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wechselnd und ließ endlich den Blick auf und bewegt wild den Schwanz dem Amtsrichter ruhen, der andauernd großer Fuchshengst war es. Verzeiauf den Tisch starrte.

„Nun? Ist Ihnen das Muster dieser insamen Wachstuchdecke jezt klar geworden, Herr Bauer?" fragte er mit der langsamen anspruchsvollen Redeweise, die sich zwischen jedem Gespräch Gehör verschaffte.

Der junge Mann sah auf. „Ich dachte an das Abenteuer, das mir heute begegnete."

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Wie? Was? Ein Abenteuer?" Sämtliche Herren fuhren bei dem Worte wie elektrisiert herum.

„Jawohl, meine Herren, und ich er warte von Ihnen, als hiesigen Ureinwohnern, nähere Auskunft."

„Na, reden Sie erst mal, dann werden Sie vielleicht auch hören," sagte der Landrat in blasiertem Ton und mit arroganter Miene; dieser Ton- und diese Miene waren das schlimmste an ihm und die Herren längst daran gewöhnt, so daß sie es gar nicht mehr merkten. Nur der Kreisrichter fühlte sich noch bisweilen dadurch beleidigt. Er wandte sich darum jezt auch ausschließlich an den Doktor.

„Heute nachmittag, wie ich über mei nen Büchern size, wird mir der Kopf so warm, daß ich mich kurz entschließe, an die Luft zu gehen und einige Stunden zu verlaufen. Ich spaziere über den Wall hinunter an des Bürgermeisters Garten vorbei, den Kirchhof entlang und komme auf eine mir noch unbekannte Fahrstraße (die nota bene, meine Herren, sehr im argen liegt). Hügel hinauf, Hügel hinunter; schon zeigt sich mir die dunkle Waldgrenze, da sehe ich mitten auf dem einsamen Wege eine Amazone, die neben ihrem Pferde steht, mit den Sattelgurten beschäftigt. Sie sehen sich so verständnisvoll an, meine Herren — ?“

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hen Sie, meine Gnädigste,' redete ich sie an, würden Sie diese Arbeit vielleicht meinen Händen anvertrauen?' Sie wandte mir ein schöngeschnittenes, unbewegtes Gesicht zu mit ein Paar klugen blauen Augen, die mich gleichgültig ansahen.

,,Der Sattel rutscht - schlecht aufgeschnallt ich mußte eben einmal nachziehen; so, sehen Sie, es ist schon gemacht. Ich danke Jhnen.'

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Allein sind Sie hinuntergekommen, allein wollen Sie wieder hinauf, Hippolyta?"

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Sie lachte ein wenig so wie etwa ein Schneemann lachen könnte oder der Apoll vom Belvedere, wenn er sein Konterfei in den Fliegenden Blättern' erblickte. ,Dort unten ist eine Brücke, deren Geländer ich dazu benutzen kann; da Sie aber gerade hier sind und mir Ihre Hilfe angeboten haben ... Sie faßte die Gabel, und ich hatte die Ehre, ihren Stiefel ziemlich fest auf meiner Hand zu fühlen. Als sie oben saß der Fuchs stand leidlichbückte sie sich herunter und sah mir scharf ins Gesicht.

"Ich danke Ihnen, Herr Amtsrichter Bauer, Sie haben das ganz gut gemacht." Damit ritt sie weiter und zwar im Schritt, aber der alte Hengst griff so kolossal aus, daß sie bald um die Biegung war. Ich hatte nicht Lust, mich noch lange an dieser Rückansicht zu weiden, und kehrte um. Nun, meine Herren?"

Der Landrat trommelte auf dem Tische, Herr Bonn pfiff leise, der Doktor wischte aufmerksam seine Brille ab, der Baumeister nickte nachdenklich mit dem Kopfe und Pastor Kolinsky sah melancholisch nach der Wand.

„Nun, meine Herren?" wiederholte der Amtsrichter.

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So hatten Sie sie also noch nicht gesehen?" fragte Bonn.

„Mit dem Hengst und dieser Soloreiterei wird sie noch mal verunglücken!" bemerkte der Doktor brummig.

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Der Landrat jedoch bot dem Sturm, der sich erhoben, fühn die Stirn. - „Sie ist ein herzloses Frauenzimmer, ein abicheulicher, wollte sagen schöner Automat, von einer Feder bewegt der Koketterie. Und nun bitte ich Sie, nicht zu denken, daß gekränkte Eitelkeit mich also reden läßt. Ja, ich war verliebt in sie, ich will's nicht leugnen es gab eine Zeit, in der ich jede freie Stunde, wie von einem Magnet gezogen, nach dem Landhause hinüber mußte, um es wenigstens von außen zu beschauen. Aber warum sollte mich kränken, was uns gemeinsam betraf? Ich rede so aufrichtig, um unseren Freund hier vor einer Thorheit zu bewahren, durch die wir wohl mehr oder weniger uns alle durcharbeiten mußten."

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Es ist von mir gebaut," bemerkte Wegerich, „sehr hübsch, sehr praktisch.“

„Der Oberstlieutenant wird wohl eine Art Verwandtschaft sein, die sie zu Tode pflegt. Der Alte ist manchmal recht menschlich, manchmal völlig ungenießbar. Aber die Hildegard nimmt's abscheulich frumm, wenn man den würdigen Herrn einmal anranzt. Mir hat sie dafür den Stuhl vor die Thür gesezt," so sagte bedächtig der Doktor. „Ich bin eigentlich dort Hausarzt."

Sie ist protestantisch," bemerkte Kolinsky mißbilligend, während der alte Herr sich zur Kirche bekennt."

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Sie hat eine Stimme von wunderbarer Kraft und Schönheit," sagte Bonn, „doch konnte ich sie nicht dazu bekommen,

Und der Landrat sah sich höhnisch im in unserem Kirchenchor mitzuwirken Kreise um.

na, das ist am Ende keiner guten Kraft

„Na, ich bin ein verheirateter Mann," zu verdenken. Ein Unrecht, das schwerer jagte zuleßt der Baumeister. wiegt, ist, daß sie überhaupt so wenig singt."

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Und doch thun Sie ihr bitter unrecht!" rief jezt der Lehrer eifrig. „Ich fann es nicht verstehen, wo Sie in diesem flaren, kühlen, unbefangenen Wesen das Kokette entdeckten der Wahrheit die Ehre, meine Herren: ist einer von Ihnen anderer Meinung?“

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Sie sollten einmal sehen, Herr Amtsrichter, wie sie Ihnen mit Grund- und Aufriß umgeht, geometrisch und perspektivisch und versteht, was man ihr bringt, auf den ersten Blick.“

„Jawohl, Herr Wegerich, ihre Kunst ist eben, mit jedem in seiner Sprache zu reden," sagte der Landrat; „glauben Sie vielleicht, die Dame interessiere sich für Baupläne? ha, ha, ha! oder für Musik? oder für Pferde? oder für Verwaltung? oder für Religion? Für nichts, sage ich Ihnen, für nichts, 's ist ein Puppenspiel, um die Langeweile des Lebens auszufüllen, heute so, morgen sound, du lieber Gott, was thut man nicht, um sich zu amüsieren?!"

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Er stand auf. Gute Nacht, meine. Herren, ich muß heute bald gehen, meine Frau erwartet mich."

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Inmitten der Stadt Rucksdorf, auf der Höhe des Hügels, den ihre Häuser um flammerten, lag das Schloß", ein alter kasernenartiger Bau, dessen Räume verschiedentlich verwertet wurden. Sowohl der Amtsrichter Bauer wie der Pfarrer Kolinsky hatten daselbst, wenn auch in verschiedenen Flügeln, ihre Wohnung. Zwischen ihnen lag ein breiter Hof, in welchem ein untergeordnetes Menschenkind einen Küchengarten pflegte; wollten sie auf anderem Wege zusammenkommen, so mußten sie durch die katholische Kirche, die im Mittelflügel eingerichtet war.

Indessen hatten sie vom „Bären“ aus doch einen Rückweg und waren durch diese zufällige Gelegenheit, das Besprochene noch einmal unter sich" durchsprechen zu können, einander nahe gekommen.

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Der Geistliche zuckte die Achseln. „Warum nicht? Wäre einer durch meine Reden klüger geworden? wären Sie's?

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findet. Bei dieser armseligen Kost wächst die Gier nach der seltenen Nahrung ins Enorme, und der Fund, den wir thun, wird in gleichem Verhältnis kostbar. Das merken Sie sich - bewahren Sie Ihre Menschenaugen und hüten Sie sich vor der Brille der kleinen Stadt."

Gilt das der Vielbesprochenen? dachte Bauer. In der That war seine Neugier derartig rege gemacht, daß er be= reits den folgenden Tag nach dem Landhaus hinausging, in der Hoffnung, Hildegard zu sehen. Sie stand in dem Garten, der durch eine niedrige Mauer vom Wege getrennt war, und sprach mit einem ält= lichen Gärtner; in der behandschuhten Hand hielt sie ein Buch und wies mit langsamen, schönen Gesten des öfteren nach einem Boskett, in dem mehrere Büsche umgelegt worden waren.

Als sie den Amtsrichter bemerkte, grüßte sie und trat an die Mauer.

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Hübsch, daß Sie sich sehen lassen interessieren Sie sich für,Gartenbau‘? Kommen Sie herein.“

Damit öffnete sie das Gitterpförtchen und ließ ihn ein, gelassen, kaum freundlich.

Er gewahrte jezt, daß das Gesicht, obschon es kein Fältchen zeigte, nicht mehr jung war. Das Haar trug sie glatt gescheitelt. Die Haltung der ganzen Gestalt hatte etwas Ruhiges und Bestimmtes, ohne energisch zu sein. So auch wurde. der Reichtum des Blickes beeinträchtigt durch den Zug von Gleichgültigkeit, der über ihr ganzes Wesen ging.

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„Und doch schweigen Sie zu all den ich erwarte immer, mich eines Morgens verschiedenen Meinungen?" im Spiegel mit grauem Haar zu finden. Sieja Sie sind noch jung; es muß Ihnen einsam vorkommen bei uns, etwas langweilig nicht? Seien Sie aufrichtig. Aber jest will ich Ihnen eins zur Nun, Sie haben Kolinsky zum GefährWarnung sagen. Unsere kleine Stadt ist ten, das ist ein bedeutender Mensch. Und eine geistige Wüste, in der jeder auf die dann der Doktor, Korteck meine ich. Schäße angewiesen ist, die er in sich selbst Bonn -- nein, das ist nichts für Sie, an |

die beiden anderen müssen Sie sich halten. | deren Wände rings von angefüllten Spielen Sie Schach?" „Mit Leidenschaft!"

„Welch ein Ausdruck!" sagte sie und lachte. Ich spiele es ohne Leidenschaft, aber gut; wenn Sie einmal Zeit haben, kommen Sie zu einer Partie heraus. Und dann weg mit der Leidenschaft! Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.""

„Auch der Bürger von Rucksdorf?" „Nun, erst recht... da weht der Wind den Blumenjamen umher der Wind schafft und zerstört."

Sie sah einige Augenblicke lebhaft interessiert vor sich hin, dann wandte sie ihm wieder den kühlen Blick zu.

„Sie sehen ja so nachdenklich aus?“ „Habe auch wohl Stoff genug zum Nachdenken, nicht gerade über den Wind ... doch zum Beispiel wie es kommt, daß Sie mir die Ehre erweisen, mich als alten Bekannten zu behandeln."

„Ich behandle Sie nur als Normalmenschen; fühlen Sie sich jedoch als Rätjel, so will ich mich gern (sie lächelte) danach richten.“

Es regte ihn auf, daß er sich auf keine Weise gegen diese Überlegenheit wehren konnte. Soll man denn hier von vorn herein in die Rolle des dummen Jungen gezwängt werden? Gehen und nicht wiederkommen? Nein, das war unmöglich richtig. Indessen langten sie beim Hause an, und Bauer folgte ihr zerstreut in die Halle.

"Ich werde Sie zu meinem Oberst lieutenant bringen, ja? darf ich? Er sieht gern Leute, und Sie haben ein Gesicht, als ob Sie sich einem alten Mann zuliebe auch einmal eine halbe Stunde langweilen könnten."

Und dabei sah sie ihn mit einem bittenden, schmeichelnden Lächeln an, das im Gegensatz zu ihrem gewöhnlich so kalten Ausdruck geradezu bezaubernd war.

Das ist der Blick, der uns um Willen und Bewußtsein bringt, dachte er.

Durch eine Reihe vornehm und behag lich eingerichteter Zimmer führte sie den Amtsrichter nach einer kleineren Eckstube,

Büchergestellen umzogen waren. Eine heiße Luft wehte den Eintretenden entgegen, auch brannte in dem Kaminofen ein helles Feuer. Davor saß in einem Lehnstuhl ein grauhaariger Mann mit stark verfallenem Gesicht, daraus die hellblauen Augen sonderbar hervorblißten. Er richtete sich ein wenig auf, aber Hildegard eilte zu ihm hin und nötigte ihn, seinen Plaz zu behalten; sie schien ihm durch wenige Gesten begreiflich zu machen, wer der Besucher sei.

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Freut mich, freut mich," sagte der alte Herr laut und heiser, sehen Sie sich ein wenig zu mir, lieber Amtsrichter so hier, bitte, daß ich Ihr Gesicht sehen kann."

Hildegard wies ihm einen Sessel an und blieb selbst hinter dem Stuhl des Oberstlieutenants stehen. Bauer fühlte, daß sie ihn andauernd musterte. Er drehte, ohne es zu wissen, den breitkrempigen. Filzhut in den Händen und sah dem alten Herrn zerstreut ins Gesicht. Der aber erging sich ohne Abseßen über die Vorteile des Lebens in der Kleinstadt und ließ den Gast höchstens zu einem Ja oder Nein kommen. Er sprach gar nicht schlecht, es war alles durchdacht, aber dies fortgesetzte Reden ermüdete den Zuhörer. Auch war das Organ des Oberstlieutenants scharf und rauh, und er kam bisweilen ins Schreien. Bauer konnte nicht länger folgen, so angestrengt er dem alten. Herrn in die unruhigen Augen sah, nur einzelne Stichworte hörte er aus dem Redeschwall, und immer stand Hildegard unbeweglich, den Blick auf ihn gerichtet. War's das, war's die Hiße, die ihn einschläferte? Er hatte das bestimmte Gefühl, es würde nun in Ewigkeit so fortgehen, er brauche nur die Augen zuzumachen.

„Das ist meine Ansicht," sagte endlich der Oberstlieutenant und lehnte sich erschöpft in den Stuhl zurück. Die tiefe Stille war es, die den Amtsrichter nach einer Weile ermunterte; er strich mit der Hand langsam über die Stirn. Was

war das? dachte er; geschlafen habe ich doch nicht ... am Ende ein hypnotischer Zustand? Ich werde mich bei Heidenreich als höchst wünschenswertes Medium melden.

Sie brauchen sich mit einer Erwide rung nicht anzustrengen," sagte jest Hildegard halblaut, „der Oberstlieutenant ist so schwerhörig, daß er sich mit solch einseitiger Unterhaltung zufrieden giebt. Aber Sie haben Ihre Sache gut gemacht - nicht ganz geschlafen - ich sage Ihnen meinen Dank dafür. Und nun kommen Sie."

Bauer stand auf und verbeugte sich; der Alte schien nichts anderes zu er warten. Er entließ ihn mit freundlichen Blicken. Kommen Sie bald wieder, jun ger Freund, ich habe Sie in dieser kurzen Stunde schäßen gelernt."

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Wirklich?“ sagte sie und bog den Kopf zurück, wie um ihn besser zu sehen.

Ihr Männer seid den äußeren Zwang so gewohnt, daß ihr von innerem Zwang wenig wißt ... die Umstände, ja gegen die Umstände werdet ihr nimmer streiten, aber das Gebiet, das sich deren Herrschaft entzieht, wollt ihr geseglos haben frei." Sie hatte zu ihm gesprochen, doch mit zerstreutem Blick. 's ist nicht für Sie gemeint," sagte sie jezt lächelnd und reichte ihm die Hand, eine große schöngeformte Hand.

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„Nicht für mich? nein." Er wandte sich zu gehen.

„Grüßen Sie Kolinsky!" rief sie ihm

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Er verbeugte sich tief und blieb doch lassen?“ stehen.

„Aha, das Schach, richtig! Wann wollen Sie wiederkommen? Übermorgen? Morgen?"

„Ehrwürden, wo steckt er?"

Der aber erwiderte ruhig: „Ich weiß es nicht," und wandte sich sofort an Bonn, um ihm mit düsterem Blick einen liberalen

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