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machen. Diese Bemerkungen sind freilich in den Einleitungen zerstreut, denn ich konnte sie nur da machen, wo der Tert dazu Anlaß gab, eine zusammen hängende Darstellung gehört in eine Geschichte der teutschen dramatischen Dichtkunst, welche für das Mittelalter noch zu bearbeiten ist. Denn was wir an solchen Schriften besigen, genügt selbst nach dem nicht, was bereits an Quellen bekannt gemacht ist. Zum Beweise gebe ich einige Beispiele. Kehrein (dram. Poesie der Deutschen 1840. 1,52-56) übergeht die altteutschen Schauspiele in Hoffmanns Fundgruben, ein Mangel, der in einem Buche um so mehr auffällt, als es für die Geschichte der dramatischen Dichtkunst bestimmt ist. Andere Schriften, welche die teutsche Literatur überhaupt behandeln, gewähren auch wenig Befriedigung. Bei Wachler (Vorles. über die Gesch. der teutschen Nat.-Lit. 2. Aufl. 1834. 1, 141) werden herkömmlich Rosenplüt, Folz und Schernberg genannt, aber keine Auskunft gegeben über Ursprung, Anlage und Ausbildung der Schauspiele. Gervinus (Gesch. der Nat.-L. 2, 358 flg.) erkennt zwar richtig den Zusammenhang zwischen dem altteutschen Schauspiel und den zeichnenden Künsten, verwechselt aber die Allegorie mit der Vorbildlichkeit, d. h. die Parabel mit der Geschichte, wodurch er auf einen allegorischen Juhalt als Ursprung des Dramas geleitet wird, was unrichtig ist, weil der ursprüngliche Inhalt des alten Schauspiels geschichtlich

war.

Den Zusammenhang des Schauspiels mit dem Gottesdienste kennt er nicht, darum bleibt ihm auch der musikalische Charakter des alten Dramas unerklärlich.

In einer späteren Schrift (Handbuch der Gesch. d. teutsch. Lit. 1842. 177. 178) beschreibt er die äußere Beschaf= fenheit der alten Schauspiele ziemlich gut, geht aber auch darin auf ihre innere Anlage nicht ein. Koberstein (Grundriß der Gesch. der teutsch. Nat.-Lit. 3. Aufl. 1837. S. 305) enthält mehr Notizen als Wachler, läßt jedoch die Fastnachtsspiele zu gleicher Zeit mit den Mysterien entstehen und kennt den eigentlichen Ursprung dieser leßten nicht, indem er ihren Inhalt nur im Allgemeinen auf die Bibel und Legende zurückführt, aber die specielle Beziehung auf den Gottesdienst und das Kirchenjahr nicht angibt. Pischon (Leitfaden zur Gesch. der teutsch. Lit. 7. Aufl. 1843) beschränkt sich auf die Namen wie Wachler. Brederlow (Vorles. über die Gesch. der teutsch. Lit. 1844. 1, 166) wiederholt dieselben Namen und läßt nach gewöhnlichem Irrthum das eigentliche Schauspiel in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zu Nürnberg ent stehen, und zwar aus dem Fastnachtsspiel (S. 167). Dieß war aber nur ein Auswuchs des alten Schauspiels, ein Verderbniß desselben, woraus man nicht den Ursprung des Dramas ableiten kann, ohne das Trauerspiel gänzlich auszuschließen. Besser hat Vilmar (Gesch. der teutsch. Nat.-Lit. 1845. S. 316) über die Anfänge und den Charakter des alten Dramas gehandelt und sich auch um Erweiterung der Quellenkenntniß bekümmert. Da sich in neuester Zeit die Schriften über die Geschichte der teutschen Literatur vermehren, so ist es um so nöthiger, richtige Ansichten über den dramatischen Theil dersel= ben aufzustellen, nicht nur um die Verbreitung irriger

Begriffe zu verhüten, sondern auch den Gegenstand umfassender zu behandeln als bisher geschehen. Dazu gehört namentlich, daß man den Inhalt der teutschen Schauspiele in einer Uebersicht neben einander stellt und die französischen Seitenstücke dabei beachtet. Da nämlich derselbe Stoff mehrmals behandelt wurde, so läßt sich die Art der Abfassung, die relative Vollständigkeit, der Ursprung oder die Nachahmung der einzelnen Spiele nur durch die Vergleichung mit andern richtig beurtheilen. Von dieser Untersuchung hängt die künstlerische Würdigung der alten Schauspiele ab, wenn man sie ästhetisch betrachten will, nicht aber von den Kunstregeln des heutigen Dramas, weil dieses eine ganz andere Grundlage hat als die Spiele des Mittelalters.

Den Zusammenhang der alten Schauspiele mit dem Gottesdienst und der Mystik, mit den redenden und zeichnenden Künsten, mit den Sitten und Spielen des Volkes suchte ich in diesem Werke vollständiger darzulegen, als in der früheren Schrift, weil es viel zum Verständniß beiträgt, alle diese Beziehungen zu kennen. Für die Aufführung und Anordnung der alten Theaterstücke konnte ich ungleich mehr Nachweisungen geben, welche hauptsächlich für die Geschichte der Schauspielkunft von Interesse sind. Die größere Rücksicht auf die alte dramatische Literatur, namentlich der Franzosen, wird ebenfalls zur erweiterten Kenntniß dieses Faches nüßlich seyn, wenn ich auch dabei mich auf die Stücke beschränken mußte, die ich bekannt mache.

Die Franzosen haben für das alte Drama ihres Volkes

mehr gethan, als die Leutschen für das ihrige, nicht nur durch zahlreiche Ausgaben, sondern auch durch Mittheilung und Verständlichung der Musik. F. Michel versäumte nicht, dieß Verdienst geltend zu machen und zu sagen: dans ce mouvement la France, comme presque toujours, a ouvert la marche: aussi en peu de temps les travaux de ses littérateurs et de ses bibliophiles l'ont mise en état de présenter à ses enfans et aux étrangers une couronne dramatique nou moins riche et non moins brillante que celle de ses rivales (Vorrede zu seinem théatre français du moyen âge). Eine ähnliche Aeußerung eines Franzosen hat vor neunzig Jahren den Gottsched aufgeregt, zur Ehrenrettung des teutschen Volkes sein Buch: „nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunft" herauszugeben. Gleicher Wetteifer hat aber meine Sammlung nicht veranlaßt, sondern da ich für andere Forschungen viele Handschriften durchsuchen mußte, so nahm ich dabei Rücksicht auf das alte Schauspiel und gebe, was ich gelegentlich gefunden.

Ein Glossar habe ich nicht beigefügt, weil ich diese Terte für ein altteutsches Wörterbuch benüßen will, welches für meine geschichtlichen Arbeiten nothwendig wird, was mich eben bestimmte, diese Schauspiele schon jezt bekannt zu machen.

Karlsruhe, den 7. November 1845.

F. J. Mone.

Einleitung.

Die Schauspiele des Mittelalters, besonders die teutschen, find wenig bekannt, denn sie scheinen für die Forschung nicht anziehend und sind für die Nachahmung unbrauchbar. Sie fiengen an im zwölften Jahrhundert, verloren sich allmälig im siebenzehnten, und für immer. Ein so abgeschlossener, veralteter Gegenstand hat für die neue Zeit keinen praktischen Reiz, für die Wissenschaft aber bleibt die Aufgabe, in der Geschichte der teutschen Volksbildung das Schauspiel des Mittelalters zu beachten. Geschieht es nur, um die äußerliche Vollständigkeit der Literaturgeschichte zu erreichen, so werden damit auch nur die Büchernotizen vermehrt, dringt man aber in den Geist und die Wirkung jener Schauspiele ein, so lernt man einen Theil der alten Volksbildung im Innern kennen. Was so lang die Gemüther bewegte, wie das Schauspiel des Mittelalters, verdient schon deshalb eine Rücksicht, denn die lange Wirkung segt einen Grund voraus, der tief im Gemüthe des Volkes lag. Heutzutage ist freilich das Schauspiel zur bloßen Unterhaltung verflacht, wie das Heldenlied im Roman versiegt, dadurch aber wird die Erforschung der Heldensage so wenig überflüssig als die Betrachtung des alten Schauspiels.

Mone, Schauspiele.

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