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Sie war im Alter nicht schön rot, son- | gelehrt, aber schon mit Staub bedeckt

dern ziemlich gelb angelaufen und hatte nie in ihrem Leben ein Nest in Backofenform errichtet.

Auch zu den Rohrdommeln, Nachtraben, Kranichen und Schnepfen war sie nicht zu rechnen. Auch nicht zu den Wasserhühnern und Störchen und noch weniger zu dem Geschlecht Rallus Crex, das im Herbst überaus fett" wird.

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von einem der hohen Bücherschränke mit Papyrusrollen herunter. Wer weiß es nicht, daß Professor Dr. Kiebig einer von den Diadochen war, die sich in den Kriegsund Königsmantel Alexanders des Großen teilten? daß vor allem keine Geschichte der Philosophie der Geschichte vollständig sein würde, wenn sie seinen Namen nicht mit den der anderen nächsten Schüler des

Sie war im Herbst ihres Daseins Meisters auf ihren Seiten weitertragen durchaus nicht fett geworden.

Nur ein Vogel ist, der zu der Gattung gehört und zu dessen Geschlecht sie sich ganz rechnen konnte. Aus diesem Grunde wahrscheinlich führte sie auch sein Bildnis in ihrem Siegel, und außerdem hatte sie auch eine Monographie über ihn geschrieben, wenn auch nicht drucken lassen; sein Name heißt Jbis.

Was wir dazu thun können, daß auch sie nach ihrem Tode einbalsamiert und göttlich verehrt wird, soll geschehen; gott lob aber haben wir sie augenblicklich noch recht lebendig unter uns und nennen sie einfach, herzlich und zärtlich durch diese Blätter hindurch bei ihrem Tauf- und Familiennamen:

Julchen Kiebiz.

würde?

Alle, die mit ihrem gelehrten Denken persönlich über die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts zurückreichen, wissen das; aber wer weiß noch mehr und Größeres vom Professor Dr. Kiebitz?

Wir!... Denn wir allein wissen, daß er Berlins leßte Hegelianerin in die Welt gesezt hatte. Fräulein Julie ist seine Tochter, war von Kindesbeinen an seine einzige Gesellschafterin, führte ihn in seinem hohen Alter im Tiergarten spazieren und hat sehr vieles von ihm geerbt, was sonst, das heißt im gewöhnlichen Lauf des Lebens, ein Mädchen von seinem Papa wenig oder gar nicht gebrauchen kann. Ob es auch eine der Folgen hiervon war, daß sie unverehelicht blieb, können wir nicht sagen. Daß niemand sie gewollt hat, behaupten wir nicht; aber daß sie niemanden gewollt hat, das steht fest. „Jottlob," sagt Schönow, „hätte die sich ooch wie wir janz jewöhnliches und jemeenes Menschenvolk und Jänseklein ins eenzelne verplempert, wat sollte denn wohl aus det Allgemeene und aus mich insbesondere geworden sein?!“

Schönow behauptet nicht ohne Grund, von ihr zu einem Menschen gemacht worden zu sein, wovon später natürlich noch die Rede sein muß; seine Wohnung und sein „Privatgeschäftsbureau" befanden sich jedenfalls unter ihr, im Grundstock des Hauses, und wir gehen an denselben jezt vorbei, um zu ihr emporzusteigen. Eine Freude wird es uns sein, den ersten Besuch parterre in ihrer Gesellschaft zu machen. Der heilige Vogel, der Jbis, in eine Berlinerin metamorphosiert, würde niemals anders wohnen und anders sicher zu Buttmann, Hißig, Hufeland, Solger, einrichten in der sandigen Mark Branden burg und in der Stadt Berlin, wie Fräulein Julie wohnte und sich eingerichtet hatte.

Alle seine Bücher und Manuskripte und zwei Drittel seines geistigen philologischen Apparates hatte der alte Weltweise, als

Biester, Gans, Fichte und seinem hohen. Meister Hegel auf dem alten Dorotheen= städter Kirchhof in die absolute Ruhe einging, seiner Tochter hinterlassen. Als man ihn dorthin trug und die ganze philosophische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität bedauernd ihm das Geleit gab

Es weht wie Sand der Wüste in die offenen Fenster und bedeckt die Hieroglyphen einer großen Vergangenheit; eine Büste Friedrich Wilhelm Hegels sieht es war an einem wundervollen sonnigen,

und es ist mich wirklich allmählich, als ob die ewige Weltregierung auf meine angeborene Herzensgüte abonniert hat und mich darauf hin alles aufhuckt, wofor sie keinen anderen weichmütigen Märker eben zur Hand hat.

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duftenden Maientage, hätte unter den Hollunder- und Goldregenblüten, den blumenbedeckten Nachbargräbern, den rauschenden Bäumen des berühmten Friedhofes der hinterlassenen Tochter wohl das Gefühl kommen dürfen, daß sie durch Schuld des alten Egoisten doch vieles in Aus tiefer Not schrei ich zu dir ihrem Leben versäumt habe. Wie sie sich nämlich zu Ihnen, Fräulein, und datiere nachher in ihrer Welt einrichtete und Ihnen dieses nicht von Daemels Ecke, innerhalb und außerhalb ihrer vier Wände sondern aus das bitterste Privatmalör und der dieselben bedeckenden Bibliothek und die kummervollste Sofaecke mit dem ihres Vaters damit zurecht kam, das geht Tisch vor mir voll von alle meine Gefür uns gottlob auch aus dem Briefe her winste hiesigen Ortes. Ist das eine vor, den sie eben auf dem Knie liegen Lotterie, das menschliche Leben! ... Alles hat und über dem sie, die altjungferliche rundum voll Albums, Cigarrentaschen, gelehrte Nase reibend, brütet, ohne auch Damenkragen, Tintenwischer, Lichtschirme, in diesem Falle vorher ein Nest in Back | Kaffeemüßen und in die Mitte von die ofenform gebaut zu haben. Ihr Strick- Bescherung der Baumkuchen als die Krone zeug hatte sie wie ein ganz gewöhnliches | vons Ganze, nämlich das Kind, das WittFrauenzimmer beiseite gelegt, als ihr, schon vor einer ziemlichen Weile, der Briefträger das Schreiben ins Zimmer reichte. Wir können nichts Besseres thun, als ihr so scharf als möglich über die Schulter zu sehen und den Inhalt so genau als möglich abzuschreiben. Daß der Schreiber sich bei jedem Wort orthographisch wie stilistisch respektvoll die größte Mühe gegeben hatte, muß jedem flar sein, der je den Mann reden hörte, welches lettere Vergnügen wir glücklicherweise schon mehreremal gehabt haben.

Hochgeehrtes Fräulein!

chen, auch als Waise, und zwar zweifellos bei jedem Lichte besehen, mit nichts Eigenem auf dem Leibe insolvent bis unter die Schuhsolen! Was sagen Sie jezt dazu?

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„Fräulein, seit Sie mir unter die Treppe vorholten und wir uns zuerst beim alten Antiquarius Danz untern Kolonnaden blätternd zusammenfanden in unsere jungen Jahre Sie ins Gelehrte, Griechische, Lateinische; ich in die schöne | Karoline als Husarenoberst, Berlinische Hummeln, Müllers Röschen und Laginka und Joseph oder die versöhnte Rache, bin Ich schreibe in Entrüstung an Ihnen. ich niemalen mehr auf Ihnen angewiesen Es ist doch eine Welt, wie es von Rechts worden als wie heute. Sie waren es, wegen eigentlich gar nicht geben sollte. die dem Herrn Vater damals den Ellbogen Sie, Fräulein, sind natürlicherweise in in die Seite stießen und mich zu Hilfe betreff von die zwei Dußend Lose, so ich kamen, als mir der alte Danz eben beim Sie aus Spaß und barmherziger Kriegs- | Kragen nahm und als verlumpten Gratiskameradschaft aufgehängt habe, selbstver- studenten aus sein Geschäft und's Auge ständlicherweise mit Nieten herausgekom- von seine besseren Kunden entfernen wollte. men, ausgenommen ein paar gestickte Sie kauften Ihnen die Berlinischen HumMannspantoffeln, für die ich mir zum meln und Halleschen Wespen selber, und Austausch anbiete, denn so ziemlich habe wenn Sie heute nachsehen, müssen sie noch ich doch wohl alles von die liebe Kinder in Ihrer Bibliothek sein. Der Herr Pround junge hiesige Mädchens und mein fessor, der Herr Papa, war damals schon zu Wittchen auf'm Halse als Hauptlotterie- kurzsichtig und wie immer mit seine eigekollektör, bis aufs wenige, was in die nen Interessen beschäftigt. Und am anderen Provinz verbleibt. Selbst der Haupt- Tage kriegten Sie zu Ihrem Erstaunen gewinst kommt natürlich nach Berlin, und meinem ewigen Glück heraus, daß

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ich bei Ihnen zu Hause seit'm Jahr als Hausbesißer und kurz dem alten Schönow Laufbursche unter die Treppe schlief. Und so hübsch aus die Mutter Erde raus das unser Verhältnis war angeknüpft. Und Bein gestellt hat! dauert heute noch fort. Gott segne Sie, Da komme ich hierher natürlich auf die Fräulein, wir konnten beide einander besten Referenzen hin und mit die selbstbrauchen! Damals haben wir manches verständlichste Idee, vollständig in die in ein Nest getragen. Sie als vornehme komplette vollständige Provinzunschuld zuaber einsame Gelehrtenprofessorentochter zureisen aus die Reichshauptstadt und und ich durch Ihre Güte nun auch als mein Geschäft in betreff meinen Bedarfs Rockausklopfer beim Herrn Papa. Nach an Primaschiefer wie ein neugeborener her habe ich mir über Ihnen als Dach Prinz von Arkadien in seine Wiege voll decker wohl erhoben, aber im Auge haben grünem Wald, Blumenwiesen, weiße BähSie mir doch immer behalten und ich lämmchen mit himmelblaue Bänder und Ihnen im Herzen. Die Hebamme klebt weißgekleidete Schäferinnen an lettere zu keinem 'nen Zettel an, für was eigentlich etablieren. Ja schöne, wer am Bande er in der Welt sich einfindet. Det findet genommen wird, ist Schönow, und ich sich erst nachher. Und daß Sie, Fräulein, kriege es nur zu rasch von neuem heraus, Ihnen als Schönow sein Ideal hier ein- wo eigentlich all das abgefeimte, tagtäggefunden haben, das ist mich heute deutlich aus allen nichtsnußigen, doppeltlicher als jemals. Mit alle meine Bil- genähten Windgegenden zuziehende Volk, dung, die ich Ihnen zu verdanken habe, komme ich doch noch nicht aus ohne Ihren alten lieben persönlichen Einfluß. Was nügt mich die ganze Mietskaserne, wenn Sie nicht bei mich wohnen in jedweder Etage. Wenn ich Sie det bißchen Woh nungsnot und Molesten von Sie abhalte, was will das sagen? Aber Sie! Wo wollte ich wohl wie gewöhnlich heute ohne Ihnen fertig werden mit Daemels Ecke in voller Rebellion gegen mir vis-à-vis? „Fräulein, Liebelotte, den Sie schon aus meine Bulletins von hier aus an Ihnen so gut als wie ich kennen, hat auch nach seinem seligen Abscheiden nochmals auf die ganze Linie gesiegt und schießt eben aus seine Gruft Viktoria über mir! In seinem kühlen Grabe noch hat er uns alle in die Tasche, und um auch meine lezten Zweifel zu beheben, haben es seine Erben uns gestern auch noch auf hiesigem Amtsgerichte bewiesen und alles schrift lich vor uns niedergelegt. Allens, was recht ist was ein großartiger Kerl ist, bleibt es auch über dieses vergängliche Dasein hinweg. Allen Respekt, sage ich, es ist mich wirklich ein Trost, daß es wiederum eine Hauptkanallje in ihrem Fache gewesen ist, die diesmal das abgeseimte Berliner Kind, Siegesveteranen,

das uns eingeborene oder am Orte selbst
gefundene kindliche Urberliner die Cha=
raktere verdirbt und zur Weltstadt macht,
herkommt und seinen Ursprung nimmt.
Hier! von hier aus und so ins
ganze liebe Deutsche Reich von alle grüne
Weiden und Dichterwälder und gute nuß-
bare Liegenschaften und Hypothekengrund-
stücke rund um Daemels Ecke, so weit die
deutsche Zunge klingt! so is es!
„Fräulein, sie sind (ich meine nicht Ihnen
mit 'nem großen S) um kein Haar breit
besser als wie wir! Und es nüßt mich
heute gar nichts, daß ich dieses schon
lange gewußt habe. Ich könnte Sie viel
davon erzählen, aber verweise Sie doch
nur auf meine früheren, wie gesagt, Bul-
jetins vom hiesigen idyllischen Kriegs-
schauplaße und beschränke mich augenblick=
lich aufs Nächstliegende, meinen seligen
Visavis bei Daemel, diesen Schafskopf
und doppelt raffinierten Provinzschlau-
berger Liebelotte, über den ich mir zum
Beispiel en jedem Abend am ortsange-
stammten Stammtisch amüsiert habe. Aus
seinem feuchten Grabe heraus macht er
sich eben in einer Art und Weise über
mir lustig, die einfach was Jeistermäßiges
und Jrandioses an sich hat. Und wer ist
es, der ihm dabei hilft wie ein Bruder

Heimtücker dem anderen? Mein bester zukommen, einen Schieferbruch in die Prohiesiger und altbekannter Freund, Ge- vinz zu pachten, dazu mußte man selber schäftsfreund und jahrelanger Seelenbru erst zu einer Mumie geworden sein, wenn der Hamelmann, der seit Menschengedenken sich da nicht allgemach das Herz im Leibe neben mir während meine hiesige Aufent- umwenden soll! - Ja, Fräulein Julie, halte hergeht wie das Urbild von Treu vorgestern haben wir ihn denn ebenfalls und Glauben und vergnügte Festigkeit begraben, meinen besten Freund nämlich und Heiterkeit ins tägliche Behagen! am hiesigen Orte, meinen lieben Freund „Was thut der? Hamelmann. Legt's zu dem übrigen, sagt der Dichter, und das haben wir denn auch gethan; mitten in die Reihe ruht er nun zwischen meinem Kriegskameraden. Unteroffizier Amelung und Liebelotten, dem ollen Sünder, meinem guten hiesigsten Freund von Daemels Ecke her;

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„Er ladet sich ohne jedwede Vorfrage jeine Verantwortlichkeit gegen mir von sich ab und mich auf den Hals. Geht hin, steckt sich mit allem, was an ihm ist, in Liebelotten seine Bücher, deutet mit keinem Muck seine Verhältnisse an, legt sich hin auf einem Spaziergange in hiesi- ich aber habe die ganze Kleinkinderbewahrger romantischer Umgebung und wird mich so gefunden mit seinem aufgespannten Regenschirme neben sich auf der Chaussee, weil es nämlich ziemlich schwül an dem Tage war und mehrmals ein kleiner Gewitterschauer heruntergekommen ist zur Abkühlung. Da hatten wir denn das Trauerspiel bürgerlich aber klassisch — kleine Preise, wo die Studenten reingehen sollen, billig zu ihre Weiterbildung, und der erste, der natürlich kommt, ist selbstverständlich mein eigener Studente, Herr Studiosus Philosophiä Gerhardeken Amelung. Der muß ihn denn finden und leider Gottes, als er gerade nicht allein ist, sondern aus mich unbekannten Zufällig keitsgründen das Wittchen - mein Witt chen – das Wittchen Hamelmann hinter Liebelottes Gartenvergnügen getroffen hat und aus Höflichkeit noch ein bißchen weiter durch den schönen Sommerabend mit ihr promeniert. Du liebster Heiland, in keinem Stück im Königlichen Schauspielhaus kann es grausamer zugehen als an dem Abend vorigen Sonntag hier! Fräulein, Sie, die Sie mir schon von Düppel und Königgräß her kennen, ken nen mir; aber was zu ville ist, ist zu viel, selbst für das siebente brandenbur gische Numero sechzig! Wie mich die beiden Kinder die Ohren voll geheult haben, Fräulein, das hält Ihnen kein ägyptisch Krokodil aus! Und bloß, um aus die Begräbnisse gar nicht heraus

anstalt auf dem Buckel. Jawohl, geehrtestes Fräulein, seit sie mir mein olles Regiment aus die Ersazbezirke von Oberund Niederbarnim, Teltow und die Stadt Berlin weg und in dem Regierungsbezirk Düsseldorf verlegt haben, habe ich mir nicht so duselig gefühlt wie heute. Ick alleine reiche wirklich nich dazu aus! ... und ... Fräulein Julie, wie wäre et denn nun einmal wieder? Als sich unser Herrgott in mir vergriff und mich, wie Sie von Olimszeiten wissen, statt zu einem Menschen zu einem Kamel machte, hat er Sie doch nur deshalb gleich hinter mich her erschaffen, um seinen Fohpah wenigstens zur Hälfte wieder gut zu machen. Und die Hälfte von das überflüssige Gepäck, was ich mich diesmal auf den Höcker geladen habe, steht Sie wie gewöhnlich zur Verfügung. Ich knicke in die Kniee, wenn Sie mich nicht umgehend zu Hilfe eilen; ich kucke nach Ihnen aus wie am dritten Juli sechsundsechzig nach die zweite Armee Gewehr bei Fuß mitten in das Getreide und die Granaten bei Oberdohaliz. Ich bitte Ihnen dringend, Fräulein, nur ein bißken hilfreiches Geschüßfeuer von die Flanke aus! Sie sollten ihnen nur bei mir im Sofa sißen. sehen, jedes in seine Ecke mit verquollene Augen, und 'ne sichere Tante Fiesold ooch. noch obendrein als angenehme Zugabe! Wenn ich mir deshalb mein ganzes Leben. durch vergeblich nach eigene Kinder habe

sehnen müssen, so ist das Surrogate gegen | jemanden am Oberarm fasse und das wärtig zwar sehr schöne und for'n gut- spiritistische Gebilde wenn auch wohlmütigen Menschen herzerfreuend, aber ein bißchen beängstigend doch; und wissen sie - der Junge und das junge Mädchen augenblicklich nicht wo aus und wo ein, so weiß ich es effektivemang auch nich.

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So muß es einem denn gehen, wenn einer in die Provinz geht und an nichts denkt als an sein Geschäft und unauf geschlossene Erdschäße, und sich in det Jebirge jräbt und lukratif fürs Vaterland wird und den janzen Schieferbedarf von seine Weltstadt Berlin durch seine angeborene Schlauheit zu decken wünscht. Schöne zugedeckt komme ich nach Hause! Daß der Hase selbander ins Gehölze geht und zu sechzehn in der Familie wieder zurückkehrt, ist gar nichts gegen mir, und

wenn Sie mir nicht mit nächstem Briefkasten kurz abschreiben, auch gegen Ihnen nicht, Fräulein, liebstes, bestes Fräulein! Es ist nach Gottes Willen eine Kohllegenschaft; denn haben Sie mir damals unter die Treppe weg zu einem Menschen gemacht und mich die Leiter hingestellt und als junge melancholische gelehrte Dame mir gehalten, daß ich mir auf ihr aus die Verwahrlosung erheben konnte, so habe gottlob ich auch Ihnen, Sie armes weiches Ei ohne Schale, das Dasein in diese beißige Welt wohl mal vom Leibe abhalten können, das heißt Sie manchmal wohl einen Verdruß, rauchigen Ofen, Molesten, Gang nach die Polizei und andere Behörden ersparen dürfen, was ich immer noch für meine Hauptoahse achte, indem ich möchte, daß ich auch wiederum einen habe, der mich auf meinem Wege nach seinem besseren Verstehen meine intimen Beunruhigungen abnimmt, wenn er kann.

„Ach, wenn Sie diesmal könnten, Fräulein Julie! ... Und wollten?!"

Als das Fräulein an dieser Stelle des Briefes ihres alten Freundes angelangt war, legte sie ihn hin, den Brief nämlich, erhob sich aus ihrem Sessel, stand und that einen Griff vor sich hin, als ob sie

wollend, so doch ziemlich energisch schüttele. Von einem weichgekochten, schalenlosen Ei hatte ihr gelehrt Altjungferngesicht wenig an sich, allein das Lächeln, welches sich dann doch Bahn brach, sprach Besseres und Mehreres von ihrem Charakter und ihrem Intellekt, als wenn sie sofort eine lange Rede zu gunsten beider von einem Schul- oder Universitätskatheder gehalten hätte.

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Es ist wirklich nicht zu verlangen, daß man uns zwei für möglich hält!“ sagte sie. „Na, das ist denn wieder eine schöne Geschichte! eine recht nette Bescherung!" Wir können es nicht klar darlegen, wie sich die Verbindung der Ideen in ihr machte, aber eine Thatsache ist es, daß sie, che sie das Schreiben unseres und ihres Freundes Schönow wieder aufnahm, mit einem „Hm!“ eine Bücherleiter erstieg, einen Pausanias herunterholte und auf einen Kollektaueenbogen aus dem Græculorum omnium mendacissimo einen Findling über die Familie der Claudier als Patrone der Lakedämonier fest aufs Papier heftete. Mit unserem und ihrem allerbesten Freunde hatte die Notiz nicht das Geringste zu schaffen. Der ging aus seinem guten ehrlichen Herzen so ruhig, als es ihm möglich war, weiter:

„Aus dem Hause brauchen wir ja keinen darum rauszudrängeln und zu steigern ooch nich, wenn ich Sie das Kind bringe oder Sie es sich noch lieber selber von hier holen. Mit diesem leßteren Gedanken geht es mich plößlich wie das volle Sonnenlicht durch die Seele. Das sollten Sie thun! Das wäre zu schöne! Was den jungen Menschen anbetrifft, so überlasse ich den gänzlich seinem Eindruck auf Ihnen. Ich bin mich noch nicht über ihn einig die Tante halte ich Sie natürlich vom Leibe. Die Hauptsache ist und bleibt fürs nächste das kleine Mädchen, das zwischen gestern und heute so erbärmlich in seine eigene Barmherzigkeitslotterie reingefallen ist und nun mit's

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