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Heute, nachdem das Land eine Reihe. von Dynastiewechseln und viele Kriege durchgemacht, die es lange ohne dauernden Schaden ertragen hatte, sind die Canalwerke fast ganz zerstört. Die mittelalterliche Blüthe Bagdad's gründete sich auf Reste alter Wässerungsanlagen, von denen Ueberbleibsel noch jest bestehen und die Erträge des Bodens immer noch so reich machen, daß die türkische Zwingherrschaft hohe Steuern erpressen kann. Dahria belegenes ungesundes sumpfiges Gebiet zeigt die Stelle, wo der Nitocris-See einst das Spiegelbild der Gestirne zurückwarf. Wann wird eine kraftvolle Hand, ein kraftvolles Volk wieder einen der schönsten aller Erdstriche zu neuem Leben aus dem Wüstensande emporblühen lassen?

Eine großartige Entwicklung fand die, zens und der Gerste erreichen dort leicht Bewässerung in Assyrien. Dort zwischen eine Breite von vier Fingern; bis zu welcher den Strömen Euphrat und Tigris, wo Baumhöhe aber die Hirse und Sesamstaude heute die Trümmerhügel von Ninive und sich erheben, will ich, obgleich ich es genau Babylon in einem wüstenartigen Felde weiß, hier gar nicht anführen, weil ich liegen, bedeckte früher die reichste Vegeta wohl weiß, daß diejenigen, die nicht in das von Canälen durchschnittenen babylonische Land gekommen sind, selbst das, Boden. Unter Ninus, um 2000 vor un- was von dem Getreide eben bemerkt worserer Zeitrechnung in die Geschichte ein- den ist, für ganz unglaublich halten.“ tretend, entwickelte das assyrische Volk, welches durch weise Geseze und religiöse Vorschriften auf den Ackerbau gewiesen wurde, durch die Canalanlagen die Ergie bigkeit des Landes. Die Flüsse waren durch Steindämme von gewaltiger Stärke einges faßt. Flußartig breite Canäle mit Schleusenwerken entnahmen den Strömen das Wasser, um es meilenweit zu verbreiten. Die Königin Nitocris ließ auch einen dem Möris-See nicht unähnlichen Sammelbe hälter ausgraben, und verband ihn durch einen riesigen Canal, den Pallacopas, mit dem Euphrat. Dieser Strom brauchte mit seiner ganzen Wassermasse zweiundzwanzig Tage um den Nitocris-See zu füllen. Zwölf | Jahrhunderte später sollte derselbe See den Babyloniern zum Verderben gereichen, in dem der Babylon belagernde Kyros den Euphrat in den schon halbversandeten See ableitete, und durch das Strombett in die Stadt eindrang. Viele Maschinen fanden bei der Bewässerung Mesopotamiens Verwendung, Schöpfräder ähnlich dem oben bei Spanien besprochenen und andere von Thieren betriebene Schöpfwerke berieselten die Felder und Prachtgärten, die soge nannten Paradieje, unter denen die der Semiramis sprichwörtlich sind. Welche Auffassung übrigens Semiramis für die Wasserbauten hatte, zeigt eine Inschrift, welche Alexander auf einem seiner Züge an der skythischen Grenze fand. Es heißt darin:

Ich (Semiramis) habe die Ströme gezwungen dahin zu fließen, wo ich wollte, und ich wollte nur, wo es nüßlich war: ich habe fruchtreich gemacht die dürre Erde, indem ich sie bewässerte durch meine Ströme." Die Fruchtbarkeit des Bodens war erstaunlich. Herodot berichtet darüber ziemlich ausführlich: „Das Land ist," so sagt er, „das beste, die Frucht der Demeter hervorzubringen. Für den Getreidebau. ist es so geeignet, daß es überhaupt zweihundertfältig, und wenn recht gut, drei hundertfältig trägt Die Blätter des Wei

Armenien, Medien, Susiana, Baktrien, Persien c. waren und sind theilweise reich bewässert; bei Persien muß einer eigenthümlichen Canalgattung gedacht werden; es sind die Karuz genannten unterirdischen Canäle. Sie leiten das Wasser aus den Quellgebieten durch ein felsichtes Vorland in die persische Ebene, und sind ganz und gar in den Fels gehauen. Sie führen daher das Wasser kühl und lauter in Felder, Gärten und Städte; diesem Wasser verdanken die Rosen von Schiras ihren Weltruf. Bei der Centralverwaltung in Schiras sind heute immer noch 52,000 Karuz eingetragen. Die Festigkeit dieser unterirdischen Rinnen hat ihnen eine unvergleichliche Dauer gesichert, welche Kriegen und Ungemach aller Art widerstanden hat; sie geben uns Antwort auf die Frage, warum das persische Reich die furchtbaren Angriffe Alexander's und die zahlreichen spätern Kriege, welche die Staaten Westasiens stürzten, allein ungebrochen überdauert hat.

Indien wurde von den ältesten Zeiten her allein durch die Bewässerung zur Blüthe gebracht. Das ungeheure Land würde in der ganzen Südhälfte unbewohnbar sein,

wenn es nicht von Tausenden von Canälen durchzogen und namentlich nicht von künstlichen Teichen in Unzahl bedeckt wäre, welche die massenhaften Niederschläge der Regen zeit aufsammeln und zur trocknen Zeit vertheilen. Vieles ist bei der unglaublich schlechten Regierung der ostindischen Compagnie zu Grunde gegangen; noch heute zählt aber z. B. die Präsidentschaft Madras allein 53,000 Sammelteiche mit 300,000

indische Bauer ist ungemein fleißig und genügsam. Mit einfachen Mitteln erhält er seine Dämme und Canäle und weiß fie jeder Culturart anzupassen. Mit Maschinen, welche theils durch Menschenkraft, theils durch Zugthiere bewegt werden, hebt er das Wasser auf die hochgelegenen Felder. Die folgenden Figuren stellen solche Vorrichtungen dar. Bei der ersten bewir ken die Männer oben durch Vor- und RückFigur 1.

Wasserkunstbauten, welche sammt und sonders aus der Hand der Eingebornen hervorgegangen sind. Sehr viele der Teiche find wahrhafte Seen, welche an Größe dem assyrischen sich wenigstens nähern.* Meistens bewässern sie Reisfelder. Der

wärtsschreiten, Figur 1, das Auf- und Niederschwingen des Baumes, an welchem der Eimer aufgehängt ist. Viele dieser Wippen werden von nur einem Manne getreten, manche aber sind mit fünf bis sechs Männern beseßt, welche einen kolossalen Kübel in Bewegung seßen. Die beiden folgenden Figuren zeigen ein von Ochsen betriebenes, Kuppilay" (Figur 2). Die Thiere ziehen mittelst des geschickt angebrachten Taues einen großen Lederschlauch gefüllt aus dem Wasser empor, der bei sei

Der Leich von Caverypaukum hat über 7000 Morgen Oberfläche, der von Dschumprumpaufum nahe 10,000, der von Ufsudu über 38,000 Morgen bei 12 Millionen Kubikmeter Wasserinhalt. Auf Geylon (so groß wie Irland) sind noch zahlreiche Teiche, obgleich die Dschungl davon eine Unzahl verschlungen hat. Der See bei Maïnery ift kunstner Ankunft am oberen Mauerrande gestreckt wird und ausfließt. Darauf werden

lich, er hat über 4 Meilen Umfang.

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so eigentlich entdeckten, über vier Jahr-, tausende bestehenden Reiche, welches die schier unfaßbare Aufgabe gelöst hat, vier Zehntel der sämmtlichen Erdenbewohner, über 420 Millionen, allein zu ernähren und zu verwalten, ist der Landbau und seinetwegen die Wasserwirthschaft in der höchsten denkbaren Blüthe. Wir müßten alle die schon besprochenen Einrichtungen und die bei anderen Ländern gepriesenen Wirkungen der Wasservertheilung wieder holt vorführen, wollten wir China nach Verdienst in dieser Richtung schildern. Alles was man in landläufigen Redensarten feil bietet über den Stillstand im Reiche der Mitte, ist eitel Fabel. Die Geschichte des Landes ist reich an Wechsel und an Entwidlungsvorgängen. Die Bewohnbarmachung neuer unbebauter Grenzprovinzen, also ihre eigentliche Erwerbung, verursachte harte Kämpfe, und forderte oft Jahrhunderte, ehe die Wasserbauten feindlichen Einfällen und der troßenden Natur gegen über festen Fuß gefaßt hatten. Erfindungen und Künste, Bildung und Lebensweisheit pulsiren durch das merkwürdige Volk, wie durch irgend eines.

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läßlich ist; in jedem der Paläste wohnte ein entthronter Fürst: - sieben Wilhelmshöhen auf einmal! Viele der Großen ruinirten sich durch Gartenbauten. Diese beanspruchten neben ihrer großen Bodenfläche ungeheure Wassermengen, welche beide mithin dem Nußbau entzogen wurden und schwere Verluste verursachten. Wiederholt begann das Volk darüber zu murren. Mehrmals wurden deshalb die kaiserlichen Gärten auf- und der Landwirthschaft zurückgegeben. 1368 stürzte die mongolische Dynastie vornehmlich wegen des Gartenlurus, der eine Empörung hervorrief. Auch der jetzige kaiserliche Garten bei Peking ist noch von enormer Größe; er hat einen Umfang von zehn Meilen und ist ein Non plus ultra aller Gartenkunst. Landschaften aller Art, von der lieblichsten bis zur großartigen, wechseln in demselben; der Pflanzenwuchs aller Zonen ist in ihm in prächtiger Entfaltung, überall die reichlichsten wie ausgesuchtesten Wasserkünste; Bäche, Flüsse, Seen, Dörfer und Schlösser beleben die Gegend. Die Bewohner der Dörfer sind eine Art von Schauspielern. Sie stellen für den Kaiser in schmucker Garderobe je nach den Anordnungen des Hofmarschalls Fischer, Matrosen, Arbeiter, Handelsleute, Bauern, Soldaten vor, und führen dem Herrscher, welchem die strengste aller Etiketten das Erscheinen vor dem wirklichen Volke verbietet, ein verfeinertes Spiegelbild desselben vor. Ein überaus belebtes Bild! Alle die Puppen aus unseren Tabacks- und Theeläden sind lebendig geworden. Das lacht und plaudert und zischelt durcheinander in der r-losen Sprache, die wie eine Perlen= schnur aus kurzen ungebeugten Wörtern zusammengesett ist; das läuft mit den kurzen Schritten, welche die Tracht bedingt, hin und her, das verbeugt sich, klatscht in die Hände, klingelt und tamtamt, wie es drüben in Peking auf den breiten sonnigen Straßen vor sich gehen soll. Und die himmlische Majestät schaut zu aus einem prächtigen Kiosk, und läßt das Theater des Lebens vor sich vorübergaukeln, und gähnt vielleicht bisweilen auch ein weniges.

Einen Punkt muß ich hervorheben, eine Leidenschaft der Chinesen, welche mit der Wasserwirthschaft eng zusammenhängt, es ist die Leidenschaft für Gärten. Kein Volk der Erde hat den Gartenbau so cultivirt, wie die Chinesen; sie haben eine förmliche Wissenschaft daraus gemacht, und besigen Park- und Gartenanlagen, welche alle übrigen der Welt weit hinter sich zurücklassen. Sie bilden im Garten einen heiteren Mikrokosmos, eine symbolisch veredelte Darstellung alles dessen, was der Mensch im Zusammenleben mit der Natur im Ernste entweder vorfindet oder schafft. Die Herrscher und die Reichen haben deshalb einen Lurus im Gartenbau entwickelt, der ganz kolossale Dimensionen annahm, ja der geradezu in die Geschicke China's eingriff. Wer die Geschichte des chinesischen Gartenbaues schreibt, erzählt fast zugleich eine Geschichte der chinesischen Dynastien. Die kaiserlichen Gärten hatten zu Zeiten eine enorme Größe, so der des Für uns, die wir in so ganz anderen Hoang-Ti, 221 vor unserer Zeitrechnung, Culturideen aufgewachsen sind, hat chineeinen Umfang von über 20 Meilen; in fische Manier immer etwas unwiderstehlich diese Parklandschaft baute der Kaiser sieben Komisches; wir lachen über die sonderbaren Baläste, ausgestattet mit allem Raumlurus, Gesellen in gelber und blauer Seide; sie welcher nach den dortigen Begriffen uner- | aber, welche ein sociales Problem, vor

Monatshefte, XXX. 175. — April 1871. — Zweite Folge, Bd. XIV. 79.

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welchem unsere ganze Lebens- und Staats- | des deutschen Landes, auch Techniker und kunst weichen muß, so glänzend gelöst haben, Volkswirthe, ihr Augenmerk auf Verkehr von ihnen sagt man, daß sie gelegentlich über uns lächeln sollen.

Wir trennen uns vom himmlischen Reiche, um es mit unserer Heimath zu vertauschen. Schalten wir noch ein, daß Japan, die Sunda-Inseln, Thibet, die Bucha- | rei, ja selbst Sibirien, lezteres für seine zwei bis drei warmen Monate, von der Bewässerung den ausgedehntesten Gebrauch machen.

Bei uns im lieben Deutschland besteht die Bewässerung, wie ich sie zu schildern versucht habe, nicht. Unser gemäßigtes Klima gibt nicht unmittelbar die Anregung dazu; diese muß vielmehr, wie in Frankreich, durch die Einsicht in die Erfahrungen anderer Länder gegeben werden. Zwar besigen wir einen Musterbau von Wasserbewahrung auf dem Gebirgsstocke des Harzes, welcher mit Canälen aufs sorgsamste umzogen ist, die so zu sagen keinen Tropfen unbeachtet niederrieseln lassen; allein dieses bewunderungswürdige und trefflich angelegte System dient nur der Bergbau- und Hüttenindustrie, nicht dem Landbau. Zwar findet ferner bei uns die Wiesenberieselung stellenweise in nicht unbedeutendem Maßstabe statt; allein die Werke sind vereinzelt, und vorzugsweise Sache der verschiedenen Besizer, seltener großer Gemeinden, nie ganzer Landschaften. Das aber ist die eigenthümliche Seite der Bewässerungseinrichtungen, daß sie nur dann gelingen können, wenn sie in großem Maßstabe, unter Inbetrachtnahme ganzer Flußgebiete wahrhaft wirksam auszuführen sind, daß sie also bloß durch den Staat, oder doch mit dem Staate in Angriff genommen werden können.

Die Ueberschwemmungen im Winter und Frühjahr sind bei uns Regel, und die durch sie niedergeführte Wassermasse ist gefürchtet. Wir kämpfen gegen das Unheil, welches das fessellose Element anrichtet, vom Bauer herauf bis zum Deichhauptmann. Wir vermissen die Beschwörungsformel:

Sei ruhig, freundlich Element!" welche, ins Praktische überseßt, den Bau von Teichen und Thalsperren in allen Quellgebieten, das Aufsammeln und Canalisiren aller Wasserüberschüsse bedeuten würde.

Vielleicht mit zu starrem Blick haben die Gesetzgebungs- und Verwaltungsfactoren

und Handel gerichtet, die doch bloße Mittel zum Zwecke sind; auch in den Canälen erblicken sie nur Transportstraßen, also Organe für Handel und Verkehr, während dieselben, wie wir fanden, doch zu einer ungleich bedeutenderen Bestimmung erhoben werden können, derjenigen, den Landbau so zu beleben, daß nicht alljährlich Tausende von Auswanderern dem Vaterland den Rücken wenden. Hoffen wir, daß das neu erstandene Reich mit dem gehobenen Blick, welchen die großartigen Verhältnisse ermöglichen und fordern, die wichtige Frage ins Auge fassen werde; leben wir doch in einer der Aufnahme großer Friedenswerke geneigten, hellen und verheißungsvollen Zeit!

Ich eile zum Schlusse. Das Stück Völkergeschichte, welches meine Beschrei= bungen vorführten, habe ich von einem sehr einseitigen Standpunkte aus beleuchtet, dem Standpunkte des Ingenieurs. Aber solche einseitige Beleuchtungen haben auch ihr Gutes; sie geben neben tiefen Schatten auch scharfe Schlaglichter, und zeigen Tiefen und Höhen, welche man bei der vollen Alltagsbeleuchtung vergeblich suchen würde. Davon aber haben wir uns überzeugt, daß wir einstimmen dürfen in die Worte, mit welchen Griechenlands größter Lyriker seinen ersten Siegesgesang anhebt: „Das Herr= lichste," sagt Pindar, ist das Wasser!"

Photographie und Technik.

Bon

August Vogel.

Die Photographie, diese wunderbare Erfindung der Neuzeit, ist seit der verhältnißmäßig kurzen Zeit ihres Bestehens, ganz abgesehen von ihrer artistischen Bedeutung, ein einflußreicher Zweig der Technik geworden. Redendes Zeugniß hierfür geben die Weltausstellungen, welche uns photographische Apparate und Präparate in unglaublicher Ausdehnung und Vollkommenheit vorführen. Eine Vorstellung von dem kolossalen photographischen Betriebe ergiebt sich aus der Thatsache, daß allein nur aus den Papierabfällen der beschäftigten Ateliers jährlich pfundweise metallisches Sil

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