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Lehrerin ihrer Kinder. Das wollte uns auch der Künstler durch ein Bild sagen, auf dem eine Mutter die Lektion dem Kinde abfragt. Köstlich sind die verlege nen Blicke des letzteren, ein Beweis, daß es mit den Antworten seine Schwierigkeit haben muß. Alles ist so einfach, so wahr gegeben, daß man nur die Sache sieht und an die Malerei dabei gar nicht denkt. Chardin hatte das Bild 1747 für die Königin von Schweden gemalt.

Im Louvre befindet sich ein anderes Bild, auf dem die Mutter ihrem Töchterchen Unterricht im Sticken erteilt. Daß bei allen diesen Bildern auch die Neben sachen mit Naturtreue wiedergegeben sind, brauchen wir wohl nicht besonders bei einem Maler zu betonen, der zugleich ein Meister jeglicher Art des Stilllebens war. In derselben Sammlung ist ein zweites Bild unseres Künstlers zu sehen, das uns das einfache bürgerliche Mittagsmahl vergegenwärtigt. Der Tisch ist mit schneeweißem Linnen gedeckt, und die Mutter bringt eben die dampfende Schüssel herbei. So ohne weiteres dürfen sich die Kinder nicht zu Tische sehen: der kleine Junge muß schön die Hände falten und das Tischgebet laut vorsagen; die ältere Tochter betet still für sich, und die Mutter hört aufmerksam zu. An der Lehne des kleinen Stuhles hängt die Trommel, die wohl oft Lärm genug im Hause macht. So hat alles seine Zeit: das Spielen, das Essen und auch das Beten. Das Bild fand großen Anklang, und der Künstler mußte es darum mehrmals wiederholen.

Nun führt uns der Künstler auch in die Wohnstube der jungen Frau und läßt uns diese belauschen, wenn sie allein ist. Das haben wohl auch andere Maler, Chardins Zeitgenossen, gethan, es ist aber ein großer Unterschied zwischen der Schil derung dieser und jener unseres Künstlers. Ein Baudouin oder Freudenberg hatte bei der Schilderung seine Phantasie walten lassen und darum dem sinnlichen Reize Zugeständnisse gemacht, Chardin hingegen hat sich an die Wirklichkeit gehalten, und keine seiner Damen hat Ursache zu erröten,

wenn fremde Augen ihre Einsamkeit be= lauschen. Liebenswürdig erscheinen sie alle, mögen sie thätig sein, ihr Hauswesen ordnen oder einer angenehmen Ruhe pfle= gen. Auch ihre Toilette, so einfach sie für den ersten Augenblick erscheint, gewinnt in ihrer Einfachheit und Reinlichkeit unsere Bewunderung. Die gelösten Ärmel, die reine weiße Schürze, das Brusttuch, der gestreifte Unterrock, das kokette Häubchen, nichts hat der Künstler vergessen, um uns seine Damen ebenso einfach als elegant erscheinen zu lassen.

Auf einem Bilde finden wir sie mit häuslicher Arbeit beschäftigt. Sigend hält sie eine Stickerei über den Knieen und neigt sich, um aus dem Körbchen ein Knäuel gefärbter Wolle zu nehmen. In einem Gestelle an der Wand bemerken wir einige Bücher ein Beweis, daß über der Hausarbeit hier auch Interesse an geistiger Erholung wohne. (In Stockholm.) Auf einem anderen Bilde sehen wir sie bei Tisch, wie sie Thee trinkt (s. Abbildung S. 121).

Sehr ansprechend ist auch ein weiteres Bild; sie sigt vor dem Kamin im gemütlichen Winkel, den eine spanische Wand um sie herum gebildet hat, das halb geschlossene Buch ruht in ihrer Hand. Sie hat sich also mit Lektüre beschäftigt und ist entweder gestört worden oder sieht sinnend aus dem Bilde heraus, als ob sie über das Gelesene nachdächte. Ein sinniges Genre-Stillleben, das nachzudenken giebt, wenn es sich darum handeln sollte, die Gedanken der reizenden Frau zu erraten (s. Abbildung S. 124).

Poetisch ist vom Künstler auch ein an derer Gedanke, so einfach er auch ist, aufgefaßt. Eine junge reizende Dame in Morgentoilette sißt im Lehnstuhl vor ihrem Stickrahmen. Die Arbeit ruht für einen. Augenblick, und sie hält eine kleine Drehorgel über den Knieen, um mit deren Tönen den Naturgesang ihres Lieblings, des Kanarienvogels, der rechts im Käfig sichtbar ist, zu kultivieren. Da ist auch) wieder alles mit liebevoller Sorgfalt behandelt, bis auf den Vogel, dem man die

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Aufmerksamkeit und das Bestreben, sich ausbilden zu lassen, ansieht, wie auch die Dame mit Vergnügen zu bemerken scheint, wie gelehrig sich ihr Liebling stellt.

Als eine rechte Hausfrau finden wir sie endlich beim Tische sizend, das Aus gabebuch vor sich, welches sie revidiert. Sie scheint die lezten Ausgaben soeben eingetragen zu haben. Diese Beschäftigung, die an die Thätigkeit auf einem Bureau erinnert, von dem sie doch gar nichts besigt, dieser Fleiß, im Buche wie im Hause Ordnung zu halten, steht der jungen Frau ganz allerliebst.

Wie es im Wohnzimmer der jungen Frau aussieht, so wird es sicher auch in ihrer Küche aussehen. Ist dort Reinlichkeit und Ordnung herrschend, so wird sie auch hier anzutreffen sein. Chardin beweist uns die Wahrheit dieser Bemerkung an weiteren Bildern. Er hat öfters Kücheninterieurs dargestellt. Das Talent des Stilllebenmalers fand hier vielfach Gelegenheit, in seinem Elemente sich zu

bewegen. Da giebt es unzählige Gegenstände, die seinen Pinsel herausforderten: das hölzerne oder blanke Geschirr, die verschiedenen Viktualien wie Fleisch, Fische, Gemüse. Aber auch die Personen, die diese Räume beleben, hat der Künstler so hingestellt, daß man nicht weiß, ob man dem Raume oder ihrer lebenden Staffage den Preis zuerkennen soll.

Auf einem dieser Bilder schöpft das Dienstmädchen Wasser aus einem großen kupfernen Behälter. Der Glanz des Kupfers ist bis zur Täuschung naturwahr gegeben.

Auf einem Seitenstücke zum vorigen Bilde ist die Wäscherin abgebildet, welche Wäsche einseift, und ein Junge benutt die Gelegenheit, Seifenblasen zu machen (s. Abbildung S. 125). Beide Gemälde erwarb die Königin von Schweden. Ähnliche Scenen hat der Künstler noch mehrmals wiederholt. Gerühmt wurde auch eine Scheuerfrau, welche ein Küchengefäß, und ein Gasthausjunge, der eine Kanne reinigt.

Dann hat er uns auch ein Küchenmädchen Bettler zu nennen, der, vom Hunde ge= vorgeführt, welches Rüben schält. Be- leitet, am Eingang einer Kirche bettelt. sonders ansprechend ist aber das jugend- Der Künstler soll eine in der Stadt beliche, schlanke Mädchen in der Speisekam kannte Persönlichkeit hier abgebildet haben, Sie hat eben zwei Brote auf den und der Mangel des Augenlichtes, der Küchentisch gelegt und hält in einem schnee- dem Unglücklichen immer einen besonderen weißen Tuch das Fleisch. Dieses Bild Habitus verleiht, ist hier trefflich charakbefindet sich im Louvre. terisiert. Das Original befindet sich im Besit des Barons Rothschild.

Die erwähnten Gemälde, die uns ein so klares Bild des bürgerlichen Hauses aus der Zeit des Künstlers geben, sind natürlich nicht in derselben Reihenfolge entstanden, wie wir sie angeführt haben. Wir wollten nur zeigen, daß der Künstler mit seiner Kunst in der Familie wurzelt, der er seine feinste Beobachtungsgabe, sein naivstes Verständnis entgegenbringt.

Um. aber das Bild seiner Kunstthätigkeit einigermaßen abzuschließen, müssen wir noch einzelner Kompositionen erwähnen, die, streng genommen, außerhalb des bis jetzt berücksichtigten Rahmens stehen, aber auch keinen strengen Gegensatz zu demselben bilden. Hier ist also der blinde

Außerdem malte Chardin einen lesenden Gelehrten, der allgemein gelobt wurde und den man selbst einem Rembrandt an die Seite stellte (!). In dem Gelehrten hat uns Chardin das Bildnis seines Freundes, des Malers Aved, gegeben. Es wird keineswegs befremden, daß Chardin auch ein guter Bildnismaler war. Das ge= nannte Porträt war eine Art Replik auf eine spißige Bemerkung des Dargestellten. Chardin - so wird erzählt - befand sich eines Tages bei seinem Freunde Aved, bei dem eine Dame ein Porträt bestellte und ihm dafür vierhundert Livres bot, was dieser zurückwies. Der Preis war ihm zu

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dem Affen gleich nur die äußere Form nachahmen und damit schon echte Kenner und Künstler zu sein meinen.

Daß der Künstler von seinen Zeitgenossen sehr geschäßt wurde, ersehen wir aus den vielen Kupferstichen, welche die besten Künstler nach dessen Werken ausgeführt haben und die, wie unsere ihnen nachgebildeten Reproduktionen zeigen, sich bemühen, in den Geist des Meisters einzudringen. Ihre Anzahl ist beträchtlich, so daß sie eine reiche Sammlung bilden; der bemessene Raum erlaubte uns, nur einzelne zu bringen, welche indessen den Kunstcharakter Chardins glücklich betonen dürften.

Chardin malte, besonders in seiner leg ten Zeit, mehrere Bildnisse. Auch sich selbst hat er in Pastell porträtiert (das Original im Louvre), und wir geben die ses in Abbildung. Die Gutmütigkeit und biedere Einfachheit seines Charakters spricht sich unverhohlen darin aus. Auch zwei sati- Chardin wurde 1743 zum Rat und rische Bilder malte er, aber die Satire 1752 zum Schahmeister der Akademie erbeißt nicht, man muß sie als gelegentlichen nannt und erwarb sich in dieser schweren. Wiz hinnehmen. Die beiden Seitenstücke Stellung, die mit großer Verantwortlichstellen Affen dar, welche menschliche Thätigkeit verbunden war, allgemeine Anerkenfeit nachahmen, das heißt nachäffen. Der nung. eine derselben sizt im Schlafrock am Tisch und mustert mit der Lupe eine Medaille (Der Antiquar); der andere, modisch ge kleidet, sigt vor der Staffelei und zeichnet nach einer Kinderfigur (Der Maler). Die Pointe liegt darin, daß als Resultat seiner Kunstthätigkeit nicht das Bild des Kindes, das ihm zum Vorbilde dient, sondern die Gestalt eines Affen zu Tage tritt. Chardin wollte mit diesen beiden Gegenstücken offenbar gewisse Kunstsammler und Dilet tanten geißeln, die ohne inneren Gehalt

Chardin starb am 6. Dezember 1779 im achtzigsten Lebensjahre. Er gehört keineswegs zu den bahnbrechenden Künstlern, aber er ist immerhin ein der Anerkennung würdiges Glied in der großen Kette der Kunst und verdient diese Anerkennung um so mehr, als er mitten im Taumel einer frivolen Zeit stark genug blieb, um dem verdorbenen Zeitgeist das ernste und reine Bild der häuslichen Tugend, des ernsten Familiensinnes entgegenzuhalten.

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ie Religion trägt nicht in jedem Lande dasselbe Gewand. Je nach den Himmelsstrichen, den althergebrachten Sitten, Anschauungen, Überlieferungen, auch je nach den physischen Eigentümlichkeiten des Volkes wirst dies Gewand engere oder weitere, in reicherem oder gedämpfterem Farbentone schimmernde Falten. Das nordische Christentum hat mit dem südlichen zwar die Grundcharaktere gemein; in ihrer beiderseitigen äußeren Erscheinung sind die beiden aber grundverschieden. Tritt uns diese Verschiedenheit schon in Mittelitalien vor die Augen, so hebt sie sich im eigentlichen Süden und ganz besonders in Sicilien noch viel greller hervor. Es darf uns dies übrigens nicht wundern. Sicilien liegt schon auf der Schwelle der afrilanischen und orientalischen Welt; das Mor genland hat vor Jahrhunderten diese Insel überflutet; Phönicier, Griechen, Karthager, Saracenen haben der Reihe nach hier geherricht. Das jezige Volk ist nach allen Rich tungen hin von orientalischen Elementen durch fidert; das altspanische Element, das sich später noch dazu gesellte, trug nicht dazu bei, dies orientalische Gepräge zu verwischen oder abzu schwächen, und sogar das Normannentum mußte sich diesem dem Lande und Volke bis tief in die Wurzeln nun inneliegenden Charakter anbequemen. Die Normannengotik, wie sich dieselbe uns in den Kirchen von Palermo, von Monreale, von Cefalu offenbart, ist eine ganz andere als unsere nordische Gotik; mit dem maurischen, an die Formen der Alhambra er innernden, schwellenden Spizbogen, mit den feinen, in glänzendem Musivgewande schimmernden und von schlanken, langgezogenen

Kapitälen gekrönten Säulen hat der dies Land beherrschende orientalische Geist die germanische Gotik umgewandelt und eine besondere, eigens diesem Volkscharakter angepaßte Gotik hergerichtet.

Betrachten wir das Christentum, wie es sich auf dieser Insel offenbart, und zwar sowohl in den Kirchen als in den öffentlichen Festen und auch bis in die mehr inneren Formen und Gestaltungen des Glaubens, so fühlen wir uns betroffen von der für uns Nordländer so seltsamen religiösen Auffassung, welche diesem Volke innewohnt und die dasselbe viel mehr mit dem Morgen- als mit dem Abendlande verbrüdert. Nicht nur dem Mittelalter, der Periode der Kreuzzüge, fühlen wir uns hier näher gerückt; die Wurzeln dieses Wesens scheinen noch tiefer in die Vergangenheit hinunterzureichen. Die christlichen Kirchen sind aufgemauert auf den alten Tempeln der Römer und Griechen; die Säulen, auf welchen der Dom der Muttergottes in Messina ruht, waren Säulen eines Poseidontempels; in Syrakus hat sich die Kathedrale auf die Grundsteine eines der Diana oder der Minerva gewidmeten Hexastylos Peripteros aufgebaut, und die heidnischen Säulen stehen in der christlichen Seitenwand eingefaßt; und unter jenen griechischen Grundsteinen entdeckt der Altertumsforscher noch eine ältere Grundmauer cincs älteren, einer anderen Gottheit gewidmeten Tem pels. Die olympische Mythologie aus Hellas fand schon eine vorgriechische, vielleicht phönicische Religion hier vor, und wer könnte mit Sicherheit behaupten, daß nicht vor dieser schon ein altsicilischer Glauben hier oder anderswo seine Gotteshäuser besaß? Spuren von dieser, im Nebel der Urgeschichte ver

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