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uns oft vorkommen, als wollten wir alte Wunden aufreißen, vergessene Kränkungen auffrischen und boshafte Verläumdungen wiederholen.

Wir würden uns in der That gescheut haben, auf ein so viel besprochenes und angegriffenes Verhältniß zurückzukommen, wenn es uns nicht als eine Pflicht erschienen wäre, es mit dem Feuerschein der Wahrheit zu beleuchten, um die Apotheose des sitt lichen Charakters eines unserer besten und edelsten Dichter daraus hervorgehen zu lassen. Die Scheu vor der Oeffentlichkeit, die uns bisher abgehalten hatte, das berühmte Liebespaar der Neuzeit zu besprechen, ist durch das kürzlich erschienene Werk, welches Herr von Puttlig herausgegeben hat,* gehoben worden. Es sei hier gleich voran geschickt, daß wir kaum ein Buch kennen, das sich diesem Werk an die Seite sezen ließe; es ist das Muster einer biographischen Arbeit. Wahrheitsliebe, geistreiche Intuition und meisterhafte Darstellung einer seits, liebevolles Verständniß, poetische Anschauungsweise und scharfsinnige Kritik andrerseits vereinigen sich wie Geschwister hände, um das Bild des Dichters lebendig zu gestalten. Immermann's Geist schaut noch einmal mit seinem wundervollen Seherauge auf diese arme Welt, die er durch seine Poesie so gern verklären wollte. Dies Buch ist die Verklärung und Erläuterung seiner Werke. Niemand sollte sie in die Hand nehmen, ohne es vorher gelesen zu haben. Die Episode seiner unglücklichen Liebe zu Elise von Lützow-Ahlefeldt ist indessen nur nebensächlich, wenn auch mit tragischem Pathos, darin behandelt und wir halten es, wie gesagt, für eine Verpflichtung, die Darstellung derselben zu übernehmen, auch weil wir befähigt sind, aus eigener Wahrnehmung und Zeitgenossenschaft dem Bilde noch einige Züge hinzuzufügen, die, wenn auch nicht gerade zur Rechtfertigung, doch zur Deutlichkeit beitragen können. Auch werden wir des biographischen Werks von Ludmilla Assing über denselben Gegenstand, wenn auch meistens nur berichtigend, erwähnen.

Die Genealogie der Familie Immermann läßt sich bis zum dreißigjährigen

Karl Immermann. Sein Leben und seine

Werke aus Tagebüchern und Briefen an seine Fa= milie zusammengestellt. Herausgegeben von Gustav zu Buttlig. Berlin. Wilhelm Herz. 1870.

Krieg zurückführen; ein tapferer Sergeant dieses Namens kam mit dem Schwedenkönig nach Deutschland und siedelte sich-mit seiner Frau Ilse in dem Dörfchen Etgersleben im Magdeburg'schen an. Unter seinen Nachkommen war der Vater des Dichters der hervorragendste. Er bekleidete die ansehnliche Stelle eines Kriegs- und Domänenrathes, wie die Verwaltungsbeamten zur Zeit Friedrich's des Großen genannt wurden. Er hatte sich erst in reifern Jahren, wie später auch sein Sohn es that, mit einem ganz jungen Mädchen verheirathet, der Tochter des Domprobstes Wilda in Magdeburg. Sie war eine echte Dichtermutter, voll des wirksamsten Einflusses auf ihren Erstgeborenen, Karl, der am 24. April 1796 das Licht der Welt erblickte. Seine Kindheitserinnerungen muß man in seinen köftlichen Memorabilien nachlesen. Mit zehn Jahren brach der Lesehunger bei ihm aus, jene Kinderkrankheit des Geistes, die, wenn fie gut geleitet wird, fast immer den Keim zur Productivität hervorbringt. Mit zwölf Jahren schrieb er denn auch schon Novellen, mit vierzehn Jahren spielte er Komödie und dichtete Theaterstücke. Kaum den Kinderjahren entwachsen, zog er in den Krieg, 1814 und 1815. Dazwischen und nachher studirte er. Seine erste Schrift, die gedruckt wurde, war eine Abhandlung über das Duellunwesen, das damals in Halle in rohster Weise herrschte. Man hatte einen Studenten, der aus Armuth Nachdruck verkauft haben sollte, beleidigt, und als er sich weigerte, das deswegen nothwendig gewordene Duell anzunehmen, prügelten ihn die Mitglieder der Teutonia öffentlich und mißhandelten ihn aufs furchtbarste. Immermann zog sich durch seine dies rohe Verfahren verurtheilende Schrift eine gefährliche Feindschaft zu. Er sah sich sogar genöthigt, um seine Ehre vor Bedrohungen zu sichern, nach Berlin zu reisen und den König als Schiedsrichter anzurufen. Er erhielt die Genugthuung, eine Cabinetsordre des guten, gerechten Friedrich Wilhelm III. zu empfangen, die sein Verfahren ausdrücklich belobte und zugleich Maßregeln gegen den Unfug der Studenten verhieß. Dies Document verwahrte Immermann; mit Ehrfurcht und Rührung zeigte er später das vergilbte Papier vor.

Eine erste Jugendneigung wurde nicht erwiedert und diente nur dazu, die Liebes

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Die alterthümliche Bauart von Münster, wird, wenn edle geistige Strömungen sich die wie ein physiognomiereiches Matronen- berühren. antlig auf eine reiche Vergangenheit hinweist, wirkte dagegen gleich anregend auf Immermann's Phantasie und er schrieb an seine Mutter, er komme sich in seiner neuen Auditoruniform wie ein alter Ritter in den alten Straßen vor.

An zwanglose Geselligkeit in der Familie gewöhnt, fühlte er sich beklommen und uns behaglich in dem steifen Formenwesen, welches die Gesellschaft in Münster charakterisirte. Es herrschte zu jener Zeit noch ein starker Preußenhaß dort, und der reiche stolze Adel ging widerstrebend mit dem zahlreich nach Münster versezten Militärund Beamtenstande um; die Förmlichkeit war ein nothwendiges Ersagmittel für das gegenseitig fehlende Wohlwollen. Die Spißen der Behörden wohnten in dem ehes maligen fürstbischöflichen Schlosse, auf der einen Seite General von Thielemann, der bekannte Uebertreter aus sächsischen in preu ßische Dienste, und auf der andern Seite der berühmte Oberpräsident von Vincke. Beide gaben große, glänzende Gesellschaften, die aber im Rufe arger Steifheit und Lange weile standen. Immermann war durch seine amtliche Stellung gezwungen, in Ge sellschaft zu gehen, und klagte in allen seinen Briefen darüber. Aber einmal erzählt er, daß er bei einer solchen steifen Geschichte" die Frau kennen gelernt hat, die einen so großen Einfluß auf die Gestaltung seines Lebens gewinnen sollte.

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In einer Fensternische, von einem rothen Sammetvorhange unirahmt, erblickte er eine Dame in schimmerndem Atlaskleide, blondes Haar, weiße Schultern, ein leuchtendes nordisch-blaues Auge und eine feine hohe Gestalt ließen sie ihm wie eine Schönheit ersten Ranges erscheinen, was sie jedoch in Wirklichkeit keineswegs war. Dichter und aristokratische Frauen fühlen sich stets zu einander hingezogen wie Eisen und Magnet. Immermann ließ sich der Dame vorstellen; es war Elise von Lützow geborene Gräfin Ahlefeldt. Gleich ihr erstes Wort gab Zeugniß von dem Reiz und der originellen Wendung, die sie den altäglichen Gespräch formen zu verleihen wußte. Schon nach wenigen Augenblicken verließ die Unter haltung das gewöhnliche Geleise dieser Gesellschaften und ging über zu jener Schwungkraft der Gedanken, wie sie immer erzeugt

Am Morgen nach dieser ersten Begeg= nung hatte Immermann das Gefühl, als wäre eine große Veränderung mit ihm vorgegangen, als hätte irgend ein freudiges Ereigniß die Unbehaglichkeit seines Aufenthalts in Münster überwunden. Doch machte er sich bald klar, daß diese Erregung nicht in die Formen der Welt passe und es sogar nothwendig sei, seinen Besuch bei Frau von Lüßow, zu dem ihn sein Herz drängte, bis auf ruhigere Stimmung zu verschieben. Aber noch ehe er diese wiedererlangt hatte, flog ein rosenrothes Briefblättchen in seine Hand, mit einer Einladung, bei der Gemahlin Lüßow's eine Vorlesung zu halten. Dieser angenehmen Versuchung konnte er nicht widerstehen; er las sehr schön und sehr gern vor!

Ein Augenzeuge jener Tage, der Intendanturrath Loest, erzählt, daß er einst mit Immermann vor dem Hause des Generals von Lüßow zusammengetroffen sei; es war dies ein ehemaliges Kloster, das zur militärischen Dienstwohnung eingerichtet war. Ein verwittertes, moosbedecktes Steinbild der heiligen Elisabeth mit der Rosenlegende stand noch in einer Mauernische des Eingangs. Immermann blieb einen Augenblick in Gedanken versunken davor stehen und sagte: „Die Bewohnerin dieses Hauses versteht es auch, das trockene Brot des Werkeltaglebens in Rosen zu verwandeln."

Jedoch hat der eben erwähnte Berichterstatter ausdrücklich hervorgehoben, daß Immermann im Anfang seiner Beziehungen zu Frau von Lüßow mehrmals versuchte, sich zurückzuziehen und eine briefliche Aeußerung, die in dem von Buttlig herausgege= benen Buche angeführt wird, bestätigt dies. „Ich war drauf und dran, den dummsten Streich in meinem Leben zu machen," schrieb Immermann an seinen Bruder, „und mich in eine Frau zu vergaffen und so muthwillig das schöne geistige Verhältniß zu zerstören, welches ein edles, weibliches Wesen mit Vertrauen zu bilden im Sinne hatte."

Im Kreise der Münster'schen Freunde. galt das Verhältniß zwischen Immermann und der Frau von Lühow für ein durchaus nur auf schöngeistige, literarische Interessen basirtes, und die rosenfarbenen Zettelchen,

die hin- und herflogen, erregten keinerlei Friesen, der reine, begeisterte junge Verdacht, daß sich die Romantik des Herzens | Held, untadelhaft an Leib und Seele, der hineinschleichen könnte, so nahe derselbe wie ein lichter Schönheitsstrahl" in Arndt's auch lag.

Elise Gräfin Ahlefeldt war in Dänemark am 17. November 1788 geboren, also acht Jahre älter als Immermann; sehr frühzeitig hatte sich bei ihr der Hang zum Ungewöhnlichen entwickelt. Das Leben auf dem väterlichen Schlosse war ein auf regendes, ungeregeltes; die Eltern lebten in unglücklicher Ehe, der Vater war ein reicher Verschwender, liebte besonders das Theater; wie sein Standesgenosse, der Graf Hahn, hatte er beständig eine Schauspielertruppe auf seinen Gütern und widmete sich besonders den weiblichen Mitgliedern der selben. Seine Gemahlin trennte sich deshalb von ihm und ging mit ihrer lebhaften, anmuthigen einzigen Tochter nach Deutschland, wo grade der Franzosenhaß aufge flammt war. Elise lernte in Nenndorf den verwundeten Adolf von Lüßow kennen, der schon als Freiheitskämpfer unter Schill sich berühmt gemacht hatte.

Elisens Jugend und Anmuth, böse Zungen behaupten auch ihre Aussichten auf den Reichthum ihres Vaters, flößten dem jungen Krieger eine lebhafte Zuneigung ein. Gegen den Willen des Vaters, der einem armen preußischen Lieutenant seine Tochter nicht geben wollte, verlobte er sich mit Elisen | und harrte mehr als zwei Jahre auf die Erfüllung seiner Wünsche. Er war achtundzwanzig, fie neunzehn Jahre alt, als endlich die Heirath vollzogen werden konnte. Bald nachher brach der Krieg aus und die junge Frau wurde die Schutzpatronin von „Lützow's wilder verwegener Jagd." Die schwarzen Husaren mit dem Todten kopf versammelten sich in Breslau in ihrer | Wohnung, wo sie in Abwesenheit ihres Mannes ein förmliches Werbebureau einrichtete. Alle die angehenden Helden verehrten sie aufs innigste, namentlich Theodor Körner, Friedrich Förster, Jahn, Palm, Vietinghoff und vor allen Friedrich Friesen, der schöne blonde Deutsche, der von den Franzosen in den Ardennen meuchlings niedergemeßelt wurde. Sein Freund Bietinghoff sammelte später die edlen verstüm melten Glieder und führte dieselben in einem bleiernen Sarge dreißig Jahre mit sich herum, erst 1843 senkte er sie in deutsche Erde, wie er einst dem Freunde gelobt hatte.

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Gedichten besungen wurde, scheint in Elisen schon die Sehnsucht geweckt zu haben, ihre Seele zu schwunghafter, exaltirter Freundschaft erheben zu können. Sie betrauerte seinen Tod fast leidenschaftlich und behauptete immer, seine Geistererscheinung im Moment desselben gesehen zu haben. Seltsamerweise hat Immermann in seinem trefflichen Roman „die Epigonen“ dies Verhältniß geschildert, wie er überhaupt darin ein Charakterbild Elisens aufgenommen hat. Es ist ziemlich unzweifelhaft, daß er schon in seiner ersten Jugendzeit oft von ihr reden hörte, namentlich war die Anekdote damals sehr bekannt geworden, die man noch jezt von ihr erzählt, um den deutschen Enthusiasmus der dänischen Gräfin zu beweisen. Es war noch vor ihrer Bekanntschaft mit Lüßow, als ein französischer Offizier ihr die Hand füßte zum Zeichen seiner Huldigung und sie rasch eine Wasserflasche ergriff, um diese Berührung abzuwaschen.

Immermann nannte das Corps der Lüßower stets die „Poesie des Heeres" und Elise mußte ihm gleichsam wie die Verkörperung desselben erscheinen. Es war wie eine Art von Predestination, daß diese beiden Menschen sich begegneten! Elise sah in Immermann eine Wiederholung der reinen, starken, schwunghaften Jünglingsseele, die sie bei Friedrich Friesen so sehr bewundert hatte. Der Dichternimbus, der den Ersteren zu schmücken begann, als sie ihn kennen lernte, erseßte die patriotische Märtyrerkrone des Leztern.

Immermann trat in Elisens Lebenskreise, als diese ihr gerade sehr monoton und reizlos erscheinen mußten. Nach den Aufregungen, den Schmerzen und Freuden der Befreiungskriege war sie ihrem Gemahl in seine Garnison nach Münster gefolgt und fühlte sich dort einsam, unbefriedigt und gelangweilt. Der gute Lützow vermochte bei seiner etwas mangelhaften Bildung, seiner männlichen Neigung für Jagd, Pferde und Kartenspiel, seiner ganzen prosaischen Richtung, die nach der poetischen Begeisterung der Kriegszeit doppelt ernüchternd auf seine junge Frau wirken mußte, keinen wohlthätigen Einfluß auf sie zu gewinnen. Doch behandelte er sie in achtungsvoller Verehrung und beschränkte ihre Frei

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