind wir denn ooch jetzt ih, sehen Sie mal, Sie Schenkenknabe, jroßartiger schmeißt ja keen weltstädtischer Garçon die Flügelthüre uf und nun, Julie, treten Sie ein et is wirklich nich bloß die Aufregung von die Zugverspätung, et is janz allein die Rührung, die Rührung und zum drittenmal, hurra, die Rührung!" In dem Lichterglanz, der aus dem Gemache auf die Berliner Jungfrau fiel, hob der alte gute Freund (ebenfalls aus der dann und wann etwas verleumdeten Stadt Berlin), wie allein auf einem fernen einsamen Sterne stehend, die Augen zur Decke und sprach kopfschüttelnd allein zu sich:

„Sie is jöttlich!“

Was der Preußische Hof an Silberzeug, feinstem Porzellan und kostbarstem Damastgedeck herzugeben hatte, blißte, glänzte, leuchtete von der Tafel im Schein der Lichter und des Kronleuchters. Was an Delikatessen zu einem feinen Theetisch gehört, war aus der Nähe wie aus der weitesten Ferne gleichfalls zusammengebracht, und Fräulein Julie — wunderte sich über nichts.

Mensch, lieber Freund. Macht Ihnen denn der Unsinn wirklich immer noch so vielen Spaß, Schönow?“

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"Ja!" sprach Schönow mit vollster, herzlichster Gewißheit. „Entweder unter die Treppe jeblieben und im Verborjenen jeblüht und verduftet oder alles jroßartig, alles mit volle Musik. Dat jroßartigste in der Welt bleiben troß Düppel, sechsundsechzig und siebzig doch immer Sie, Fräulein; und was den armen Schö now anbetrifft, wat hat er denn in und an sich, wat Sie ihm nich als eene verjoldete oder versilberte Frucht von Ihre Erziehung einjetrichtert und anjehängt haben, Fräulein? Eegentlich is et nur schade dabei, daß Sie mich nich die Lichter von Ihre janze Intelligenz haben aufstecken fönnen, man hätte mir wahrscheinlich sonst schon längst als Berliner Weihnachtspirjamide mitten ins Deutsche Reich an eenem heiligen Christ uf 'n Tisch gepflanzt, und der Deubel soll mir holen, wenn nich mehr als eener, wenn man erst ordentlich jeklingelt wäre, sagen sollte: Ih, verflucht! Is et die Möglichkeet? Guck eener an, wie nett und jemütlich doch det sonderbare Jewächse leuchten kann? Jejloobt hat's bis jezt keener.“

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„Danke, Herr," sagte Julie, „ich wasche mich selber. Einen Kamm und eine Zahnbürste bringe ich auch mit. Gnädiges Fräulein, lieber Herr Maushacke, bin ich nur so weit, als es unbedingt nötig ist. Also eine Wasserkanne und Zubehör ist nebenan vorhanden; dann trägt wohl einer der jungen Leute meinen Reisejad in die Kammer und stellt ein Licht vor den Spiegel. Ja, ich bringe einen Sack weniger mit als der Kalif Omar bei seinem Einzuge in Jerusalem. Dafür komme ich aber auch nicht auf einem Kamel geritten, Sie sind und bleiben ein verrückter | sondern mit der Eisenbahn von Berlin.“

Ganz gelassen wendete sie sich zu ihrem Gefolge, suchte sich ihren Schüßling und Beschüßer darunter aus und sagte:

Sie trat unter dem Vortritt des Oberkellners in das Nebengemach, und — „wie det Käthchen von Heilbronn aus Fräulein Kunigundes Badezelle kam er sofort wieder 'rausgestürzt, der Garsong näm lich!" erzählte Schönow später ziemlich häufig, wenn die Rede auf seiner Freundin Einzug in den Preußischen Hof kam.

auch jetzt schon und sah hin, als sehe er vom äußersten Rande der Welt in das öde Nichts. Da er ganz genau wußte, was Schönow ihm während seines Provinzaufenthaltes seit Jahren regelmäßig wert wurde, wie gern er andere splendid zu Gaste lud, wie gern er als großstädtischer Kenner renommierte und wie ihm Aber an dem glänzenden Theetisch stan- sein Geldbeutel manches erlaubte, rieb den jezt Maushacke und Herr Schönow | er, Maushacke, durchaus nicht mehr die einander allein gegenüber und sahen ein- Hände vor Behagen umeinander. ander eine geraume Weile stumm an. Endlich hielt es der Wirt des besten Hotels der Stadt nicht länger aus.

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Sie nehmen es wohl nicht übel, Schönow," stotterte er, aber ein bißchen anders hatte ich mir die Fürstin, die Sie mir angemeldet haben, vorgestellt! Na, na, also wirklich mit eigener Zahnbürste und Privatkamm? Na, man erlebt frei lich vieles als Gastgeber mit seiner Frem denliste, aber dies ist doch das Höchste, was ich in meiner hiesigen Praxis jemals an einer Prinzeß notiert habe. Na, na, na, so inkognito wie heute abend ist die Jhrige wohl immer durchs Leben gereist?" „Immer!" schnarrte der kaiserlich-königliche Hof-Schieferdeckermeister Schönow. „Und nun, mein lieber hiesiger Herr und Stadtrat und juter Bekannter von Daemels Ecke, wenn Ihnen an unsere fernere jute jejenseitige Verhältnisse was liegen sollte, ersuche ich Ihnen, et Ihrer weißboomwollene Handschuhjanymedenschaft ja recht dringend einzupauken, dat ick diese Prinzessin, meine janz speciellste Privatprinzeß, wie eene Königin behandelt zu haben wünsche. Ingenommen? Über mir mögen Sie meinetwegen Ihre dummen Ben gel und faulen Schwalbenschwänze jrinsen laffen, wat die Maulaffen leisten können. Noch aber eene eenzige Respektswidrigkeit jejen die Dame nebenan Fräulein Julia Kiebiz aus Berlin -- und, na, Sie wissen ja, wie et in die Leihbibliothek in diese zärtliche oder freundschaftliche Zuneigungen heißt: sie standen und waren uf eenmal aus'nander un Weltmeere schwammen thränenlos zwischen sie."

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Der Wirt zum Preußischen Hof stand

„Verehrtester Herr,“ stammelte er, „ich versichere auf meine Ehre

"

Weeß ick ja und erloobte mich deswegen ooch nur diesen leisen Wink mit 'n Lilienzweig in betreff des O de lih de Lohse unseret geschäftlichen und vertrau= lichen Verkehrs, hier im Hause sowohl wie ooch bei Daemel. Und nun keenen Ton, keenen Hauch mehr! Da is det Kind. Sie klingelt, wenn wir noch was brauchen.“

Ja, da war das „Kind“, das brave alte Mädchen, und kam, wie es dem oberflächlichen Betrachter erscheinen mußte, gerade so wieder heraus aus ihrer Kammer, wie sie hineingeschritten war. Keine wirkliche Prinzessin aber hätte Maushacke zu einer tieferen Verneigung bringen können. Höchst eigenhändig stellte er ihr den Stuhl zurecht und rückte ihr die silberne Tischglocke an den Teller.

„Schöneken, schöneken, oller Waldkater," sprach Schönow, jezt seinerseits grinsend, aber vor unendlichem Behagen. Die Thür schloß sich hinter dem kazenbuckelnden Wirt vom Hotel de Prusse, und das sonderbare Freundespaar war „Jott sei Dank endlich alleene mit sich selber."

Während flüchtiger zehn Minuten überlassen wir sie auch sich selber, verlassen den Preußischen Hof gleichfalls während dieser kurzen Zeit und nehmen unseren Weg noch einmal in die schöne Sommernacht hinein. Als wir diesen unseren jezigen Weg zum erstenmal gingen, war es auch später Abend, aber das Wetter um ein beträchtliches schlechter. Es regnete sehr und der Wind blies, und Wittchen Hamelmann hatte viel Not in betreff

ihrer weißen Strümpfchen und mit ihrem Samariterforbe und Regenschirm und Röcken. Ach, wie vieles ist anders geworden seit jenem Abend und - wie manches darunter, was nun nie mehr anders werden kann!

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Traum ... seine gute, freundliche Stimme, sein leises, fröhliches Lachen mußte ja gleich draußen erschallen. Wenn er die Treppe herauffam, stieß er immer leicht mit dem Gehstock auf und hustete auch wohl einmal. Gleich mußte er doch den Wie gut und fröhlich hatte damals Kopf in die Thür stecken und nach seiner troß seiner Betrübnis um seinen guten lieben Weise nicken und sagen: Guten Gehilfen und tapferen Soldaten Ludolf Abend, Wittchen, wie geht es in der Amelung der Papa gelächelt, wenn er Wirtschaft, Wittchen, ist der Tisch gedeckt stehen blieb und die Laterne hoch hielt für sieben, sind die sieben Stühle zuund rief: „Jezt aber gilt's das Leben, gerückt? der Papa hat einen Hunger für Witha! Ich rate dir, spring mit über sieben, und sieben Zwerg- und Höpperlegung, Kind, wenn du nicht als Mohrin stühle sind auch gar nicht zu viele für nach Hause kommen willst. Der Stein seine langen müden Beine. Es war ein wackelt bedenklich in der Brühe. Zwölf mühseliger Tag heute, und viel unbotCentimeter beizu, und kein Färber wird mäßiges, widerwärtiges Gesindel treibt dich schwärzer färben können, Wittchen, sich heute auf den Baupläßen im ehrSchneewittchen!" baren Gewerk um. Gieb mir einen Kuß, Witha, und bring mir meine Pantoffeln.“

Ach Gott, ach Gott, wie lieb und schön zur Erinnerung war das damals trog aller herzlichen Bekümmernis um den armen Ludolf Amelung gewesen! ... Und alle Leute meinten ja auch nur, nur der arme Ludolf würde sterben und endlich von seinen schrecklichen, langen Leiden nach so langer Zeit aus der Schlacht in Frank reich erlöst werden.

Da war Malchen Liebelotte, die an jenem Abend so gute Geschäfte im Glocke und Hammerspiel mit dem Wirtshause gemacht hatte, und sie freute sich, daß man das Begräbnis mit den Fahnen und Kriegervereinen und Schüßen von ihres Vaters Fenstern so bequem sehen könne. Wie hätte sie es ahnen können, daß ihr Papa so bald nach dem armen Ludolf sterben müsse und nicht mehr in seinem großen Hause aus dem Fenster sehen werde und nicht mehr in seinem schönen Garten siten und mit seiner Familie in dem hübschen neuen Gartenhaus mit den breiten Glasfenstern und der goldenen Kugel auf dem Dache Kaffee trinken werde?

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Die ganze Stadt war wohl mitgegangen nach dem Kirchhofe, und es hatte ihr gewiß auch sehr leid gethan (die Leute jagten es ja alle!), aber alles hatte doch nur mit sich selber zu thun: es war wie gestern gewesen, und wie, als ob es schon Ach Gott, ach Gott, und war denn das tausend Jahre her sei, lag der Papa jezt das Schlimmste? unter seinem Hügel neben der Mama, die vor noch längerer Zeit dort hingelegt war, und alles war der ganzen Welt und der ganzen Stadt und allen Bergen um

Hatte die Welt sich in so kurzer, kurzer Zeit nicht noch viel schrecklicher, trauriger, thränenreicher verändert?

Es war immer noch nur wie ein böser sie her ganz einerlei.

Der ganzen Welt? Wir gehören mit dem Onkel Schönow und noch ein paar anderen auch zu dieser merkwürdigen ganzen Welt, die sich um nichts bekümmert, was sie doch so allerpersönlichst angeht; und wir sind doch auf dem Wege zu dir und deinem Unterschlupf unter den grünen Büschen und Bäumen der Hundstwete, kleines, betrübtes, liebes Mädchen mit dem uralten, langen, berühmten Namen.

Hroswitha Hamelmann! Lieb, klein Wittchen Hamelmann, wir sind auf dem Wege zu dir, zu dir und noch einem fast gleich bekümmerten Geschöpfe Gottes, während die Welt ihren Weg weiter geht und Herr Wilhelm Schönow und Fräulein Julie Kiebig aus Berlin im Preußischen Hof eben die Servietten über die Kniee breiten, wobei Schönow sagt: „Ick danke für Milch, Fräulein."

alten, so leicht weinerlichen und häufig so sehr vergnügten alten Spreekrokodils und Schieferdeckers die ganze Länge des Tisches zwischen sich; und mit der Tante Fiesold im gewohnten Winkel in der gewohnten liebenswürdigen Leib- und Seelenstimmung und in der ganz ungewohnten Rolle als - Ehrendame des Hauses in der Hundstwete.

Weiß und verweint und in einem schwarzen Kleidchen saß das junge Mädchen an ihrer Seite des Tisches, ein Nähkörbchen vor sich und eifrig in der Arbeit auf ihr Nähzeug gebeugt. Hinter einem beträchtlichen Bücherhaufen saß Gerhard Amelung bei Tinte, Feder und Papier. Es war rührend komisch anzusehen, wie sie beide schen und ängstlich einen möglichst weiten Raum zwischen sich frei gelassen hatten und welch ein weites neutrales Feld auf der Tischplatte die kleine Lampe beleuchtete!

Sie reden wirklich, wie es scheint, dann und wann miteinander, und bei jedem ersten Wort fährt das immer nur angesprochene junge Menschenkind wie erschreckt auf und wird sehr rot.

Es regt sich kein Blatt weder an den hohen Wipfeln und Ziersträuchern. des Liebelotteschen Gartens, noch an den niederen Obstbäumen und Stachelbeerbüschen des Amelungschen Anwesens. Die Frösche sind sehr munter und laut im Liebelotteschen Teiche; aber Liebelottes Sie scheinen eine entseßliche Furcht vorvornehmes Gartenhaus ist dunkel, und einander zu haben, und in dieser Bezieschwere Holzläden mit starken Nägel- hung ist es ein wahres Glück, daß die föpfen verschließen die Fenster. Der Tante Fiesold aus ihrem Winkel von Zeit fleine Lichtschein, der dort die Sommer zu Zeit auch ihr Wort in die Verlegennacht erhellt, fällt wieder aus dem Fen heit giebt und somit durch ihre mürrischen ster unter dem so tief zum Erdboden Bemerkungen die Sommernacht nicht gänzniederhängenden Dach, zu dem uns vor- | lich zu einem füß-bangen Märchen werdem der Wind und der Regen und das den läßt. gute, mitleidige Herz des in seinen irdischen Angelegenheiten im Herzen so insolventen Herrn Baumeisters Hamelmann und seines Töchterleins hintrieben.

Damals waren die Scheiben vom Dunst beschlagen, und es half uns nichts, hineinzugucken, als wir bänglich eintraten. An diesem warmen Abend stehen die Fensterflügel noch weit geöffnet, und es hindert uns nichts, einen Blick in den befannten Raum zu werfen, ehe wir uns von neuem unhörbar, vorsichtig einschleichen.

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Die Gefahr für uns, durch Horchen unsere eigene Schande zu hören zu bekommen, ist noch nie so gering für uns gewesen wie bei dieser Gelegenheit, wo wir ohne Bedenken so vorsichtig als möglich die Büsche unter dem Fenster auseinander biegen und so verstohlen neugierig als möglich den Hals vorstrecken und die Hand hinters Ohr halten.

Ach, und sie da drinnen sind doch sehr mit dem beschäftigt, was wir, die ganze Welt, zu ihrem winzigen, gegenwärtig so sehr in Verwirrung und so tief in KumTa siten sie, die beiden Mündel des mer und Schmerz geratenen jungen DaMai 1884. Fünfte Folge, Bd. VI. 32

Monatshefte, LVI. 332.

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