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über den Nacken herabfiel. Das schwarze | war und sich einige Bildung angeeignet. Wollkleidchen, das von keiner kunstfer hatte. tigen Hand zugeschnitten war, reichte ihr bis an die Knöchel und stand ihr nicht so gut wie ihr verwahrloster Arbeitsanzug. Überdies trug sie statt der Pantinen derbe Lederschuhe, und ich glaube sogar Strümpfe. Doch bemerkte ich troß alledem erst heute, daß sie sehr schön gewachsen war und über ihr Alter entwickelt.

Wir setzten uns nun auf die Bank unter die Florastatue, und anfangs wollte keine rechte Unterhaltung aufkommen. Wir musterten uns beide stillschweigend, sie gefiel mir immer mehr, ich hätte gern ihre braune Hand gefaßt oder ihr Gesicht gestreichelt, doch hielt mich eine beklommene Schüchternheit zurück. Auch sie war viel weniger dreist als vorgestern hinter dem Zaun. Ihre feierliche Kleidung schien ihr einen gewissen Zwang aufzuerlegen. Sie sah lange eine kleine goldene Kette an, die ich um den Hals trug und an der ein goldenes Kreuzchen hing mit einem roten Stein. Endlich wagte sie, das Kreuzchen anzufassen.

„Ich möchte dir's gern schenken, Jakobine," sagte ich; aber ich hab es von einer Patin zur Konfirmation bekom

Sie lachte, als sie sah, wie ich sie betrachtete. „Das Kleid wird mir schon zu kurz und zu eng," sagte sie. „Ich hab es schon vorm Jahr bekommen, zu meiner Einsegnung, das heißt, ich habe mir's selbst, so gut ich konnte, zurecht schneidern müssen aus einem alten Rock der Frau Sengebusch (so hieß die Haushälterin des Großonkels). Die Frau (sie meinte ihre Mutter) behauptete, mein Sonntagskleid sei gut genug; ich_er-men." klärte ihr aber, ich ginge ohne schwarzes Kleid nicht zur Einsegnung; da er barmte sich die gute Alte und schenkte mir dies, und ich habe vier Nächte aufgeseffen, bis ich mir's zurecht gemacht hatte. Der Herr Baron schenkte mir ein Goldstück | und ein Gesangbuch. Hernach bin ich so schnell gewachsen, nun sprenge ich alle Augenblicke eine Naht."

,,Du bist ganz hübsch so, Jakobine," sagte ich. „Komm, wir wollen ein wenig spazieren gehen."

„Erst ein bißchen sißen," sagte sie. „Ich habe mich den ganzen Vormittag ab rackern müssen.“

Das gemeine Wort gab mir einen kleinen Stoß. Ich war immer an ein sehr wohlerzogenes Deutsch gewöhnt worden. Auch späterhin hatte ich noch dann und wann einen leichten Schrecken zu überstehen, wenn sie einen groben Ausdruck brauchte. Es fiel mir um so mehr auf, da sie im übrigen ihre Worte so geschickt und treffend zu sehen wußte, gar nicht wie die anderen Landkinder dieser Gegend. Das kam daher, daß ihr Vater, ehe er das Gärtnergewerbe ergriff, Schreiber bei einem kleinen Gericht gewesen

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Was sollte ich auch damit?" erwiderte sie mit einem kurzen Auflachen und zog ihre Hand hastig zurück. „Es ist viel zu schön für eine Dorfmagd. Aber weißt du was? Du mußt mich nicht Jakobine nennen. Nenne mich lieber,Schwarze wie mein Vater, das höre ich am liebsten. und dich will ich,Goldene nennen."

„Ich habe aber kein goldblondes Haar."

„Das thut nichts. Aber du selbst bist wie von Gold."

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Und du? Wovon bist du denn, wenn ich von Gold bin?"

"Ich? Ich bin von Kupfer. Am Herd, wenn ich alle Tage dienen muß, werde ich ganz schwarz und rußig. Aber man braucht mich nur ein bißchen zu scheuern und zu pußen, so werde ich blizblank und kann mich selbst neben dem rarsten Gold sehen lassen."

Sie lachte wieder vor sich hin, ihr Lachen bezauberte mich förmlich. Daß sie lustig sein konnte, da es ihr doch so kläglich ging, staunte ich als ein Zeichen. eines großen und heroischen Gemütes an.

Ich sagte es ihr endlich, daß ich sie bewunderte. Sie hörte mir eine Weile

sich angelegentlich damit, kleine Kiesel, mit denen der Uferweg bestreut war, mit der Spiße ihres Schuhes ins Wasser zu schleudern. Dann sagte sie auf einmal ganz ruhig:

zu, scheinbar zerstreut, und beschäftigte | Ich fühle ganz bestimmt, daß ich noch einmal recht glücklich werden kann, wenn ich nur will, wenn ich mich nur nicht unterkriegen lasse. Jeder Mensch kann es, außer ein kranker und schlechter; und daß man arm ist, steht dem Glück nicht im Wege, solange man den Kopf oben behält. Und das will ich, solange ich lebe. Also brauchst du mich gar nicht zu. bedauern, und ich beneide dich auch gar nicht, weder um deine goldene Kette, noch um deine schönen Kleider und allės, was du hast. Ich find auch in meinen alten Feßen ein Glück, wie ich's brauche, und einen, der es mir verschafft, und vielleicht noch früher als du. Aber nun bin ich ausgeruht, nun wollen wir ein bißchen herumstreifen.“

„Meinst du wirklich, daß es mir so schlecht geht? Ich bin lange daran gewöhnt, und anderen geht es nicht besser, und viele andere haben nicht einmal Haare auf den Zähnen, daß sie sich weh ren können, wenn's zu arg wird. Wenn mich die Frau nicht lieb hat, ist's ihr eigener Schade. Ich liebe sie auch nicht, damit sind wir fertig. Wenn ich irgend wo in einem anderen Hause dienen müßt, wär ich vielleicht noch schlechter daran, und hier hab ich doch den Vater, der's gut mit mir meint. Ich weiß nicht, wie es dir geht, Goldene; aber wenn du auch reich bist und eine gute Mutter hast, du wirst auch nicht immer vergnügt sein. Jeder hat seinen Packen zu tragen."

Ich errötete, da ich daran dachte, wie viel heimliche Nöte ich mit meinem un gebärdigen Herzen und grübelnden Verstande zu bestehen hatte, und wie viel Kummer es mir machte, daß ich mir häßlich vorkam. So antwortete ich ihr ausweichend, ob es ihr denn nicht weh thue, daß sie ihre Mutter nicht lieben könne? Gott habe doch geboten, daß man Vater und Mutter lieben und ehren solle. Ob sie denn nicht an Gott und sein Wort glaube?

Gewiß thue sie das, erwiderte sie ganz treuherzig. Aber Gott selbst könne nicht aus schwarz weiß machen, und wenn es damit seine Richtigkeit hätte, daß man seine Feinde lieben solle, müßte von Rechts wegen Gott auch den Teufel lieben. Dabei lachte sie wieder, weil ihr eigener Einfall ihr spaßhaft vorkam. Gleich dar auf wurde sie wieder ganz ernst.

Siehst du, Goldene," sagte sie, ich bin nicht so dumm wie jede erste beste Bauerndirne, vielleicht weil ich immer allein lebe und, seit ich aus der Schule gekommen bin, gar keinen Umgang mit meinen Kameradinnen mehr gehabt habe.

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Sie sprang auf und zog mich am Arm sich nach. Dann gingen wir, uns an der Hand fassend, durch den ganzen Park und zum Hinterpförtchen hinaus über Feld und Wiesen, die mir heute zum erstenmal gar nicht so kahl und gottverlassen vorkamen wie bisher. Noch heute kann ich mich in die Gefühle zurückträumen, von denen damals mein Herz bis zum Überfließen erfüllt war. Es war die erste leidenschaftliche Empfindung meiner Seele. Was wußt ich von diesem Mädchen, mit dem ich kaum eine Stunde zusammen gewesen war? Gerade nur genug, um den Eindruck ihres Wesens im großen und ganzen zu empfangen; der aber genügte, um mich ihr ganz zu eigen zu machen. Ich hatte nie eine ähnliche Natur kennen gelernt, keine von so festem, großem Zuschnitt, so nachdenklich und so unbekümmert, so heiter und energisch zugleich. Ich selbst kam mir mit meiner städtischen Bildung, meinen Künsten und Wissenschaften höchst gering und unwert neben ihr vor und fühlte, daß ich nur durch eine grenzenlose Hingebung mich zu ihr emporheben konnte.

Als ich ihr ein paar Worte sagte, die ihr diese meine Stimmung unbeholfen genug verrieten, lachte sie, blieb mitten auf einer frühlingsbunten Wiese stehen und sagte: „Du bist nicht recht klug. Muß

man sich den Kopf darüber zerbrechen, dumpfigen Stube, stricke und nähe und höre die Frau brummen und schelten. „Das macht mir so wenig wie dem Müller das Brausen der Mühlenflügel.“ Auch zu lesen habe sie große Lust. Aber außer der Bibel und ein paar Bänden einer illustrierten Zeitschrift hätten sie keine Bücher.

warum man sich gern hat? Was sollte ich denn erst machen, wenn ich darüber nach denken wollte, was du an der armen Schwarzen findest, daß du so rasch mit ihr gut Freund geworden bist?" - Und plötzlich nahm sie meinen Kopf zwischen ihre breiten kräftigen Hände und küßte mich zweimal auf den Mund. Eine liebliche Wärme durchströmte mich, wie ich sie nie vorher empfunden. Dann ließ sie mich los und lachte wieder, aber ich sah, daß sie dabei rot wurde, und dann bückte sie sich nach den Wiesenblumen, von denen sie mir einen kleinen Strauß pflückte. Gesprochen wurde an jenem Tage nicht mehr viel zwischen uns. Mir war ganz feierlich zu Mute, wie wenn ich fühlte, daß ich einen Bund fürs Leben geschlossen hätte; und auch sie war in allerlei ernsthafte Gedanken verwagte ich nicht zu sagen, was für ein tieft.

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In den nächsten Tagen konnten wir uns nur verstohlen sehen. Ich ging oft in den Garten und spähte durch den Zaun, wo ich sie denn auch immer fleißig graben und pflanzen sah, aber nicht mehr als ein Kopfnicken von ihr erhielt. Zweimal glückte es mir, nach der Theestunde noch hinauszuschleichen, und richtig fand ich sie an dem Zaun meiner harrend, was mich sehr glücklich machte. Wir standen dann ein Viertelstündchen wie Pyramus und Thisbe beisammen und tauschten in atem loser Hast allerlei Gedanken und Gefühle aus. Sie war, obwohl es kaum anderthalb Stunden Weges waren, nur vier oder fünfmal in der Stadt gewesen, wo die Mutter auf den Montags- und Donnerstagsmärkten den Verkauf ihrer Blumen und Gemüse besorgte. Seit sie herangewachsen, versagte man ihr diese kurzen Freuden.,,,Die Frau' meint, es könne mir schaden,“ sagte sie mit einem verächtlichen Achselzucken. Desto begieriger war sie, von mir zu hören, wie es dort zugehe, wie man in den prachtvollen großen Häusern lebe, was ich in der langen Winterzeit anfange. Sie selbst size dann in der

Das nächste Mal brachte ich ihr aus meinem kleinen Vorrat mit, was ich gerade hatte. Ich glaube, sie hat wenig Geschmack daran gefunden, soviel ich mir auf meine kluge Auswahl zu gute that. Wenig= stens war von Büchern zwischen uns nie mehr die Rede.

Dann kam der Freitag heran, am Sonnabend früh sollten wir reisen. Ich hatte es nicht durchzusehen vermocht, daß man noch bis zum Montag blieb. Freilich

Glück ich gerade von dem Sonntag erwartete. Als ich spät am Abend in den Garten entwischen konnte und sie am Zaun stehen sah, fühlte ich ein solches Herzweh, daß ich zuerst kein Wort hervorbringen konnte. Auch sie war einsilbig. Sie reichte mir durch die Lücke des Stakets etwas in ein Papier Eingewickeltes, das sie mit einem Zwirnsfaden umwunden hatte. Dabei lachte sie leise. „Es ist von meinem Haar," sagte sie. „Du hast es haben wollen. In der Stadt wirst du es wegwerfen. Was hast du auch daran?“

Ich griff begierig danach. Ich selbst gab ihr ein weißes seidenes Tüchlein, das ich gegen den rauhen Wind umzubinden pflegte und das ihr in die Augen gestochen hatte. Ich sah, wie sie sich darüber freute. „Nur schade,“ sagte sie, „daß ich es unter dem Hemd tragen muß; denn wenn die Frau es sähe, würde es Lärm geben. Also reist ihr wirklich morgen früh? Ich kann dir nicht einmal lebewohl zuwinken; ich muß schon um fünf ins nächste Dorf, um Seglinge zu holen, die Vater dort gekauft hat. Also müssen wir schon heute Abschied nehmen.“

Bei diesen Worten sah sie sich forschend nach der Hütte um, die ganz dunkel und lautlos am Ende des Gartens lag, und

plözlich klomm sie gelenkig wie eine Kaze | Woche, hatte ich ihr geschrieben. Es an dem Zaun empor und schwang sich dauerte eine Weile, bis die Antwort kam, drüben zu mir hinab, daß ich fast erschrak, als sie plöglich mich mit ihren nackten Armen umfaßte und herzlich auf die Lip pen küßte. „Vergiß mich nicht, Goldene!" jagte sie. Ich weiß, du wirst es nicht thun, du bist gut. Und ich wünsche dir - nein, ich wünsche dir nichts. Jeder weiß allein am besten, was er sich wünschen soll. Und komme wieder, wenn der Wald erst grün ist und unsere Rosen blühen. Bis dahin werde ich's wohl noch aushalten.“

Wieder drückte sie mich so sest an sich, daß ich kein Wort erwidern konnte. Dann schwang sie sich ebenso behende über das Staket zurück, nur daß ihr Röckchen hängen blieb und einen langen Schlig bekam. Darüber hörte ich sie noch lachen, dann flog sie davon wie ein Pfeil, und ich stand noch eine ganze Weile, das Päckchen mit den Haaren in der Hand, ordentlich sentimental; ich glaube gar, ich habe verweinte Augen gehabt, als ich ins Haus zurückkehrte.

Doch merkte niemand, daß mir etwas Absonderliches begegnet war, und auch in den nächsten Monaten, die ich in der Stadt zubrachte, hütete ich mein Geheimnis so sorgfältig wie das einer verbotenen Liebe. Ich verglich im stillen meine übrigen sogenannten Freundinnen mit diesem armen Mädchen und fand, daß sie alle von ihr in Schatten gestellt wurden. Was waren alle anerzogenen konventionellen Liebenswürdigkeiten, alle Tugenden und Talente unserer Treibhauskultur gegen den frischen Duft und Hauch dieser wildaufgewachsenen | Feldblume? Ich hatte oft eine so heftige Sehnsucht nach meiner geliebten Schwar zen, daß ich Tag und Nacht von ihr träumte, oft so lebhaft, als hörte ich ihr Lachen dicht an meinem Ohr und fühlte den Druck ihrer warmen Lippen auf den meinen.

Das einzige Linderungsmittel, wenn man entbehrt, was man liebt: sich schwarz auf weiß sein Herz auszuschütten, war mir auch versagt. Einmal, gleich in der ersten

über deren Anblick ich mich unsinnig freute, troß des groben Papiers, der unbeholfenen Schrift und einer seltsamen Orthographie. Doch war jedes Wort ihr so ganz ähnlich, klar und fest, und dazwischen allerlei lustige Einfälle, auch die Versicherung, daß sie oft an mich denke und mir sehr gut sei, so daß ich überglücklich war und den Brief in das Kästchen verschloß, wo ich meine kleinen Schmucksachen verwahrte. Zum Schluß aber hatte sie mich leider gebeten, ihr nicht mehr zu schreiben; es mache Aufsehen, wenn sie einen Brief bekomme, und „die Frau“ habe diesen ersten durchaus zu lesen verlangt, was sie aber um keinen Preis zugegeben hätte. Sie möge immerhin glauben, der Brief komme von einem heimlichen Schaß; es sei ja auch gar nicht so weit davon, da ihre „Goldene" ihn geschrieben habe.

Nun verging die nächste Zeit freilich langsam genug für meine Ungeduld; end| lich aber, zu Anfang des September, kam der Tag des Wiedersehens, und als unser Wagen vor dem Landhause hielt, sah ich unter der herbeigelaufenen Dorfbevölkerung auch das rote Kopftuch meiner Freundin, das sich aber sofort wieder zurückzog, nachdem wir nur einen zärtlichen Augenwink miteinander getauscht. hatten. Erst am dunklen Abend fanden wir uns zusammen, diesmal nicht durch den Zaun getrennt, sondern auf der Bank am Weiher. Ich hatte so viel für sie auf dem Herzen, daß ich sie kaum zu Worte kommen ließ. Sie ließ mich reden, lachte nur dann und wann und sagte, ich sei nicht recht klug, daß ich so viel Wesens von ihr machte. Sie selbst hatte in ihrem eintönigen Tagewerk nicht viel erlebt, nicht einmal die Bücher angesehen, die ich ihr zurückgelassen. Auch die vielen kleinen Geschenke, die ich ihr mitgebracht, nahm sie kühler an, als ich mir vorgestellt, da ich sie alle sorgfältig darauf berechnet hatte, daß sie sie brauchen und hübsch finden konnte. Sie war überhaupt, obwohl herzlich und sogar zärtlich zu mir, doch

ein wenig verändert: noch gewachsen über | schon einarbeiten. Dagegen habe die Frau den Sommer und voller geworden, und sich erst sehr ungebärdig gestellt wegen.

auch in ihrer Stimmung ernsthafter und so zu sagen gereister als damals. Als ich es ihr sagte, wollte sie nichts davon wissen. Ich hatte aber feine Ohren und hörte sie ein paarmal einen Seufzer unterdrücken, was mir genug zu denken gab.

Als ich am Abend zu Bette ging und die gute Frau Sengebusch mir in mein Schlafzimmer leuchtete, fragte ich sie so ganz obenhin, wie es denn bei unseren Nachbarsleuten stehe, ob die Gärtnersfrau ihrer Tochter noch immer das Leben sauer mache und ob keine Aussicht sei, daß das arme Mädchen einen Mann bekomme, der sie aus dieser Sklaverei erlöse. — Daran sei weniger zu denken als je, sagte die Alte. Es gehe mit den Martinschen eher zurück als vorwärts; der Mann habe sich beim Pfropfen eines Baumes in die Hand geschnitten, und die Wunde sei bös artig geworden, so daß er noch immer nicht recht sein Geschäft betreiben könne. Darum würde er die Tochter nicht hergeben, auch wenn einer um sie freien wollte. Zum Glück sei gerade in der schlimmsten Zeit, wie der Doktor davon sprach, man werde am Ende die Hand abnehmen müssen, eine Hilfe gekommen, ein junger Bursch aus dem Thüringischen, eine Art Strolch und Tagedieb, der auf den Dörfern herumgestreunt und auf einer großen Ziehharmonika gespielt habe. Der habe auch vor dem Gärtnerhaus zu musizieren angefangen, und da sei die Martinsche herausgekommen und habe ihn weg gescholten: er solle lieber ehrliche Arbeit thun, als wie ein Zigeuner herumlungern. Da habe der Bursch gelacht und gesagt: er möchte wohl arbeiten, wenn er nur wüßte, was und wo. Der Mann aber, wie er das gehört, sei herausgeschlichen in seinem Fieber und habe gesagt: wenn das sein Ernst sei, Arbeit wolle er ihm wohl anweisen. Da sei der halbe Garten noch umzurajohlen und die neuen Pflanzungen zu machen für das Sommergemüse, und wenn er auch kein gelernter Gärtner sei, nur austellig und fleißig, werde er sich

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des Tagelohnes und gesagt, das faule Ding, die Jakobe, werde es schon allein zwingen. Der Mann aber sei diesmal fest geblieben, und seitdem hätten sie den Hannickel, wie der Thüringer genannt werde, als ihren Gehülfen, und er lasse sich recht ordentlich an, und wenn Feierabend sei, spiele er ganz munter seine lustigen Lieder und Tänze, und alle im Dorf möchten ihn gut leiden.

„Und die Jakobe?" fragte ich.

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„O, die ist ein braves Mädchen, die sieht gar nicht nach ihm hin, die arbeitet jeßt für zwei, als ob sie zeigen wollte, daß der hergelaufene fremde Geselle eigentlich doch überflüssig sei. Und dann hält auch die Mutter sie noch schärfer im Auge, und der Hannickel geht jeden Abend ins Dorf in seine Schlafstelle, und niemand kann ihm was nachsagen."

So erzählte die Frau Sengebusch, und ich weiß nicht, warum mir die Sache tro alledem nicht recht gefallen wollte. Am nächsten Tage machte ich mir an dem Staket zu schaffen, obwohl ich meine Schwarze dort nicht erwartete, und sah auch bald den fremden Burschen, der ganz ehrbar und eifrig bei seiner Arbeit war und nicht einmal zu mir hinüberschielte. Er war nicht viel über Mittelgröße und, soweit ich mit meinen blöden Augen erkennen konnte, ein wohlgewachsener junger Mensch, der einen kleinen kraushaarigen. Kopf auf breiten Schultern trug. Ein verregnetes schwarzes Hütchen mit einer Krähenfeder trug er auf dem linken Ohr, eine verschossene Sammetjacke mit bleiernen Knöpfen, ein kurzes Pfeifchen hing ihm zwischen den Zähnen. Dabei schleppte er die schweren Gießkannen so leicht, daß ihm. noch Atem blieb, einen Ländler zu pfeifen.

Meine Schwarze trat gerade aus dem Hause und brachte ihm sein Frühstück. Sie stellte es auf eine umgestürzte Karre, die in dem breiten Mittelweg lag, und rief ihm, daß er kommen solle. Er sah gar nicht nach ihr um, hörte auch nicht auf zu pfeifen und nickte nur vor sich hin mit

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