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Fräulein Bertha erwiederte nichts. Sie fiel ohnmächtig auf ihren Stuhl zurück.

Eine halbe Stunde später stand Frau Martha in dem Zimmer der Gesellschafterin, welche blaß und matt sich beim Eintritt der Greisin aus der Sophaecke erhoben hatte, aber sich kaum auf den Füßen halten zu können schien. Die Bürgermeisterin sah dies mit einem aufmerksamen, aber für ihre Auge kalten Blicke an, machte jedoch keine Bemerkung darüber, sondern sagte nur zu ihrer anwesenden Enkelin: „Laß' uns allein, mein Kind. Ich habe mit Fräulein von Meiring über besondere Angelegenheiten zu reden. Geh' zu mir hinauf und bleibe da ich muß hernach auch mit dir sprechen.“

sie mich so heißen wollen. Ich habe meinen ehrlichen Namen Wehlau und kein Anhängsel daran. Also, Ihre Stellung ist zu Ende. Meine Schwiegertochter ist heut Nacht abgereist und wird nicht zurückkehren. Sie sehen also, daß hier kein Plaß mehr für Sie ist, ich und Marie bedürfen keiner Gesellschafterin -"

„Frau Bürgermeisterin, wie sind Sie so hart!" hauchte das Mädchen, den Kopf in die Hände senkend.

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„Ich bitte, mich nicht zu unterbrechen, mein Fräulein," sprach die Greisin unbewegt. Es ist mir kein Vergnügen, mit Ihnen zu reden, und ich habe doch noch allerhand, mehr als mir lieb ist, zu sagen. Meine Schwiegertochter hat mir einen Brief hinterlassen, in welchem sie sich über gewisse, sie selbst betreffende Punkte, daneben aber auch über Sie erklärt, mein Fräulein. Für mich enthielt der Brief nach den Erfahrungen der neuesten Zeit zwar allerlei Neues, aber nicht eigentlich Ueberraschendes - ich hatte Aehnliches vermuthet, ja wußte es zum Theil sogar. Ich habe Ihnen den Brief mitgebracht, hier ist er."

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So werde ich Ihnen denselben vorlesen," sagte Frau Martha unbewegt, indem sie das feine, engbeschriebene Papier entfaltete und es, nachdem sie die Brille aufgesetzt hatte, vor die Augen nahm. Und als das Mädchen nach einem bit-Kennen lernen müssen Sie ihn, das ist tenden Blick auf die Großmutter das Zim- nicht anders. Aber ich glaube freilich," mer verlassen hatte, wandte sich diese mit fügte sie in eigenthümlich trockenem Ton ihrem kalten, strengen Auge von neuem zu hinzu, das meiste wäre für Sie von UleBertha und fuhr fort: „Wenn Sie sich so berfluß. Für Sie hat die Dame kein Inangegriffen fühlen, mein Fräulein, so sezen teresse. Und so will denn nur die paar Sie sich. Ich bin nicht in zwei Worten Säße herausnehmen, die sich mit Ihnen fertig und ich fürchte, daß Sie durch mehr beschäftigen." als einen der zu erwähnenden Punkte noch mehr erschüttert werden." Von dem bangen, flehenden, fast ersterbenden Blick, den Bertha auf sie heftete, nahm sie keine Notiz, sondern sprach im gleichen Tone weiter: Vor allem, mein Fräulein, muß ich Ihnen das Ende Ihrer Stellung hier im Hause anzeigen."

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„Frau von Wehlow!" stammelte Bertha, schrechaft zusammenzuckend.

Frau Martha's Augen ruhten finster auf ihr. Ich will nicht fürchten, mein Fräulein," sagte sie mit herbem Ton, „daß

Sie schlug das Blatt um, sie suchte einige Secunden lang mit den Augen und dann begann sie:

"Herr Wehlow machte endlich auch eine Aeußerung über einen Mann, der trot all seiner Schwächen himmelhoch über Herrn Wehlow selbst und über seinem Urtheil steht. Herr Wehlow flagt nämlich Herrn von Landenberg, und daher natürlich auch mich, in der Sinnlosigkeit seiner Wuth an, daß er den angeblich mir gestohlenen Schmuck mit meinem Wissen an sich genommen habe, um Spielschulden zu bezahlen oder zu

irgend einem anderen Zweck. Die Beschul- | das Gericht würde aber wieder anfangen," digung ist so sinnlos und so gemein, daß seßte sie hart hinzu und nahm das Blatt sie für keinen Menschen von Verstand, Ge- wieder auf. fühl und Ehre einen Werth haben kann. Ich glaube auch nicht, daß Herr Wehlow selber sie laut wiederholen wird; dies könnte aber von Anderen versucht werden und zwar von dem oder den Dieben selbst, und dem muß begegnet werden. Der Dieb des Geldes und der des Schmucks hängen genau zusammen; der eine ist jener -ich glaube, Herr von Sesen; der andere ist Fräulein von Meiring."

Ein unarticulirter Schrei brach von Bertha's zitternden Lippen, sie sank, wie von neuem ohnmächtig, in die Ecke zurück.

Die Bürgermeisterin warf auf das Mädchen einen langen, kalt forschenden Blick. Dann wandte sie aber, als sehe sie keinen Grund zur Besorgniß, die Augen wieder auf das Blatt und las weiter:

„Fräulein von Meiring hat ganz besondere Anlagen. In welcher Absicht sie die Stelle hier im Hause annahm, weiß ich nicht; sie hat es aber verstanden, die sämmt lichen Hausgenossen lange Zeit über ihre wahre Natur zu täuschen und dies gelang ihr so lange auch bei mir, bis sie die Verhältnisse, die Menschen und den Boden genugsam studirt zu haben, freier vorgehen zu dürfen glaubte und sich, mir wenigstens, alsbald verrieth. Als sie meine Stellung zu Herrn Wehlow zu begreifen meinte, begann sie ihre Bemühungen um diesen, und da sie damit nicht reüssirte, weil Herr Wehlow andere Dinge im Kopfe hatte, knüpfte sie mit Herrn von Stauff an, ohne darum ihr erstes Ziel aus den Augen zu lassen. Kleine ungeregelte Gelüste nach diesem und dem, was in meinem Besig war, gingen nebenher -"

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"Frau Bürgermeisterin ich kann. ich darf ich will diese Schändlichkeiten nicht länger hören!" rief Bertha, welche sich langsam aus der Ede wieder aufgerichtet hatte, wie ganz außer sich aus. Ich muß sagen, wie jene entsetzliche Frau: Kein Mensch von Gefühl und Ehre kann daran glauben, und Sie Sie

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- welchen ich nicht entgegentrat, da mich dies Treiben einestheils unterhielt und ich es anderntheils voraussah, daß mir gerade eine solche Persönlichkeit unter Umständen von Werth sein dürfte. Ueber die Natur ihrer Verbindung mit jenem Herrn von Sesen weiß ich nichts Näheres und ebensowenig vermag ich anzugeben wenn ich auch meine Gedanken darüber habe, was den Einen oder die Andere plößlich nach einem größeren Fang verlangen und das Comptoirpult bestehlen lieg. Der Diebstahl ist nicht gegen Morgen geschehen, sondern zwischen zwölf und ein Uhr, wo ich ihn von dem Privatcabinet des Herrn Wehlow aus beobachtete. Und ebenso hatte ich — das Glück es zu sehen, als Fräulein von Meiring gegen zwei Uhr in das Ankleidezimmer trat und, statt zu horchen, wie sie doch wohl beabsichtigte, den Schmuck an sich nahm. Wäre sie bis zur Portiere meines Schlafzimmers gelangt, so hätte sie sich vor mir gefunden. Was mich veranlaßte zu schweigen, habe ich nicht zu erörtern. Ganz unthätig war ich jedoch nicht. Wenn man bei dem Handelsmann Wolf in der Schwertgasse nachforscht und fragt, dürfte man alles zum Beweise Nöthige erhalten können.

„Nach seiner Rückkehr von Ambach hat Herr Wehlow sich für des Fräuleins erneuerte Aufmerksamkeiten zugänglicher bewiesen, was mir aus mehr als einem Grunde besonders willkommen war. Und da ich Herrn Wehlow kenne und weiß, daß ihn ein allzulanger Widerstand leicht verstimmt und ermüdet, so erlaubte ich mir eine kleine Komödie mit Herrn von Stauff, welche denn auch ihren Zweck erfüllte und Beide sich zu ihrer gegenseitigen Befriedigung endlich verständigen ließ auch über mich, d. h. genau, wie ich es wollte. Denn, Frau Bürgermeisterin, ich hatte das Spiel satt und verlangte nach dem Ende."

Bertha hatte dies alles in einem schwer zu beschreibenden Zustande mit angehört

„Ich, mein Fräulein? Das müssen Sie jedes Wort schien sie zu einem Ausmir überlassen," fiel Frau Martha mit bruch zu reizen, und jedes Wort, wie es ihrer erschreckenden Trockenheit ein. Und in grausamer Deutlichkeit von den Lippen überdies muß ich Sie bitten, Ihre Auf- | Frau Martha's klang, und jeder Blick auf regung und Abneigung zu zügeln. Ich die Greifin, hielt den Ausbruch dennoch könnte allerdings vielleicht aufhören zurück. Nun aber, da das Blatt zujam

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weiß ich!"

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"Ich auch," versette die alte Dame mit vernichtender Kälte; wenn nur der Herr von Wehlow nicht bereits selber im Stich gelassen würde vom Glück und von der Ehre! Sie wissen vielleicht, daß er gleichfalls abgereist ist möglicherweise wissen Sie sogar, wohin, und daß er hierher nicht zurückkehrt. Es ist ja Alles möglich."

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Bertha haschte nach Luft. „Sie wollen doch nicht sagen hauchte sie.

,,Genau, was ich gesagt habe, es braucht nicht wiederholt zu werden," sprach die alte Dame finsteren Blicks und stand auf. „Und nun laffen Sie uns auch über Sie zum Schluß kommen die Sache widert mich an, mein Fräulein. Ich stelle Ihnen eine Alternative entweder legen Sie bis heut Nachmittag um zwei Uhr vor mir und einem von mir zu berufenden Zeugen ein vollständiges Bekenntniß Ihrer Schuld ab und mögen dann mit Ihrem Herrn Onkel, mit Ihrer Beute und Ihrem Gewissen gehen, wohin Sie wollen. Oder die Polizei wird die Angelegenheit statt meiner in derselben Stunde in Ordnung bringen."

"Frau Bürgermeisterin!" rief Bertha entsetzt. Sie können nicht"

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fiel Frau Martha kalt ein. „Ich werde dafür sorgen, daß Sie in Ihrer Ueberlegung bis dahin durch Niemand gestört

werden."

In der Stadt machte sich, als man von der plötzlichen und getrennten Abreise der beiden Gatten vernahm, zwar ein gewisses Erstaunen bemerkbar, allein ein eigentlicher Verdacht regte sich noch nicht, ja war selbst unter der Dienerschaft des Hauses nicht aufgekommen, bis es am Nachmittage zuerst bei dieser durch den zurückkehrenden Kutscher und alsbald auch draußen bekannt wurde, daß Adine die beiden Kinder mitgenommen und auf der Eisenbahnstation, bis zu welcher der Wagen sie geführt, dem Kutscher angedeutet habe, daß sie nicht zurückkehren werde. Da wuchs das Erstaunen und erhob sich der Verdacht höher und höher und nahm plöglich eine von Vielen nie geahnte Richtung denn um dieselbe Stunde verbreitete sich plöglich das Gerücht, daß der Hauptmann Baron von Landenberg morgens todt vor seinem Schreibtisch gefunden sei.

An einem Herzschlage sollte er gestorben sein. So glaubte es die Dienerschaft, so gaben es die Aerzte an, so glaubte es die arme, untröstliche, selbst vor Entseßen und Trauer dem Tode nahe Frau. Alles schien auch auf ein solches überraschendes, ungeahntes Ende hinzudeuten. Es fand sich nicht das leiseste Anzeichen, daß der Verstorbene dergleichen für möglich gehalten und sich, der Pflicht des tüchtigen Mannes gemäß, in Ansehung der Seinen und seines Nachlasses auf dasselbe vorbereitet habe.

In der Gesellschaft glaubte man trotz alledem an ein solches natürliches Ende nicht. Man erinnerte sich an die alten Gerüchte von einer Verbindung zwischen ihm und Adinen. Man gedachte seiner neuerdings auffallend verdüsterten Stimmung und seiner unregelmäßigen Lebensweise; man machte sich gegenseitig aufmerksam auf die Entfremdung, welche zwischen ihm und seiner schönen Verwandten eingetreten war und auf den sichtbaren und auffälligen Vorzug, welchen diese neuerdings Herrn von Stauff gewährt hatte. Man erfuhr vom Logenschließer, daß Landenberg am vergangenen Abend eine kurze Zeit in der Wehlow'schen Loge gewesen sei und dieselbe in großer

Bis um zwei Uhr, mein Fräulein!" | Aufregung verlasse 1 habe. Und man wollte

endlich gehört haben, wie der alte Hausarzt, den Herzschlag bestätigend, mit Achselzucken gemeint habe, vor allen Dingen müsse die arme junge Frau geschont und womöglich gerettet werden. Daß man troß alledem mit seinem Verdacht oder vielmehr mit seiner Ueberzeugung nicht laut wurde, erklärte sich durch die entschiedene Haltung des Offiziercorps und Wolfsbach's, der mit musterhafter Treue sich der Ordnung des Nachlasses und aller Verhältnisse widmete. Es sollte nicht der leiseste Schatten auf den verstorbenen Kameraden und Freund fallen.

Von Herrn von Wehlow war bei dem allem fürs erste wenig die Rede, oder doch nur in der Weise, daß man mit einer gewissen Neugier darauf wartete, wie der hochmüthige und ehrgeizige Mann nach seiner Rückkehr sich zu dem Geschehenen, zu der Trennung von seiner Gattin stellen und wie der Gesellschaft entgegentreten werde.

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Anders gestaltete sich die Sache frei lich, als man am dritten Tage erfuhr, daß die Bürgermeisterin Martha Wehlau so nannte sie sich - bei Gericht die Flucht ihres Sohnes anmeldete, die Firma für insolvent erklärte und alle weiteren Schritte dem Ermessen der Behörde anheimgab. Da wurde es allerdings laut über den Banquier und immer lauter, denn es kamen jezt von Tag zu Tage immer mehr Dinge zu Plaz, die ein böses Licht auf den Mann und seine Unternehmungen warfen. Der Glanz und Ruhm der alten Firma waren für immer dahin, der Ruf des Chefs sant tiefer und tiefer, und er wurde auch nicht wieder hergestellt, als nach Jahr und Tag Alles geordnet und auch die letten Schulden gedeckt waren. Denn man wußte wohl, wie dies Resultat nur durch die Ehrenhaftigkeit und Energie Frau Martha's hatte erreicht werden kön nen, welche ohne Bedenken den größten Theil ihres sehr bedeutenden eigenen Vermögens opferte, um die Ehre nicht ihres Sohnes, den man vor ihr nicht nennen durfte, aber der Firma wenigstens von dieser Seite zu retten.

Das alte Wehlau'sche Haus ist, wie alle übrigen Besitzungen, verkauft, und Frau Martha lebt mit ihrer Enkelin in tiefer Zurückgezogenheit und den bescheidensten Verhältnissen in einer kleinen Vorstadt

wohnung, getrennt von allen früheren Hausgenossen mit Ausnahme ihrer getreuen Lene und des alten Buchhalters Hörmann, der im gleichen Hause für sich eine Mansarde bewohnt und die kleinen Vermögensreste der früheren Gebieterin verwaltet, ihr stets mit Rath und That zur Seite steht. Frau Martha ist troß ihres jezt sehr hohen Alters noch immer rüstig und nicht verbittert. Sie gibt der alten „Gotthelfin“ noch immer Audienzen, verfolgt mit ihr nach Kräften wohlthätige Zwecke und plaudert auch sonst zuweilen mit ihr, wie früher. Sie mag und kann von Allem und Jedem hören und sprechen, selbst über ihre Schwiegertochter und die Kinder derselben. Nur den Namen ihres Sohnes weist sie, wie gesagt, weit von sich, und da von Amerika aus ein Brief desselben an sie einlief, hat sie ihn ungelesen ins Feuer gesteckt. Ebenso darf man auch Bertha's gegen sie nicht erwähnen. Es geschieht freilich auch nicht. Die Dame ist, seit sie am Abend des lezten Tages aus dem Hause schied, mit ihrem alten Verwandten verschwunden und verschollen.

Es wird jezt etwa ein Jahr sein und in der Vorstadtwohnung wurde gerade die Hochzeit Mariens gefeiert, welche sich mit einem wackeren Manne verband, da langte plöglich Dorette mit Adinens beiden Kindern an.

Die schöne Mutter war vor wenig Wochen gestorben und ihre treue Dienerin Dorette wußte für die Kleinen keinen besseren Plaß als Haus und Herz der alten Bürgermeisterin. Darin hatte sie sich auch, wie die Leser nach Frau Martha's Sinnesart schließen werden, nicht getäuscht, die Kinder waren wohl aufgehoben und die alte Dame machte keinen Unterschied unter ihnen.

Lange behielt sie sie freilich nicht, denn nach einigen Monaten erschien eines Tages die blasse, noch immer die Trauer um den Gatten tragende Blanca Landenberg. Sie hatte eine lange, geheime Unterredung mit Frau Martha, und als sie Tags darauf zu ihren Eltern zurückreiste, wurde sie von Doretten mit den Kindern begleitet.

„Das ist eine Königin unter uns Menschen," sagte Frau Martha zu der Gotthelf.

Sir Walter Raleigh.

Von

Friedrich Bodenstedt.

Nachdruck wird gerichtlich verfolgt.
Bundesgesey Nr. 19, v. 11. Juni 1870.

Unter den Männern der Elisabeth'schen Periode, welche zu Englands Aufschwunge und Größe am meisten beigetragen haben, steht Sir Walter Raleigh in erster Reihe; ja, mit unbefangenem Urtheil muß man bei genauem Studium seiner Schriften und unparteiischer Würdigung seiner Thaten zu dem Resultate kommen, daß er der genialste von Allen war und sich auch durch eiserne Charakterfestigkeit und die unbeugsame Energie, womit er seinen hohen Zielen nachstrebte, vor Allen auszeichnete.

Es liegt eben in der Darstellungsweise unseres mit seinem Griffel zeichnenden Meisters, alles Große vorzugsweise an die Herrschernamen zu knüpfen, unter denen es vollbracht wurde, und die eigentlich treibenden und ausführenden Kräfte mehr in den Hintergrund zu rücken. Allerdings trifft sein Sag vollkommen zu: daß unter keiner Dynastie der Welt große nationale Umwandlungen von den persönlichen Absichten der Fürsten so abhängig gewesen sind, wie in England unter den Tudors, - doch läßt sich der Beweis führen, daß unter Elisabeth die nur zu oft unfähige Günstlinge an die Spitze der wichtigsten Unternehmungen stellte — Raleigh der Mann war, der am meisten dazu beigetragen, Englands Weltherrschaft zu begründen.

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Daß er von diesem Gesichtspunkte aus noch nicht die gebührende historische WürZu dieser Bedeutung des Mannes, die digung erfahren, erklärt sich aus verschiesich, wie wir sehen werden, in den verschiedenen Gründen. Erstens stand er niemals densten Richtungen bethätigte, steht die Beachtung, welche er bisher in der Geschichte gefunden, in gar keinem Verhältnisse. Es gilt das nicht blos von England, wo blin der Parteihaß lange sein Bild verdunkelt und man erst in neuerer Zeit angefangen hat, seinen Verdiensten einigermaßen gerecht zu werden: es gilt ebensowohl von der deutschen Behandlung englischer Geschichte, denn selbst in Ranke's großem und mit Recht berühmtem Werke, welches sich | vornehmlich mit der englischen Geschichte des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts beschäftigt, sind Raleigh, wenn man alle auf ihn bezüglichen Stellen zusammenzieht, | kaum ein paar Seiten gewidmet. Jedoch denkt Ranke keineswegs von ihm gering, wie aus dem Urtheil, das er über ihn fällt, hervorgeht: Auf das lebendigste nahm Raleigh die Bestrebungen dieser Zeit in sich auf. Er war ehrgeizig, prachtliebend, hochstrebend, in das Factionswesen des Hofes tief verstrict: aber zugleich von großartigem Unternehmungsgeiste, sinnvoll, nachdenkend. An allem Neuen, was in dem Reiche der Entdeckungen und Erfindungen, der Literatur und Kunst hervorgebracht wurde, nahm er den Antheil eines Mit strebenden: er lebte in der universalen Wissenschaft, ihren Aufgaben und Fortschritten. In seiner Erscheinung hatte er etwas, was einen Mann von überlegenem Geiste und Wesen ankündigte."

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an der Spiße der Staatsgeschäfte, noch an der Spize des Heeres, so daß sich der Ruhm der Thaten, deren Seele und Arm er war, niemals ganz und voll an seinen Namen knüpfte, ja, daß ihm der glückliche Erfolg fühner Unternehmungen sogar zum Verbrechen gemacht wurde, wenn unfähige und auf seinen Ruhm eifersüchtige Befehlshaber Ursache zu haben glaubten, sich über sein eigenmächtiges Vorgehen zu beklagen. Zweitens war sein Wirken zu mannigfaltiger Art, um leicht zusammengefaßt werden zu können, woher es denn kam, daß Vieles, was in unsern Augen seine Größe steigert, sie in den Augen seiner Zeitgenosseu verminderte. Der alte Lord Burleigh, ein bewährter Staatsmann von ungeheurer Zähigkeit, Ausdauer und Arbeitskraft, aber von höchst einseitiger Richtung, hatte, weil ihm selbst jede geniale Begabung fehlte, auch keinen Begriff von dem, was man den geistigen Ueberschuß in genialen Köpfen nennt. Er glaubte nicht, daß Jemand, der sich auf verschiedenen Gebieten bewegte, auf einem etwas Tüchtiges leisten könne. Gerade die Vielseitigkeit der Raleigh'schen Bestrebungen erschien ihm im ungünstigsten Lichte. Allem abhold, was zur Veredlung und Verschönerung des Lebens dient, konnte er sich in die Seele eines Mannes von höherem Fluge nicht hineinverseßen. In seinen Augen war Shakespeare nichts als ein geschickter Bühnengaukler, Spenser ein

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