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chologische Fragen drängen sich dabei auf | fultat eben jene Werke waren, nachspüren, nun auch nach und nach vor unserem forschenden Auge das Bild einer Seele entstehen sehen, der wir uns, wenn sie uns nahe wäre, gern in Freundschaft und Liebe anschmiegen und hingeben würden.

und werden, wenn auch nicht immer beant wortet, doch präciser und richtiger gefaßt und so einer zukünftigen Beantwortung näher geführt.

In allen diesen Beziehungen verdient gemiß das Leben des Ritters Karl von Linné mehr als das vieler Anderer ein recht eingehendes Studium, wegen des Reichthums äußerer Schicksale, innerer Entwicklung und der wahrhaft souveränen Stellung, die er zu seiner Zeit in der Wissenschaft einnahm, die er, nachdem er sie schnell errungen, mit Kraft behauptete, eine Stellung, wie sie in der ganzen Geschichte der Wissenschaften etwa nur noch Aristoteles eingenommen hat und für die Zukunft kaum je wieder einem Einzelnen möglich werden wird, da sich in der Wissen schaft mehr und mehr das frühere monarchische Princip in das des aristokratischen Republikanismus auflöst, welcher allerdings hier, aber auch wohl nur hier möglich, berechtigt und von Dauer sein wird.

Man unterscheidet wohl bei berühmten Männern den Held, den Dichter, den Künstler vom Menschen und glaubt sich oft zu dem Ausspruch berechtigt, daß Held, Dich ter, Künstler u. s. w. nur als Mensch betrachtet das Interesse nicht verdiene, wel ches der große Mann in seinen Werken sich erworben habe. Ich halte ein solches Urtheil immer für falsch und aus oberflächlicher Kenntniß des Menschen hervor gegangen, denn unser Interesse verdient jeder bedeutende Mann gewiß auch für seine innere Gemüths- und Verstandesentwicklungen, und wird dieses Interesse ja dadurch nicht bedingt, ob es zu Lob oder Tadel, Liebe oder Haß führt; noch ganz abgesehen davon, daß bei bedeutenden Menschen in der Regel die Mängel und Fehler so enge mit den großen Seiten verflochten und von denselben abhängig sind, daß man die einen von den andern gar nicht trennen kann. Sonnenaufgang und Gewittersturm, Colibri und Klapperschlange stehen für den ruhigen, objectiven Forscher auf derselben Stufe des Interesses. Nichtsdestoweniger ist es für den fühlenden Men schen bei Betrachtung eines Mannes wohl thuender und erhebender, wenn wir, indem wir zu den Thaten und Werken desselben den Schlüssel suchen und dem ganzen künstlichen Mechanismus der Seele, deren Re

Und ein solcher Mann ist eben Linné. Nicht der Botaniker allein, nicht der Reformator der ganzen Naturgeschichte, nicht der große Lehrer, der in einem Vierteljahrhundert fast ganz Europa mit seinen Schülern bevölkerte, nicht diese äußere Bedeutung allein ist es, die uns an die Betrachtung des Lebens dieses Mannes hinanzieht und fesselt, nein je mehr wir ihm näher treten, je vielseitiger sich der Mensch vor unseren Blicken entfaltet, je weiter wir allen den stillen Regungen seiner Seele nachspüren, desto verehrungswürdiger, desto liebenswerther tritt uns seine Erscheinung entgegen.

Ist

Aber indem ich mich dazu anschicke, das Leben dieses Mannes, wie es mir in meinem Innern aufgegangen ist, auch Andern darzulegen, desto größer werden meine Zweifel, ob ich die Fähigkeit haben werde, dieser Aufgabe gerecht zu sein. Sind doch schon im Allgemeinen die Schwierigkeiten einer biographischen Arbeit, die wirklich ges nügen foll, so außerordentlich groß. nicht der Spruch: „Mensch, lerne Dich selbst kennen," nur eine uralte und vielleicht nur von Wenigen gelöste Aufgabe unserer Weisen? Wer möchte von sich behaupten, daß ihm alle die geheimen Falten seines Herzens bekannt seien, daß er aller der tausendfachen Einwirkungen auf seine Anschauungen, Gedanken und Handlungen sich vollkommen bewußt sei, daß er die unzähligen Verschlingungen aller seiner Ansichten und Gefühle, wie ihre gegenseitige Einwirkung auf einander vollständig überblicken und sich klar aus einander legen könne? Wie viel ungünstiger noch steht nun der Biograph seinem Gegenstande gegenüber. Ist es schon unendlich schwer, den ganzen lebendigen Menschen, mit dem man eine halbe Lebenszeit in täglichem Verkehr steht, bei dem reger Austausch durch die Sprache alle als Handlungen erscheinenden Aeußerungen des innern Lebens begleitet und erläutert, ganz in seinem eigensten Wesen. und allen davon ausstrahlenden Erscheinungen zu erfassen und zu begreifen, so wird die Aufgabe ja noch unendlich viel

schwieriger da, wo von einem längst Gestorbenen nur seine Werke und sehr zerstreute Mittheilungen über sein ganzes übriges Sein uns erhalten sind und bei unsern Untersuchungen zu Gebote stehen. Welch ein anderes Bild gewährt ein Goethe, wenn wir ihn uns einzig und allein nach den von ihm selbst veröffent lichten Arbeiten vorführen oder wenn wir den ganzen Apparat von Briefwechseln, Mittheilungen von Freunden und Feinden, von Standesgenossen und Untergebenen mit zu Rathe ziehen, und doch war Goethe fast in seinem ganzen Leben ein Mensch, der sorgfältig vermied, irgend eine Dissonanz, die etwa in seinem Innern stattfand, auch nur in leisester Weise äußerlich erscheinen zu lassen, ehe er sie selbst wieder zur vollen Harmonie aufgelöst hatte. Wer würde jemals glauben, daß der Varnhagen von Ense, der die feinen, glatten Biographien geschrieben, möglicherweise der selbe Mensch sein könne mit dem, den wir uns nach seinen Tagebüchern zeichnen, wenu wir nicht historisch davon überzeugt sein dürften?

Die Werke eines Menschen sind, wenn auch immerhin ein bedeutender, doch immer nur ein kleiner Theil seines ganzen Wesens, seines Menschenthums, sie repräsentiren nur eine gewisse Seite seines geistigen Seins, das oft bei fehlender anderweitigen Kenntniß unmöglich richtig verstanden werden kann. Schon Jean Paul bemerkt sehr fein, daß kleine Schriftsteller meist interes santer sind als ihre Schriften, große aber unbedeutenir erscheinen und die Erwartungen, die ihre Werke in uns erregt haben, scheinbar nicht rechtfertigen. In den Werken, die irgend ein Mann selbst der Oeffentlichkeit übergiebt, hat er sich oft in einen gewissen Festtagsanzug geworfen und macht ein mehr oder minder künstliches Sonntagsgesicht, daß er im Schlafrocke auch liebenswürdig sein kann, läßt sich dar aus nicht so unmittelbar folgern. Ich glaube, es ist der seltenste Fall, wenn man nur die veröffentlichten Schriften eines Mannes ins Auge faßt, daß sich die triviale Redensart: le style c'est l'homme,"

Beiläufig bemerke ich, daß diese landläufige Sentenz dem Sinne und Worte nach falsch und nie von einem geistreichen Wanne ausgesprochen wurde. Buffon (Oeuvres choisies Liv. I. p. 25.) sagt: Wissen, Facta, Entreckungen geben noch

bewährt. Aber allerdings macht es einen sehr wohlthuenden Eindruck, wenn wir finden, daß der nämliche Geist, welcher uns aus den Werken eines Mannes auwchte, in allen seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten uns auch lebendig und verkörpert entgegentritt, sowie wir uns um die nähere, persönliche Bekanntschaft des Autors bewerben. Aber nie sind wir sicher, ohne anderweitige bestätigende Zeugnisse den Charakter eines Menschen rein, richtig und vollständig aus seinen Schriften entwickeln zu können.

Wenn die schon erwähnte Schwierigkeit der Selbsterkenntniß selbst die eigenen Aufzeichnungen eines Menschen über sich selbst als eine nicht immer absolut lautere Quelle über seine innerste Natur erscheinen läßt, so ist das bei Mittheilungen Anderer (Freunde oder Feinde) noch viel mehr der Fall. Leidet schon die Geschichte im Allgemeinen an der Unmöglichkeit einer völlig objectiven Darstellung, so wird das bei biographischen Aufzeichnungen nothwendig noch in viel größerem Maße der Fall sein (und dann allerdings wieder auf die Geschichte rückwirkend sich geltend machen). Dem einzelnen Menschen steht immer der Mensch mit seinen Sympathien und Antipathien, d. h. mit Vorurtheilen gegenüber. Wie unendlich selten wird der Fall eintreten, daß irgend ein ganz gleichgültiger und unparteiischer Zeitgenosse das Interesse hat, dem Leben eines Mannes mit Aufzeichnungen zu folgen, ein Zeitgenosse, der dem zu schildernden gemüthlich voll= ständig fremd und fern gegenüber und doch gesellig so nahe steht, daß er Gelegenheit hat, reiche und treue Beobachtungen zu machen. Gerade die Nähe, auf der die Möglichkeit unmittelbarer Auffassung eines Menschen beruht, ist auch fast unvermeidlich durch die freundliche oder feindliche, also parteiische Stellung, durch die sociale Ueber oder Unterordnung, die beide zu einer durchaus täuschenden Einseitigkeit fübren, bedingt. Wird doch selbst das sinnlich Erfaßbare fast immer mehr oder weniger durch die Brille der Beschauer entstellt und entspricht daher so selten selbst nur die ein fache Mittheilung eines beobachteten Vorganges genau demjenigen, was wirklich sich

keinen Anspruch auf Unsterblichkeit, sondern nur gut geschriebene Werke, „ces choses sont hors de l'homme, le style seul est de l'homme même.“

bei Allem, was nicht absolut gleichgültig erscheint, nach mehreren Zeugen, um nicht durch die Subjectivität des Einen zu einem falschen Urtheile verführt zu werden. Wie viel mehr hängt aber die Treue und Vollständigkeit der Auffassung bei einem geisti gen oder moralischen Acte von der Subjectivität des Beobachters ab. Ohne im Geringsten falsch, ungerecht, unwahr zu sein, wird fast nie ein Royalist einem Demokraten Gerechtigkeit widerfahren lassen, so wenig wie umgekehrt der Demokrat den Royalisten ganz verstehen und daher rich tig beurtheilen wird. Jede Ansicht, jede lleberzeugungsweise giebt uns Beurtheilungen im Voraus an die Hand, alles das, was unser Urtheil unterstüßt, scheint uns wichtiger, stärker hervortretend und wird leichter von uns aufgefaßt, während das, was mit unserer Beurtheilungsweise sich nicht verknüpft oder derselben gar wider spricht, unsere Aufmerksamkeit oft in so geringem Grade in Anspruch nimmt, daß wir es wohl ganz übersehen.

ereignete, und fragt man doch eben deshalb | turforschers in einer streng chronologischen, scheinbar trockenen Form vorlege, fo ge= schieht das nicht ohne genügenden Grund. In der allgemeinen, wie in der engsten Specialgeschichte ist der zum Grunde liegende feste Knochenbau immer die zeitliche Anordnung des Geschehenen. Diese muß vor allem Anderen festgestellt und wo möglich unerschütterlich begründet werden, ehe man zu einer geistigen Erfüllung und Belebung dieses Gerüstes schreiten kann. Gerade das giebt den ältesten Menschengeschichten das mythische und sagenhafte Ansehen, daß den Perlen von oft so leuchtendem geistigen oder sittlichen Glanze die feste Schnur fehlt, auf welcher man sie an einander reihen könnte, daß jene Völker in ihrer technischen Ausbildung noch durchaus nicht so weit fortgeschritten waren, um sich eine feste Zeitrechnung zu erfinden und dieselbe ihren Aufzeichnungen zum Grunde zu legen. Wie schwierig ist es z. B., eine sichere Geschichte der Reiche Israel und Juda zu schreiben, da die in unseren Quellen aufbewahrten Zeitbestimmungen so unsicher und oft so widersprechend sind, daß es selbst dem von den größten Forschern aufgebotenen Scharfsinne noch nicht gelungen ist, alle Unsicherheiten zu heben, alle Widersprüche auszugleichen. Zwar haben. die Römer eine feste Zeitrechnung nach Jahren seit Erbauung der Stadt Rom gehabt, aber wann Rom erbaut ist, wie daher die locale römische Zeitrechnung in die allgemeine Weltgeschichte einzuordnen. sei, ist und bleibt zweifelhaft und wird von den verschiedenen Forschern verschieden, nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit, angenommen. Ja, gehen wir auf die allerneueste Zeit über, so zeigen sich auch hier überall Ungenauigkeiten und oft nicht auszugleichende Widersprüche, wenn sie auch, je mehr wir uns der Neuzeit nähern, immer kleinere Zeitabschnitte umfassen. Während die ernstesten und gläubigsten Forscher in ihren Ansichten über den Zug Jakob's nach Aegypten noch um Jahrtausende aus einander sind, so handelt es sich in der neuesten Geschichte meist nur um einige Tage. Ich will hier nur beispielsweise einige wenige gerade biographische Thatsachen anführen. Ganz allgemein gilt der 27. Januar 1781 als der Geburtstag des Dichters Chamisso, aber sein Grabstein. bei Berlin nennt statt dessen den 30. Ja

Dieser großen Schwierigkeiten einer vollkommenen Biographie mir wohl bewußt, habe ich mich bemüht, der mir gestellten Aufgabe wenigstens nach Kräften dadurch gerecht zu werden, daß ich mir ein so richtiges Bild wie möglich von Linné's äußerem Leben zu zeichnen suchte und dann von seinem geistigen, sittlichen und religiö sen Leben so viele Seiten, wie ich mir zu gänglich machen konnte, auffaßte und wie dergab, ohne damit den Anspruch zu er heben, daß ich dadurch den so reich begabten, den so vielseitig und tiefentwickelten Menschen ganz und vollständig gezeichnet hätte. Ich habe hier nur Beiträge für einen zukünftigen, befähigteren Biographen, den Linné wahrlich verdient, liefern wol len und können. Dadurch zerfällt dann meine Darstellung des Lebens dieses Mannes in mehrere Gruppen von Betrachtungen, die sich dann wie einzelne ausgeführte Laubpartien an den dürren Stamm der äußeren chronologischen Geschichte anlegen

werden.

I.

Das äußere Leben Linné'§.

Wenn ich die zunächst folgende Darstel lung der auch für jeden Fremden offen da liegenden Lebensereignisse des großen Na

nuar. Auf dem Grabmal des Philosophen sich fest hingestellt ist, dann die einzelnen

Fichte ist als Todestag der 29. Januar 1814 angegeben, während sein Sohn in der Lebensbeschreibung des Vaters den 27. Januar nennt. Schiller wurde am 22. Februar 1790 in der Kirche zu Wenigen jena vom Sohne des dortigen Pfarrers, der Docent der Philosophie in Jena und zugleich Adjunct seines Vaters war, getraut. Die Kirchenbücher in Jena und Wenigenjena geben denselben Tag an. Schiller selbst in einem gleich nach der Hochzeit an Körner geschriebenen Briefe ebenfalls. Aber alle Biographien (die von Palleske ausgenommen), sogar die von Schiller's Schwägerin, nennen den 20. Februar als Hochzeitstag. Aehnliche Diffe renzen begegnen uns im Leben Linné's und können nur dadurch erledigt werden, daß man die Zeugnisse nicht zählt, sondern wägt. Nun ließe sich zwar recht wohl dieses chronologische Knochengerüste gleich mit Fleisch umkleiden, indem man bei jedem Tag und Jahre an jeder äußeren Begeben heit auch zugleich ihren Zusammenhang mit Linné's innerem Leben entwickelte. Ich habe aber absichtlich davon abgesehen, in der Ansicht, daß gerade dadurch dem Leser das Verständniß des ganzen Menschen erschwert, wonicht unmöglich gemacht würde. Viel richtiger scheint es mir, nach dem erst die chronologische Grundlage für

Anders Svenson,

Bauer zu Jomsboda. Seine berühmten Nachkommen, unter dem Namen Lindelius, starben 1712 aus.

Seiten des Geistes- und Gemüthslebens im ganzen Zusammenhang zu entwickeln, statt bald hier bald dort ein kleines Stückchen, bald von seinen geistigen Thaten, bald von seinen gemüthlichen Aeußerungen, bald von seinem innersten religiösen Leben mitzutheilen und es dem Leser zu überlassen, diese zerstreuten Glieder zu sammeln und sich zu einem lebendigen Ganzen zusammenzufügen.

Zwischen Jomsboda und Linnhult in Smaland stand eine uralte Linde und die Predigerfamilie in Rashult pflegte von derselben, wenn sie eine öffentliche Stellung einnahm, einen Beinamen zu entlehnen, so finden wir unter Linné's Vorfahren einen Tiliander (Lindemann), einen Lindelius und Linné's Vater, damals noch Comminister auf der Capellansbaustelle Rashult (nahe bei Stenbrohult) hatte sich von derselben Linde den Namen Linnäus zugelegt. Hier wurde demselben sein ältester Sohn Karl Linnäus gegeboren. Der folgende Stammbaum giebt die Geschichte der Familie, soweit dieselbe bekannt ist; wobei ich bemerke, daß bis auf Nils Linnäus keine Familiennamen in unserem heutigen Sinne vorkommen, vielmehr nach schwedischer Sitte als Zuname nur der Vorname des Vaters mit ange= hängtem „son“ (Sohn) gebraucht wurde. Swen.

Ingemar Svenson,
Bauer zu Jomsboda.

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schaften zu Stockholm an, geben als Geburtstag den 13/24. Mai. Wie Linné dazu kam, den Tag mehr als einmal als den 13/23. Mai zu bezeichnen, also nicht durch einen Schreibfehler, ist völlig unerklärlich. Im Jahre 1700, als man in Deutschland, der Schweiz, Holland und Dänemark den Gregorianischen Kalender annahm, betrug der Fehler in der Zeitrechnung gerade elf Tage, die man am Ende des Februar ausschied und gleich vom 18. Februar auf den 1. März überging. Derselbe Fehler galt natürlich auch für Schweden, obwohl | dasselbe erst im Jahre 1753 zum verbes serten Kalender überging. Der durch alle Quellen feststehende Geburtstag Linné's heißt der 13. Mai alten Stils und dieser Tag entspricht ohne Zweifel dem 24. Mai neuen Stils, richtig ist also allein der 13/24. Mai.

Im siebenten Jahre 1714 erhielt Linné einen Hauslehrer, Telander mit Namen, der aber ein sehr ungeschickter Pädagoge war und in dem Knaben jede Lust zum Lernen erstickte. Drei Jahre darauf kam Karl in die Trivialschule zu Wexiö. Was Telander etwa noch unangetastet gelassen hatte, wurde durch die Rohheit der Lehrer dieser Schule vollends vernichtet. Als man es zwei Jahre später mit einem besser gewählten Lehrer, Gabriel Höd, versuchte, schien es zu spät zu sein, den dem Knaben gegen alle Schularbeit eingeprägten Widerwillen noch wieder auszutilgen. Endlich 1722 kam Linné in die sogenannten Classen und wurde dadurch der Aufsicht der Hauslehrer entzogen; er benußte nun seine größere Freiheit nur, sich möglichst allen Studien zu entziehen und, wie es wenigstens erschien, fast nur mit Blumen zu spielen. Dieses Leben jezte er denn auch 1724 fort, als er in seinem achtzehnten Jahre auf das Gymnasium überging. Er war in allen Unterrichtsgegenständen der Unfähigste mit Ausnahme der Mathematik und Phyfil, welchen Vorträgen er mit Aufmerksamkeit folgte, so daß er in diesen Disci plinen sich bald als der beste Schüler erwies. Dabei las er Tag und Nacht in allen botanischen Büchern, die er sich verschaffen konnte, namentlich in den Werken von Tillands, Palmberg, Bromelius und Rudbed. Bei Lehrern und Schülern hieß er schon halb spottweise der kleine Botanicus.

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Im Jahre 1726 besuchte ihn sein Vater in Weriö und hörte einstimmig von allen Lehrern, daß der Knabe völlig unfähig zum Studiren sei und allerhöchstens zum Handwerker tauge. Der Vater war in Verzweiflung, und beschloß, den Knaben zu einem Schuhmacher in die Lehre zu geben. Da legte sich aber der Provinzialarzt Joh. Rothmann, dem der Vater bei einer ärztlichen Consultation seine Noth klagte, ins Mittel. Er hatte den jungen Linné in der Stille scharf beobachtet, erklärte dem Vater, daß sein Sohn ganz entschieden der bedeutendste Knabe auf dem ganzen Gymnasium sei und da der Vater ungläubig auf seine Mittellosigkeit hinwies, die ihm nicht erlaube, einen so zweifelhaften Versuch länger fortzusehen, so erbot er sich, dem Knaben Wohnung und Kost zu geben, wenn der Vater demselben gestatten wolle, Arzt zu werden, da er zum Predigerberuf allerdings kein Talent habe. Der Vater willigte ein; Rothmann nahm den jungen Linné ins Haus, gab ihm sogleich privatissime Unterricht in der Physiologie und lenkte seine botanischen Studien auf die Werke von Tournefort, die damals bei weitem die gründlichsten und geistreichsten waren. Seit den ältesten Zeiten hat bekanntlich kein bedeutender Mensch, der seinen Namen in die Tafeln der Geschichte eingraben durfte, dem Schicksal entgehen können, daß die Menge ohne Verständniß für wahres Verdienst und für das Wunder des Genius, ihn mit den Ausgeburten ihrer Phantasien und mit absurden Wundern in der Erscheinungswelt ausgestattet hätte. Auch Linné ist von fabelhaften Ausschmüdungen seines Lebens nicht befreit geblieben. Dahin gehört denn unter andern auch die von so Vielen nachgeschriebene, ich weiß aber nicht von wem zuerst erfundene Geschichte, daß er wirklich eine Zeit lang Schuster gewesen sei. Keine Originalquelle seines Lebens stüßt diese Fabel, die eine genaue Chronologie sogleich in ihrer Unmöglichkeit darstellt.

So brachte denn Linné ein Jahr in ernstem Fleiße hin und bezog 1727 die Akademic in Lund. Auch hier drohte das Schicksal, seine Laufbahn zu unterbrechen, denn ein Verwandter, auf dessen Unterstüßung er hatte rechnen dürfen, starb wenige Tage ehe er in Lund eintraf. Gabriel Höck, damals in Lund, nahm sich des

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